Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der PDS das Wort; Herr Dr. Pellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin schon etwas verwundert über einige Beiträge, die ich bisher hören durfte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ich nicht!)

Bei Herrn Bolick wunderte ich mich nicht, insofern sage ich auch nichts dazu. Aber Frau Raatz, ich hatte schon ein klein wenig den Eindruck, dass Ihnen hier die Koalitionsdisziplin das Wort geredet hat.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Das wäre neu!)

Herr Hähle, mein Bedauern mit Ihnen hält sich in Grenzen.

Ich will nur auf eines eingehen: Wenn Sie fast weinerlich beklagen, dass wir hier Indiskretion begangen hätten,

(Dr. Simone Raatz, SPD: Nicht weinerlich!)

fast weinerlich –; dann sage ich Ihnen deutlich: Wenn es nicht Menschen bei der Deutschen Bahn AG gegeben hätte, die uns ins Vertrauen gezogen hätten – ich weiß, wovon ich spreche –,

(Heiterkeit bei der FDP)

dann wüssten wir vielleicht heute noch nicht, wie es um die Kosten und Mehrkosten des City-Tunnels steht. Das waren eben nicht nur Journalisten. Allerdings bedanke ich mich bei den Journalisten, dass sie unsere Initiative damals aufgegriffen haben.

Zu einigen Dingen will ich doch noch Stellung nehmen. Ja, meine Fraktion im Stadtrat – ich gehörte auch bei diesen Debatten immer zu den Anwesenden – war von Anfang an gegen den City-Tunnel. Wir waren die Einzigen – wie ich inzwischen aus der Rede von Herrn Weichert höre –, obwohl die GRÜNEN damals ja schwankend waren.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das ist nichts Neues!)

Wir waren deshalb dagegen, weil wir weder die Finanzierung für ausreichend gesichert hielten noch die Sinnhaftigkeit des Projektes einsahen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Leider fanden sich unsere Befürchtungen von damals bestätigt. Ich bin mehrfach gefragt worden, warum wir das Ding nicht einfach wieder zuschütten. Da sage ich auch in aller Verantwortung als Stadtrat in Leipzig: Wer solche Forderungen stellt, begibt sich außerhalb der Realität. Unsere Einwände sind zwar damals nicht gehört worden, aber wir sind auch nicht von einem anderen Stern, dass wir jetzt sagen könnten, der Tunnel darf auf keinen Fall zu Ende gebaut werden.

Genau aus dieser Optik heraus stellen wir berechtigte Fragen, die andere vielleicht nicht so zugespitzt stellen wie wir. Ich denke, wir haben aufgrund dessen, was ich soeben gesagt habe, die moralische Berechtigung dafür. Einige Fragen sollten gestellt werden, und dabei geht es in erster Linie nicht um Behauptungen. Ich habe die Kampagne von Anfang an mit begleitet, und hauptsächlich haben wir Fragen gestellt. Die Antworten, die wir erhalten haben, waren unzureichend. Deshalb muss man die Frage stellen, wer letztendlich für die Kostenexplosion verantwortlich ist. Das will ich eindeutig wissen. Herr Bolick, dass es bisher keine Kostensteigerung gegeben hat, glauben wahrscheinlich nur Sie.

Warum kam es ganz offensichtlich zu gravierenden Planungs- und Kalkulationsfehlern? Lag es vielleicht daran, dass man meinte, heute sei alles technologisch möglich und man brauche ausgewiesene und inzwischen emeritierte Geologen der Universität Leipzig nicht zu fragen? Was gilt schon DDR-Wissen, nicht wahr? Was

gilt schon DDR-Wissen in dieser Optik? Man muss schon einmal fragen, wie viele Arbeitsplätze, die versprochen waren, der bisherige Bau dem einheimischen Mittelstand gebracht hat. Das hätte ich gern gewusst. Oder die nächste Frage: Wie will man künftig die Öffentlichkeit informieren? Will man wieder auf eine Initiative meiner Stadtratsfraktion warten, die dankenswerterweise jemanden findet, der ihr die Information liefert, oder will man das von sich aus tun? Das hätten wir auch gern gewusst. Oder: Was passiert denn – und jetzt begebe ich mich sehr wohl nicht auf das Feld des Ingenieurs, Herr Bolick, sondern einfach auf das Feld eines betroffenen Bürgers der Stadt Leipzig – –

(Heinz Eggert, CDU: Ach, nee!)

Sie würden wir doch gar nicht bei uns aufnehmen!

(Gelächter bei der CDU)

Nun will ich wissen, was passiert, wenn die ehemaligen Geologen der Universität Leipzig recht behalten, dass man mit einer Schildbohrvorrichtung die außerordentlich breiten und umfangreichen Quarzite im Leipziger Untergrund gar nicht durchbrechen kann. Wollen Sie dann ein Gebäude, was darüber steht, wegreißen oder wollen Sie warten, bis das Ganze in den Untergrund sackt? Das frage ich selbstverständlich als Laie, aber Sie können es sehr wohl aus ingenieurwissenschaftlicher Sicht aufklären.

Genau deshalb wird uns das Thema noch sehr oft beschäftigen. Wenn wir keine ausreichenden Antworten erhalten, werden wir möglicherweise auch andere parlamentarische Initiativen zu ergreifen haben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort. Herr Prof. Bolick, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut schon weh,

(Widerspruch bei der Linksfraktion.PDS)

wie Herr Pellmann als Negativprophet in Erscheinung tritt, und das als Abgeordneter des Sächsischen Landtags, der vom Steuerbürger bezahlt wird und von dem der Steuerbürger erwartet, dass er Dinge zur Entwicklung des Freistaates voranbringt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ziehen Sie die Konsequenzen und treten Sie zurück!)

