Protokoll der Sitzung vom 17.11.2006

Flasche Bier müsste der Bierfreund ca. 1,3 Cent mehr zahlen. Auf den Kasten gerechnet, Herr Dr. Rößler, wären es 26 Cent. Die Mehrwertsteuererhöhung, von SchwarzRot in Berlin beschlossen, meine Damen und Herren, knöpft den Biertrinkern dagegen zwischen 60 und 70 Cent pro Kasten ab. Da frage ich mich: Wo war Ihr Engagement für die Freunde des deutschen Bieres, als wir in diesem Hohen Hause über die Erhöhung der Mehrwertsteuer gestritten haben?

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Dabei ging es – wir haben das gerade ausgerechnet – um mehr als das Doppelte im allgemeinen Verkauf und um ein Mehrfaches für das Bier, das in Gaststätten ausgeschenkt wird. Sie zeigen mit dem ausgestreckten Finger auf die EU-Kommission und vergessen, dass vier Finger auf Sie zurückzeigen.

Der Vorschlag der EU-Kommission zielt lediglich auf eine Anpassung dieser Verbrauchsteuer an die Inflation ab. Seit 1992 wurde die Biersteuer nicht mehr erhöht. Es handelt sich um einen Vorschlag für eine EU-einheitliche Mindestbesteuerung und eine wettbewerbsfördernde Harmonisierung in diesem Bereich.

Ganz nebenbei: Sie haben den Antrag am 6. November eingereicht. Der Bundesrat hat sich aber bereits am 3. November gegen den Vorschlag der EU-Kommission ausgesprochen. Zuvor hatte Finanzminister Steinbrück mit seinem tschechischen Amtskollegen bereits eine bilaterale Ablehnungsfront der klassischen Biertrinkernationen errichtet. Wir können uns also die Debatte sparen. Herr Dulig, Herr Lehmann, lassen Sie uns die Zeit in Zukunft besser nutzen. Gehen wir ein Bier trinken! Prost!

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP – Martin Dulig, SPD: Wenn Sie uns einladen!)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Herr Dr. Rößler, hatten Sie sich jetzt zur Debatte gemeldet?

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Ich möchte das Schlusswort halten.)

Das kommt danach. Für die Staatsregierung spricht jetzt Staatsminister Metz.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gern würde ich mit den Rednern, die hier gesprochen haben, anschließend ein Glas Bier trinken gehen. Sie sind herzlich gern meine Gäste.

(Beifall der Abg. Tino Günther, FDP, und Michael Weichert, GRÜNE)

Aber unabhängig davon lehnt der Freistaat Sachsen die von der EU-Kommission vorgeschlagene Steuererhöhung beim Bier vorbehaltlos ab, meine Damen und Herren. Das ist so.

Aber jetzt ein paar Sätze zur Sache. Mit dem Richtlinienvorschlag der EU sollen also die Mindeststeuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke entsprechend der Inflationsrate für den Zeitraum 1993 bis 2005 angehoben werden. Für den deutschen Steuersatz würde das eine Anhebung um immerhin 24,5 % bedeuten.

Ich will auf Folgendes hinweisen, meine Damen und Herren: Die Biersteuer fällt nicht beim Biertrinker an, sondern beim Bierproduzenten. Darauf ist von meinen Vorrednern noch nicht hingewiesen worden. Die Flasche Bier, die letzten Endes gekauft und dann hoffentlich auch mit Genuss getrunken wird, ist eine ganz andere Sache. Die Biersteuer fällt beim Produzenten an. Sie ist also von den Brauereien zu zahlen. Ob sie diese Steuer dann über den Preis an die Kunden weitergeben, ist eine ganz andere Sache.

In Sachsen gibt es Gott sei Dank 57 Braustätten. Davon sind immerhin 45, also die große Mehrheit, mittelständische Brauereien, die immerhin jährlich bis zu 40 000 Hektoliter Bier produzieren. Ich freue mich sehr, dass es so viele mittelständische Brauereien im Freistaat Sachsen gibt, und jedes Bier schmeckt irgendwie anders, aber jedes Mal gut.

(Beifall des Abg. Tino Günther, FDP)

Im Jahre 2005, meine Damen und Herren, betrug das Biersteueraufkommen in Sachsen immerhin 73,3 Millionen Euro, und auf diese möchte ich nicht verzichten. Aber der hohe Wettbewerbsdruck bei Bier im Lebensmittel- und Getränkeeinzelhandel bietet kaum Möglichkeiten zur Weitergabe dieser Steuererhöhung an die Kunden, die Käufer, die Biertrinker. Besonders betroffen wären logischerweise die kleinen und mittelständischen Brauereien. Das ist der Grund, weshalb wir sagen: no! Diese haben zumeist nämlich nicht die Möglichkeit, höhere Kosten durch Rationalisierung wieder aufzufangen.

