Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Petitionen zeigen uns hier eindrucksvoll, wo die Entscheidungen der Verantwortlichen über den Einzelfall hinaus den Interessen der Betroffenen zuwiderlaufen.

Petenten sind ernst zu nehmende Bürgerinnen und Bürger. Ihr Anliegen ist es im Regelfall, nicht nur Missstände zu beklagen oder zu schimpfen, sondern sich sehr ernsthaft und differenziert mit – teilweise auch brisanten – politischen Themen auseinanderzusetzen. Häufig zeigen Petitionen Alternativen zum bisherigen Verwaltungshandeln auf. Und: Petenten verbinden mit ihrem Tun die Hoffnung, die politischen Prioritäten im Lande neu zu definieren – und ehrlich gesagt: Ich teile bei vielen schulpolitischen Themen diese Hoffnung.

Wir alle sollten Petitionen damit auch als Ausdruck von Vertrauen in uns Abgeordnete verstehen.

Zwar fühlen sich Petenten in der Regel benachteiligt oder fordern neue, an ihren Interessen orientierte Entscheidungen ein – aber eines sind sie nicht: politikverdrossen.

Petenten zeigen uns, dass sich die Menschen im Lande zielorientiert und voller Hoffnung zusammenschließen und vernetzen, um ihre gemeinsamen Interessen nach außen zu vertreten.

Auch wenn vielen Petitionen „nicht abgeholfen“ werden kann oder sie „für erledigt erklärt“ werden, sollten sie uns allen Anregung für unser politisches Handeln sein.

Unsere Verantwortung ist es, die Befugnisse und Verpflichtungen des Petitionsausschusses weiter öffentlich bekannt zu machen – auch um Enttäuschungen vorzubeugen. Vielen Menschen ist offenbar nicht bewusst, dass der Petitionsausschuss und damit letztlich der Landtag keine Gnadenakte verfügen kann, sondern darüber befindet, ob im Einzelfall gegen geltendes Recht verstoßen wurde oder nicht.

Nichtsdestotrotz können Petitionen Anregung sein, politisch umzusteuern oder Neubewertungen vorzunehmen.

In diesem Sinne möchte ich von dieser Stelle aus noch einmal allen Bürgerinnen und Bürgern für ihr Engagement danken und sie zur weiteren Beteiligung an der sächsischen Landespolitik ermutigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe auf

Tageordnungspunkt 7

2. und 3. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen

Drucksache 4/2940, Gesetzentwurf der Fraktion der FDP

Drucksache 4/6316, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien

Ich erteile den Fraktionen das Wort zur allgemeinen Aussprache. In der ersten Runde beginnt die Fraktion der FDP. Bitte, Herr Dr. Martens.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion bringt einen Gesetzentwurf zur Abstimmung, der es den Kandidaten bei Personenwahlen, also den Bewerbern um die Ämter von Bürgermeistern und Landräten, erlauben soll, innerhalb von Rundfunkprogrammen Wahlwerbung zu verbreiten, soweit diese in Sachsen lizenziert sind. Bisher ist dies nach § 22 Abs. 1 des Sächsischen Privatrundfunkgesetzes nicht möglich, da dort Wahlwerbung nur politischen Parteien und Wählergruppen gestattet wird.

Diese Ungleichbehandlung erachten wir für nicht systemgerecht. Sie ist auch inhaltlich nicht nachvollziehbar. Es ist nicht einzusehen, warum ein Stadtratskandidat einer Partei im lokalen Fernsehen oder im lokalen Rundfunk

Wahlwerbung machen kann, der Kandidat für eine Bürgermeisterwahl aber nicht.

Gerade die lokalen Medien spielen eine große Rolle, wenn es um die Verbreitung von Wahlwerbung auf örtlicher Ebene geht. Dies wollen wir mit unserem Gesetzentwurf ändern. Rechtliche Bedenken hiergegen – das hat die Anhörung gezeigt – gibt es nicht. Nein, im Gegenteil! Das Bundesverfassungsgericht hat das Durchführen von Wahlwerbung im Rahmen von Wahlkämpfen als unverzichtbaren Bestandteil der Vorbereitung demokratischer Entscheidungen bezeichnet. Wir wollen uns dem anschließen und dafür sorgen, dass bei allen Wahlen, auch Personenwahlen, Wahlwerbung auf lokaler Ebene in elektronischen Medien möglich ist.

