Nein, die Einschätzung teile ich nicht. Ich könnte Ihnen nur sagen, dass bei manchen Schülerinnen und Schülern der Knoten später platzt, bei anderen kann man die Begabung früher erkennen, und für diejenigen, bei denen der Knoten später platzt, ist genau diese Einrichtung gut. Ich finde es auch gut, dass wir an dieser Art des beruflichen Gymnasiums eine erhöhte Berufsorientierung haben, die in naturwissenschaftlich-technische Bereiche geht, sodass wir in diesem Studienbereich auch mehr Leute bekommen können. Ich teile Ihre Auffassung also nicht.
Herr Seidel, ist Ihnen bekannt, dass die flexible Oberstufe ein Bestandteil des finnischen Schulsystems ist und das finnische Schulsystem, nach allem, was wir wissen, deutlich besser ist als unseres?
Das Schulsystem in Finnland ist deutlich anders als das deutsche Schulsystem. Ich würde mir einiges davon wünschen. Vor allem würde ich mir
wünschen, dass die finanziellen Mittel, die dem dortigen Schulsystem zur Verfügung stehen, auch bei uns in Deutschland zur Verfügung stünden und so hoch wären. Dass die Lehrergehälter entsprechend kleiner sind, das wissen Sie ebenfalls. Man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen und zwei vollkommen unterschiedliche Systeme hier in einen Topf werfen.
Meine Damen und Herren! Ich komme zurück. Die Forderung der GRÜNEN, dass die Oberstufe bis zu vier Jahren dauern soll, ist für mich organisatorisch ausgesprochen schwierig zu handeln und läuft der Diskussion zur Verkürzung der Ausbildungszeiten in unserem System deutlich entgegen.
Ich möchte nur daran erinnern, dass Sachsen das Abitur nach zwölf Jahren nach der friedlichen Revolution beibehalten und deutschlandweit über die Kultusministerkonferenz durchgesetzt hat. Es wurde bereits in 14 weiteren Bundesländern eingeführt. Wir sollten jetzt keine Gegenoffensive starten. Wir lehnen deshalb den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.
Meine Damen und Herren! Das Beispiel, das uns Frau Günther-Schmidt von Markranstädt und Schkeuditz präsentiert hat, ist falsch erläutert. In Schkeuditz lernen die Jugendlichen gemeinsam in der 11. und 12. Klasse, und zwar an allen Fachbereichen in diesem Gymnasium.
Ansonsten wünsche ich Ihnen angenehme und erholsame Sommerferien, wenn Sie wollen, auch mit viel Grün. Das ist in dem Fall der Sommerferien auch total unschädlich.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Herr Seidel, ich wundere mich immer, wie Sie mit Begriffen umgehen. Sie sagen, Sie wollen eine möglichst homogene Schülermasse fördern, und das im Klassenverband. Das ist naturgemäß schwer möglich. Aufgrund der Verschiedenheit von jungen Menschen, wenn ich sie im Klassenverband belasse, lasse ich sie in ihrem heterogenen Zusammenhang und muss sie dann, wenn ich sie auf hohem Niveau fördern will, gerade individuell fördern. Da erkennen Sie an, dass es ein Problem gibt, was die Bildung der Leistungskurse angeht, gerade auch im ländlichen Raum. Aber anstatt zu sagen, wir wollen die individuelle Förderung auf hohem Niveau, und deswegen ermöglichen wir es zum Beispiel, indem wir geringere Kurswahlkennzahlen zugrunde legen, sagen wir doch dann lieber: Mittelmaß für alle, alle sollen das Gleiche lernen. Das ist gerade dem Anspruch der Förderung auf hohem Niveau und individuell entgegengesetzt. Gerade auch das aggressive Missver
Die Prüfungsphase, die Sie Diskussionsphase nannten, das, was in der Prüfungszeit gelaufen ist, ist eine Sache für sich. Da schickt der Kultusminister Ende April, quasi zu Beginn der Prüfungszeit, an die Gymnasien ein Schreiben und sagt, wir wollen die Struktur der Oberstufe verändern. Vorschläge sollen binnen zwei Monaten, nämlich den Prüfungsmonaten, in denen die Kollegen entsprechend eingebunden sind, von den Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrern erarbeitet werden. In Kraft treten soll das Ganze dann binnen eines Jahres. Der zuständige Fachausschuss im Parlament ist nicht einbezogen, und der Beantwortungszeitraum gibt den Kolleginnen und Kollegen kaum Gelegenheit, sich einzubringen. Zu dem fragwürdigen Verfahren aber wird meine Kollegin Cornelia Falken weitere Ausführungen machen.
