Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte darauf hinweisen, dass dem ursprünglichen Antrag ein Änderungsantrag beigefügt ist. Wir bitten darum, im Interesse der Rechtssicherheit den Buchstaben f zu streichen. Ich bitte Sie ganz herzlich, dem vorliegenden Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist insofern eine Premiere, als ich in einem Antrag der CDU-Fraktion – in dem Fall mit der Koalitionsfraktion SPD – lese, dass man mit dem Gegenstand des Antrages ein Anliegen der PDS-Fraktion, die das immer gefordert hat, umsetzen will. So steht es in der Begründung. Von der PDS-Fraktion sei immer gefordert worden, ein förmliches Verfahren für die Abhandlung des Artikels 118, sprich für das Prozedere der Umsetzung, vorzusehen. Das ist korrekt. Insofern erkennen wir den guten Willen des Antrages durchaus an. In drei Legislaturperioden wurde es geübt. Nunmehr in der 4. Legislaturperiode kommt man endlich dazu, dass man über die Regelungen in § 1 des Abgeordnetengesetzes hinaus, die Absätze 3 und 4 bis 7, in denen die gesetzliche Regelung praktisch abbricht, indem der Bewertungsausschuss dem Landtag eine Beschlussempfehlung überreicht und der Landtag über die Beschlussempfehlung entscheidet, das Verfahren in irgendeiner Form weiter zu regeln.
Sie haben nur – das liegt sicherlich an mir und meinem Dialekt, an meinem Genuschle, an meinem Wortschwall, wie Sie mir immer berechtigt vorhalten – verpasst zuzuhören: Ich habe stets gesagt, dass das nur auf der Ebene eines förmlichen Gesetzes geht. Herr Dr. Martens, das ist wirklich von oben bis unten durchgekaut worden.
Ich darf exemplarisch auf die Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofes im Verfahren gegen die damalige Landtagsabgeordnete Beck verweisen. Ich habe sie vertreten, Herr Kollege Martens, insofern bin ich mit dem Vorgang befasst und habe alle Schriftsätze und alle Sachverständigengutachten etc. pp. vorliegen. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat klipp und klar ausgeführt, dass in der Problematik des Eingriffs in das freie Mandat letztendlich nicht nur die materiellrechtliche Eingriffsnorm von Gesetzes wegen geregelt sein muss – das ist bei uns unstrittig; wir haben das in Artikel 118 auf der Verfassungsebene, was die Thüringer nicht hatten –, sondern es auch erforderlich ist, dass das Verfahren – weil immer materiellrechtlicher und prozessrechtlicher Teil bei Eingriffen in die Grundrechte auf Gesetzesebene basieren – einer gesetzlichen Regelung bedarf.
Nun ist es völlig sinnwidrig und nicht nachzuvollziehen, worin die Logik liegen soll, wenn ein Teil des Verfahrens, nämlich die Abgabe der notwendigen Erklärungen, um die Auskünfte der oder des Bundesbeauftragten einzuholen, im Gesetz geregelt wird, nämlich der Teil, wie
der Bewertungsausschuss eingesetzt wird, wie er sich zusammensetzt, wie er berät und wie er dem Plenum eine Beschlussempfehlung vorlegt und was dabei an Geheimhaltung zu beachten ist und Ähnliches mehr. Dann bricht das im Gesetz ab. Der weitere Teil, also die Behandlung der Entscheidungen des Landtages, die Überweisung an den Immunitätsausschuss, die Behandlung im Immunitätsausschuss, die Beteiligungsrechte im Immunitätsausschuss, wird dann der Beschlussebene, also dem Binnenrecht, überlassen. Wir überlassen sie momentan dem Binnenrecht.
Nachdem erklärt worden ist, dass sich alle Fraktionen mit Ausnahme der PDS-Fraktion darin einig sind, dass der Beschluss so gefasst werden soll, und auch für den Änderungsantrag Zustimmung besteht, würde es bedeuten, dass die nahezu an Lächerlichkeit grenzende Bestimmung im Buchstaben f dem Bewertungsausschuss die Stellung eines Untersuchungsausschusses einräumt. Nach dem Buchstaben f geben Sie dem Bewertungsausschuss alle Rechte, das gesamte Kompendium eines Untersuchungsausschusses.
Ich habe gerade gesagt, dass ich davon ausgehe, dass für den Änderungsantrag Zustimmung besteht, wonach der Buchstabe f gestrichen werden soll. Nun habe ich ein kleines Problem. Haben Sie das nicht bis zum Ende gelesen? Dort steht, dass Sie dem Immunitätsausschuss das gleiche Kompendium zugeordnet haben. Ich verweise auf den Buchstaben e. Dort haben Sie genau das gleiche Kompendium dem Immunitätsausschusses zugeordnet. Irgendwie macht es keinen Sinn, wenn der Immunitätsausschuss das Gremium sein soll, das vorladen, das vereidigen, das vernehmen und Sachverständige befragen darf. Das steht jetzt beim Immunitätsausschuss.