Bis 2001 – haben wir festgestellt – war es de facto so, dass lokale Fernsehveranstalter oftmals in Unkenntnis der Rechtslage solche Werbung von Einzelkandidaten ausgestrahlt haben, ohne dass sich dabei irgendwelche Schwie

rigkeiten ergeben hätten. Wir wollen das jetzt auf eine rechtlich einwandfreie Basis stellen, meine Damen und Herren.

Bei den 60 lokalen Fernsehveranstaltern in Sachsen hat die jetzige Rechtslage nur Kopfschütteln verursacht. Es war so, dass die Kandidaten von Personenwahlen oftmals erst kurz vor der Ausstrahlung der Sendung erfahren haben, dass der Beitrag nicht gebracht werden kann, weil es die Rechtslage nicht hergibt, meine Damen und Herren.

Gründe, die gegen die Gesetzesänderung sprechen, jedenfalls stichhaltige Gründe, sind für uns nicht erkennbar. Die technischen Möglichkeiten der lokalen Rundfunkanstalten gelten für alle Sendungen, nicht nur für Wahlsendungen. Sie gelten für Wahlsendungen, gleich, ob es sich um Personen-, oder Landtags- oder andere Wahlen handelt. Das kann eine Gesetzesänderung nicht hindern. Diese Gleichheit gilt auch in Bezug auf die einzelnen Kandidaten, die gleichermaßen davon betroffen sind. Auch der Umstand, dass die Senderreichweite möglicherweise über den Wahlbezirk hinausreicht, hindert die Gesetzesänderung nicht. Denn selbstverständlich sind auch bei Bundestags- oder Landtagswahlen aufgrund der Reichweiten Sendungen aus Sachsen außerhalb des sächsischen Gebietes zu sehen.

Wir wollen mit dieser Regelung einem erkannten Missstand abhelfen. Wir halten dies für sachgerecht und systemgerecht. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der FDP)

Die CDU-Fraktion, bitte. Herr Abg. Hermsdorfer.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den ersten Blick, lieber Kollege Dr. Martens, klingt natürlich Ihr Vorhaben, einzelnen Bewerbern bei Oberbürgermeister- und Landratswahlen, darüber hinaus aber auch den Bewerbern für die Stadtratsfunktion bei Stadtratswahlen Werbezeiten bei lokalen Anbietern der privaten Rundfunkszene einzuräumen, sehr attraktiv. Das scheint der demokratischen Vielfalt zu entsprechen. Betrachtet man jedoch die Sache genauer, wird den sonstigen Bestrebungen der Liberalen, nämlich für Deregulierung, für Eigenverantwortung einzutreten, entgegengewirkt.

Die privaten Rundfunkanbieter sollen per Gesetz verpflichtet werden, jedem Einzelbewerber eine angemessene Sendezeit einzuräumen. Dies ist aus unserer Sicht ein immenser Eingriff in die Rundfunkfreiheit und in die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung der lokalen und regionalen kommerziellen Anbieter in Sachsen.

Diese Anbieter leben davon, dass sie ein attraktives Programm mit Musik, mit Unterhaltung, natürlich auch mit Informationen hier in unserem Freistaat veranstalten, um damit ihren Hörerkreis entsprechend zu erschließen. In die Programmgestaltung dieser Anbieter wird nun zu jeder Wahl im Freistaat Sachsen – Kommunalwahl, Landtagswahl – in umfassender Weise eingegriffen. Bei

einer Vielzahl von Einzelbewerbern und von politischen Parteien und Wählergruppen wäre ein Großteil der Sendezeit verbraucht. Das Programm wäre zerstückelt, unattraktiv für Hörer und Werbekunden. Damit wäre die Veranstaltung von Rundfunk jedenfalls in Wahlzeiten wirtschaftlich unattraktiv.

