Wir haben in Deutschland bekanntlich ein Grundgesetz, in dem die Freiheit der herausragende Ausgangspunkt ist. Freiheit bedeutet auch freiheitliche Krankenkassen, auch private Krankenkassen.
Ihre Vorstellung ist, weil sie private Krankenkassen schlechterdings in Abrede stellt, schlicht und einfach verfassungswidrig.
Meine Damen und Herren! Ich habe vonseiten der PDSFraktion keine Auseinandersetzung mit den Ausführungen von Frau Kollegin Nicolaus und Frau Dr. Schwarz gehört. Ist es nicht gerade für die sächsischen Freiberufler, über die Sie keine Silbe verloren haben, für die Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, ein Glück, wenn die Budgets abgelöst werden? Haben Sie sich einmal Gedanken darüber gemacht, dass die sächsischen Ärztinnen und Ärzte aufgrund der Punktwerte teilweise mit dem Rücken zur Wand stehen? Haben Sie sich ferner einmal mit dem Gedanken befasst, dass es eine Gebührenordnung geben wird, die endlich mit einem Euro-Betrag arbeitet, sodass vernünftig kalkuliert werden kann? – Dazu habe ich von Ihnen überhaupt nichts gehört.
Meine Damen und Herren! Ich stimme Frau Schütz an einer entscheidenden Stelle zu. Herr Wehner hat eben ausgeführt: Viel Lärm um nichts! Sie machen tatsächlich viel Lärm um nichts. Frau Schütz hat darauf hingewiesen, dass wir die Debatte zum heutigen Thema bereits am 20. Juli 2006 geführt haben. Wir haben dem nichts mehr hinzuzufügen.
(Beifall bei der CDU – Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS: Gleichbehandlung im Rechtsstaat, Herr Kollege!)
Gibt es von den Fraktionen noch Redewünsche? – Dann bitte ich die Staatsregierung, Frau Staatsministerin Orosz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, in einem Punkt sind wir uns sowohl hier im Hohen Haus als auch insgesamt in der Gesellschaft einig: Ein mehrheitlicher Konsens besteht in der Frage, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung dringend reformiert werden muss. Zumindest habe ich das den Redebeiträgen entnehmen können.
Ich darf daran erinnern, dass mit diesem Konsens, dass dringend eine Reform des Gesundheitssystems erforderlich ist – daran scheiden sich auch in der heutigen Debatte die Geister nicht –, eine eklatante Veränderung des Systems sowohl der Strukturen, Frau Hermenau, als auch der Finanzierung verbunden ist. Wir alle wissen, wenn wir uns ehrlich mit diesem Thema befasst haben und weiterhin befassen, dass durch die demografischen Veränderungen, die in den einzelnen Redebeiträgen heute angesprochen worden sind, aber auch durch die Situation in den Einnahmen mit einer Belastung aller am System Beteiligten gerechnet werden muss.
Wenn heute von der Linkspartei gesagt wird, man habe erwartet, dass alles besser wird, dann ist das mehr als blauäugig in ihrer Diskussion.
(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Warum machen wir dann eine Reform? – Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)
Meine Damen und Herren! Ich darf darauf hinweisen, dass die Bürgerinnen und Bürger mit Spannung auf eine Reform gewartet haben, die Erwartungshaltung an die neue Bundesregierung sehr groß war und dass in dieser Erwartungshaltung die Große Koalition eine entscheidende Rolle gespielt hat. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass diese Hoffnung, diese berechtigte Hoffnung, außer Acht gelassen hat, wie unterschiedlich die Positionen der Koalition gewesen sind. Es ist schwierig, in einer gemeinsamen Verantwortung diese Positionen grundsätzlich zu verlassen und eine Lösung ohne Schnittstellen zu finden. Ich gebe zu, dass das sehr schwierig ist. Aber es ist ein Kompromiss entstanden, der in den letzten Wochen und Monaten in der Tat sehr heiß diskutiert worden ist. Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen, dass noch nicht alle Details abgeschlossen sind.
Frau Hermenau, Sie mögen sicherlich recht haben, denn Sie haben über Jahre Erfahrungen in der Bundesregierung gemacht. Wir sind aber schon der Meinung, dass wir in der Vergangenheit in den Diskussionen die sächsischen Interessen in hohem Maße vertreten haben. So werden wir auch in den nächsten Wochen – es gibt derzeit noch keinen Gesetzentwurf – am Gesetzentwurf weiter aktiv mitarbeiten und an der einen oder anderen Stelle nicht nur aus der Position Sachsens, sondern auch aus der Position der Länder die eine oder andere Schnittstelle noch minimieren bzw. abschleifen.
