Protokoll der Sitzung vom 15.11.2006

Wissen Sie, was mich wirklich interessiert? Herr Prof. Milbradt ist doch ein Mann der Zahlen. Er hat doch mit den Kollegen der Länder genau diese 5,8 Milli

arden Euro verlangt, und er hat gesagt, nur damit wären die 2,5 Milliarden Euro Entlastung für die Kommunen erreichbar. Nun steht im Bundesgesetz, mit 4,3 Milliarden Euro wird dieselbe Entlastung von 2,5 Milliarden Euro erreicht. – Irgendjemand muss ja recht haben. Da würde ich als Opposition schon gern fragen dürfen, wenn es um die Interessen von Freistaat geht: Wer hat denn nun Recht? Was stimmt denn nun?

(Staatsminister Thomas Jurk: Erzählen Sie das mal im Berliner Abgeordnetenhaus!)

Gerne, ich habe dazu vorhin Stellung genommen, dass gerade die Stadtstaaten bevorteilt sind und die Quotenregelung immer noch Bestand hat. Unsere Fraktion hat im Bundestag übrigens bereits angekündigt, dass sie im neuen Haushalt die 5,8 Milliarden Euro, die den Kommunen zustehen, einfordern wird. Wir werden bei dieser Forderung standhaft bleiben.

(Volker Bandmann, CDU: Ihre Politik in Berlin ist doch ein Teil des Problems im Abgeordnetenhaus!)

Herr Bandmann, sprechen Sie über Sachen, von denen Sie etwas verstehen, und blöken Sie nicht dazwischen. Entschuldigung, wenn ich das so drastisch ausdrücken muss.

Bevor ich es vergesse: Den Ländern wurden 0,7 % als Spielgeld übergeben. Darüber wurde überhaupt noch nicht gesprochen. Es ist so, als wenn alles super klar wäre. 0,7 % der Gesamtsumme sind ja noch in der Verhandlung.

(Staatsministerin Helma Orosz: Das ist richtig!)

Da werden wir einmal sehen, was herauskommt. Ich möchte gern wissen: Was will denn der Freistaat von den 0,7 % für Sachsen haben?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Die Null!)

Oder haben die Westländer das schon untereinander ausgemacht? Die werden gleich sagen: Sie bekommen doch Hartz IV, was wollen Sie denn eigentlich noch? Die 0,7 %, glaube ich, werden an Sachsen vorbeigehen. Dazu hätte ich von Ihnen gern schon noch einmal eine Aussage gehabt; auch vom Ministerpräsidenten, der am 13. Dezember mit Frau Merkel wohl noch einmal in Klausur gehen will, gerade in dieser Frage. Sie tun so, als wenn hier schon alles super klar wäre, Entschuldigung.

Der CDU-Redner im Bundestag begann sein Statement mit den Worten – ich zitiere –: „Verlässlichkeit ist einer der Grundpfeiler von politischem Handeln.“

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

„Verlässlichkeit der Politik und Verlässlichkeit zwischen den staatlichen Ebenen, zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.“

(Volker Bandmann, CDU: Recht hat der Mann!)

Was hier passiert ist in den letzten zwei Jahren, seit Hartz IV eingeführt wurde – da ist nichts, aber auch gar nichts von verlässlichem Handeln erkennbar. Immer nur ein Hickhack, ein Hin und Her. Das wollen wir nicht weiter mitmachen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Mittlerweile ist die Kommune ja froh – und darin gebe ich Ihnen recht und komme damit auch zum Schluss –,

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

wenn sie am Ende des Hartz-IV-Debakels mit plus/minus null durch die Tür kommt. Es geht den Kommunen ein wenig wie Hans im Glück: Versprochen wurde der große Goldbrocken und zum Schluss bleibt nur der drückende Steinklumpen.

Wir versprechen Ihnen eines: Wir werden an diesem Thema dranbleiben, gerade im Interesse des Freistaates, der Kommunen, aber auch jedes einzelnen Hartz-IVEmpfängers.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Gibt es aus den Fraktionen noch Redewünsche? – Dann die Staatsregierung; Frau Ministerin Orosz, bitte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Der Finanzminister traut sich nicht!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Sie geben mir recht, dass heute schon viel zu dem Thema gesagt worden ist. Deswegen will ich versuchen, mich in der Kürze der Zeit auf Schwerpunkte zu konzentrieren.

Ich gebe Herrn Dr. Rößler und Herrn Brangs recht – auch wenn Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, das nicht gefällt –: Es ist ein guter Verhandlungserfolg für die Länder, den wir in schwierigen Zeiten erreicht haben. Der Bund hat sich bereit erklärt,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

eine dazu von den Ländern zu vereinbarende Regelung im Gesetzgebungsverfahren mitzutragen. Für die kommenden Jahre von 2008, Herr Dr. Porsch, bis einschließlich 2010 ist zu regeln, wie der Bundesanteil an veränderte Belastungen anzupassen ist. Nach dem Vorschlag des Bundes soll die Höhe der Bundesbeteiligung von der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften abhängen. Konkret soll eine Veränderung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften um 1 % zu einer gleichgerichteten Veränderung der Beteiligungsquote – das ist heute schon mehrfach angesprochen worden – um 0,7 Prozentpunkte führen.

Grundsätzlich ist diese Fortschreibungsklausel zu begrüßen. Aber in der Tat, Herr Scheel, wir sind noch nicht am Ende. Es gibt noch Diskussionen. Die Ministerpräsidenten haben sich zu diesem konkreten Vorschlag bereits mit weiterem Klärungsbedarf angemeldet. Das ist einfach auch legitim in einer solchen großen Debatte.

