Protokoll der Sitzung vom 21.07.2006

Dass das auch im ländlichen Raum funktioniert, zeigt sich in Ansätzen beim Gymnasium Schkeuditz. Aus der Schulfusion zwischen den beiden Gymnasien Schkeuditz, Landkreis Delitzsch, und Markranstädt, Landkreis Leipziger Land, ging das Gymnasium Schkeuditz mit der Außenstelle Markranstädt hervor. Die Klassenstufe 11 beider Gymnasien hat seit 2003 gemeinsame Kurse in den Fächern Chemie und Physik. Diese Kurse finden in Schkeuditz statt und betreffen zirka zehn Schüler. Der Bustransfer wird vom Schulträger getragen.

Last, but not least kann man einen völligen Umbruch der Oberstufe nicht übers Knie brechen, sondern muss die schulischen Akteure und Gremien einbeziehen. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, die Sie noch nicht begriffen haben und mit Scheinbeteiligungsformen ersetzen wollen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Die CDU-Fraktion; Herr Seidel, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt das Kontrastprogramm.

Die Vorstellungen des Kultusministeriums zur Reform der gymnasialen Oberstufe unterstützen wir. Wir unterstützen dabei die Idee der Erweiterung des Pflichtbereichs in den naturwissenschaftlichen Fächern Biologie, Chemie und Physik. Es kann uns einfach nicht gleichgültig sein, meine Damen und Herren, mit welchem Ausbildungsstand unsere Jugendlichen an die Universitäten kommen. Denn wir müssen dafür sorgen, dass sie studierberechtigt sind oder dass sie einen ordentlichen Beruf erlernen. Wir hatten gerade vor wenigen Minuten die Debatte über Leute, die zu wenig Wissen haben, um einen ordentlichen Beruf zu erlernen. Deshalb können wir das nicht ganz so auf das Kind oder auf den Jugendlichen projizieren, sondern müssen schon dafür sorgen, dass ein gewisses Niveau vorhanden ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir, meine Damen und Herren, freuen uns über den Reformvorschlag, den wir schon lange auf unserer Agenda hatten, und wir erfreuen uns auch der Zustimmung der Vertreter der Wirtschaft, der Ingenieurkammern und der Hochschulen. Denn die Kernkritik der Hochschulen und Universitäten am heutigen Kurssystem betrifft die Abwahlmöglichkeiten von Unterrichtsfächern, die die

Studierfähigkeiten, insbesondere in Naturwissenschaften, beeinträchtigen.

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Seidel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte das fertig ausführen, wir kommen dann noch ins Gespräch, Frau GüntherSchmidt.

Es erschließt sich auch nicht, dass etwa ein Schüler, der am Gymnasium Biologie und Chemie abwählt, anschließend Medizin studiert, sich mit viel Mühe, Aufwand und Kosten die Studierfähigkeit trotz Abiturs erst erarbeiten muss. Leider scheitern auch viele daran.

Ich begrüße die Diskussion zwischen Lehrern, Eltern und Schülern, die noch längst nicht abgeschlossen ist. Allerdings denke ich im Gegensatz zu manchen Kritikern nicht, dass die Gesellschaftswissenschaften und die Sprachausbildung benachteiligt werden. Immerhin muss eine fortgeführte Fremdsprache als fünfstündiger Leistungskurs oder in einem vierstündigen Grundkurs gelehrt werden. Eine zweite Fremdsprache wird verpflichtend eingerichtet. Auch Geschichte, Gemeinschaftskunde, Rechtserziehung, Wirtschaft und Geografie werden als Pflichtfächer behandelt. Dies wären dann mindestens sechs Stunden Unterricht in Gesellschaftswissenschaften, mit entsprechender Auswahl im Wahlbereich auch noch mehr. Neben Deutsch und Mathematik wird auch eine Gesellschaftswissenschaft Prüfungsfach sein. Alle Leistungen, die in der 11. und 12. Jahrgangsstufe erbracht werden, sollen in die Gesamtqualifikation einfließen.

Nach dem derzeitigen Diskussionsstand müssen nur vier von über 20 Lehrplänen geändert werden. Auch diese bleiben natürlich in ihrer grundlegenden Substanz erhalten und müssen lediglich angepasst werden.

