Protokoll der Sitzung vom 15.11.2006

Erst aufgrund der Proteste der Kommunen erfolgte eine Änderung. Die Kommunen sind auf die Barrikaden gegangen und haben protestiert, das wissen Sie sehr genau. Auf dieser Basis hat es eine Neuregelung gegeben, nämlich 50 % nach den tatsächlichen Kosten zu zahlen und die anderen 50 % wiederum nach dem Durchschnittswert.

Was heißt das konkret? In Dresden bleibt die Belastung in hohem Maße nach wie vor bestehen. Wenn man einmal die Jahre vergleicht, läuft das auf eine Mehrbelastung bis zu über 40 % hinaus.

Aufgrund der kommunalen Proteste hat es zwar Verbesserungen gegeben, diese schlagen aber letztendlich nicht durch. Ich mache einmal die konkrete Rechnung auf: Im Jahre 2006 werden 6,1 Milliarden Euro weggerechnet, die Frau Herrmann so gelobt hat. Diese Summe ist nämlich durch diese Fifty-fifty-Regelung zustande gekommen, sodass wir 6,1 Millionen Euro mehr bekommen. Es bleibt also ein Rest von 10 Millionen Euro, den die Kommune aufgrund der Regelung draufzahlen muss. Wir haben diese Berechnungen in der Stadt machen lassen, sie liegen vor und ich kann sie jedem in die Hand geben. Das trifft auch für die Folgejahre zu. Im Jahre 2008 werden es 19 Millionen Euro sein, im Jahre 2009 circa 20 bis

23 Millionen Euro. Nun kann man sich ausrechnen, ob wir mit einigen Abfederungen 30 oder 40 Millionen Euro in drei Jahren zuzahlen müssen oder ob es 50 Millionen Euro sind. Das ist doch aber keine Lösung.

Insofern empfinde ich diesen von Ihnen benannten Kompromiss – das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen – nicht als Kompromiss. Es ist ein Kompromiss, den wir als Fraktion nicht unterstützen können.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Es trifft nicht nur auf Dresden zu. Man muss sich zum Vergleich auch andere Großstädte und Landkreise anschauen.

Ich will Ihnen sagen: Die Folgen sind verheerend. Wir haben in Dresden die Mehrkosten – und das wird auch in diesem Jahr so sein – aus den erhöhten Einnahmen der Gewerbesteuer genommen. Prima, diese Gelder wollten wir eigentlich für die Sanierung von Schulen verwenden. Das können wir nun nicht in dem Maße tun, wie wir es wollten.

Das führt dazu, dass sich Haushalte weiter verschulden und am Ende tatsächlich der Hartz-IV-Betroffene betroffen ist. Insofern sprechen wir sehr wohl, Frau Herrmann, von den Betroffenen; denn was kommt denn auf sie zu? Sie werden sehr viel stärker zu Umzügen genötigt, und sie werden über die Jahre hinweg letztlich auch in schlechtere Wohnungen gezwungen. Ich will es klipp und klar sagen: Wir als Linksfraktion wollen eine gerechte Verteilung der Kosten für die Unterkunft, und zwar im ganzen Land. Wir als Linksfraktion fordern Sie deshalb auf, die Nettobelastungsermittlungsverordnung – denn das ist Landespolitik, und über diese will ich hier sprechen – zu ändern. Gerecht ist nur, was nach den tatsächlichen Kosten berechnet wird, alles andere ist Gerede.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die CDU-Fraktion; Herr Dr. Rößler, bitte noch einmal.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle es noch einmal fest, und das lasse ich mir auch nicht wegreden: Die sächsischen Kommunen und die Kommunen in Deutschland sind mit diesem Kompromiss zufrieden, da sie über 2 Milliarden Euro mehr für die Lösung dieses Problems zur Verfügung haben.

