Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

(Beifall bei der NPD)

Die Fraktion der GRÜNEN; Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Zusammenhang mit der Reform des Sächsischen Hochschulgesetzes manchmal von kleinen Novellen gesprochen. Daran gemessen, geht es hierbei eigent

lich um die kleinste Novelle des Gesetzes über privaten Rundfunk und neue Medien. Es geht um ganze drei Wörter, die mit dieser kleinsten Novelle einzufügen sind, aber drei Wörter, die für Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber zu Personenwahlen eine enorme Bedeutung haben.

Wir haben auch im Ausschuss die kleinste Anhörung mit zwei Sachverständigen dazu gehabt. Neben Herrn Bielagk von der Arbeitsgemeinschaft der Regionalveranstalter Sachsen hat Herr Deitenbeck die Position der Landesmedienanstalt vertreten. Herr Bielagk hat, um Legenden zuvorzukommen, klar gemacht, dass die Regionalveranstalter interessiert sind, in dieser Richtung eine Klarstellung zu bekommen und Wahlwerbung für Personenbewerber auszustrahlen. Herr Deitenbeck hat klargestellt, dass er großes Verständnis für dieses Anliegen hat, und er hat gesagt – bitte, hören Sie zu! –, dass es rechtstechnisch zulässig ist. Sein einziges Problem war, dass eine gerechte und alle Interessen berücksichtigende Regelung gefunden werden muss.

Nun sage ich Ihnen als Teilnehmer an dieser Anhörung und nach mehrfachem Studium des kleinen Protokolls: Für mich ist völlig offengeblieben, wieso eine Regelung in technischer Hinsicht komplizierter sein soll bei Personenwahlen für Einzelbewerber als bei Gemeinderatswahlen. Da gibt es keinen Unterschied.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Für mich ist bei nochmaligem Studium völlig offengeblieben, wieso die Gleichheit der Bewerber zu sichern schwieriger ist als bei Kommunalwahlen. Ich kann dieser Argumentation überhaupt nicht folgen. Das, was die Beratung im Wissenschafts- und Hochschulausschuss dann gebracht hat, war auch keine überzeugende Argumentation. Kollege Scheel, es verbietet uns ja die Vertraulichkeit der Ausschüsse, über die Namen zu sprechen. Aber ich teile Ihre Einschätzung, die einen Sprecher der CDU-Fraktion betrifft, der von der Verstopfung der Programme gesprochen hat. Ich glaube eigentlich, dort ist eine Verstopfung der Bereitschaft, wirklich einmal in eine klare Richtung zu denken, vorhanden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Das, was mit Verstopfung der Programme suggeriert wird, würde ja bedeuten, dass wir hier im Freistaat Sachsen in allen Gemeinden ständig Bürgermeisterwahlen, in allen Landkreisen ständig Landratswahlen hätten. Das ist ein so an den Haaren herbeigezogenes Argument, dass ihm in keiner Art und Weise zu folgen ist.

Kollege Hatzsch, Sie haben auf das Parteienprivileg abgehoben. Das ist eine echte Diskussion wert. Aber da frage ich Sie: Dieses Parteienprivileg des Grundgesetzes gilt doch in ganz Deutschland? Wieso regeln andere Bundesländer wie Baden-Württemberg und RheinlandPfalz explizit in ihren Landesmediengesetzen die Wahlwerbezeiten für Personenbewerber? Wollen Sie ihnen damit unterstellen, dass sie grundgesetzwidrig handeln? Wieso regeln andere Bundesländer implizit in ihren

Gesetzestexten die Berechtigung für Personenbewerber, Wahlwerbung zu schalten? Ist das ein Verstoß gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland? Ich glaube, dass diese Argumentation nicht haltbar ist.

Ich sage Ihnen ganz offen, wir hätten uns als Fraktion der GRÜNEN gewünscht, dass wir hier in Sachsen die Wahlwerbung bei Personenwahlen innerhalb der aktuellen Formulierung des Gesetzes über privaten Rundfunk und neue Medien abdecken können, so wie es andere Bundesländer tun. Berlin und Brandenburg zum Beispiel schütteln nur den Kopf, wenn sie diese Diskussion hier in Sachsen verfolgen. Diese Interpretation wäre möglich, sie ist aber ausdrücklich nicht gewollt, wie die Diskussion gerade gezeigt hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Hatzsch.