Meine Damen und Herren! Ich danke an dieser Stelle allen Lehrerinnen und Lehrern, die sich in den letzten Jahren um die Erarbeitung dieses umfangreichen neuen Lehrplanwerks verdient gemacht haben – und das waren nicht wenige.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Wir begrüßen das vorgesehene verstärkte Lernen im Klassenverband und damit die Einschränkung der Wahl der Leistungskurse. Die Notwendigkeit ergibt sich auch daraus, dass zeitgleich mit dem In-Kraft-Treten der neuen Lehrpläne in der Sekundarstufe II die Schülerzahlen aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge stark absinken werden. Insbesondere im ländlichen Raum werden Gymnasien künftig häufig zweizügig laufen müssen. Es wird demnach mehr Ausnahmen nach § 4a des Sächsischen Schulgesetzes geben. Wir müssen schon davon ausgehen, dass es im ländlichen Raum Schulen geben

wird, an denen etwa 40 Schülerinnen und Schüler pro Jahrgang in der Sekundarstufe II unterrichtet werden.

Herr Seidel, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Seidel, ist Ihnen eigentlich bewusst, dass die neue Lehrplangeneration, von der Sie gerade gesprochen haben und die 2008 für die 11. Klassen wirksam wird, neu geschrieben werden muss, wenn das neue System kommt?

Es werden vier von 20 Lehrplänen überarbeitet werden müssen – mehr nicht. Alle anderen bleiben erhalten, weil wir auch noch Lehrpläne für St. Afra und für die Paragraf-4-Gymnasien, die wir in großer Zahl haben, benötigen. Nach jetzigem Stand sind es vier Lehrpläne, die überarbeitet werden müssen.

Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte.

Sehen Sie trotz der knappen Zeit die Möglichkeit, die Lehrpläne wirklich umfangreich inhaltlich zu überarbeiten, auch wenn es nach Ihrer Auffassung nur vier sind?

Ich denke schon, dass es unsere Lehrerinnen und Lehrer in einem Jahr schaffen werden, die Lehrpläne zu überarbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Bereits heute erschweren geringe Schülerzahlen in einigen Gymnasien in der Sekundarstufe II die Organisation der gymnasialen Oberstufe nach dem bisher geltenden Kurssystem und benachteiligen den Schüler, dessen gewünschte Kurse nicht angeboten werden können. Hinzu kommt, dass unsere Schüler ihre Leistungs- und Grundkurse häufig nach dem Prinzip des geringsten Aufwandes und nicht nach ihrer späteren Studienrichtung wählen. Darauf bin ich schon eingegangen. Dadurch werden die umfassende Vermittlung von Allgemeinwissen und die Studierfähigkeit nicht gerade unterstützt.

Nun zum vorliegenden Antrag unserer GRÜNEN.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh! – Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE: Vorsichtig! – Uwe Leichsenring, NPD: Wir wollen sie nicht haben!)

Der volle Name lautet BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Eine Kooperation von Gymnasien, um die Einrichtung von Leistungskursen zu erleichtern, ist nur an größeren Standorten und damit in Großstädten möglich, aber eben

nicht in den dünn besiedelten ländlichen Gebieten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich die Schüler meist so stark mit ihrer Schule verbunden fühlen, dass sie lieber auf das gewünschte Kursangebot verzichten als die Schule zu wechseln.

Hier wird das Modell vorgeschlagen, einerseits die Vorteile des Unterrichts im Klassenverband zu nutzen, aber andererseits die Möglichkeiten einzuräumen, Leistungskurse freiwillig zu wählen und dies in Schulverbünden in ökonomisch vertretbaren Kursgrößen zu gewährleisten. In ländlichen Gebieten, meine Damen und Herren, werden bei einer derartigen Organisation des Unterrichts die Schulwege zu lang und teilweise unzumutbar. Das führt zur Beeinträchtigung von Bildungschancen.

Ich möchte hier für den Vorschlag des Kultusministeriums mit der Möglichkeit der Einrichtung von Leistungskursen nur in Mathe, Deutsch und einer Fremdsprache plädieren. Dann werden überall im Land vergleichbare Bedingungen und Möglichkeiten für unsere Schülerinnen und Schüler vorgehalten.