Noch eine Nachricht von gestern ist wichtig: Seit Juni 2006 – das haben wir gestern von den Landräten gehört – stagnieren zum Glück die KdU-Ausgaben bei rund 80 Millionen Euro im Monat. Sie steigen also nicht mehr an. Meine Damen und Herren, es gibt natürlich ganz rechts und ganz links in diesem Hause zwei Fraktionen, die von diesen Problemen, welche die Menschen haben, die Hartz IV empfangen, profitieren.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Mir ist heute viel zu wenig darüber diskutiert worden: Wie können wir nachhaltig die Kosten der Unterbringung senken und den Menschen Lebensperspektiven geben?

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Tun Sie doch mal was! – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Was haben Sie denn geändert?)

Das geht nur durch die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen, und dabei hat die Koalition in Berlin, die keine Arbeitsplätze schaffen kann, zumindest an den Rahmenbedingungen vieles zum Positiven geändert. Wir haben eine Unternehmensteuerreform auf den Weg gebracht, die die steuerliche Gesamtbelastung in Deutschland auf deutlich unter 30 % senkt, und, meine Damen und Herren, damit wird nicht nur, wie immer unterstellt wird, den Konzernen geholfen. Das hilft allen, Kleinunternehmen, Mittelständlern, allen, und das wird Arbeitsplätze schaffen. Die Erbschaftsteuerreform ist auf den Weg gebracht.

(Bettina Simon, Linksfraktion.PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lassen Sie mich erst einmal ausreden, Frau Kollegin, Sie kommen dann gleich dran.

Vor uns steht ein gewaltiger Generationswechsel. 70 000 Betriebe werden pro Jahr in Deutschland ihren Inhaber ändern, und die Nachfolger in diesen Betrieben werden keine Erbschaftsteuer bezahlen, wenn sie diesen Betrieb zehn Jahre weiterführen. Außerdem ist es uns gelungen, die Arbeitslosenversicherung von 6,5 % auf 4,2 % und damit nachhaltig die Lohnzusatzkosten zu senken; und die Wirkung spüren wir doch: Die Arbeitslosigkeit ist auf 9,8 % gesunken – deutlich unter 10 %. Wir haben in Deutschland seit vier Jahren und in Sachsen seit zehn Jahren die niedrigste Arbeitslosigkeit.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es bleibt immer noch viel zu tun, aber man muss auch Positives benennen. Nur so helfen wir den Hartz-IVEmpfängern nachhaltig, und man muss anerkennen, wenn 471 000 Menschen in Deutschland Arbeit gefunden haben und – entgegen vielen Vermutungen – die meisten in ordentlichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Unser Wirtschaftswachstum liegt bei 2,3 % und, meine Damen und Herren, wir werden, wenn es nach den Koalitionsfraktionen in diesem Hohen Hause geht – und nach denen wird es in dieser Sache gehen –,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sag bloß!)

den Landeshaushalt schon 2006 auf eine Neuverschuldung von null bringen, und das wird im Doppelhaushalt so weitergehen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Wir wollen Zukunftslasten abbauen, wir werden investieren, und das schafft Arbeitsplätze – auch in Sachsen –,

(Beifall bei der CDU)

das hilft den Hartz-IV-Empfängern und senkt nachhaltig die Kosten der Unterkunft. Wenn uns das gelingt, werden Sie von diesem riesengroßen Problem, das die deutsche Gesellschaft hat, meine Damen und Herren rechts und links in diesem Hause, nicht mehr politisch profitieren können.

(Alexander Delle, NPD: Darüber reden wir in zwei Jahren noch mal!)

Wir laden Sie ein, Sie können daran mitwirken, dass neue Arbeitsplätze entstehen. Dann erledigt sich vieles von dem, worüber wir heute gesprochen haben, von allein.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Herr Dr. Rößler, ich wollte Sie nur bitten, wenn Sie zusichern, eine Zwischenfrage zuzulassen, die Kollegin nicht am Mikrofon stehen zu lassen. – Ich frage die SPD-Fraktion, ob noch Redebedarf besteht. – Das ist nicht der Fall. Die NPD-Fraktion? – Auch nicht. Die FDP? – Die GRÜNEN? – Dann die Linksfraktion.PDS; sie hat noch einmal Redebedarf angemeldet. Herr Scheel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Rößler, es gibt ein wunderschönes Sprichwort: Wenn man so anfängt zu reden, weiß man manchmal nicht, wo es einen hinredet. – Ich glaube, mit Ihnen ist es gerade ein wenig durchgegangen. Kann das sein?