Meine Empfehlung wäre, damit Sie das Ding nicht ganz um die Ohren bekommen, den Antrag zurückzuziehen und zu überarbeiten, damit er eine Passform erhält, die auch auf der Beschlussebene korrekt ist. – Das zum Ersten.
Zweitens. Es ist immer hilfreich, wenn man die Kompetenz von Menschen, die außerhalb des Parlaments als Sachverständige das Thema beherrschen, im Parlament nutzt. Sie wissen, dass wir ein Gesetz zur Änderung der Verfassung speziell in den Übergangsbestimmungen eingebracht haben, das zu erheblichen Teilen den Artikel 118 betrifft. Das betrifft die Abgeordnetenanklage und Ähnliches mehr. Dieser Gesetzentwurf ist im Geschäftsgang. Er liegt im Verfassungs- und Rechtsausschuss.
Die Expertenanhörung zu diesem Gesetzentwurf findet am 31. Januar statt. Das, was Sie heute beschließen wollen, ist am 31. Januar Gegenstand der Anhörung im Verfassungs- und Rechtsausschuss mit wohl nicht weniger als zwölf bis 15 Experten. Das sind Professoren, Verfassungsrechtler, Verwaltungsrechtler usw. Es ist doch das Normalste von der Welt, dass man wartet, bevor man Entscheidungen zu dem Procedere trifft, wenn die materiellrechtlichen Normen im Gesetzgebungsgang in einem Anhörungsverfahren hinterfragt werden.
Unsere Bitte ist deshalb – ganz egal, wie man sonst zu dem Verfahren steht –: Stellen Sie es erst einmal zurück, bis die Anhörung zum materiellrechtlichen Normenbestand stattgefunden hat. Die ist am 31. Januar. Es ist also maximal ein Monat, den Sie Geduld haben müssten.
Drittens. Wenn Sie das auch nicht können, weil es Ihnen so eilig ist, dann machen Sie der Korrektheit halber wenigstens als Ziffer 3 eine Ergänzung – Kollege Martens, zumindest bei Ihnen erwarte ich, dass Sie verstehen, was ich meine. In jedem Gesetz, in jedem Rechtsakt, in dem in Grundrechte eingegriffen wird, muss immer beschrieben werden, welche Grundrechte das betrifft. Es muss exakt geschrieben werden: „Mit dem hier enthaltenen Normenbestand wird in folgende Grundrechte eingegriffen, werden folgende Grundrechte relativiert.“ Sie müssten in Ziffer 3, die Sie hinzufügen, beschreiben, in welche Grundrechte Sie eingreifen und aus welcher Rechtfertigung heraus Sie das tun.
Dass das dann immer noch verfassungswidrig ist, weil Sie es nicht auf Gesetzesebene regeln, aber Eingriffe in Grundrechte nur auf Gesetzesebene geregelt werden können, ist eine ganz andere Frage. Aber immerhin würde das Verfassungsgericht den guten Willen sehen, den Sie hätten, und Ihnen zumindest eine gewisse Problemsicht zugestehen.
Erklären Sie mir noch einmal, woher Sie die Rechtsgrundlage dafür nehmen wollen, dass Sie auch dem Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, Herrn Beleites, hier das Recht einräumen wollen, in die Unterlagen der Abgeordneten respektive die Bewertungsunterlagen Einsicht zu nehmen. Auf welcher Rechtsgrundlage wollen Sie ihm das Recht einräumen, im Bewertungsausschuss Fragen an die Abgeordneten zu stellen und Stellung zu nehmen? Das Recht hat er weder aus dem Stasi-Unterlagen-Gesetz noch aus dem Sächsischen Landesbeauftragtengesetz und auch nicht aus dem Abgeordnetengesetz und der Verfassung.
Da aber all das, was von der Birthlerbehörde beauskunftet wird, sobald es nicht in der Reichweite des Stasi-Unterlagen-Gesetzes oder des Abgeordnetengesetzes liegt, eben wegen des Eingriffs in das freie Mandat immer den Schutzrechten unterliegen muss, dürfen nur die an dem Verfahren beteiligt werden und die Daten von frei gewählten Abgeordneten zur Kenntnis nehmen, die es von Gesetzes und nicht von Beschlusses wegen dürfen. Sie haben überhaupt keine gesetzliche Grundlage. Im Gegenteil!
Ich verspreche Ihnen Folgendes: Wenn zum ersten Mal Herr Beleites im Bewertungsausschuss sitzt und ein Blatt von einem meiner Fraktionskollegen oder von mir gelesen hat, mache ich Strafanzeige gegen die Ausschussmitglieder, weil sie widerrechtlich einem von Gesetzes wegen dazu nicht Befugten das Recht einräumen, in die Unterlagen zu sehen. Darüber sollte Klarheit herrschen. Das ist keine Drohung, das ist eine Rechtsbelehrung.
