Herr Staatsminister Jurk, ich möchte Sie gern fragen, da Sie jetzt auf die Kosten hingewiesen haben, ob es zutrifft, dass Sie als Minister und als Ministerium, anstatt auf Kostendämpfung hinzuwirken, jetzt wegen der Indiskretion eine Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt haben? Ich möchte weiter fragen, warum diese Strafanzeige nicht die Deutsche Bahn AG gestellt hat, wenn es ihre Zahlen waren,
sondern das Ministerium. Waren es also doch Ihre Zahlen und Ihre Schätzungen, weshalb Sie jetzt Strafanzeige gestellt haben?
Herr Abg. Hahn, dem Freistaat Sachsen sind durch die Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen potenziell erhebliche finanzielle Verluste entstanden. Deshalb haben wir vor zwei Wochen – das bestätige ich – bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder weiß: Bei Großprojekten ist man trotz sorgfältigster Vorbereitung nicht vor kostenträchtigen Überraschungen gefeit. Wenn man von Risikoeinschätzung spricht, so muss man fairerweise dazusagen, dass bei Großprojekten manches durchaus billiger werden kann, als ursprünglich gedacht. So hat etwa die Verschiebung des Portikus in Leipzig gezeigt, dass Einsparungen im Projekt immer möglich sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gab auch eine rege Diskussion darüber, welche Anteile an möglichen Mehrkosten vom Freistaat Sachsen zu tragen sind. Die mit Bahn, Bund und Stadt abgeschlossene Rahmenfinanzierungsvereinbarung trifft für diesen Fall sehr ausführliche Regelungen. Diese beziehen sich aber auf die verschiedenen Bauleistungen selbst. Insofern lässt sich die Frage erst beantworten, wenn konkrete Mehrkosten wirksam werden. Bis heute ist das noch nicht der Fall. Fest steht allein, dass ein wesentlicher Anteil an Mehrkosten durch den Freistaat Sachsen zu tragen ist.
Ich bin mir sicher, dass zu gegebener Zeit alle Finanziers ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen werden.
Nachdem ich über die Gefahr von Mehrkosten informiert wurde, habe ich umgehend mit dem Ministerpräsidenten die Einsetzung einer interministeriellen Arbeitsgruppe vereinbart. Hauptaufgabe dieser sogenannten Taskforce ist es, die Kostenstellen im sächsischen Haushalt für mögliche künftige Mehrkosten festzustellen. Erste Ergebnisse der Arbeitsgruppe erwarte ich noch in diesem Jahr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gute ist: Durch die Kostenanalyse haben wir bereits jetzt Kenntnisse von möglichen Risiken. Ich begrüße die Absicht des Bundesrechnungshofes und des Sächsischen Rechnungshofes, im Zusammenhang mit dem City-Tunnel Leipzig diese Risiken zu prüfen. Durch die unabhängige Prüfung können wir die sachgerechte Durchführung des Projektes unter Beweis stellen. Zugleich bietet sich uns die Chance, diesen Risiken frühzeitig gegenzusteuern. Diese Chance müssen und werden wir zum Wohle des Freistaates Sachsen nutzen. Dafür setze ich mich mit ganzer Kraft ein. Von der DEGES erwarte ich einen entsprechenden Bericht bis Ende September.
Die CDU-Fraktion, die Linksfraktion.PDS sowie die NPD-Fraktion haben noch Redezeit. – Die CDU-Fraktion signalisiert ein Nein, die NPD-Fraktion auch. Die Linksfraktion.PDS? – Herr Abg. Zais, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, welches Oppositionsverständnis im parlamentarischen Rädergetriebe haben Sie eigentlich nach zwei Jahren Wirtschaftsministertätigkeit?
Sie beschmutzen die, die aus parlamentarischen Gründen die Aufgabe haben, die Regierung zu kontrollieren und von ihr berechtigt zu erfragen, welche Defizite es gibt.
