Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Ich erinnere – und da sind wir gemeinsam in den ersten Stunden im Stadtrat gewesen – an die Diskussion über die Neue Messe. Es gab ein Nein von der PDS.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das stimmt nicht!)

Ich erinnere an die Diskussion um den Hauptbahnhof. Ich erinnere an das Für und Wider zur Rettung vieler Stadtteile. Und, meine Damen und Herren, Sie haben es heute selbst gesagt: Dieser Tunnel ist nicht das, was Sie möchten.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS)

Ich habe gestern in Vorbereitung auf diesen Beitrag noch einmal geschaut, womit wir uns beschäftigen: Wir beschäftigen uns mit intelligenten Verkehrslösungen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Oh, das ist ein weites Feld!)

Wir beschäftigen uns mit Sachverhalten, die sehr wichtig sind. Ich habe ein wunderbares Zitat gefunden, das einfach zu den Leipzigern gehört, weil wir so sind. Hermann Hesse hat einmal gesagt: „Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.“

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Ja, wir wollen das Unmögliche versuchen. Dieser CityTunnel ist nichts Unmögliches, sondern eine Geschichte, die eine hundertjährige Tradition hat. Dass so etwas schwierig und kompliziert ist, streitet überhaupt niemand ab. Dass dieses größte innerdeutsche Verkehrsprojekt aber ein wichtiger Meilenstein für die Stadt ist, das haben Sie nach wie vor nicht begriffen.

Ich weiß, dass sicherlich viele andere Dinge noch einmal aufzugreifen und zu berücksichtigen wären. Ich bin froh, dass der Minister dazu jetzt eine Taskforce gegründet hat, um die Dinge aufzuarbeiten, die noch notwendig sind. Es ist unbestritten, dass Stadtrat wie auch Parlament richtigerweise im zuständigen Ausschuss – denn so etwas ist nicht unbedingt auf dem Tablett zu servieren – noch einmal Daten einzuholen haben. Aber unstrittig ist gleichsam – darauf haben meine Vorredner schon aufmerksam gemacht –, dass es jetzt durchaus schon Interessenten gibt, die die Preise in die Höhe treiben. Dazu haben Ihre Darstellungen in der Presse beigetragen. Das müssen Sie sich einfach mal vergegenwärtigen.

Richtig ist allerdings auch – da schließe ich mich den Worten von Herrn Weichert nahtlos an –: Die innerstädtischen Händler müssen auch entsprechend eingebunden werden.

Frau Weihnert, bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss.

Ich weiß, auch Sie wollen das Projekt, und ich glaube, in einem fairen Miteinander sind die Händler auch wieder auf unserer Seite, denn auch sie haben dieses Projekt von Anfang an unterstützt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Wird von der NPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Nicht. Dann die FDP; bitte, Herr Morlok.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Man muss sich schon hinsichtlich der Kostensteigerung fragen, ob das Projekt City-Tunnel inzwischen volkswirtschaftlich noch gerechtfertigt ist, denn, Frau Kollegin Weihnert, die Tradition allein ist kein Grund für den Bau eines solch großen Projektes. Es muss letztlich auch volkswirtschaftlich von Nutzen sein. Dieser Nutzensfrage muss man sich kritisch zuwenden.

650 Millionen Euro – wenn es so kommt – für einen S-Bahn-Tunnel sind zu viel. Das heißt, wenn es tatsächlich so wäre, dass wir in dem Tunnel keinen Fernverkehr hätten und es ein S-Bahn-Tunnel für Leipzig wäre, wäre das Projekt aus meiner Sicht insgesamt infrage gestellt.

Grundlage für den City-Tunnel war schon immer, dass wir auch Fernverkehr in nennenswertem Umfang durch den Tunnel haben werden. Das war Grundbedingung für den Bau. Wenn man sich anschaut, was in dieser Hinsicht bisher getan wurde, so ist es relativ wenig. Uns ist schon klar, dass der Freistaat hier nicht die alleinige Kompetenz hat, sondern dass es Aufgabe des Zweckverbandes sein wird, die entsprechenden Ausschreibungen zu machen und die Verkehre einzubinden. Aber auch wenn dem so ist, kann der Freistaat nicht insgesamt aus seiner Verantwortung für die Fernverkehrskonzeption entlassen werden, soweit sie zumindest in Sachsen und um Sachsen herum stattfindet. Da, Herr Minister Jurk, habe ich relativ wenig gesehen, was Sie unternommen haben, um diese Verkehrsströme tatsächlich über Leipzig zu leiten. Ich wünsche mir, dass Sie heute darauf eingehen, was Sie unternommen haben und mit welchen Verkehrsströmen außer der S-Bahn wir zukünftig im City-Tunnel von Leipzig tatsächlich rechnen können, weil das letztlich die entscheidende Frage für die Sinnhaftigkeit des Projektes ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen uns natürlich angesichts der Debatte auch einmal fragen, wer die Mehrkosten denn tatsächlich bezahlen soll, wenn sie so kommen. Herr Minister, ich habe Sie öffentlich so vernommen, dass Sie sagen, es gibt eine Kostenteilungsvereinbarung zwischen dem Freistaat und der Stadt Leipzig und die Stadt Leipzig muss sich an diesen Kosten beteiligen. Das ist richtig. Es gibt eine solche Kostenteilungsvereinbarung. Sie ist auch unterschrieben. Die Frage ist aber: Ist sie wirksam?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Kostenteilungsvereinbarung, die ja auch von der Stadt Leipzig geheim gehalten wurde, die ich mir per Download von der „Leipziger Volkszeitung“ besorgt habe, steht in § 6 Abs. 3: „Diese Vereinbarung wird unter dem Vorbehalt ihrer Genehmigung durch die zuständigen Beschlussorgane und Aufsichtsgremien der Vertragspartner abgeschlossen.“

