Protokoll der Sitzung vom 17.11.2006

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich habe im März auf ein konkretes Beispiel aus meinem Wahlkreis hingewiesen, das von den Plänen der CDU/SPD-Koalition akut bedroht wäre, nämlich die Hotelfachschule in Pirna. Bedroht ist diese Einrichtung leider nach wie vor, und zwar nicht nur durch die Etatkür

zung, sondern auch durch die geplanten Änderungen der Berufsschulordnung, wobei mehrere Berufsgruppen aus der vollzeitschulischen Ausbildung gestrichen werden sollen. In Pirna sind 360 Ausbildungsplätze bedroht, für die es im dualen System keinerlei Ersatz gibt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Wir als Linksfraktion sind ausdrücklich für eine Stärkung des dualen Systems, aber ich halte es für einen Irrglauben, dass in diesem Bereich Hunderte oder gar Tausende neue Ausbildungsplätze entstehen, wenn man vorher die beruflichen Schulen in freier Trägerschaft plattgemacht hat.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr richtig!)

Die Hotelfachschule in Pirna hat im Übrigen eine Vermittlungsquote von über 95 % und bietet vor allem Hauptschülern und Mittelschülern mit schlechtem Abschluss eine echte Perspektive, die im dualen System vermutlich nie eine Chance hätten. Eine solche Einrichtung darf aus meiner Sicht nicht sterben.

Ich komme zum Schluss. Keine Frage, wir brauchen ein neues, zukunftsfähiges Gesetz für die Schulen in freier Trägerschaft. Aber wir brauchen ein Gesetz, das die Arbeitsfähigkeit verbessert und nicht die Existenzgrundlagen dieser Schulen zerstört.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann, bitte, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben viel diskutiert, aber dieses Thema ist nun wahrlich nicht so aktuell. In Wirklichkeit beschäftigen wir uns seit Jahren mit dieser Frage. Es geht um unser Schulsystem, das insgesamt viel besser ist, als es gelegentlich in diesem Hohen Haus dargestellt wird. Dieses Schulsystem wird über die Grenzen von Sachsen hinaus anerkannt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich möchte ausdrücklich sagen, dass dazu auch die privaten Schulen in Sachsen gehören, die in den vergangenen 16 Jahren eine gute Entwicklung genommen haben und eine große Bereicherung des sächsischen Schulsystems bedeuten. Das will ich ausdrücklich voranstellen.

Ändern müssen wir vieles. Ausgangspunkt dabei ist die Demografie. Das wird, wenn ich es richtig verstanden habe, nicht einmal von der PDS bestritten. Was für gewaltige Veränderungen hat es bei den Grundschulen gegeben! Ich denke an den Tarifvertrag, an das Schulnetz bei den Mittelschulen, bei den Gymnasien, auch an Schulschließungen.

Was mir auffällt: Wo immer es Änderungen gegeben hat, werden diese von Protesten begleitet, da eine Anpassung schmerzlich ist. Aber wo immer, standen Sie mit Ihrer Fraktion unter den Demonstranten, Herr Dr. Hahn.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Immer beim Volk! – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ja, wir sind konsequent!)

Jetzt kommt diese Entwicklung in zwei Jahren auf die Beraufsausbildung zu – mit voller Wucht, wie wir es von den anderen Schulen her kennen. Nun wurde ich an meinen Amtseid erinnert. Ich meine, es ist geradezu meine Pflicht – ganz gleich, wie viele Proteste es gibt –, die notwendigen Änderungen vorzunehmen. Genau dies, meine Damen und Herren, haben wir mit dem Haushaltsbegleitgesetz im Dezember vor. Vor einer reichlichen Woche hat eine Demonstration vor dem Landtag stattgefunden. Das ist gutes Recht; jeder in unserem Land darf demonstrieren. Ich möchte zwei Dinge nennen, die mich geärgert haben.

Das Erste: Betroffene private Schulträger haben Schüler in Busse gesetzt und vor den Landtag gefahren. Ich möchte noch einmal eines deutlich festhalten: Alle Schüler, die vor dem Landtag demonstriert haben, sind selbst nicht von dieser Reform betroffen. Ich will ausdrücklich sagen: Die Ausbildungsverhältnisse, die Träger und Schüler dort eingegangen sind, werden zu Ende geführt. – Das ist die erste Feststellung.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Diese Schüler konnten nicht demonstrieren! – Herr Dr. Hahn, ich komme gleich zu Ihnen, wollte mich jedoch zuerst der NPD zuwenden. (Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das dachte ich mir! – Zuruf von der FDP: Das brauchen Sie nicht zu tun! – Michael Weichert, GRÜNE: Es ist schade um die Zeit!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Staatsminister?

