Protokoll der Sitzung vom 16.11.2006

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir werden trotzdem Ihren Antrag ablehnen.

Der dritte Punkt, der die Einführung eines föderalen Hochschulfonds beinhaltet, ist vielleicht der umstrittenste und er ruft Abwehrreflexe hervor. Wieder eine neue Verwaltungsstruktur. Doch Vorsicht, Sachsen gibt im Hochschul- und Wissenschaftsbereich für die Kultusministerkonferenz über eine Million Euro jährlich aus. Das ist uns die Koordination der Länderpolitiken wert. Nur ein Bruchteil dessen würde genügen, um eine effiziente, unbürokratische und unabhängige Stelle aufzubauen, die die verschiedenen Finanzströme koordiniert.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns mit diesem Antrag die Chance nutzen, den Hochschulen eine Perspektive zu eröffnen, die ihnen nützt! Hochschulen ticken anders, erklärte mir der Rektor einer traditionsreichen sächsischen Universität vor Kurzem. Sie ticken anders als die Wirtschaft und anders als die Politik. Hochschulen brauchen langfristige Perspektiven. Lassen Sie uns dem Rechnung tragen. Stimmen Sie, bitte, unserem Antrag zu.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Die CDU-Fraktion erhält das Wort. Herr Dr. Wöller, bitte.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gut ausgebildete Fachkräfte und qualifizierte Wissenschaftler sind Schlüsselfaktoren für die gesellschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung unseres Landes. Humankapital ist der Treibstoff und die Hauptquelle für Wohlstand, Wachstum und auch für die kulturelle Entwicklung – das Wort Humankapital ist in den vergangenen Jahren zu Unrecht, wie ich meine, zum Unwort des Jahres erklärt worden –, eben weil es den Menschen nicht auf einen Produktionsfaktor reduziert, sondern seine einzigartigen Fähigkeiten und Kenntnisse in den Mittelpunkt stellt, die natürlich wirtschaftlich wichtig sind.

Der Teil der Wirtschaftsleistung, der auf Wissen und Können basiert, wächst. So steigt die Nachfrage nach Hochschulabsolventen und qualifizierten Fachkräften. Aber auch die Zahl der Studienanfänger in Deutschland wächst aus zweierlei Gründen: erstens aufgrund der demografischen Entwicklung und zweitens aufgrund der

doppelten Abiturjahrgänge insbesondere in den westlichen Ländern.

Hierzu ist Folgendes zu sagen: Das zwölfjährige Abitur, das Sachsen modellhaft vorgelebt hat, wird Modell in ganz Deutschland. Sachsen macht Schule und auch hier, denke ich, können wir ein gutes Plus in unserer Bildungspolitik an sächsischen Schulen machen.

(Beifall bei der CDU)

Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen. Wir begrüßen, dass sich der Bund hier in die Verantwortung nehmen lässt. Es handelt sich um eine nationale Herausforderung. Zusätzliche Kapazitäten sind erforderlich. Diese müssten zeitlich befristet und finanziell aufwendig in den westlichen Bundesländern aufgebaut werden. Es ist daher besser und kostengünstiger, vorhandene Kapazitäten in Sachsen und in anderen östlichen Bundesländern zu nutzen.

Derzeit laufen die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, die noch in diesem Jahr zu einem erfolgreichen Abschluss kommen sollen. Der Bund hat ein konkretes Angebot auf den Verhandlungstisch gelegt. Die Länder verpflichten sich bis zum Jahre 2020 zur Aufnahme von 90 000 zusätzlichen Studienanfängern. Hierfür stellt der Bund 565 Millionen Euro zur komplementären Finanzierung bereit. Was erfreulich ist: Der besonderen Situation der ostdeutschen Länder wird dabei Rechnung getragen. 15 % der in Rede stehenden Summe sollen, ohne Berlin, bis zum Jahre 2010 zur Verfügung gestellt werden. Für Sachsen heißt das 27 Millionen Euro für besagten Zeitraum.

