Protokoll der Sitzung vom 17.11.2006

Herr Colditz, finden Sie es nicht besser, dass junge Menschen eine abgeschlossene Berufsausbildung haben und sich damit auf dem Arbeitsmarkt bewerben können, als wenn sie ohne Ausbildung quasi immer den sozialen Sicherungssystemen anheimfallen?

Frau Günther-Schmidt, Sie konstruieren einen Widerspruch, den es so aus meiner Sicht oder meiner Darstellung nicht gibt. Beides muss Anliegen sein. Wir brauchen ein Ausbildungssystem, das möglichst alle Jugendlichen erreicht. Wir brauchen aber in gleichem Maße Ausbildungsberufe, die dann auch in Beschäftigungsberufe führen. Denn was Sie tun, ist nichts anderes, als die Problemlage nur in die Zukunft zu verschieben. Die Leute, die eine Ausbildung absolviert haben, gehen dann zwei Jahre später aufs Arbeitsamt, müssen sich umschulen lassen und werden letztlich Sozialhilfeempfänger, weil sie keine Beschäftigung bekommen können. Das ist doch nicht im Sinne der Betroffenen.

(Beifall des Staatsministers Geert Mackenroth)

Das ist doch am Schluss genauso schizophren.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Warum bekommen sie keine?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz dazu kommt es aufgrund des wesentlich stärkeren Bezugs der staatlichen Finanzhilfe auf die konkreten Bedingungen der Bildungsgänge im öffentlichen Schulsystem und damit einer größeren Differenziertheit natürlich zu einer Reduzierung der Zuschüsse für vollzeitschulische Ausbildungsgänge an Berufschulen, Berufsfachschulen, Fachschulen und Fachoberschulen.

Wir haben uns aber, meine Damen und Herren, das will ich an dieser Stelle schon mal vorwegnehmen, mit Blick auf die Haushaltsdiskussion im Gegensatz zum Entwurf

der Staatsregierung darauf verständigt, dass die Übergangszeit um ein weiteres Jahr verlängert wird. So wird auch im Schuljahr 2009/2010 der erhöhte Fördersatz von 85 % fortgeschrieben. Der Satz von 80 % wird erst im Schuljahr 2010/2011 erreicht. Ich denke, es ist im Sinne der freien Träger, zum einen, dass die Leute, die schon in der Ausbildung sind, ihre Ausbildung zunächst unter den alten Konditionen beenden, und zum anderen, dass sich auch – und ich denke, das wird in Größenordnungen passieren – freie Träger neu strukturieren, neu ausrichten können an Bedarfen, die wirklich vorhanden sind mit Blick auf den Arbeitsmarkt, die wir ganz einfach vorhalten.

Gleichzeitig wird in Verantwortung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales ein Förderprogramm zur Personalsicherung und zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit im Gesundheits- und Sozialwesen aufgelegt. Aus diesem Förderprogramm können Träger, die für den eigenen Bedarf in Sachsen Personal für den Gesundheits- und Personalbereich ausbilden, Mittel beantragen. Dieses Förderprogramm wird nach Auslaufen der Übergangsvorschriften ein Volumen von jährlich 5 Millionen Euro beinhalten. In dem Zusammenhang werden wir auch dem Bedarf an Ausbildungsberufen im Sozial- und Gesundheitswesen gerecht. Denn da ist die Entwicklung tatsächlich ein Stück weit anders als anderswo, beispielsweise in den Berufen, die ich vorhin genannt habe.

Herr Colditz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Herr Colditz, sehen Sie nicht auch einen Widerspruch, wenn Sie auf der einen Seite davon sprechen, dass freie berufsbildende Schulen eine Neuausbildung der Ausbildungsgänge vornehmen sollen, und es andererseits so ist, dass, wenn sich freie Schulen eben neu ausrichten, die Wartefrist noch einmal von vorn beginnt?

Das ist eine gegenwärtige Regelung. Ich gehe davon aus, dass die Wartefrist zu rechtfertigen ist, wenn die Schulen schon am Markt sind bzw. schon finanziert werden. Wenn ihr Bestand bereits gesichert ist, ist es ihnen auch möglich, sich entsprechend neu zu orientieren, wobei es zunächst keiner zusätzlichen Finanzierung bedarf. Das ist legitim und richtig, aber das ist meines Erachtens ein anderer Ansatz als das, was wir zurzeit diskutieren.

Meine Damen und Herren, da im Bereich der berufsbildenden Förderschulen in naher Zukunft nicht mit einem Schülerrückgang zu rechnen ist und da hiervon ein besonders sensibler Bereich betroffen ist, halten wir die von der Staatsregierung vorgeschlagene Kürzung in diesem Bereich für nicht ganz sachgerecht. Deshalb wird der Faktor von derzeit 1,4 auf 1,7 erhöht werden, wodurch die

Kürzung, die in diesem Bereich staatgefunden hat, im Rahmen der Haushaltsdiskussion erheblich abgemindert wird. Dies wird eine Mittelerhöhung ab 2008 um insgesamt 5 Millionen Euro jährlich zur Folge haben. Zusätzlich wird im Wege der Rechtsverordnung der Klassenrichtwert für berufsbildende Schulen für Sinnesgeschädigte entsprechend dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bautzen abgesenkt. Das betrifft besonders die Berufsbildungswerke in Leipzig und Chemnitz. Im Gegensatz zum Entwurf der Staatsregierung werden die Zuschüsse für die integrative Unterrichtung von Schülern – Kollege Dulig hat schon darauf hingewiesen – entsprechend dem Förderbedarf differenziert.