Außerdem bin ich wie die Vertreter der Hochschulen, der Ingenieurverbände und des Philologenverbandes der Meinung, dass überhöhte Inhalte in den Leistungskursen durch einen breiteren anwendungsorientierten Kernbereich ersetzt werden sollten. Ich bin deshalb für ein neues Strukturmodell, das organisatorisch einfach, effektiv und pädagogisch wirkungsvoll ist. Das Gymnasium soll keine Spezialisten ausbilden, sondern Schüler mit einem breiten Kompetenzspektrum und mit der Fähigkeit zu wissenschaftlichem Lernen ausstatten.

Im Gegensatz zur Fraktion der GRÜNEN denke ich auch, dass für die Diskussion ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Nachdem die sächsischen Philologen die Diskussion bereits im Januar eröffnet haben, rief das Staatsministerium für Kultus mit einem Schreiben von Mitte April die Gymnasien, die Regionalschulämter sowie zahlreiche Vertreter von Institutionen und Hochschulen zur Diskussion über die Grundzüge der geplanten Änderungen auf. Diese Diskussionsphase dauert bis Ende Juli an. Der Schulausschuss wird sich nach der Sommerpause mit dem Reformmodell auseinander setzen.

Zu Punkt 1 bis 3 des Antrages möchte ich ausführen, dass wir das gemeinsame Ziel haben, Schülerinnen und Schüler auf hohem Niveau zum Abitur zu führen. Auch wir sind für eine intensive individuelle Förderung, nur erfordert das nach unserer Auffassung eine möglichst homogene Schülerschaft mit überdurchschnittlichen Begabungen an den Gymnasien. Natürlich kann das auch Schüler einschließen, die beispielsweise sprachlich und gesellschaftswissenschaftlich überdurchschnittlich, aber mathematisch-naturwissenschaftlich nur durchschnittlich begabt sind.

Ihren Wunsch, wesentlich mehr Schüler als heute zum Abitur zu führen, verstehe ich so, dass Sie nicht alle Leistungsreserven von überdurchschnittlich begabten Schülern ausschöpfen, sondern eine Angleichung der Fähigkeiten und Fertigkeiten und damit eine Vereinheitli

chung herbeiführen wollen. Dahinter steckt für mich die Idee, das Gymnasium zur Gesamtschule mutieren zu lassen. Das lehnen wir nach wie vor ab.

In unserem differenzierten Schulsystem können Schüler mit Realschulabschluss die Fachoberschule besuchen und dort nach zwei Jahren die Fachhochschulreife erlangen. Zusätzlich gibt es den Weg über das berufliche Gymnasium oder das Abendgymnasium, um auch mit Realschulabschluss das Abitur zu erreichen. Es gibt keine Sackgassen in unserem System. Die Notwendigkeit, das Gymnasium zur Regelschule zu machen, gibt es nicht.

Die Einführung der von den GRÜNEN geforderten flexiblen Oberstufe, die beinhaltet, dass die Oberstufe bis zu vier Jahren dauern kann, ist nicht nur organisatorisch schwierig, sondern zielt ebenfalls auf diese Niveausenkung ab.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: In Finnland gibt es das!)

Herr Seidel, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage von Frau GüntherSchmidt?

Ja, bitte schön.

Bitte schön.

Herr Seidel, teilen Sie meine Einschätzung, dass der Erwerb des Abiturs auf einem beruflichen Gymnasium ein Beleg dafür ist, dass vorher „falsch“ aussortiert wurde?

Nein, die Einschätzung teile ich nicht. Ich könnte Ihnen nur sagen, dass bei manchen Schülerinnen und Schülern der Knoten später platzt, bei anderen kann man die Begabung früher erkennen, und für diejenigen, bei denen der Knoten später platzt, ist genau diese Einrichtung gut. Ich finde es auch gut, dass wir an dieser Art des beruflichen Gymnasiums eine erhöhte Berufsorientierung haben, die in naturwissenschaftlich-technische Bereiche geht, sodass wir in diesem Studienbereich auch mehr Leute bekommen können. Ich teile Ihre Auffassung also nicht.