Zu einer inhaltlichen Analyse des Sachverhaltes. Schauen wir uns doch erst einmal an, was der Kern Ihrer Oberstufenreform ist. Es geht um eine Einschränkung der Wahlfreiheit in der Oberstufe. Es sollen nur noch Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen als Leistungskurse wählbar sein. Alle anderen Fächer – und derer viel mehr, nämlich zum Beispiel drei Naturwissenschaften – sollen wieder im Klassenverband unterrichtet werden. Sie wollen erklärtermaßen die Naturwissenschaften fördern, indem Sie drei Fächer zur Verpflichtung machen. Damit erhöhen Sie den Druck, die Stofffülle, und Sie ermöglichen keine Spezialisierung und Vertiefung mehr. Sie ermöglichen auch keine Vertiefung für diejenigen Schüler, die Leistungsbereitschaft und –vermögen in den Fächern aufbringen. Der Unterricht wird nach herkömmlicher Methode Mittelmaß. Was haben Sie und die Schülerinnen und Schüler davon?
Schon Prof. Schleicher vom Pisa-Konsortium sagte in einem Interview zur Auswertung der naturwissenschaftlichen Kompetenz von Schülerinnen und Schülern: Selbst wenn sie die jungen Menschen durch die Fächer durchgebracht haben und die dann hinterher sagen, mit Mathe und Naturwissenschaften will ich nie wieder etwas zu tun haben, dann ist die naturwissenschaftliche Kompetenz, das Ziel und der Entdeckungswille der Schülerinnen und Schüler nicht ausreichend gefördert worden. Davon hat dann am Ende keiner etwas.
Wenn Ihnen tatsächlich an der Förderung naturwissenschaftlicher Kompetenz gelegen wäre, dann ermöglichten Sie die Einrichtung von Leistungskursen in Chemie, Biologie oder Physik mit weniger Schülern, damit diese auch in der Fläche in größerer Anzahl entstehen können.
Aber gerade diese Wahlfreiheit in der Oberstufe wollen Sie einschränken, genauer gesagt, abschaffen, denn welche Wahlfreiheit bleibt dann noch, wenn Mathe, Deutsch und Fremdsprachen als Leistungskurse gesetzt sind und nahezu alle restlichen Fächer ebenso verpflichtend unterrichtet werden? Es ist ein völliges Umdenken in der Oberstufe. Wenn man sich das Portfolio ansieht und selbst in Ihrer Logik, frage ich noch immer, was die Abwertung der Gesellschaftswissenschaft in Ihrem Kursmodell an der Stelle zu suchen hat. Warum soll Geschichte nicht mehr als Leistungskurs angeboten werden können? Ich setze auch hier eine besondere Hoffnung in die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass sie diese Kröte nicht schlucken werden, denn im Koalitionsvertrag ist die besondere Wertschätzung des Faches Geschichte festgeschrieben. Wir erwarten zumindest in diesem Punkt eine umgehende Kurskorrektur.
Weitere Punkte. Die Studierfähigkeit wird durch den Wegfall individueller Vertiefung eingeschränkt. Das ist ein hartes Thema in der bildungspolitischen Diskussion, gerade auch zwischen den Koalitionspartnern. Darum gehe ich auf einige weitere Punkte ein.
Die Studierfähigkeit wird eingeschränkt durch den Wegfall individueller Vertiefung, durchaus auch durch den Wegfall der Notwendigkeit eines Stückchens Selbstorganisation. Das ist ein Qualitätsabfall, den sich keiner wünschen kann, auch nicht die Universitäten. Wenn Sie sagen, dass die Schülerinnen und Schüler die Naturwissenschaften nicht mehr besucht haben, einen Kurs, in dem sie immer an der Oberfläche geblieben sind, weil keine Vertiefung möglich war, dann nutzt es den Universitäten genauso wenig. Selbst Organisation muss in den Schulen genauso gelernt werden.
Sie sagen, dass Sie die eigenständige Profilbildung der Schulen – eines der hehren Ziele zum Thema Qualitätsentwicklung, die Sie immer formulieren – wollen. Dann können Sie doch aber kein Kurswahlsystem ohne Spielraum der Einzelschule festschreiben. Das ist inkonsequent. Wieder verkündet die Staatsregierung das eine und tut das andere. Wir können das nicht akzeptieren. Es liegt der Verdacht nahe, dass durch die Wiedereinführung des Klassenunterrichtes einfach Lehrerstellen eingespart werden sollen.
