Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Jeder, der sich etwas damit beschäftigt, und jeder, der diese Programme sieht, stellt fest, dass es Programmschleifen sind, Herr Hermsdorfer. Meist handelt es sich um nicht mehr als 15- oder 30-Minuten-Programme, die täglich, manchmal sogar wöchentlich, in einer Schleife laufen. Wie will man denn die Programme verstopfen, wenn dort ein paar mehr Wahlkampfspots örtlicher Bewerber ausgestrahlt werden? Herr Wöller hat behauptet, es wäre nicht möglich, dass die SLM all die Kabelanbieter überwachen könnte, um so Verstöße zu verhindern. Doch ich muss mich schon fragen, warum es die 20 Mitarbeiter der Sächsischen Landesmedienanstalt nicht schaffen sollten, die 120 Anlagen zu überwachen und sich ab und zu diese Wahlkampfspots anzuschauen. Sie brau

chen es nicht allein der Behörde zu überlassen, Sie können auch den Bürgerinnen und Bürgern vertrauen, die entsprechende Verfehlungen, wenn es sie gibt, der Landesmedienanstalt mitteilen.

Ich muss noch einmal auf Herrn Wöller eingehen. Herr Wöller behauptet, dass es schwierig wäre, die Ausstrahlungsgebiete voneinander abzugrenzen. Es gibt Betreiber, die nicht nur an einem Ort Programme anbieten, sondern an mehreren Orten. Natürlich, diese Programme sind gleich. Doch was spricht dagegen, wenn man in einer benachbarten Stadt die Wahlkampfspots des benachbarten Bürgermeisterkandidaten sieht, zumal die CDU immer wieder Zusammenlegung von Orten, Fusion von Gemeinden anstrebt? So sollen auch die Bürgermeister der Nachbarorte bekannt werden. Es wird doch nicht so sein, dass dann jemand, der einen Wahlkampfspot des Bürgermeisters aus dem Nachbarort sieht, gleich in diesen Ort umzieht, oder dass von ihm verlangt wird, zur Wahl zu gehen. Oder glauben Sie dies etwa?

(Heiterkeit bei der FDP)

Sie verweisen darauf, dass die Abgrenzung der Gebiete nicht möglich wäre. Aber gleichzeitig sind Sie es selbst, meine Damen und Herren von der CDU und von der SPD, die nichts dagegen haben, dass Ihre Wahlkampfspots europaweit, manchmal sogar weltweit zu sehen sind. Sie fragen mich, wieso? Die Programme von ARD und ZDF werden europaweit über Satellit ausgestrahlt. Damit sind die Wahlkampfspots von CDU und SPD europaweit zu sehen, wenn bei uns der Bundestag oder der Landtag gewählt wird.

Sie sagen, es müssten andere Gesetze geändert werden, um die entsprechenden Regelungen zu schaffen, damit die Wahlkampfspots der Bürgermeister geschaltet werden können. Ich habe schon darauf hingewiesen: Es sind doch genau wir diejenigen, die diese Gesetze ändern können. Wo ein Wille ist, sollte immer ein Weg zu finden sein.

Schauen Sie doch einmal über die Grenzen des Freistaates hinaus. Was die Opposition will, und zwar einstimmig, gibt es in anderen Bundesländern. Das gibt es auch in anderen Staaten, zum Beispiel in Frankreich und in den Vereinigten Staaten. Dort diskutiert man über solche Fragen gar nicht. Man weiß, es ist ein zusätzlicher Bestandteil der Demokratie, für Öffentlichkeit zu sorgen und dafür, dass sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in die Öffentlichkeit bringen können. Was spricht also dagegen, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auch Wahlkampfspots schalten können?

Das wäre eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit für alle Kabelanbieter. Das haben diese sehr deutlich in der entsprechenden Anhörung gesagt. Vielleicht waren Sie da nicht anwesend? Sie können Geld verdienen, aber ich denke, der wesentliche Grund ist, dass die CDU nicht zusätzliches Geld ausgeben will, zusätzliches Geld, das, wie Sie wohl glauben, fehlinvestiert wäre, wenn Sie sich Ihre eigenen Kandidaten, Ihre eigenen gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, ansehen. Ich denke,

die meisten von ihnen würden da blass aussehen. Genau deshalb wollen Sie diese Wahlkampfspots nicht, weil Sie glauben, dass dann der eine oder andere untergehen könnte.

Was macht die SPD? Sie macht jede medienpolitische Dummheit in diesem Falle wieder einmal mit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Vor nicht einmal einem halben Jahr haben Sie dafür gestimmt, dass öffentlich-rechtliche Anstalten nur ein dreiviertel Prozent ihrer Ausgaben für den Online-Bereich ausgeben sollen. Dies wird in der nächsten Zeit aufgehoben. Vor nicht einmal einem Jahr haben Sie dafür gestimmt, dass die PC-Gebühr zum 01.01.2007 eingeführt werden soll. Jetzt stimmen Sie wiederum dafür, dass die Bürgermeister keine Wahlkampfwerbung machen sollen.

