Protokoll der Sitzung vom 16.11.2006

Es muss gewährleistet sein, meine Damen und Herren, dass die Schülerinnen und Schüler, die Gemeinschaftsschulen besuchen, Abschlüsse erwerben, die den Vorschriften des Schulgesetzes zumindest nicht entgegenstehen, und dass der Wechsel von Schulversuchen in andere Schulen problemlos möglich ist.

Grundlage der einvernehmlich akzeptierten Rahmenvorgaben zur Einrichtung von Gemeinschaftsschulen ist die Vorlage eines entsprechenden Konzeptes durch den jeweiligen Schulträger. Dass solche Konzepte, liebe Frau Falken, offensichtlich nicht stapelweise vorliegen, kann man beim besten Willen nicht dem Kultusminister anlasten.

(Widerspruch der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion.PDS)

An solche Konzepte werden völlig zu Recht gewisse inhaltliche Erfordernisse gestellt. Ich möchte einige Punkte benennen, die verbindlich und bekannt sind: das pädagogische Konzept einschließlich der Lehrpläne und Stundentafeln, eine Erklärung darüber, wo von den entsprechenden Schulordnungen bzw. vom Schulgesetz abgewichen werden soll, eine begründete Schülerzahlprognose und die Stellungnahme des Schulnetzplanungsträgers sowie die Stellungnahme der Lehrerkonferenz und der Schulkonferenz.

(Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Frau Falken, es ist schwierig zu hinterfragen, ob es dabei teilweise auch organisatorische Probleme gibt. Das ist sicherlich ein anderer Ansatz als generell infrage zu stellen, was bereits verbindlich geklärt ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Herr Colditz, teilen Sie meine Einschätzung, dass es mehr und bessere Konzepte für Gemeinschaftsschulen geben würde, wenn der Kultusminister seine Regionalschulämter anweisen würde, von Anfang an zu begleiten und zu fördern?

Frau Günther-Schmidt, ich sehe überhaupt kein Problem darin, dass diejenigen, die so etwas vorhaben, sich mit ihren Fragen und Problemen direkt an die Regionalschulämter wenden und dass sie von dieser Seite entsprechend unterstützt werden. Aber es ist meines Erachtens ein anderer Ansatz – das haben wir soeben gehört –, so etwas von oben zu verordnen und dann von oben einzuwirken, sodass Schulträger dies auf den Weg bringen sollen. Das ist ein anderer Ansatz.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS, steht am Mirkofon.)

Es ist völlig unproblematisch, dass man sich an Ämter wendet, wenn man inhaltliche Fragen hat.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Kollege Colditz, ich habe eine sehr einfache Frage. Sie kennen ja Ihren Minister relativ gut. Würden Sie bitte dem Hohen Haus die Frage beantworten, ob Sie der Auffassung sind, dass sich der Kultusminister eher mit 10 % oder eher mit 90 % für die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen stark macht.

Ich denke, diese Frage sollte Ihnen der Minister persönlich beantworten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: 5 % haben wir gehört!)

Meine Damen und Herren! Die Rahmenvorgaben sowie die rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen im Einzelfall sind in Sachsen vorhanden. Sie auszufüllen soll Anliegen der regionalen Ebene sein. Stimmige Konzepte im benannten Sinne bleiben die Grundlage für eine staatliche Genehmigung und dafür, dass auch die Vergleichbarkeit mit dem ansonsten leistungsfähigen Schulsystem erhalten bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Dulig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich auch gern den Anlass wahrnehme, um in diesem Haus über das Projekt Gemeinschaftsschulen zu sprechen, so will ich gleich vorausschicken, dass der vorliegende Antrag in der Sache wenig hilfreich ist.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ihnen nicht, das ist klar!)

Was kann man denn bei Interessierten mit dem Gejammer über fehlende Rechtssicherheit und dem Lamento über das Risiko vergeblicher Mühe anderes erreichen und signalisieren als: Hände weg – die Sache ist noch gar nicht abgesichert?!

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir kümmern uns!)

Was ich nach außen hin als Unterstützung für Gemeinschaftsschulen verkaufen will, ist in Wirklichkeit eher eine Behinderung. Die typisch deutsche Art der subtilen Verhinderung von Reformen gerade im Schulbereich ist

doch die Taktik, sie lauthals zu fordern und zugleich zu erklären, dass sie unter den gegebenen Umständen, für die natürlich andere zuständig sind, unmöglich sind.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: So etwas sagt der Minister!)

Weil dem so ist, kann man einfach nichts tun und wäscht seine Hände in Unschuld. Nennen Sie mir doch einen einzigen Antrag auf Gemeinschaftsschule, der trotz nach den Leitlinien beigebrachten Voraussetzungen abgelehnt wurde! Wenn wir uns nämlich diese Leitlinien ansehen, dann sind sie einerseits konkret genug, um eine nachvollziehbare Entscheidung zu treffen, und andererseits offen genug, um den Schulen die notwendigen Spielräume zu öffnen.

Vergessen Sie bitte nicht, dass es sich um einen Schulversuch handelt. Wollen Sie jeden Schulversuch per Rechtsverordnung über- und verregeln? Vergessen Sie auch nicht, dass dies ein Koalitionsprojekt ist, bei dem der eine Koalitionspartner genauer hinschaut und der andere Koalitionspartner dies weiß und selbstverständlich akzeptiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie können sich sicher sein, dass wir in der Koalition weiterhin an der Verbesserung der Rahmenbedingungen arbeiten. Es ist der Koalition klar, dass wir Gemeinschaftsschulen ermöglichen und nicht verhindern wollen.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD)

So werden wir die Schulträger schon vor der Antragstellung begleiten, dass eventuelle Hürden vorher besprochen und, wenn möglich, geklärt werden.