Sie können auch gegen Unbekannt Strafanzeige stellen! Das ist vollkommen richtig. Aber wir werden deshalb nicht schweigen, sondern öffentlich Antworten von Ihnen verlangen. Dazu haben wir das Recht.
Die Fragen sind ganz einfach. Und dieses – entschuldigen Sie, Frau Präsidentin, jetzt bin ich mit dem Ausdruck sehr hart – Palaver von Herrn Prof. Bolick oder Frau Raatz über technische Zusammenhänge! Es ist die Frage: Warum wird nicht gebohrt? Jeden Tag kostet das Geld, Herr Finanzexperte Bolick. Auf diese Frage muss eine Antwort gefunden werden. Und wenn Sie, Herr Minister, sagen, „im September“ wird das Ganze auf dem Tisch liegen, dann kostet es bis dahin Geld. Diese Frage werden wir wohl noch stellen können!
Herr Kollege Zais, geben Sie mir recht, dass wir immer die Möglichkeit haben, im Wirtschaftsausschuss Fragen an die Staatsregierung zu stellen, die auch beantwortet werden, und dass das Theater, was Sie jetzt oder was Ihre Fraktion zu diesem Thema angestellt hat, der Sache nicht angemessen ist?
Herr Bolick, ich gebe Ihnen recht. Aber jetzt rede ich hier und da bestimme ich, was ich sage, und nicht Sie. Das Recht habe ich nämlich.
Grundsätzlich sind wir ja einer Meinung. Ihre letzten Sätze waren ganz vernünftig. Sie erwarten vom Minister, dass dieser City-Tunnel weitergebaut wird und wir eine klare Antwort erhalten, dass die beabsichtigten Verkehrsziele erbracht werden. Keiner sagt jedoch, wie es jetzt weitergeht. Es ist alles offengeblieben, das wissen Sie. Wir werden an diesem Thema dranbleiben, Herr Staatsminister.
Auf jeden Fall eines: Wir sind als PDS nicht Handlanger von Preistreibern, das verbitte ich mir! Wir sind diejenigen, die fragen. Diese Frage werden Sie uns beantworten, so wie Sie – das sage ich Ihnen offen – Hartz-IVEmpfänger als Faule bezeichnen und nachvollziehende, kontrollierende Menschen anstellen, als wären sie Parasiten der Gesellschaft. Wir werden Prestigeprojekte unter die Lupe nehmen. Anders geht es hier nicht!
Herr Kollege Zais, würden Sie mir zustimmen, dass Parlament zuallererst eine öffentliche Angelegenheit ist, da wir in Vertretung des Volkes handeln und das Volk darum das Recht hat zu erfahren, worüber wir sprechen?
Wir haben den Auftrag dazu, Herr Prof. Porsch, diese Dinge anzusprechen. Deshalb noch einmal ganz einfach die Frage: Warum wird nicht gebohrt? Welche Bedingungen sind vorhanden? Und grundsätzlich eine Position, Herr Staatsminister – nehmen Sie sie für immer mit: Wenn auch die Stadtratsfraktion in Leipzig gegen den Bau des City-Tunnels gestimmt hat, jedoch die Mehrheit ihn beschlossen hat, so steht nun die Linksfraktion.PDS dahinter, dass dieser City-Tunnel fertig gebaut wird! Deshalb stehen wir hier am Rednerpult. Lassen Sie also diese Unterstellung uns gegenüber, dass wir beschlossene Entscheidungen demontieren wollen. Das ist demagogisch und bringt uns nicht weiter. Aber beantworten Sie unsere Fragen, warum nicht gebohrt wird und welche guten Gründe es gab, dass der Freistaat Sachsen selbst – und nicht die Deutsche Bahn AG – im September 2001 unbedingt die Bauherrenrolle für den Tunnel übernehmen wollte. Es geht auch nicht um Sie, Herr Jurk. Sie haben ein Erbe übernommen, das haben Sie richtig gesagt. Geht es letztlich doch um die Bruderschaft Tiefensee und Gillo oder vorher schon mit Herrn Schommer? Warum wurde 2001 so entschieden?