Ich weiß, dass ich keine kostenlose Rechtsberatung machen darf. Aber das ist mehr ein Privatissimum, um Ihnen über die allergrößten Probleme hinwegzuhelfen.
(Heiterkeit bei der PDS – Volker Bandmann, CDU: Sind Sie jetzt im Nebenamt tätig oder sprechen Sie als Abgeordneter?)
Ich mische das, Herr Bandmann. Ich habe immerhin das Vermögen, zwei Ämter auszufüllen. Wenn Sie mit einem zurechtkämen, wäre ich zufrieden.
(Heiterkeit bei der PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Ich gehe dann abkassieren, damit es nicht kostenlos ist! – Rita Henke, CDU: Da werden Sie aber nichts bekommen!)
Wir haben in den 14 Jahren auf diesem Gebiet schon viele mutige und waghalsige Unternehmungen gesehen. Wir haben oft genug erlebt, wie sie endeten – in der Regel in der Unzulässigkeit, ohne Beratung beim Verfassungsgericht.
Am 1.1.2007 endet bekanntlich die Beauskunftungsfähigkeit nach dem Stasi-Unterlagen-Gesetz. Dazu gibt es eine Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht, durch das Sächsische Verfassungsgericht, durch die Verfassungsgerichte in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, wie der Normenbestand materiellrechtlich und verfahrensrechtlich ausgestaltet sein muss. Und nun kommen Sie mit einem Beschluss, der hinten und vorn den Grundbedarf nicht abdeckt, der bei Grundrechtseingriffen gefordert wird, wobei der Eingriff in das freie Mandat zum Eklatantesten gehört. Das ist verwunderlich und wohl nur dadurch zu erklären, dass Sie hier nur Leibesübungen machen und ein Verhinderungskonzept haben, damit Sie nicht in Konflikt mit Artikel 118 geraten.
Selbst wenn ich allen guten Willen unterstelle – und das tue ich bei Kollegen Schiemann immer erst einmal –, so kann man das auf der Ebene eines Beschlusses nicht regeln. Seien Sie doch nicht so beratungsresistent und versuchen Sie ein wenig darüber nachzudenken, was Ihnen mit dem Beschluss erneut an Scherereien ins Haus steht!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf im Namen meiner Fraktion sagen, dass wir den Antrag begrüßen, auch wenn wir hier einen Juristenstreit in dieser Frage erlebt haben.
Wir sind an der Aufarbeitung von vergangenem Unrecht interessiert. Dazu gehört auch die Offenlegung, wer wann in welcher Art und Weise für wen gearbeitet hat.
Aber ich gebe auch zu, dass wir nach 15 Jahren, die vergangen sind, viel mehr daran interessiert sind, was die derzeitigen Geheimdienste für Schaden anrichten. Aber das ist heute nicht Gegenstand der Beratung. Deswegen darf ich nur sagen, dass wir dem Antrag zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Einwendungen des Kollegen Bartl möchte ich für meine Fraktion sagen: Wir begrüßen es zunächst einmal, dass überhaupt eine hinreichend präzise Regelung geschaffen werden soll,
mit der zu regeln ist, was mit den Auskünften passiert, die nach Anfragen durch das Parlament zur Bewertung nach Artikel 118 der Sächsischen Verfassung kommen.
Das, Herr Kollege Bartl, ist noch nicht die materielle Bewertung. Das ist auch nicht das Verfahren analog ZPO oder StPO. Zu Recht sagen Sie, dass in Absatz F des Richtlinienentwurfes die Befugnisse des Bewertungsausschusses analog denen des Untersuchungsausschusses gestaltet sind. Ich gebe Ihnen Recht, dass diese Befugnisse der gesetzlichen Regelung bedürfen. Insofern begrüßen wir den hier eingereichten Änderungsantrag, denn er konzentriert die Richtlinie auf ihren wesentlichen Zweck, nämlich zu regeln, was mit den Auskünften passiert, sofern sie im Parlament angekommen sind und dem Bewertungsausschuss zur Verfügung gestellt werden.
Die Frage des Bewertungsvorganges, also der formellen Arbeit des Bewertungsausschusses, bis hin zur materiellen Entscheidung eines möglichen Antrages nach Artikel 118 der Sächsischen Verfassung bedarf einer gesetzlichen Regelung, wobei ich davon ausgehe, dass, wenn der Fall eintreten sollte, hier so etwas im Raum steht, eine entsprechende gesetzliche Regelung geschaffen wird.
Ich möchte Ihnen darin Recht geben, dass es in 14 Jahren sicher erforderlich und auch wünschenswert gewesen wäre, in diesem Haus eine gesetzliche Regelung in dieser Frage zu schaffen. Aber diesen Richtlinien stimmt meine Fraktion zunächst zu.