Jetzt frage ich Sie, Herr Minister Buttolo, als den für kommunale Aufsicht zuständigen Minister: Wenn ein Oberbürgermeister einen Vertrag über 12,78 Millionen Euro abschließt, dieser unter Gremienvorbehalt steht, das zuständige Gremium, Stadtrat, über diesen Vertrag nicht beschlossen hat, ist dieser Vertrag nach Ihrer Ansicht wirksam geworden? Ich sage ganz einfach aus Sicht des Leipziger Stadtrates: Dieser Vertrag ist nicht wirksam geworden, weil es an der erforderlichen Gremienentscheidung fehlt.

Ich frage Sie, Herr Jurk: Wer in Ihrem Ministerium hat überhaupt kontrolliert, ob diese vertraglich erforderliche Gremienentscheidung in Leipzig jemals herbeigeführt

wurde? Normalerweise hat man ein Vertragscontrolling, wenn man einen Vertrag unter aufschiebenden Bedingungen abschließt, dass man sich darum kümmert, ob der andere Vertragspartner für die Einhaltung der Bedingungen sorgt. Das ist offensichtlich hier nicht geschehen. Wenn dem so ist, dass der Vertrag nicht wirksam geworden ist, dann hat es für den Freistaat die Konsequenz, dass er nicht nur auf den Mehrkosten sitzen bleibt, sondern gar nichts von Leipzig bekommt bzw. das, was er bekommen hat, wieder zurückzahlen muss. Ich bitte Sie, Herr Minister, dass Sie hierauf eingehen, insbesondere auf die Frage, wie der Freistaat Sachsen die Wirksamkeit des Vertrages einschätzt.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Bitte, Herr Staatsminister Jurk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehr als 100 Jahre alt ist die Leipziger Vision, den Hauptbahnhof mit dem Bayerischen Bahnhof direkt zu verbinden. Stadtplaner, Verkehrsingenieure und die Leipzigerinnen und Leipziger hatten diesen Traum bereits im 19. Jahrhundert. Die Umsetzung scheiterte bis zur Wende an den politischen und finanziellen Gegebenheiten vergangener Tage. Die Folge ist, dass Leipzig als einer der zentralen Orte Mitteldeutschlands und wirtschaftliches Zentrum einer ganzen Region noch heute ein Bahnsystem aus dem 19. Jahrhundert besitzt, das die Innenstadt lediglich einmal, nämlich am Hauptbahnhof, berührt. Ansonsten schlagen die Bahntrassen einen weiten Bogen um den – gestatten Sie mir diesen Superlativ – urbansten Raum unseres Freistaates. Die unattraktiven Verbindungen und Umwege, lange Fahr- und Umsteigezeiten haben zur Folge, dass die S-Bahn in den Köpfen der Leipzigerinnen und Leipziger nahezu keine Rolle spielt. Das muss sich ändern und das wird sich ändern, spätestens nachdem das neue, vier Länder verbindende S-Bahn-Netz in Betrieb gegangen ist. Das Herzstück dieses Netzes bildet der City-Tunnel.

Kurz nach der Wende nutzte die damalige Staatsregierung gemeinsam mit der Stadt Leipzig die Gelegenheit, das schlafende Projekt „Tunnel Leipzig“ wieder zum Leben zu erwecken. An der Spitze standen Dr. Kajo Schommer und Hinrich Lehmann-Grube. Von meinem Vorgänger Dr. Martin Gillo, getragen vom damaligen gesamten Kabinett, wurden im Jahr 2003 die Verträge zwischen Bahn, Stadt und Freistaat unterzeichnet. Der Freistaat Sachsen hat den anspruchsvollen Teil des Projektes, die Errichtung des Tunnels und der Stationen, übernommen. Mit der Projektsteuerung hat das Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit seinerzeit die DEGES, die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und Bau GmbH, beauftragt. Unter deren Regie ist in den vergangenen Jahren allein in Sachsens Infrastruktur im Wert von etwa 1,5 Milliarden Euro gebaut worden, so zum Beispiel beim Bau der A 4 und beim Neubau der A 17. Erfahrungen im

Tunnelbau hat die DEGES unter anderem beim Tunnel Königshainer Berge und beim Rennsteigtunnel in Thüringen gesammelt. Eine neue Herausforderung war und ist das Bauen in bzw. unter einer pulsierenden Metropole.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seitdem der Bau nun begonnen hat, ist viel Negatives über das Projekt gesagt worden: überdimensioniertes Projekt, Millionengrab usw. Ist das Projekt wirklich überdimensioniert?