Natürlich brauchen Sie weniger Lehrerkapazitäten, wenn Sie im Klassenverband unterrichten statt in spezialisierten Kursen. Wir haben sehr genau beobachtet, wie im Anschluss an den Tarifvertragsabschluss Klausurenkurse an den Schulen zusammengelegt worden sind, weil die den Schulen zugewiesenen Lehrerstunden einfach nicht ausgereicht haben. Aber jetzt wollen Sie der Mangelver
waltung Vorrang geben. Da machen wir nicht mit. Die Decke an Lehrerstellen ist zu kurz. Das kann aber nicht heißen, dass die Ausrichtung von Klassen und Kursen verändert wird. Nein, wir werden das Thema in den Haushaltsverhandlungen wieder aufgreifen.
Ihre ganze Begründungslogik erscheint nicht seriös, wenn Sie sich etwa an das erinnern können, was noch vor zwei Jahren und in der gesamten Diskussion um Schulschließungen landauf und landab verkündet worden ist. Sie haben jahrelang Schulstandorte mit dem Argument geschlossen, dass bei den verbleibenden Schulen dann eine bestimmte Auswahl zur Bildung der Kurse und für Neigungsprofile vorhanden sein soll. Jetzt, nachdem die Schulen zu sind, wollen Sie noch einmal sparen, indem Sie nun die Wahlfreiheit abschaffen. Das ist ein unlauterer Winkelzug. Das ist kein Wunder, wenn die Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren. Wir werden das öffentlich machen, damit die Diskussion darüber stattfinden kann.
weil auch er Vertiefung, individuelle Förderung junger Menschen und flexibilisierte Lernzeit in den Mittelpunkt stellt. Das halten wir für den richtigen Ansatz, nicht die Abflachung der Inhalte im Zwangskollektiv, wie es in den Vorschlägen des Kultusministeriums zu finden ist.
Und, Herr Flath, wir gehen alle davon aus, dass Schule ein Gemeinschaftsprojekt ist und gemeinsam gestaltet und verantwortet werden muss. Zwei Bildungsgewerkschaften, also Lehrerinnen und Lehrer und mit dem Landesschülerrat Schülerinnen und Schüler, haben sich bereits gegen eine Reform in dieser Weise ausgesprochen. Suchen Sie im Sinne einer gemeinschaftlichen Entwicklung das Gespräch und nehmen Sie die Betroffenen ernst, statt immer nur zu verkünden! Wir werden weiterhin für eine Diskussion zu diesem Thema sorgen, zum Beispiel mit unserem eigenen Antrag, der in der nächsten Schulausschusssitzung beraten wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In erstaunlicher Dynamik befinden wir uns zurzeit in einer Reformdebatte zur gymnasialen Oberstufe. Scheinbar durch den Philologentag 2006 ausgelöst, liegt inzwischen schon ein Schulkonzept mit Stundentafel vor. Die Reaktionen der interessierten Öffentlichkeit sind mittlerweile eingetreten und lassen sich überwiegend so zusammenfassen: Ja, es gibt Reformbedarf, aber bitte kein Schnellschuss.
Zustimmung kommt natürlich von den Vätern des jetzigen Vorschlags, einigen Vertretern der Technik und eben dem Philologenverband. Dessen Vorsitzender bringt eines der Probleme der jetzigen Oberstufe auf den Punkt: „Am Gymnasium sollten die Schüler vor allem die allgemeine Studierfähigkeit erlangen und nicht schon universitäres Wissen anhäufen.“ Genau hier müssen wir ansetzen und uns zuallererst verständigen, was die Studierfähigkeit ist.
Schon Mitte der neunziger Jahre hatte Prof. Ludwig Huber aus Bielefeld für die KMK eine empirische Studie erstellt, deren Resultat knapp zusammengefasst wie folgt lautet: Was die Hochschulen fächerübergreifend von den Abiturienten erwarten und die allgemeine Studierfähigkeit ausmacht, ist dreierlei: erstens die Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten, einzeln und in Gruppen, zum Organisieren der eigenen Arbeit, zur Kooperation und zum eigenverantwortlichen Lernen, zweitens Motivation für das gewählte Fach auf der Grundlage einer entsprechenden Orientierung, die sich sowohl auf das Fach als auch auf das spätere Erwerbsleben mit dem Abschluss bezieht, drittens sichere kommunikative Kompetenzen, die sich wiederum in drei Bereichen festmachen lassen: sichere, anlassbezogene Verwendung der Muttersprache, sichere Beherrschung der internationalen Wissenschaftssprache Englisch, sicherer Umgang mit mathematischsymbolischen Sprachen und Modellen.