Voraussetzung ist, dass die Studienanfängerzahlen auf der Basis 2005 auch in den Folgejahren sichergestellt werden. Die Komplementärfinanzierung gilt damit als erbracht. Das bedeutet: Sachsen erhält bei einer Einigung im Hochschulpakt zusätzliche Mittel in Höhe von 27 Millionen Euro. Dieser Pakt muss ein Erfolg für Sachsens Hochschulen werden. Es geht um einen gezielten Mitteleinsatz. Die Gießkanne kann kein geeignetes Instrument sein, um den akademischen Humus im Garten der Wissenschaft zum Blühen zu bringen.

Wir wollen, dass die Mittel zur Stärkung jener Bereiche eingesetzt werden, die Erfolg in den kommenden Runden der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder versprechen. Wir wollen die Konzentration auf die Stärken und die konsequente Profilierung im Rahmen des sächsischen Hochschulkonsenses. Die Mittel sollen denjenigen Hochschulen zugute kommen, die die Profilbildung am weitesten vorangetrieben haben.

Zum Antrag der GRÜNEN. Die Forderung der GRÜNEN nach einem Hochschullastenausgleich nach tatsächlicher Inanspruchnahme unterstützt die Position unseres Ministerpräsidenten und den Vorstoß der Wissenschaftsminister von Sachsen und Rheinland-Pfalz. Der langsame Umstieg von einer Teilkosten- auf eine Vollkostenfinanzierung entspricht ebenso unseren Vorstellungen wie die unbüro

kratische und kostenneutrale Umsetzung und Koordinierung des Hochschulpaktes.

Insgesamt unterstützt der Antrag die Verhandlungsposition der Staatsregierung und wir werden ihm daher zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Die Linksfraktion.PDS erhält das Wort. Frau Abg. Werner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das hat mich ja jetzt echt verblüfft. Ich müsste gar nicht mehr reden, wenn schon alle überzeugt sind.

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Ich mache es aber trotzdem, weil ich noch ein paar Dinge zusätzlich zu sagen hätte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNE-Fraktion, mir wäre es im Übrigen fast lieber gewesen, wir hätten diesen Antrag im Ausschuss behandelt; nicht so sehr wegen der Komplexität des Themas, sondern weil ich glaube, dass es eher unwürdig ist, dass wir statt einer demokratisch legitimierten geregelten Finanzierung der Hochschulen nun um Geld feilschen müssen. Das war schon bei der Exzellenzinitiative so und das geht nun mit dem Hochschulpakt weiter.

Gründe sind eine verpatzte Föderalismusreform, die Egoismen der Länder und es fehlt der Bundesregierung ein Konzept oder ein Leitbild, an dem man sich mit den Ländern abarbeiten könnte.

Man muss im Hochschulbereich schon froh sein, weil wenigstens die Möglichkeit des gemeinsamen Handelns erwirkt wurde. Allerdings müssen alle Beschlüsse einstimmig gefasst werden, was die Situation verkompliziert, da einzelne Länder auch blockieren können.

Sehr verehrte Frau Ministerin Stange, ich bin sehr froh, dass Sie sich hier so engagieren. Aufgrund der unterschiedlichen Einzelinteressen der Länder sind die Verhandlungen sicher auch nicht einfach. Ich glaube, das ist auch deshalb so kompliziert und schwierig, weil die Verhandlungen zum Hochschulpakt intransparent sind. Es wurden weder die Parlamente einbezogen noch die Betroffenen an den Hochschulen.