Ja.

Herr Staatsminister, spricht es nicht auch aus Ihrer Sicht für die Schülerinnen und Schüler, die für eine Zukunft demonstriert haben, von der sie vielleicht gar nicht unmittelbar betroffen sind, sich aber aus ihrer Verantwortung heraus schon darum kümmern?

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Herr Prof. Porsch, wenn ich schon einmal Ihrem Gedankengang folge, so haben die Schüler vor dem Landtag im Prinzip für Schüler demonstriert, die es leider überhaupt nicht gibt.

(Beifall des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Das ist das Problem. Sie müssen einmal anerkennen, dass hier eine Diskussion zu einer „halbierten“ Generation stattfindet.

(Julia Bonk, Linksfraktion.PDS: Sie treiben Schindluder mit den Schülern!)

Man will anderen, die überhaupt nicht auf der Welt sind, etwas nicht zumuten.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist eine zynische Argumentation!)

Das ist das ganze Problem: dass viel zu wenig junge Leute auf der Welt sind, was Sachsen betrifft.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Staatsminister?

Bitte.

Herr Staatsminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich zum Beispiel vier Enkelkinder habe, die teilweise die Grundschule besuchen, bis hin zum Säuglingsalter; das heißt, Kinder, die da sind und die vielleicht einmal diese Schulen brauchen könnten?

Genau darum geht es, Herr Prof. Porsch. Wir müssen uns auch um diejenigen kümmern, die da sind. Ich werde später in meinem Redebeitrag noch einmal darauf eingehen. Jetzt möchte ich jedoch zu meinem Konzept zurückkehren und mich zunächst der NPD zuwenden.

Herr Abg. Gansel, Sie sagten, Sie haben sich unter die demonstrierenden Jugendlichen gemischt. Wissen Sie, was Sie dort getan haben? Sie haben geheuchelt. Dort haben Sie geheuchelt; denn in der Nazizeit, die Sie gern zurückhaben wollen, hat es keine Privatschulen gegeben. Dort wurde jede Privatinitiative, jede freie Schule abgewürgt. Das heißt, Ihre politische Einstellung besagt nun wahrlich nicht, dass Sie sich für ein freies Schulwesen einsetzen. Das ist heuchlerisch, Herr Gansel.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Staatsminister?

Ja.

Herr Gansel.

Herr Staatsminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die NPD-Fraktion seit September 2004 in diesem Haus sitzt und es deshalb auf der Hand liegt, dass sie sich mit den konkreten schulpolitischen Problemen in diesem Land auseinandersetzt, mit den Problemen, für die Ihre Staatsregierung verantwortlich zeichnet? Das Dritte Reich hat mit unseren schulpolitischen Vorstellungen überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der NPD)

Herr Gansel, natürlich muss ich zur Kenntnis nehmen, dass Sie im Sächsischen Landtag sitzen. Deshalb setze ich mich auch mit Ihnen auseinander.

(Karl Nolle, SPD: Das ist bedauerlich!)

Trotzdem gehört es dazu, sich einmal Ihr politisches Programm genauer anzuschauen, und in Ihrem politischen Programm kommt weder „Freiheit“ noch „freie Schulen“ vor. Deshalb sollten Sie den jungen Leuten in diesem Lande nicht vorheucheln, dass Sie sich für freie Schulen einsetzen. Das ist so nicht wahr.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Abg. Heike Werner, Linksfraktion.PDS)

Gleiches trifft allerdings auf die PDS zu.

(Heiterkeit bei der NPD)

Dass Sie sich vor den Landtag stellen und für freie Schulen kämpfen, hat gerade das Beispiel von Frau GüntherSchmidt gezeigt. Wo Proteste sind, dort mischen Sie sich darunter,

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Das ist typisch Flath!)

und Sie nehmen in Kauf, dass Sie in Schneeberg auf einer ganz anderen Seite stehen als hier vor dem Landtag. Das ist doch Heuchelei, und diese Debatte hat es heute überaus deutlich gemacht.