In der Vergangenheit waren Sie immer für alles. Bei jeder Misere, die in der DDR aufgetreten ist, waren Sie dafür; jetzt stellen Sie jedes Projekt, was unseren Freistaat voranbringt, in Abrede.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Wenn Sie einmal die ingenieurtechnische Geschichte großer Bauwerke auf der ganzen Welt betrachten, dann werden Sie feststellen, dass es bei solchen Dingen auch mal Rückschläge gab, dass es Mehrkosten gab, dass

manche Brücken irgendwo sogar in der ersten Bauphase zusammengefallen sind und neu gebaut wurden.

(Gelächter bei der Linksfraktion.PDS)

Das wollen wir nicht hoffen, aber das ist alles im Rahmen des Denkbaren. Herr Porsch, wenn wir Sie ranlassen würden, glaube ich, würde in Sachsen kein Zug mehr fahren, da gäbe es in Sachsen keine Autobahn, da würde noch der Trabi herumstinken.

(Gelächter bei der Linksfraktion.PDS)

Das wollen Sie nicht hören, aber es ist so.

Herr Weichert, es gibt Projekte, die im Kostenrahmen geblieben sind, und zwar eine Menge. Allerdings wird über diese in der Öffentlichkeit nicht so spektakulär berichtet.

Jedenfalls erwarten wir uns von der Realisierung des City-Tunnels in Leipzig zwei entscheidende Verbesserungen für die Bahnverkehrsinfrastruktur Sachsens. Ich finde es sinnvoll, dass wir auch einmal darüber reden, was uns der City-Tunnel bringt. Die Linksfraktion.PDS kann das ja nicht. Der Bahnverkehr in der Region erfährt eine erhebliche Verbesserung hinsichtlich der Taktzeiten, der Erreichbarkeit der Leipziger City, der Anbindung der Region Südwestsachsen und des Altenburger Raumes sowie der optimalen Erreichbarkeit des Flughafens Leipzig-Halle und der weiteren Einbindung und Verbesserung wichtiger Nord-Süd-Verbindungen von Berlin und Magdeburg in Richtung Südwestsachsen und Bayern im Rahmen der Sachsen-Franken-Magistrale. Hierzu bedarf es noch einiger Rahmenbedingungen, die zu schaffen die Staatsregierung angehalten ist.

Vor der Fertigstellung sind die geplanten regionalen Verkehre mit der Deutschen Bahn AG bzw. den Mitbewerbern vertraglich zu fixieren, um diese mit Inbetriebnahme des City-Tunnels umzuleiten. Die dazu notwendigen Gespräche mit der Deutschen Bahn AG bezüglich der Aufhebung gegebenenfalls noch bestehender Verträge außerhalb der Streckenführung durch den Tunnel sind unverzüglich aufzunehmen. Unsere Fraktion geht davon aus, dass die Verkehrsleistungen des regionalen Verkehrs in der geplanten Form und dem vorgesehenen Umfang komplett ausgeschrieben werden, um im Wettbewerb der Schienenverkehrsunternehmen für den Kunden günstige Preise zu erreichen.

Gleichzeitig muss die Staatsregierung alle Anstrengungen unternehmen, um Fernverkehre aus Richtung Berlin und Magdeburg in Richtung Süden, also Südwestsachsen und Bayern, ebenfalls in die Nutzung des Tunnels zu integrieren. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist die restliche und vollständige Elektrifizierung der Sachsen-FrankenMagistrale zwischen Reichenbach im Vogtland und Nürnberg, beginnend zwischen Reichenbach und Hof. Nur so gelingt es, die wichtigen Fernverkehre für die vollständige Nutzung des City-Tunnels in Leipzig sicherzustellen. Wir erwarten ähnliche Effekte für die Bahn, wie sie seit Inbetriebnahme des mit 3,5 Kilometer ähnlich

langen Nord-Süd-Tunnels in Berlin zu Beginn des Sommerfahrplans in diesem Jahr gerade für die Verbindung Berlin–Leipzig erreicht wurden.

All dies setzt voraus, dass die bauliche Gestaltung des Tunnels sowohl von der Profilierung des Lichtraumes als auch von der zeitlichen Zugfolge her einen effektiven und für die Zukunft ausreichenden Betrieb gewährleistet. In diesem Sinne bitten wir Herrn Staatsminister Jurk sehr eindringlich, im Bundesverkehrsministerium eine schnelle Lösung zur Finanzierung der Elektrifizierung des genannten Streckenabschnitts der Sachsen-Franken-Magistrale einzufordern und gemeinsam mit den Vertretern Bayerns einen Zeitplan zu erarbeiten, der im Einklang mit der Inbetriebnahme des City-Tunnels Leipzig steht und die Integration der Verkehrsleistungen sicherstellt. Ich kann Ihnen versichern, wir werden alle Anstrengungen unternehmen, damit der City-Tunnel für Leipzig und für Sachsen ein erfolgreiches Projekt wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Der heißt dann Bolick-Tunnel.)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Frau Weihnert, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion.PDS haben mich nicht enttäuscht. Die Erwartungen, die ich hatte, waren: Sie werden demagogisch über ein Großprojekt in Leipzig daherpalavern. – Ich benutze dieses Wort, weil es ärgerlich ist und jedes Mal bei einem Großprojekt in Leipzig passiert, dass die PDS die Sinnhaftigkeit von Großprojekten infrage stellt und sich anschließend sonnt, wenn dafür neue Arbeitsplätze geschaffen wurden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich erinnere – und da sind wir gemeinsam in den ersten Stunden im Stadtrat gewesen – an die Diskussion über die Neue Messe. Es gab ein Nein von der PDS.