Bemerkenswert ist allerdings, dass die Schulen, die zurzeit an ihren Konzepten arbeiten, nicht darauf gewartet haben, dass wir dies für sie klären. Für diese Schulen war und ist der Rahmen, der mit den Leitlinien und Zielen des Schulversuchs aufgespannt wird, ausreichend, um sich an die Arbeit zu machen. Bei dieser Arbeit merken die Schulen bald, dass diese Arbeit nicht für die Katz ist, selbst wenn der Schulträger den Antrag nicht stellen kann, weil etwa die notwendigen Anmeldungen fehlen. Was diesen Schulen schnell klar war, ist doch, dass die Hauptsache an dem offenen Modell Gemeinschaftsschulen überhaupt nicht die Zusammenfassung der Bildungsgänge, sondern vielmehr eine Lernkultur ist, für die es die getrennten Bildungsgänge dann gar nicht mehr gibt. Es geht bei der Gemeinschaftsschule nicht um die Befriedigung parteiideologischer Befindlichkeiten; es geht vielmehr um eine Verbesserung der individuellen Entwicklung unserer jungen Menschen.

Die Ursache für die Defizite, nicht nur der sächsischen und der deutschen Schulen, liegen doch nicht einfach in der Gliederung in verschiedene Schularten, sondern in einer Lernkultur und Lernauffassung, die mit der Verschiedenheit der Lernenden nicht zurecht kommt und die deshalb versucht, sie in homogeneren Gruppen zusammenzufassen.

Wir haben zum Glück engagierte Lehrerinnen und Lehrer vor Ort. Sie fanden die Idee, nachdem sie von unterschiedlicher Seite an sie herangetragen wurde, am Ende so gut, dass sie sich an die konzeptionelle Arbeit gemacht haben. Was ist die Grundidee? Es ist – das hat jeder hier im Raum vermutet – eine andere Lernkultur, nämlich eine, die vom Lernenden ausgeht und ihn in der Verantwortung für seinen Lernprozess belässt bzw. einsetzt. Das ist eine Lernkultur, die Lernen weder mit Unterricht verwechselt noch Lernen an Lehren bindet.

Wie das praktisch aussehen kann, kann man sich im Grund an den meisten reformpädagogischen Ansätzen anschauen, ohne dass man deren ideologischen Hintergrund übernehmen muss. Mittlerweile ist diese Lernkultur von den modernen Bildungswissenschaften bestätigt und begründet, wobei ich zu diesen Wissenschaften auch die Neurobiologie zähle.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Wenn man sich auf diesen Weg begibt, dann ist individuelle Förderung und Differenzierung möglich, ohne die Lehrerinnen und Lehrer zu belasten; denn dann liegt sie praktisch im System selbst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich zum vorliegenden Antrag zurückkomme, dann will ich noch anmerken, dass die geforderte Verrechtlichung des Schulversuchs überhaupt nicht verhindern könnte, dass er boykottiert würde, wenn dies eine Seite nur wollte. Wir haben aber in der Koalition so zusammengefunden, dass es eine solche Blockade nicht gibt und nicht geben wird, auch wenn unser Partner unsere Auffassung zu den Gemeinschaftsschulen nur teilweise teilt.

Konstruktive Politik in der Koalition ist allemal mehr wert als vorgeschobene Anträge der Linksfraktion.PDS.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Bevor Sie jetzt kurzfristig mit falschen Kassandrarufen durch die Welt laufen, warten Sie einfach ab, welche Anträge im Januar gestellt werden und welche auch zum Schulversuch führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Dass du überhaupt noch gerade gehen kannst!)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Frau Schüßler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen ist ein Thema, welches wie ein Steckenpferd von den linken Fraktionen in diesem Haus immer und immer wieder diskutiert wird. Mit den Leitlinien und den Rahmenbedingungen für Gemeinschaftsschulen hat sich nun vor allem die SPD mit ihren Forderungen durchgesetzt. Schon in den Koalitionsverhandlungen 2004 war die CDU vor

ihrem sonst eher kleinen Anhängsel eingeknickt. Angesichts der demografischen Entwicklungen sehen allerdings nicht nur rotgefärbte Streiter die Zukunft des sächsischen Bildungswesens im Ausbau von Gemeinschaftsschulen.

In Sachsen wurden im vergangenen Jahr fast 18 000 Kinder weniger geboren als noch 1990. In den Kindergärten und Schulen sind die Folgen längst zu merken. Demnächst werden der Lehrstellenmarkt und die Universitäten davon erfasst.

Die Diskussion über Bildungs- und Betreuungsstandards, aber auch der Streit über Gemeinschaftsschulen haben immer noch einen ideologischen Unterton, sind jedoch in erster Linie eine Reaktion auf die demografische Entwicklung. Eine Gemeinschaftsschule ist schon aus dem Grund leichter zu unterhalten, weil dort mehr Schüler zusammenkommen können. So ist die Errichtung von Gemeinschaftsschulen für manche Schulträger ein letzter Rettungsanker für den Erhalt des Schulstandortes.

In Sachsen gibt es derzeit lediglich zwei „Schulen mit besonderem pädagogischem Profil/ Gemeinschaftsschulen“. Laut Aussagen des Ministeriums lägen im Moment ganze elf Anträge von Schulträgern für die Durchführung dieses Projekts vor.