Das wichtige Thema der Zukunftsfähigkeit der Hochschulen verkommt am Ende zu reinen Finanzverhandlungen, wo jeder versucht, das Beste für sich herauszuschlagen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir glauben, dass das des Themas unwürdig ist. In Anbetracht des Verfahrens, der Zeit und der wohl schon getroffenen Entscheidungen kann ich eigentlich nur sagen, dass die Linksfraktion.PDS dem Antrag der GRÜNEN zustimmen wird,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Bravo!)

wohl wissend, dass wir uns damit auch in eine schwierige Lage bringen. Denn der unter Punkt 2 vorgeschlagene Einstieg in den Hochschulfinanzausgleich kann auch verführen. Dessen müssen wir uns bewusst sein: dass nämlich Studienplätze nur noch nach Nachfrage bereitgestellt und finanziert werden. Das würde dann die sogenannten Orchideenfächer oder andere für die Zukunft von Lehre und Forschung wichtige vernachlässigen. Sie wissen, das ist nicht aus der Luft gegriffen. Die Länder sind hier gefordert, mit ihren Hochschulgesetzen oder den Hochschulvereinbarungen andere Anreize zu setzen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch etwas Grundsätzliches loswerden: Das derzeitige bundespolitische hochschulpolitische Agieren im Zusammenhang mit dem Hochschulpakt macht mich sehr unzufrieden; denn aus Sicht der Linksfraktion.PDS werden hier falsche Zeichen und falsche Anreize geschaffen.

Zum einen sind natürlich die zur Verfügung gestellten Mittel absolut unzureichend. Das sagt nicht nur die Linksfraktion.PDS. Das sagt der Wissenschaftsrat und das sagt die Hochschulrektorenkonferenz. Diese rechnen mit einem wesentlich höheren Bedarf, nicht nur um die entsprechenden Studienplatzkapazitäten auszubauen. Wenn es aber nicht einmal gelingt, den prognostizierten Bedarf zu decken, hat das noch andere Auswirkungen. Jetzt haben wir auch hier in Sachsen den Numerus clausus an den Hochschulen. Die zurückgewiesenen Abiturienten streben ins duale System und verdrängen dort Haupt- und Mittelschüler. Dies verschärft sich noch durch die Einführung von Studiengebühren. Uns fehlen am Ende die hoch qualifizierten Arbeitskräfte.

Im Übrigen geht es nicht nur um zusätzliche Studienplätze, die geschaffen werden sollen. Genauso nötig ist die Verbesserung der Qualität des Studiums. Allein die Studienreform bindet sehr viele Mittel. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung von durchschnittlichen Kosten pro Studienplatz ausgeht, die viel zu gering sind. Sie setzt 5 500 Euro pro Studienplatz an. Laut Wissenschaftsrat liegen diese jedoch bei 7 200 Euro. Damit wird sich an der Unterfinanzierung der Hochschulen und an der Qualität der Lehre nichts ändern.

Das hat auch mit der gesamten Schwerpunktsetzung im Hochschulpakt zu tun. Da ursprünglich gar kein Geld für Studienplätze ausgegeben werden sollte, erklärt sich, warum die Mittel für Studienplätze eben nur den kleineren Teil ausmachen. Auch was die Zielstellung und die Prognosen zu den künftigen Studierenden angeht, kann ich nicht mitgehen.

Abgesehen davon, dass weitestgehend vom Status quo der Studierendenquote die zukünftigen Kapazitäten errechnet werden, hat Deutschland doch noch einen ganz anderen Auftrag. Wir liegen im OECD-Durchschnitt ganz weit hinten. Unsere Aufgabe ist es eigentlich, die Studierendenquote noch zu erhöhen. Das heißt also, die Hochschulen müssen sich öffnen, um soziale Ungleichheiten im Zugang zu höherer Bildung abzubauen. Dazu erwarte ich von der Bundesregierung, aber auch bei uns verstärkte

Anstrengungen. Ich will nur ein paar wenige Stichpunkte nennen: Neuregelung des Hochschulzugangs; offener Zugang zum Master; Ausbau des BAföG usw.

Die Anreize sind momentan andere. Über die Exzellenzinitiative wird einigen wenigen Hochschulen mehr als doppelt so viel Geld zur Verfügung gestellt als im Rahmen des Hochschulpaktes dem ganzen Rest.