Das ist herzlich wenig und zeigt sehr deutlich, dass Sie medienpolitisch keine Zeichen setzen. Sehen Sie sich die Fakten an. Jedes Wöller’sche Theorem besteht den Praxistest nicht, Sie müssen nur Wöllers Welt verlassen, um das zu sehen. Versuchen Sie es doch heute einmal und stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Die SPD-Fraktion; Herr Abg. Hatzsch, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scheel, Sie haben gleich eine Grundsatzdebatte daraus gemacht.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion.PDS: Aber gern!)

Ich kann mich entsinnen, dass zum Beispiel der Ehemann Ihrer Fraktionskollegin, nämlich Herr Brie, auch über Satellit weltweit zu sehen war; denn die PDS-Fraktion hat genauso einen Anspruch auf Wahlwerbung als Partei wie alle anderen Parteien auch. Damit bin ich noch einmal bei der Grundsatzfrage, um die es heute geht und die hier von Ihnen sehr schön verwaschen wurde.

Meine Damen und Herren! Grundsätzlich besteht laut Grundgesetz für niemanden ein Anspruch auf Wahlwerbung. Die Länder können dies jedoch in ihren Mediengesetzen regeln. Das haben wir in Sachsen getan und uns dafür entschieden, dass in Sachsen Parteien und Wählergruppen Werbung für sich machen können. Dabei haben wir uns, Herr Scheel und andere Redner heute, davon leiten lassen, dass wiederum laut Grundgesetz Parteien einen Auftrag haben: zur politischen Willensbildung der Gesellschaft aktiv beizutragen. Von Einzelpersonen ist dort nicht die Rede.

Der vorliegende Gesetzentwurf der FDP-Fraktion möchte nun dieses Rundfunk-Privatgesetz – dabei haben Sie schon wieder durchgemischt, Kollege Scheel – ändern. Das ist legitim, und zwar, dass bei Personenwahlen nunmehr ein Anspruch auf Sendezeit zugesprochen werden möchte. Sie präzisieren – Herr Martens hat es in

seinem Redebeitrag getan – auf die Bürgermeister- und Landratswahlen. Auch das ist absolut legitim.

Wollen wir nun einmal die Chancengerechtigkeit bei dieser Sache bedenken. Die Chancengerechtigkeit bei der Parteienwerbung ist so gegeben, dass die Parteien Sendezeiten danach bemessen bekommen, wie sie bei den letzten, jeweilig vergleichbaren Wahlen, von der Stadtratswahl bis zur Bundestagswahl, abschnitten. Somit bekommen sie Sendezeiten zugemessen und können danach – natürlich gegen Bezahlung – senden.

(Dr. Jürgen Martens, FDP, steht am Mikrofon.)

Wie wird diese Chancengleichheit bei einem Einzelkandidaten hergestellt? Sie sagten heute selbst schon, dass die von Ihnen genannten 60 Sendeanstalten, die wir in Sachsen im Regelfall haben, ihr Programm die ganze Woche über nicht ändern. Es läuft eine Endlosschleife, die immer wieder kommt. Das wissen wir alle, bis hin zu den Großstädten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte eine Zwischenfrage, Herr Dr. Martens.

Herr Hatzsch, eine Frage: Wenn Sie auf den Parteienproporz bei Sendezeiten bei Parteiwahlen verweisen, ist Ihnen bekannt, dass bei Personenwahlen tatsächlich nur lebendige Personen und keine Parteien zur Wahl gestellt sind?

Wenn die Personen von Parteien zur Wahl gestellt werden und wenn es sich um eine Wahl handelt, bei der einzelne Personen für ihre Partei Repräsentant sind, dann ist das natürlich legitim. Selbstverständlich, es wird der Spitzenkandidat im Regelfall bei der Landtagswahl herausgestellt und nicht derjenige, der in der dritten Reihe sitzt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Bürgermeisterwahl!)

Bei einer Bürgermeisterwahl gibt es für diese Person keine Sendezeit. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Von meinem Bürgerbüro aus Leipzig ist versucht worden, bei der letzten Bürgermeisterwahl in Leipzig für den Kandidaten der SPD Sendezeit im Leipzig-Fernsehen zu bekommen. Die ist verweigert worden. Das ist richtig so.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Noch eine Zwischenfrage.

Bitte, Herr Martens.

Das war aber noch nicht die Antwort auf meine Frage: ob klar ist, dass es bei Personalwahlen tatsächlich nur um Personen geht und eben nicht um Parteien.

Ja, das ist klar.

Das heißt, dass Personen einem Proporz gar nicht zugänglich sind, es sei denn, man wollte sie irgendwie zerschnipseln.

Ja. Das ist richtig.