Ich möchte Sie nur an eines erinnern, wenn Sie hier schon so groß das Hohelied auf die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse geradezu singen:

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Sie können ja einstimmen!)

In den letzten fünf Jahren sind in diesem Freistaat ungefähr 250 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse abgebaut worden –

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr richtig!)

unter Ihrer Regierung –, und Sie wollen uns hier noch einen Vortrag darüber halten, wie man Beschäftigung schafft? Na, vielen Dank auch, Herr Rößler!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Lassen Sie mich, da es angesprochen wurde, kurz auf das Gezerre zwischen Bund und Ländern auf Kosten der Kommunen eingehen. Da schreibt also der Bundesfinanzminister – vorhin habe ich es bereits erwähnt – eine Hausnummer von 2 Milliarden Euro in seinen Haushalt. Schon dafür gehört er eigentlich entlassen; deshalb kann ich nicht verstehen, dass dies hier als toller Kompromiss gefeiert wird. Wer so etwas hineinschreibt, hat als Finanzminister seine Pflicht und Schuldigkeit eindeutig nicht getan.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Kommunen verlangen 5,8 Milliarden Euro, und der nächste Sozialdemokrat, Herr Müntefering, macht das Angebot, sich in der Mitte zu treffen. Ja, wo sind wir denn?! In der Mitte, bei 3,9 Milliarden Euro! Damit blitzt er in seinem eigenen Kabinett ab. Von den Ländern ist unterdessen zu hören, 4,7 Milliarden Euro wären als unterste Schmerzgrenze gerade noch verkraftbar. Na gut, sagt sich da die Bundesregierung, legen wir noch einmal 400 Millionen Euro drauf, dann treffen wir uns auch hier in der Mitte zwischen 3,9 und 4,7 Milliarden Euro – und schon ist er da, der von Ihnen so wunderbar gefeierte Kompromiss von 4,3 Milliarden Euro, und das, meine Damen und Herren, ist reale Politik in diesem Land. So wird hier Politik gemacht. Das ist beschämend, das müssen wir doch wenigstens einmal festhalten.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Peter Wilhelm Patt, CDU: Nur kein Neid!)

Eine so wichtige Frage wie die Be- und Entlastung der kommunalen Ebene, die sich dann eben auch auf jeden Hartz-IV-Empfänger und jede Bedarfsgemeinschaft niederschlägt, können wir doch nicht einfach wie – Frau Schütz hat es vorhin genannt – auf dem Basar verhandeln. Sie sind doch wirklich ausgezogen und wollten eine neue Regelung schaffen. Sie haben keine neue Regelung mitgebracht, die uns über die nächsten Jahre bringen wird. Entschuldigung, diese Gleitklausel können Sie doch vergessen, und Herr Brangs, ich hätte mir gewünscht, dass Sie den Gesetzentwurf zumindest gelesen hätten und hier nicht einfach nur vorlesen, was Herr de Maizière vor dem Bundesrat erzählt hat. Genau das Gleiche haben Sie doch getan. Sie erzählen, dass nach unten nur 0,7 % abgegolten werden, aber natürlich funktioniert der Mechanismus nach oben genauso gut. Wenn die Bedarfsgemeinschaften also um 1 % steigen sollten, wird sich der Bund nur zu 0,7 % beteiligen. Das hätten Sie vielleicht mit erwähnen können, aber Sie haben ja nur vorgelesen, was Herr de Maizière dort erzählt hat.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Er lässt sozusagen etwas weg. Entschuldigung, lesen Sie vorher, worum es hier geht, dann können Sie auch einen Redebeitrag halten, in dem Sie Ihre Position darstellen und nicht die des Bundeskanzleramtsministers.