Der Bund verabschiedet sich mit diesem Vorschlag zwar von seiner ursprünglichen Vorstellung, zur Ermittlung der resultierenden Nettoentlastung die einzelnen Faktoren nicht nur auf Be-, sondern auch auf Entlastungsseite fortzuschreiben. Aber der Vorschlag wäre auch aus unserer, aus sächsischer Sicht nur dann plausibel, wenn wir konstante kommunale Ausgaben je Bedarfsgemeinschaft unterstellen könnten. Diese Annahme scheint eher fragwürdig. Das ist ganz kurz an zwei Gesichtspunkten zu demonstrieren.

Erstens. Die Kostenbelastung der kommunalen Träger der Grundsicherung setzt sich maßgeblich, wie wir wissen, aus den Leistungen der KdU-Kosten, der Kosten für Unterkunft und Heizung, zusammen. Bei den Nettokaltmieten rechnen wir in den Jahren bis 2010 eher mit geringen Veränderungen. Aber bei den Nebenkosten kann es größere Schwankungen geben. Denken wir nur an die Entwicklung im Mittleren Osten und deren Auswirkung auf den Heizölpreis.

Zweitens. Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nach und nach je nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungszeitraumes die im Haushalt der Eltern lebenden unverheirateten Kinder unter 25 Jahren in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen wie früher in der Sozialhilfe. Wie wir alle wissen, haben wir dazu noch keine belastbaren Daten, um die Auswirkungen dieser Neuregelung tatsächlich berechnen zu können. Aber bereits jetzt wird uns aus der Praxis berichtet, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften sinkt, obwohl die Zahl der Leistungsempfänger steigt.

Beide Entwicklungen werden zu steigenden kommunalen Ausgaben je Bedarfsgemeinschaft führen. Nach dem vorliegenden Vorschlag des Bundes hätten sie aber keine Auswirkungen auf die Höhe des Bundesanteils an den Unterkunftskosten. Hier sind wir in der Tat noch miteinander im Gespräch. Die Ministerpräsidenten werden in den nächsten Tagen diese Dinge noch einmal mit der Bundeskanzlerin thematisieren.

Herr Scheel, noch einmal zu den 0,7 %. Auch dazu gibt es noch Gesprächsbedarf unter den Ländern. Es liegt in der Kompetenz der Länder, sich gemeinsam zu verständigen, wer die größten Ansprüche für diese 0,7 Prozentpunkte anzumelden hat. Wir sind im Moment mit dem vorliegenden Datenmaterial dabei zu errechnen: Wo gibt es die größten und wo die geringsten Nettobe- bzw. -entlastungen? Ich verspreche Ihnen, dass wir uns einigen werden. Wir werden natürlich im Auge behalten, dass bei diesen Diskussionen und Rechenbeispielen sächsische Interessen gewahrt werden.

Aber eines lassen Sie mich auch noch zu der heute geführten Debatte sagen. Frau Dr. Ernst, Herr Scheel, Sie

wissen genauso gut wie ich, dass zum Verfahren und zu den Auszahlungsmodalitäten eine gemeinsame Vereinbarung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem Land besteht. Wir können nicht immer dort, wo es positiv ist, und in den guten Zeiten sagen, dass diese Vereinbarung natürlich von allen Beteiligten eingehalten wird, aber dort, wo es Probleme gibt, fangen wir auf einmal an, die Verantwortung dem Land zuzuschieben. So funktioniert das nicht.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Sie wissen, dass die Diskussionen, zu dieser Vereinbarung im Rahmen der Härtefallregelung von vornherein konstante und gemeinsam initiierte Lösungen zu finden, auch bis zum Ende durchgehalten werden müssen. Sie wissen auch, dass es einen spezifischen Härtefonds in dieser Diskussion für die Jahre 2005 und 2006 gegeben hat und dass auch dazu die Abstimmung, wer aus diesem Härtefonds bedient wird, gemeinsam mit den Spitzenverbänden erfolgt ist.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Sebastian Scheel und Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS, stehen am Mikrofon.)

Ja.

Bitte, Herr Scheel.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Nun gab es ja auch schon die erste Vereinbarung zur ersten Nettobedarfsermittlungsverordnung, die nur durchschnittliche Kosten vorsah. Geben Sie mir recht, dass es schon Sinn macht – eigentlich hatten Sie auch bisher gesagt, dass es noch mit überprüft wird –, diese dauerhafte Überprüfung fortzusetzen und die Sinnfälligkeit dieser auch jetzt bestehenden Regelung noch einmal einer Überprüfung zuzuführen?

Über die Sinnfälligkeit und die Möglichkeit von Veränderungen, Herr Scheel, sind wir ständig im Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden, mit dem Finanzministerium.

Ich sage es noch einmal: Wenn die kommunalen Spitzenverbände im Rahmen ihrer Selbstverwaltung mit uns Vereinbarungen schließen, aus denen hervorgeht, dass sie mit der Lösung, die in der Verhandlung erzielt worden ist, leben können, dann ist es, glaube ich, nicht unser Recht, gegen diese Lösungen zu argumentieren.

(Beifall bei der CDU – Volker Bandmann, CDU: Herr Scheel ist einfach überfordert!)

Es gibt noch eine weitere Zwischenfrage.

Ich bin eigentlich fertig mit meinem Beitrag, Frau Dr. Ernst. Aber ich gebe Ihnen die Chance.