Ich hätte hier noch viel mehr solcher Fragen, und ich sage es Ihnen offen: Wir wollen eine offene, ehrliche Antwort auf die Frage nach dem Bau des City-Tunnels, dessen Risiko und Mehrkosten, und stellen Sie bitte die Mehrkosten in den Haushalt ein! Wir werden Ihnen im Haushalt nachweisen, wo die zusätzlichen Gelder versteckt sind, damit die Abgeordneten wissen, wie es weitergeht.
Das Recht dazu haben wir, und wir werden alle Mittel – und ich mache kein Hehl daraus; auch wenn es bis zum Untersuchungsausschuss geht – einsetzen, um jegliche Wahrheit ans Licht zu bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nichts von dem, was ich gesagt habe, zurückzunehmen, Herr Abg. Zais, und ich möchte Ihnen deutlich sagen: Man muss bei allem, was man tut, auch immer die Wirkungen im Auge haben. Wie wäre es denn für die PDS, die offensichtlich großes Interesse daran hat, dass das Projekt fertiggestellt wird – ich begrüße dies ausdrücklich –, gewesen? Die Stadtratsfraktion bekommt ein solches Papier, schreibt dem Staatsminister einen Brief und weist darauf hin: Was ist da Sache? – Aber nein, diesen Weg sind Sie nicht gegangen. Sie haben dieses Papier gleich an die Presse weitergegeben. Gut, Sie können entscheiden, was Sie wollen. Aber dann kann ich Ihnen den Vorwurf, dass Sie Handlanger der Preistreiber werden, nicht ersparen, da es ein unglaublich sensibles und schwieriges Geschäft ist, diese Verhandlungen mit den Baufirmen zu führen. Dies tun Fachleute und Experten, deren Position nun einfach geschwächt wurde.
Ich möchte noch weiter ausführen; Sie sind gleich dran, Herr Morlok. – Ich habe den Ausschuss eingeladen, es gibt eine entsprechende Einladung. Wir haben uns im Ausschuss auch darüber verständigt, dass sich der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vor Ort informieren lassen kann, es sich anschaut, und dann können all die Fragen, die Sie gestellt haben, Herr Abg. Zais, diskutiert und debattiert werden. Diese Möglichkeit räume ich ein, hier wird nichts verschleiert. Aber ich möchte ausdrücklich sagen: Die Erlangung von Kenntnissen über mögliche Nachträge bzw. geplante Kostenerhöhungen in der Öffentlichkeit hat eine Wirkung erzielt, die Sie jetzt in Abrede stellen wollen; aber es ist ganz einfach so.
Ich möchte auch eines ausdrücklich zurückweisen: Ihre pauschale Darstellung, ich würde Hartz-IV-Empfänger diskreditieren und diskriminieren. Das ist überhaupt nicht meine Absicht. Ich habe großes Verständnis für die Sorgen dieser Menschen, und wir müssen gemeinsam alles tun, damit ihnen ein vernünftiges Leben möglich ist, und Sie werden von mir keine Äußerungen in dieser Weise zitieren können. Deshalb bitte ich einfach, dass Sie im Parlament bei der Wahrheit bleiben.
Ich kann Ihre Argumentation hinsichtlich der öffentlichen Wirkung dieser bekannt gewordenen Kostensteigerung schon nachvollziehen. Aber meine Frage ist: Warum war das Staatsministerium nicht in Kenntnis dieser Kostensteigerung? Warum waren Sie nicht in Kenntnis dieser Kostensteigerung, und warum haben Sie dies im Ausschuss nicht vertraulich vorgetragen? Ich könnte mir vorstellen, dass, wenn Sie es getan hätten, der Sachverhalt im Ausschuss auch vertraulich geblieben wäre. Das ist doch eigentlich der Vorwurf an Sie.