Immerhin, würde die von der EU geplante Anhebung der Steuer zusätzliche Kosten von rund 14 Millionen Euro für unsere sächsischen Brauereien bedeuten, und dies würde natürlich gerade unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen belasten. Deswegen haben wir gegenüber Brüssel gekämpft, und ich gehe davon aus, dass der Kampf – im Moment jedenfalls – erfolgreich ist. Ich teile also nicht die Ansicht der EU-Kommission, dass die derzeitigen Unterschiede bei den Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke das reibungslose Funktionieren des EU-Binnenmarktes erkennbar hemmen. Auch eine Gefahr erheblicher Wettbewerbsverzerrung oder von Betrug, der nur durch eine höhere Mindeststeuer begegnet werden könnte, ist für mich jedenfalls nicht erkennbar.

Das EU-Argument, dass die Biersteuer der Inflation angepasst werden müsste, ist aus meiner Sicht wirtschaftspolitisch vollkommen verfehlt, da eine Steuererhöhung eher die inflationäre Entwicklung weiter unterstützen würde. Weiterhin ist für mich nicht nachvollziehbar,

liebe Biertrinker, warum beim Bier die Steuer angehoben werden soll, während zum Beispiel für den stärker alkoholhaltigen Wein weiterhin der Nullsteuersatz gelten soll. Mögen es mir die Weintrinker verzeihen, ich trinke auch gerne einmal ein Glas Wein. Aber beim Bier will man erhöhen, bei Wein will man die Steuer so belassen – dies hat sicher auch etwas mit bestimmten Ländern zu tun, die sehr viel Wein produzieren, der auch in Deutschland sehr gern getrunken wird. Aber ich glaube, diese Ungerechtigkeit sollten wir uns nicht leisten.

Auf eines möchte ich noch hinweisen, meine Damen und Herren: Die Staatsregierung hat sich im Bundesrat klar gegen den EU-Vorschlag ausgesprochen. Auch der Bundesrat hat sich gegen eine Erhöhung der Biersteuer gewandt. Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen. Sie wissen, dass sich diese Dinge am 7. November 2006 ereignet haben, wie sie hier bereits geschildert worden sind. Ich bin mir sicher, dass wir es durch diese Gemeinschaftsinitiative aller deutschen Bundesländer und aller Mitglieder der Bundesregierung – den Auftritt in Brüssel – geschafft haben, indem sich uns auch weitere europäische Länder angeschlossen haben, dass wir unsere mittelständische Brauindustrie in Deutschland nicht weiter belasten und ihr Chancen geben, auch weiterhin ein gutes Bier zu produzieren. – Mein Angebot an die Redner gilt: Wir können gern zusammen ein Bier auf meine Kosten trinken gehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Aber erst nach dem Plenum!

(Allgemeine Heiterkeit)

Nun rufe ich das Schlusswort auf; Herr Dr. Rößler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur vier Feststellungen treffen.

Die erste ist – dabei blicke ich besonders zur Linksfraktion.PDS –: Wir sollten nicht alles in diesem Hause so bierernst nehmen und uns vor allem selbst nicht so bierernst nehmen, wie es manche von uns tun.

(Beifall bei der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Herr Weichert, Sie sehen es doch, der Antrag bewegt das Hohe Haus mehr als die meisten Anträge, die sonst hier besprochen werden – einschließlich derer der GRÜNEN.

(Heiterkeit – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Zweitens etwas zur Richtigstellung, ich habe es vorhin bereits angesprochen: Es heißt im Wirtschaftsteil der „Süddeutschen Zeitung“ total seriös: „Fast alle führenden Bierhersteller haben schon erklärt, dass sich die Mehrwertsteuererhöhung aus Gründen befürchteter Umsatz- und Absatzeinbußen nicht im Bierpreis niederschlagen wird.“

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Eben!)

Drittens hoffe ich, dass wir diesen Antrag der CDU und der SPD einstimmig annehmen; Populismus hin, Populismus her. Warum nicht? Haben wir etwa etwas gegen das, was der Antrag feststellt? – Noch etwas, Herr Weichert: Den Antrag haben wir natürlich schon in einer führenden Boulevardzeitung am 26.10. angekündigt, also deutlich bevor die entscheidenden Beschlüsse in der Länderkammer gefallen sind.