Bitte, Herr Hatzsch.

Es ist sicherlich bekannt, dass es in Rheinland-Pfalz in das Ermessen, in die Freiwilligkeit des Veranstalters gelegt ist, ob er Wahlwerbung zulässt. Der Gesetzentwurf, über den wir hier in Sachsen beraten, möchte es zum Anspruch des Einzelnen erheben. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Das ist Ihnen bewusst?

Dieser Unterschied ist mir bewusst. Mir ist aber auch bewusst, dass in Baden-Württemberg dieser Anspruch für Personenbewerber besteht.

Es ist, wie die Diskussion gezeigt hat, ausdrücklich nicht gewollt. Der Wille, von dem vorhin die Rede war, ist nicht vorhanden und deswegen auch nicht dieser Weg einer Regelung unterhalb der gesetzlichen Ebene. Deswegen begrüßen wir diese kleinste Novelle zum Privatrundfunkgesetz.

Unsere Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, frage ich die Staatsregierung, ob es Redebedarf gibt. – Herr Minister Winkler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte ist sowohl hier als auch im Ausschuss ausführlich geführt worden. Deshalb will ich die Argumente nicht noch einmal wiederholen und werde meinen ausführlicheren Redebeitrag zu Protokoll geben.

Lassen Sie mich aber dennoch einige Sätze sagen, damit nicht allzu viel vermischt wird. Vor allem möchte ich noch einmal das, was der Kollege aus der Linksfraktion

gesagt hat, beleuchten. Wir müssen wirklich unterscheiden, was im öffentlich-rechtlichen Bereich und was im Privatrundfunkbereich vonstatten geht. Dazu wurde vom Kollegen Hatzsch richtigerweise gesagt, dass wir im öffentlich-rechtlichen Bereich auf der Basis der Wahlergebnisse die Berechnungen haben, wie viele Sendezeiten den Parteien zur Verfügung stehen. Diese sind auch nicht mit Kosten zu belegen; es ist lediglich ein Selbstkostenanteil an die Sender abzuführen. Somit geht wirklich alles demokratisch und gerecht zu.

Im privaten Bereich haben wir die Möglichkeit, dass sich die Parteien dort mit Geld beteiligen, aber es ist eben darauf zu achten, dass eine Gleichbehandlung erfolgt. Hierzu haben wir im Wahlgesetz die Wahlkampfkostenrückerstattung. Diese haben wir eben für einzelne Bewerber nicht.

Deshalb sind wir der Meinung, dass wir aufpassen müssen, nicht in amerikanische Verhältnisse abzudriften: dass wir nicht diejenigen, die keine Möglichkeit haben, Wahlkampfkostenrückerstattung zu bekommen, und die nicht über bestimmte Budgets verfügen, viel schlechter stellen als diejenigen, die eine Unmenge Geld zur Verfügung haben und die sich bestimmte Dinge leisten können.

(Lachen bei der FDP – Dr. Jürgen Martens, FDP, tritt zu einer Zwischenfrage ans Mikrofon.)

Deshalb haben wir uns auch gegen diese Variante entschieden.

Herzlichen Dank.

Herr Martens, das war schon das zweite Mal, dass Sie Ihre Zwischenfrage nicht mehr stellen konnten; das ist keine Absicht.

Meine Damen und Herren, wenn es keinen weiteren Redebedarf gibt, können wir jetzt zur Abstimmung kommen. Ich schlage Ihnen vor, dass wir artikelweise abstimmen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Ich rufe auf das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen. Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion. Wir beginnen mit der Überschrift. Wer die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Es gibt keine Stimmenthaltungen. Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist die Überschrift mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe Artikel 1 auf: Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Gleiches Abstimmungsverhalten; Artikel 1 wurde trotz vieler Für-Stimmen mehrheitlich abgelehnt.

Wer möchte die Zustimmung zu Artikel 2 geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Gleiches Stimmverhalten.

Nachdem nun alles abgelehnt worden ist, brauche ich auch keine 3. Lesung mehr zu beginnen. Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.