Sie nehmen mir durch Ihre Frage eigentlich die Antwort für unsere Entscheidung zur ganzen Debatte aus dem Munde: Wir möchten nicht, dass Personen, Einzelpersonen Sendezeiten bekommen, wir möchten auch nicht, dass sich Personen durch Warteschleifen und Endlosschleifen unter Umständen endlos dem Bürger einprägen; denn sie sind nicht in jedem Falle so legitimiert, wie wir uns das bei Parteien wünschen und wie wir das bei Parteien erwarten. Da höre ich lieber auf, bevor ich ins Detail gehe.

Wir werden also aus diesen genannten Gründen Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Herr Gansel, bitte, NPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist nicht häufig der Fall, aber diesmal können wir Nationaldemokraten uns ein Lob an die Adresse der FDP-Fraktion nicht verkneifen. Bekanntlich vergeht kaum eine Plenarwoche, in der in diesem Haus nicht irgendwelche Reform-, Verschlankungs- oder Entbürokratisierungsmaßnahmen angesprochen oder gefordert werden. Aber anders als sonst ist die NPD-Fraktion dieses Mal rundweg vom Sinn und Zweck der vorgeschlagenen Gesetzesänderung überzeugt, denn es geht um nichts Geringeres als eine Verbesserung der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb. Es geht um mehr Demokratie im Sinne echter Volksherrschaft, indem zukünftig auch unabhängige Einzelkandidaten zu Bürgermeister- und Landratswahlen in den in Sachsen lizenzierten Rundfunkprogrammen für sich werben dürfen.

Bei der Sachverständigenanhörung am 27. April dieses Jahres hat Mike Bielagk von der Arbeitsgemeinschaft „Regionalveranstalter Sachsen“ darauf hingewiesen, dass die jetzige Regelung, die bei der Wahlwerbung einen Unterschied zwischen Personenwahlen und beispielsweise Landtags- und Europawahlen macht, erst 1999 von der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien ausgearbeitet und durchgesetzt wurde. Das war aber, wie Herr Bielagk damals darlegte, eigentlich ein klarer Rückschritt gegenüber der De-factoGleichbehandlung von Kandidaten bei den Wahlen der Wendezeit und der unmittelbaren Nachwendezeit. Der Sachverständige sagte damals: „Soweit mir bekannt ist, hat es auch allen gut getan, dass wir das gemacht haben... Wir sind froh, dass wir zur Wende den Umbruch ein Stück voranbringen konnten... Uns ist aus dieser Zeit keinerlei

Beschwerde aufgrund einer Personenwahlwerbung bekannt.“ Insofern war es dann wirklich ein Rückschritt zur Absicherung der Altparteienherrschaft, dass dieser Zustand relativer Gleichbehandlung von Einzelkandidaten bei Personenwahlen 1999 wieder aufgehoben wurde und bei Personenwahlen plötzlich wieder ein anderer Maßstab galt als bei der Wahlwerbung etwa für Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen.

Diesen historischen Hintergrund sollte man kennen, wenn man über die sächsische Medien- und Rundfunklandschaft spricht. Sie war nämlich – das wollen wir als NPDFraktion ausdrücklich festhalten – schon einmal um vieles pluralistischer, offener und demokratischer, als sie es heute ist. Es sollte eigentlich allen Fraktionen in diesem Haus ein ehrliches Anliegen sein, dass es in Sachsen in Zukunft wieder eine offenere, pluralistische Medienlandschaft mit entsprechenden Werbemöglichkeiten auch für Einzelkandidaten gibt. Die Ablehnungsgründe der Regierungsfraktionen, insbesondere der machtpolitisch immer noch viel zu verwöhnten CDU, sind dabei außerordentlich durchsichtig.

Vordergründig befürchtet die CDU eine medienrechtliche Verkomplizierung und eine „Programmverstopfung“. In Wahrheit will sie aber nur ihre kommunalpolitische Stellung gegen die Konkurrenz unbequemer und/oder populärer Einzelbewerber absichern, die mit einer werberechtlichen Gleichstellung natürlich gestärkt würden.

Die seinerzeitige Expertenanhörung brachte zur Sprache, dass es den Zuschauern privater Lokalsender schwer zu vermitteln sei, warum denn ein Landtags- und Bundestagskandidat einer Altpartei im Lokalfunk für sich werben darf, ein parteifreier Bürgermeister- oder Landratskandidat hingegen nicht. Das ist doch eine völlig willkürliche Unterscheidung und zudem geradezu haarsträubend bürgerfern. Warum soll sich denn ausgerechnet der Bewerber für ein lokales Amt nicht in den Lokalsendern vorstellen dürfen? Das stellt doch, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, den Gedanken der Volksherrschaft förmlich auf den Kopf.

Die NPD-Fraktion sieht in der diskutierten Gesetzesänderung eine Art Lackmustest dafür, wie viel Volksherrschaft die Altparteien im Freistaat wirklich wollen. Wagen Sie mehr Volksherrschaft und stellen Sie deshalb unabhängige Bürgermeister- und Landratskandidaten mit den Kandidaten für andere Wahlgänge gleich! Die NPD-Fraktion wird dem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zustimmen.