Meine Damen und Herren! Die Koalitionsparteien wählten den Weg der Eckpunkte. Auch das ist angesprochen worden. Diese Eckpunkte gilt es nunmehr in einem Gesetzentwurf umzusetzen. Trotz der vielen Diskussionen, die diese Zeitspanne begleitet haben, ist ein großes Bemühen aller Beteiligten sichtbar, denn ohne dass man diskutiert, kann man einen gemeinsamen Kompromiss nicht finden. Deswegen finde ich es richtig, dass wir die Möglichkeit einer umfangreichen Diskussion genutzt haben.
Der Gesetzentwurf wird uns in den nächsten Tagen zugehen. Es wird also hier nochmals eine umfangreiche Debatte geben und die Länder werden sich zu einzelnen Punkten positionieren. Aber der Weg und die Richtung sind nun klar.
Ich möchte auch noch einmal ausdrücklich betonen, dass eine Bewertung der Gesundheitsreform, die teilweise seitens einiger Redner heute schon stattgefunden hat, erst am konkreten Gesetzeswortlaut und nicht schon jetzt, fokussiert auf das Eckpunktepapier oder den Koalitionskompromiss der letzten Woche, vorgenommen werden kann. Meine folgende Bewertung steht deswegen verständlicherweise auch unter diesem Vorbehalt.
Für das am meisten zu begrüßende und zukunftsweisende Element des Koalitionskompromisses halte ich das, was in der öffentlichen Diskussion ausgerechnet am meisten
und am stärksten kritisiert worden ist: den Gesundheitsfonds. Danach können neben einem bundeseinheitlichen Beitragssatz einzelne Kassen zusätzliche Pauschalprämien, sogenannte kleine Prämien, erheben. Mit dieser Konstruktion wird der bisherige Automatismus, nach dem die Kosten des Gesundheitssystems unmittelbar auf die Lohnnebenkosten durchschlagen, endlich durchbrochen. Das war eines der wichtigsten Ziele dieser Reform – daran darf ich noch einmal erinnern – und wir sind mit der jetzigen Formulierung diesem Ziel, sicherlich nicht in Gänze, aber ein Stück weit nähergekommen.
In der Vergangenheit, und zwar unter Bundesregierungen völlig unterschiedlicher Zusammensetzungen, mussten die Gesundheitspolitiker schon mehrfach sinnvolle und notwendige Ansätze aufgeben, um die Lohnnebenkosten nicht weiter steigen zu lassen. Über den Fonds fließen künftig auch Steuermittel zur Reduzierung der Beitragslast. Deswegen, Herr Wehner, ist Ihre Argumentation nicht richtig, wenn Sie die Behauptung aufstellen, dass hier lediglich die Arbeitgeber und nicht die Arbeitnehmer entlastet werden.
Die zunehmende Übernahme der beitragsfreien Mitversicherung – auch das sei an dieser Stelle noch einmal genannt – von Kindern in der Krankenversicherung durch Steuern ist ein Ausdruck unserer gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung und ebenfalls als positiv zu werten.
Meine Damen und Herren! Im Rahmen der Kompromisssuche wurde auch eine Verbesserung bei der Erhebung von Zusatzbeiträgen erreicht. Künftig ist das beitragspflichtige Einkommen und nicht mehr das Haushaltseinkommen Bezugspunkt. Damit wird in der Tat ein erheblicher bürokratischer Aufwand bei der Beitragserhebung vermieden. Wünschenswert wäre, wenn die Elemente der Wettbewerbssteigerung, die mit der Erhebung der Zusatzbeiträge verbunden sind, auch im Gesetzentwurf konsequent umgesetzt würden.
Aus sächsischer Sicht muss noch ein Detailelement des Fonds bei den Beitragserstattungen zielgenauer geregelt werden, dessen Folgen erst nicht bedacht wurden: Durch regionale Faktoren, auch durch die viel zitierten Erfolge der sächsischen Gesundheitspolitik liegen die Beitragssätze regionaler sächsischer Krankenkassen bekanntermaßen erheblich unter dem Bundesdurchschnitt. Bei diesen Krankenkassen werden künftig entsprechende Überschüsse anfallen. Es muss also sichergestellt werden, dass solche Überschüsse auch ausgeschüttet werden können. Obergrenzen für Ausschüttungen darf es nicht geben, wenn die finanzielle Situation der Krankenkassen sie erlaubt.
Aber – und hier irrt die Linksfraktion.PDS ebenfalls – die Versicherten der sächsischen Kassen werden die Differenz zwischen dem heutigen eigenen Beitragssatz und dem künftigen Beitragssatz in dem Fonds durch Beitragsrückerstattungen ausgezahlt bekommen. Aber auch die Arbeitgeber haben bisher von den niedrigen Beitragssätzen in Sachsen profitiert und künftig sollen lediglich die Versicherten Erstattungen erhalten. Hier muss es zukünftig eine
Balancelösung geben. Dass die Arbeitnehmer durch die Gesundheitsreform eine Lohnerhöhung von ihrem Arbeitgeber erhalten sollen, hat die Bundesregierung aus unserer Sicht sicherlich so nicht bedacht. Deshalb sollte den Arbeitgebern eine Anpassungsfrist eingeräumt werden. Dafür werden wir uns, wie gesagt, auch im weiteren Verfahren einsetzen.