Erklärung zu Protokoll

Der vorliegende Gesetzentwurf, nach dem auch Einzelbewerbern bei Bürgermeister- und Landratswahlen Sendezeit für Wahlwerbung eingeräumt werden soll, wird mit der Ungleichbehandlung gegenüber den politischen Parteien und Wählergruppen begründet. Ich werde auf das Problem der Gleich- beziehungsweise Ungleichbehandlung im Anschluss noch eingehen, denn sie ist genau der Grund, warum dieser Gesetzentwurf bereits im Medienausschuss abgelehnt worden ist und auch heute im Plenum keine Mehrheit erhalten sollte.

Zunächst aber grundlegend zur Wahlwerbung im Rundfunk: Abweichend von der grundsätzlichen Programmverantwortung der Intendanten können in bestimmten Fällen Ansprüche auf Sendezeit eingeräumt werden. Der Anspruchsinhaber ist dabei berechtigt, den Inhalt der Sendungen selbst zu gestalten. Die Wahlwerbung der politischen Parteien fällt hierunter. Zur Vorbereitung von Wahlen sind den politischen Parteien angemessene Sendezeiten zur Verfügung zu stellen. Ein zentraler Grundsatz hierbei ist derjenige der Chancengleichheit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dabei eine Abstufung nach der Größe der Partei zulässig.

Über die Wahlwerbung hinaus können politische Parteien aufgrund einer Bestimmung zum Rundfunkstaatsvertrag, der politische Werbung verbietet, keine weiteren Sendezeiten kaufen, da dies finanzkräftige Parteien begünstigen und damit die gesetzlichen Vielfaltssicherungen unterlaufen würde. Das ist ein wichtiger Grundsatz, der auch bei der Bewertung dieses Gesetzentwurfes zu berücksichtigen ist.

Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden Wahlwerbespots kostenlos ausgestrahlt. Im privaten Rundfunk hingegen kann die Ausstrahlung nur gegen Erstattung der Selbstkosten verlangt werden. Letzteres ist im Hinblick auf die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicher sachgerecht. Die nachgewiesenen Selbstkosten sind damit dem Veranstalter zu erstatten – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Nun werden Wahlkosten nach dem Parteiengesetz Parteien erstattet, nicht aber Einzelbewerbern. Hieran orientiert sich auch die Vorschrift in unserem Privatrundfunkgesetz. Danach ist politischen Parteien und Wählergruppen während ihrer Beteiligung an Wahlen angemessene Sendezeit für Wahlwerbung zur Verfügung zu stellen. Die Möglichkeiten der Wahlwerbung werden in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich behandelt. Nach

meiner Kenntnis werden nur in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Einzelbewerbern bei Kommunalwahlen ausdrücklich Möglichkeiten der Wahlwerbung eingeräumt. Die überwältigende Mehrheit der anderen Bundesländer lehnt dies ab.

Gegen die Einführung von Wahlwerbung für Einzelbewerber in Sachsen spricht aus meiner Sicht vor allem, dass dies zu Ungleichheit im Wahlkampf führen kann, da sich nur Bewerber mit entsprechendem Wahlkampfbudget diese Wahlwerbung leisten können. Der Geldbeutel des Einzelnen ist aber kein geeignetes Instrument zur Schaffung von Chancengleichheit im Wahlkampf.

Ich meine, dass es hier nicht, wie im Gesetzentwurf aufgeführt, auf die Gleichbehandlung bei den Wahlwerbemöglichkeiten von Kandidaten zu Bürgermeister- und Landratswahlen gegenüber Wahlwerbung von Parteien oder Gruppierungen zu anderen Wahlen geht, sondern vor allem um die Chancengleichheit der Einzelbewerber untereinander bei der konkret anstehenden Wahl. Im Interesse der Chancengleichheit in einem demokratischen Wahlverfahren bin ich der Auffassung, dass dieser Gesetzentwurf – wie es bereits der Medienausschuss empfohlen hat – abgelehnt werden sollte.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Fragestunde

Drucksache 4/6317

Die Fragen liegen Ihnen vor. Wir beginnen in der Reihenfolge mit der laufenden Nr. 2; Frau Kagelmann, bitte.