Bezogen auf die fachlichen Kenntnisse bestand ebenfalls weitgehend Übereinstimmung darin, dass eine sichere Beherrschung des konventionellen und verständigen Fachwissens der Sekundarstufe I eine gute Basis wäre, die leider zu oft nicht vorhanden ist. Einigkeit bestand auch darin, dass die Kurse in der Oberstufe vorrangig die Aufgabe haben sollten, einerseits dieses Basiswissen zu sichern und zu vertiefen und andererseits und vordringlich die entsprechenden Kompetenzen allgemeiner Studierfähigkeit auszubilden, wie ich sie oben beschrieben habe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einschätzung der Hochschullehrer vor zehn Jahren hinsichtlich der Ausbildung dieser Kompetenzen war allerdings mehr als ernüchternd und sogar verheerend. Daran hat sich bis heute wenig verändert. Was wir nunmehr dringend bräuchten, ist eine Analyse, warum die Oberstufe diese Kompetenzen so schlecht ausbildet. Würde denn wirklich der traditionelle Fächerkanon die entsprechenden Kompetenzen sichern? Nach Einschätzung einer Expertengruppe um Prof. Heinz Elmar Tenorth aus Berlin wohl eher nicht, denn es sei eines der großen Missverständnisse anzunehmen, dass der sichere und anlassbezogene, effiziente Gebrauch der Muttersprache im Deutschunterricht erworben werden könnte. Deutsch habe sicherlich eine wichtige Funktion, vor allem in der Sekundarstufe I, aber es komme gerade in der Oberstufe auf einen vielfältigen und kritisch begleiteten Gebrauch der Sprache in allen Lernsituationen an. Nötig ist also die Schaffung möglichst vieler Situationen, in denen der einzelne Schüler aktiv mit der Sprache umgeht und die Möglichkeit kritischer Reflexion durch andere hat. Das spricht weder für einen verpflich
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen aufpassen, dass wir bei der Analyse der gymnasialen Oberstufe nicht in billige Denkfallen geraten. Auch wenn manche Maßnahme auf den ersten Blick populär erscheint, ist sie deshalb nicht notwendig bzw. zweckmäßig. Ich erinnere nur an die Diskussion um Kopfnoten. Auch da war der reale Anlass die nötige Verbesserung personaler und sozialer Kompetenzen. Das Mittel Kopfnoten hat dies nachweislich nicht verbessert, aber in der Öffentlichkeit eine Lösung suggeriert. Ähnlich ist es mit der Stärkung der Natur- und Technikwissenschaften, einem zweiten Anliegen der Neugestaltung der Oberstufe. Ganz ohne Zweifel haben wir ein enormes Defizit an Studieninteressenten für diese Fächer, und wir haben ein ebenfalls viel zu großes Defizit an entsprechenden Kompetenzen bei den Studienanfängern. Das führt dazu, dass wir nicht nur zu wenig Bewerber für viele Fachrichtungen haben, sondern auch viel zu viele Abbrecher und damit im Ergebnis viel zu wenig Absolventen.
Spätestens um 2015 herum wird dieser Bedarf für die Entwicklung Sachsens akut. Wenn wir in den Transformationsprozessen von der Industrie- zur Wissensgesellschaft nicht zu den Verlierern gehören und im Gegenteil unser industrielles Potenzial als Vorteil nutzen wollen, brauchen wir entsprechende Fachleute. Auch hier müssen wir uns fragen, warum der Zustand so ist. Das ist zuerst die Frage nach der fehlenden Motivation für diese Fachrichtungen und zum Zweiten die Frage nach den zu wenig ausgebildeten naturwissenschaftlichen und technischen Grundkompetenzen. Wenn wir in der Oberstufe heute diese Fächer zu wenig ausgewählt finden, dann liegt das zuerst am fehlenden Interesse und daneben an der Angst, nicht genügend Punkte zu erwerben, weil man sich von seinen Kompetenzen her weniger in der Lage sieht, den Kurs erfolgreich zu bestehen.