Ein zweiter Nachteil entsteht aber auch für die Hörerschaft. Man stelle sich den Hörer vor, der in Zeiten von Kommunalwahlen für die Kommunalparlamente und die Bürgermeister und Landratsämter tagaus, tagein die Werbespots in zweistelliger Zahl von politischen Parteien und Wählergruppen und einer mindestens zweistelligen Zahl von Einzelbewerbern hört. Der Hörer würde sich umgehend abwenden und einen Sender, in dem gerade keine Wahlwerbung läuft, einschalten. Die erhebliche Beeinträchtigung für Rundfunkanbieter, die werbetreibende Wirtschaft und die Hörer zeigt, dass der Vorschlag der FDP, ausgerechnet in diesem Bereich eine zusätzliche, unnötige staatliche Regulierung einzuführen, ausschließlich nachteilige Wirkung hätte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie haben aber Angst vor der Demokratie!)

Wir lehnen den Gesetzentwurf ab.

Sollte eingewendet werden, dass die Regelung, wie sie von der FDP angestrebt wird, auch in Baden-Württemberg zum Beispiel angewendet wird, so gilt es jedoch festzuhalten, dass in Baden-Württemberg ein deutlicher Unterschied zu der Senderlandschaft, die wir hier in Sachsen vorfinden, vorherrscht.

In Sachsen ist es uns gelungen, durch das private Rundfunkgesetz eine Vielfalt gerade von lokalen Rundfunkangeboten zu installieren und damit für Hörer attraktiv zu gestalten. Mit Ihrem entsprechenden Gesetzentwurf würden wir das so unterlegen, dass wir Wahlwerbung für jeden einzelnen Kandidaten ermöglichen. Man stelle sich eine Stadt wie Dresden oder Chemnitz vor. Wenn von 54 oder 80 Stadtratskandidaten oder gar 120 jeder seinen Werbespot schaltet und diesen täglich im privaten Rundfunk anbietet – würden Sie dies wirklich noch attraktiv finden?

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Ich denke, nicht.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Aus diesem Grund lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

Vielen Dank.

(Dr. Jürgen Martens, FDP, geht zum Mikrofon.)

Tut mir leid, eine Zwischenfrage geht jetzt nicht mehr.

(Rico Gebhardt, Linksfraktion.PDS: Peinlich für die CDU!)

Die Linksfraktion.PDS, bitte. Herr Abg. Scheel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hermsdorfer, auch wenn Ihre Einlassungen bestimmt einiges beigetragen haben, möchte ich doch auf die Auseinandersetzung, die im Ausschuss geführt wurde, auf die inhaltliche Argumentation, die Ihr Kollege Wöller dort gebracht hat, eingehen, weil ich denke, dass dort vielleicht der inhaltliche Ansatzpunkt ist, über den wir hier diskutieren sollten, und nicht über das Für und Wider des privaten Rundfunks.

Nachdem wir nämlich Herrn Wöller gehört haben, konnten wir feststellen, dass wir gefangen sind. Wir sind nämlich gefangen in Regeln, wir sind gefangen in Satzungen und wir sind gefangen in Gesetzen. Doch wer macht diese Gesetze? Es sind doch wir hier im Landtag, die diese Gesetze verabschieden. Und wir können diese Gesetze ändern. Das sind wir, der Landtag.

Was spricht also dagegen, dass Bürgermeisterkandidaten Wahlwerbungen schalten können? Herr Wöller hat das damals mehrfach deutlich ausgeführt. Zum einen behauptete er, es käme zu einer Ungleichbehandlung der Kandidaten. Das habe ich von Ihnen, Herr Hermsdorfer, nicht gehört. Das mag wohl sein, wenn Kandidaten unterschiedlich viel Geld haben, wenn die Parteien, die hinter Kandidaten und Kandidatinnen stehen, unterschiedlich große Ressourcen haben.

Doch betrachten wir dies etwas genauer und schauen zum MDR in den Wahlkampfzeiten. Wie ist es dort? Wie viele Wahlkampfspots hat die CDU, wie viele hat die PDS und wie viele haben die GRÜNEN? Wie viele haben unabhängige Gruppen? Dabei stellen wir eindeutige Unterschiede fest. Diejenigen, die die meisten Wahlspots schalten können – die Kolleginnen und Kollegen von der CDU –, genau diejenigen verlangen jetzt, dass andere keine Wahlspots schalten dürfen. Was spricht denn dagegen?

Herr Wöller hat weiter ausgeführt, dass es zu einer Verstopfung der Programme der lokalen Anbieter kommen kann. Ich muss mich schon fragen, wann Herr Wöller und auch Sie, Herr Hermsdorfer, das letzte Mal diese Programme gesehen haben.

(Beifall bei der FDP)