Als Letztes – das darf ich an unseren Finanzminister richten –: Natürlich nehmen alle Redner, die hier vorn gestanden haben, Ihr Angebot gern an, und zwar auf Ihre Kosten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 4/6872 zur Abstimmung. Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Es gibt Stimmenthaltungen und einige Stimmen dagegen. Dennoch ist der Antrag mit großer Mehrheit angenommen worden und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Stasi-Überprüfung beibehalten! Erklärung des Sächsischen Landtages

Drucksache 4/6889, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion, die NPD. Danach folgen CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. – Ich erteile nun der NPD-Fraktion, Herrn Abg. Apfel, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuallererst die gute Nachricht: Am letzten Freitag hat der Bundestag nach massiver Kritik der Opferverbände die Verabschiedung der Novelle des Stasi-UnterlagenGesetzes verschoben. Die schlechte Nachricht: Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um tragfähige Lösungen zu finden.

Worum geht es? Ab dem 21.12.2006 werden die bisherigen Regelungen des Stasi-Unterlagen-Gesetzes 15 Jahre nach dessen Einführung im Jahre 1991 nur noch begrenzte Gültigkeit besitzen; denn an diesem Tage endet die Möglichkeit, Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes auch ohne konkrete Verdachtsmomente mit einer Regelanfrage auf eine frühere Mitarbeit beim Ministerium für Staatssicherheit zu überprüfen. In dem entsprechenden § 20 des Gesetzes heißt es – Zitat –: „Die Verwendung für die in Absatz 1 Nummer 6 und 7 genannten Zwecke ist nach Ablauf einer Frist von 15 Jahren unzulässig. Nach Ablauf der Frist darf die Tatsache einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst dem Mitarbeiter im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.“

Der Konflikt um die Zukunft der Stasiakten dreht sich im Kern um die Frage, ob Inhaber öffentlicher Ämter auch künftig auf eine mögliche Stasivergangenheit überprüft werden dürfen. Bisher werden Politiker, Lehrer und Polizisten, die aus Mitteldeutschland stammen, bei Amtsantritt einem solchen Test unterzogen. Während hierzulande fast überall überprüft wird, verzichten die meisten Westbehörden auf Akteneinsicht. Diese beinahe unglaubliche Ungerechtigkeit wird wohl viele von uns ärgern; denn zu den noch ungenügend erforschten und noch weniger medienwirksamen Fakten im Zusammenhang mit der Staatssicherheit gehören Desinformationskampagnen und Einflussnahmen der SED auf das Meinungsbild in der Bundesrepublik Deutschland, die Instrumentalisierung westdeutscher Journalisten und Publizisten und die Beschönigung der SED-Diktatur durch die westdeutsche Linke und ihre Mitläufer in den Medien.

Dabei, meine Damen und Herren, war das Ausmaß der Unterwanderung in der Bundesrepublik geradezu ungeheuerlich. Nicht nur, dass die Staatssicherheit durch ihren Spion Günter Guillaume sogar den Sturz eines Bundeskanzlers verursachen konnte, es gelang ihr, selbst Organisationen wie die Friedensbewegung für ihre Zwecke zu instrumentalisieren oder Organisationen wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte unter erheblichen Druck zu setzen. Vor allem, meine Damen und Herren, gelang es ihr aber, mindestens 11 000 Westdeutsche als Agenten für ihre Infiltration und Destabilisierung der Bundesrepublik Deutschland zu gewinnen.

Das alles bleibt weiterhin wenig erforscht und so gut wie ungeahndet, obwohl die westdeutschen Zuträger der Stasi ihre Arbeit meist freiwillig und nicht unter Zwang oder als Ergebnis einer Erpressung ausübten, wie dies in der früheren DDR oftmals der Fall war. Eine solche Vorgehensweise muss das Vertrauen in den Rechtsstaat untergraben. Deshalb fordern wir in unserem Antrag die westdeutschen Bundesländer auf, ähnliche Regelungen in Bezug auf eine Stasiüberprüfung zu finden, wie sie hierzulande existieren.

Diese Frage wird sich spätestens dann von selbst erledigen, wenn gar nichts passiert; denn das noch gültige StasiUnterlagen-Gesetz sieht vor, die Regelprüfung bundes

weit zum Jahresende aufzuheben. Analog zur Verjährung von Straftaten wollte der Gesetzgeber so für Rechtsfrieden sorgen. Weil aber zu befürchten ist, dass ehemalige Stasi-IM jetzt ungestört in Schulen und Parlamenten Karriere machen, hat Thüringen im Bundesrat ein Votum erwirkt, das die Fortsetzung der Regelüberprüfung einfordert.