Die Stadt Nürnberg, die weniger Einwohner als Leipzig hat, legte seit 1967 zusätzlich zur S-Bahn ein U-BahnSystem von mehr als 30 Kilometern Länge an, wovon über 25 Kilometer unterirdisch verlaufen. Eine dritte U-Bahn-Linie ist gerade im Bau. Die Gesamtbaukosten überschreiten die des City-Tunnels bei Weitem.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bleiben auf dem Boden des Machbaren. Wir wollen in Leipzig keine U-Bahn. Wir wollen lediglich, dass die S-Bahn in unserer bevölkerungsreichsten Stadt und im mitteldeutschen Ballungsgebiet diesen Namen auch wirklich verdient. Wir wollen, dass die Leipziger Eisenbahn-Infrastruktur endlich den heutigen Nutzeransprüchen angepasst wird. Wir wollen die Weichen für den Eisenbahnknoten Leipzig für die nächsten 100 Jahre stellen. Wer das nicht will, der soll das auch offen sagen. Wer unsere Vision nicht teilt, soll sich dazu bekennen und sich nicht hinter einer Kostendiskussion verstecken.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion.PDS, Sie, die Sie sich immer so bahnfreundlich gebärden, werden mir doch sicherlich darin zustimmen, dass der ÖPNV vor dem Hintergrund ständig steigender Energiepreise zukünftig eine ernst zu nehmende Alternative zum Individualverkehr sein muss und sein wird.

Von der Politik wird immer verlangt, dass sie die zukünftigen Entwicklungen vorhersieht und dafür Vorsorge trifft. Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr sind eine solche Politik. Nach Informationen durch den zuständigen Besteller der Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr, dem ZVNL, dürfen wir bereits heute davon ausgehen, dass nach Inbetriebnahme aller S-Bahn-Linien durch den Tunnel der City-Tunnel voll ausgelastet sein wird. Aber auch im Fernverkehr wird er Verbesserungen ermöglichen. Das gilt besonders für Westsachsen.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Wichtig für den Erfolg ist die Elektrifizierung der Sachsen-Franken-Magistrale, also auch über unsere Grenze hinaus.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD, und vereinzelt bei der CDU)

Für die Elektrifizierung der genannten Strecke habe ich mich mehrmals vehement gegenüber der DB AG und dem Bundesverkehrsministerium eingesetzt. Aus diesem Grunde verstehe ich Ihre Herangehensweise nicht, die eindeutig darauf abzielt, dieses für den Freistaat und die

Stadt Leipzig so wichtige Projekt in Misskredit zu bringen.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD, und vereinzelt bei der CDU)

Wie sieht das mit den Kosten denn nun wirklich aus? Tatsache ist, dass nach Vergabe der drei größten Bauaufträge und einem sichtbaren Baufortschritt bis Ende 2005 seitens der DB-Netz AG eine Bewertung von Chancen und Risiken durchgeführt wurde. Diese Bewertung ist im DB-Konzern für alle Großprojekte nicht nur üblich, sondern sogar vorgeschrieben. Diese Risikoanalyse belegt keine abzurechnende Kostenexplosion. Sie zeigt gegenwärtig die Gefahr einer Kostensteigerung bis zu 73 Millionen Euro zum Projektende. Recht wahrscheinlich, jedoch keineswegs sicher, sind davon 26 Millionen Euro. Das Risiko, dass die weiteren 47 Millionen Euro gebraucht werden, lag bei 50 bis 90 %. Lag – vor der Indiskretion.

Das ist hier ein Zettel, Herr Pellmann: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir das Geld brauchen, ist jetzt leider enorm gestiegen. Hat bei Ihnen jemals jemand darüber nachgedacht, was passiert, wenn die Kostenprognosen mit detaillierten Verhandlungsspielräumen in die Hände der Baufirmen geraten? Herr Abg. Külow hat ja heute erklärt, dass die Linksfraktion.PDS die Papiere weiter verbreitet hat.

(Zuruf von der CDU: Maulwurf!)

Die öffentlich in die Welt hinausgetragenen Ergebnisse der Risikoeinschätzung haben die Verhandlungsposition des Auftraggebers ganz erheblich geschwächt.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die Baufirmen haben eine regelrechte Einladung zum Stellen von Nachträgen erhalten.

Sie, meine Damen und Herren von der Linksfraktion.PDS, haben sich objektiv – ob Sie das wollen oder nicht – zu Handlangern von Preistreibern gemacht.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Halten Sie das für linke Politik?