Ich begrüße es, dass die ursprüngliche Absicht, den Beitragseinzug zu zentralisieren – wie auch einige andere zentralistische Elemente – inzwischen auf Druck der Länder aufgegeben wurde. Diese Aufgabe bleibt nun bei den Kassen, die sie bis jetzt zufrieden stellend erledigt haben.
Die nunmehr beschlossene zeitgleiche Einführung des Fonds mit dem modifizierten Risikostrukturausgleich ist aus unserer Sicht sachgerecht und auch gutzuheißen. Eine solidarische Umverteilung bleibt auch im Fonds nötig, um eine unerwünschte Risikoselektion zwischen den Krankenkassen auszuschließen.
Meine Damen und Herren! Im Laufe der Verhandlungen haben in den letzten Tagen einige Länder den Finanzkraftausgleich im Risikostrukturausgleich infrage gestellt, indem sie erfolgreich eine regionale Komponente im Fonds gefordert haben. Konkret wurde beschlossen, die Auswirkungen anhand eines Gutachtens zu prüfen. Das Ergebnis für den Freistaat Sachsen wird von weitreichender Bedeutung sein und bleibt abzuwarten. Allerdings haben wir in den letzten Stunden die ersten Ergebnisse erhalten, die uns darin recht geben, dass die Forderungen der einzelnen Länder nicht berechtigt waren, und die eher die Position unterstützen, die Sachsen vertreten hat. Wir werden uns entschieden gegen jeden Rückschritt gegenüber dem Status quo beim Risikostrukturausgleich wenden.
Positiv zu werten ist schließlich auch, dass die unionsgeführten Länder erreichen konnten, dass die zur Kostendämpfung vorgesehenen Belastungen der Krankenhäuser erheblich abgeschwächt und anders verteilt wurden. Der ursprüngliche Vorschlag wäre für die Krankenhäuser nicht realisierbar gewesen und seine Durchführung hätte vermutlich zur Schließung einiger Krankenhäuser geführt.
Meine Damen und Herren, ich darf abschließend zusammenfassen: Die Bundesregierung hat das, was im Rahmen einer Großen Koalition machbar ist, mit einem hohen Aufwand erreicht und wird in Kürze einen konkreten Gesetzentwurf im regulären Verfahren vorlegen. Seien Sie sicher, die Staatsregierung wird diesen Entwurf genau prüfen und ihre Möglichkeiten nutzen, um auf die Willensbildung im sächsischen Interesse Einfluss zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Sowohl die CDU-Fraktion als auch die Linksfraktion.PDS und die Fraktion der SPD haben noch
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, Frau Staatsministerin, Sie haben recht: Endgültig kann man ein Gesetz erst dann bewerten, wenn es vorliegt. Aber wir haben in der Vergangenheit nicht selten erlebt, dass Gesetze hinter verschlossenen Türen ausgeheckt werden und die Parlamente sie dann, ohne sie richtig zu lesen, nur noch abnicken. Da sage ich Ihnen: Da will ich schon lieber an der Debatte vorher teilnehmen,
Frau Staatsministerin, was die Kinderversicherung betrifft, sage ich Ihnen Folgendes: Diese würde kosten. Ich stimme denen zu, die sagen, es müssen auch die Kinder eingeschlossen werden, die in der privaten Krankenkasse sind, solange die private Krankenkasse, deren Mitglied die Eltern sind, noch existiert, was ich nicht will. Das wissen Sie. Anders geht es nicht. Man kann nicht Kinder erster und zweiter Klasse haben. Aber was wird uns denn vorgerechnet? – Es wird gesagt, diese Steuerlast läge bei 16 Milliarden Euro im Jahr. Okay. Was passiert denn? – Die Tabaksteuer wird faktisch weitgehend von den Krankenkassen weggenommen – das sind über 4 Milliarden Euro – und darüber hinaus sollen 4 Milliarden Euro zugeschustert werden, damit die Kinderversicherung bezahlt werden kann.
Dann kann sich jeder ausrechnen, was übrig bleibt und wer das zu tragen hat: am Ende wieder die gesetzlich Krankenversicherten und nicht der Steuerzahler. Hier muss unbedingt nachgebessert werden. Das halte ich für unerlässlich.
über allen Wolken schwebend, dazu sage ich Ihnen, das lernt man eigentlich schon im ersten Studienjahr bei Politikwissenschaften: Freiheit ist nicht außerhalb von Raum und Zeit denkbar.