Ein Beispiel dafür ist Bayern. Bayern setzt auf Forschung und Exzellenz, bietet wenig Studienplätze an, lässt seine Landeskinder in anderen Bundesländern ausbilden und kann später von den Steuern, die die zurückgekommenen hoch ausgebildeten Absolventen zahlen, profitieren. Und nun profitiert Bayern noch von der Exzellenzinitiative und wird wahrscheinlich auch Geld bekommen, um zusätzliche Studienplätze zu schaffen. Berlin dagegen wird aufgefordert, Studienplätze abzubauen.

Ich will ganz kurz auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingehen. Es ist mir unbegreiflich, dass sich ein Bundesverfassungsgericht anmaßen kann, über Einsparpotenziale bei Bildung, Wissenschaft und Forschung in Berlin zu richten. Berlin bekäme, würden sich alle Berliner Studierenden mit Wohnsitz in Berlin auch anmelden, 47 Millionen Euro pro Jahr mehr. Bayern dagegen müsste 8 Millionen Euro über den Finanzausgleich einbüßen usw.

Es wurde schon sehr viel gesagt. Man könnte noch über viel mehr sprechen. Meine Fraktion wird dem Antrag ebenfalls zustimmen. Wir sehen in ihm den Versuch, Ungerechtigkeitslücken auch auf der Bundesebene anzusprechen und mögliche Lösungen vorzuschlagen und zu diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Die SPD-Fraktion erhält das Wort. Frau Dr. Raatz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Herr Dr. Gerstenberg, Sie werden heute, denke ich, sehr erfreut sein über das Abstimmungsverhalten der Fraktionen der CDU und der SPD bei Ihrem Antrag. Aus diesem Grunde bin ich über Ihre Wahrnehmung des Hochschulpaktes ein bisschen erstaunt, muss ich sagen. Ich selbst nehme das anders wahr; denn ich denke noch an die Föderalismusreform, bei der es um das Kooperationsverbot ging, wobei man dem Bund weder in finanzieller Hinsicht noch bei anderen Dingen irgendeinen Zugang zur Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in den einzelnen Bundesländern einräumen wollte. Dieses Kooperationsverbot ist Gott sei Dank vom Tisch.

Nun sieht der Bund ebenso wie die Länder das Problem auf sich zukommen, dass ein „Studentenberg“ aufwachsen wird, für den die Kapazitäten an den Hochschulen derzeit insgesamt nicht vorhanden sind. Man nimmt sich also dieses Problems an. Ich denke, das vorliegende Thema interessiert derzeit eben alle Bundesländer. Es geht um

eine langfristige Studien- und Forschungsfinanzierung und zudem um einen gerechten Ausgleich zwischen den Ländern. Der Bund muss hierzu eigentlich nicht Stellung nehmen, ist aber bereit, die Länder zu unterstützen. Aus diesem Grund sehe ich den Hochschulpakt 2020 erst einmal positiv. Das muss ich so sagen.

Auch wir in Sachsen können, denke ich, zufrieden sein, denn die besondere Situation der neuen Bundesländer findet hier eine besondere Berücksichtigung. Leider ist es ja so – und ich denke, das wird nicht erst, wie Sie sagen, nach 2010 zutage treten –, dass wir einen massiven Studienanfängerrückgang haben. Hierzu könnten die alten Bundesländer – ich muss in Klammern sagen: so wie ich es eigentlich erwartet hatte – sagen: Das ist uns alles ganz egal. – So ist es also nicht. Wir in den neuen Bundesländern und auch wir in Sachsen werden also zukünftig auch von dem Hochschulpakt 2020 profitieren und unsere Studienplatzkapazität hoffentlich auf dem Stand halten können, den wir derzeit haben.

Ich denke, es geht bei dem Hochschulpakt im Wesentlichen um zwei Schwerpunkte. Zum einen geht es um die Bewältigung des enormen Anstiegs der Studienanfänger- und Studierendenzahlen deutschlandweit in den nächsten 15 Jahren. Wir in Sachsen wollen davon auch profitieren, weil wir hier, wie gesagt, eine andere Entwicklung zu verzeichnen haben.