Meine Damen und Herren, des Weiteren haben wir uns darauf verständigt, dass die derzeitige Regelung zur Beurlaubung und Dienstanrechnung ebenfalls geändert wird. Sie sehen also, dass auch seitens unserer Fraktionen entsprechende Änderungen vorgesehen sind, die dem Bedarf und der Diskussion um das Haushaltsbegleitgesetz Rechnung tragen. Wir gehen aber trotzdem davon aus, dass die Umsteuerung, die ich eben benannt habe und die auch notwendig ist, vollzogen werden muss, und zwar im Sinne der Auszubildenden.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Hahn, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin GüntherSchmidt, bevor Sie hier im Landtag irgendwelche falschen Behauptungen aufstellen, sollten Sie sich über den Fall in Schneeberg einfach informieren und mit den Betroffenen vor Ort reden. Wir vermitteln Ihnen gern den Kontakt. Ich sage es für unsere Fraktion noch einmal ganz deutlich: Wir wollen Vielfalt im Schulwesen, aber wir halten es für falsch, wenn nahezu alle allgemeinbildenden Schulen, die jetzt neu entstehen, konfessionsgebunden sind.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen, Herr Präsident, dann gestatte ich die Zwischenfragen gern.

Wir stehen für Vielfalt im Schulwesen, nicht für Missionierung – das in aller Deutlichkeit!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Colditz, bitte. Danach Frau Günther-Schmidt.

Herr Kollege Hahn, Sie haben eben Schneeberg angesprochen und Frau GüntherSchmidt unterstellt, dass sie nicht ausreichend informiert sei. Das sehe ich zwar ein Stück weit anders, aber ich denke, mir können Sie schon glauben, dass ich informiert bin.

Ich will ganz einfach fragen: Herr Kollege Hahn, nehmen Sie zur Kenntnis, dass es in Schneeberg eine Initiative der dortigen Kirchgemeinde gibt, zur Fortführung der derzeitigen, in Trägerschaft der Kirche befindlichen Grundschule auch eine Mittelschule zu gründen, und dass es demgegenüber eine Initiative gibt, die offensichtlich von Ihnen unterstützt werden soll, dies zu verhindern? Wie bringen Sie das in Einklang mit Ihrer scheinbaren Unterstützung der Schulen in freier Trägerschaft?

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie, dass auch noch die zweite Frage gestellt wird?

Bitte, Frau Günther-Schmidt.

Herr Hahn, nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich wörtlich aus Ihrer Presseerklärung zitiert habe?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das kann ich insofern nicht zur Kenntnis nehmen, Frau Kollegin, als ich gar keine Presseerklärung herausgegeben habe.

Ihre Fraktion hat eine Presseerklärung herausgegeben.

Insofern kann ich Ihnen da nicht recht geben.

(Unruhe)

Was diesen Fall angeht, bitte ich Sie, mit Frau Roth zu sprechen. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, meine Damen und Herren. Wenn bei solch einer Schule alle von Vielfalt reden, dann gibt es natürlich unterschiedliche Auffassungen, wer dort neuer Träger werden soll. Das ist doch völlig legitim. Dann wird es eine Entscheidung geben. Kollegin Roth hat ihre Position dazu vertreten.

(Zuruf des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Auch das ist in Ordnung. Herr Colditz, auch wenn Sie noch so schimpfen, Sie müssen es ertragen, dass wir in dieser Frage eine andere Position haben.

Ich möchte aber, Herr Präsident, zum Thema der Aktuellen Debatte zurückkommen, die wir heute über die beruflichen Schulen in freier Trägerschaft führen. Wir hatten im März die Situation, dass der Kultusminister seinen indiskutablen Entwurf kleinlaut zurückziehen musste.

(Staatsminister Steffen Flath: Von wegen „kleinlaut“!)

Ich hatte mich damals bei den Sozialdemokraten ausdrücklich dafür bedankt, dass sie mit dafür gesorgt haben, dass dieser Gesetzentwurf beerdigt wurde. Nach der heutigen Rede von Herrn Dulig hätte ich auf diesen Dank doch lieber verzichten sollen.

Ich habe auch im März schon darauf hingewiesen, dass davon auszugehen ist, dass der Kultusminister versuchen wird, die Eckpunkte seines gescheiterten Gesetzentwurfs über das Haushaltsbegleitgesetz durch die Hintertür wieder einzubringen. Genau so ist es gekommen. Für die freien Schulen insbesondere im berufsbildenden Bereich sind Ihre Pläne, Herr Minister, einfach verheerend.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die Vorredner aus der Opposition haben darauf hingewiesen. Sie sind auf die Details eingegangen. Ich will daher nur einige grundsätzliche Bemerkungen machen.

Auch wenn die Linksfraktion in erster Linie das staatliche Schulsystem qualitativ stärken und besser ausstatten will, sagen wir zugleich: Die freien Schulen dieses Landes sind eine Bereicherung des Bildungssystems und kein Ballast, dessen man sich einfach entledigen kann. Jeder weiß, dass angesichts der rückläufigen Schülerzahlen Veränderungen gerade auch bei den beruflichen Schulen notwendig sind. Solange aber die dort vorhandenen Ausbildungsplätze nicht zuletzt angesichts Tausender unversorgter Jugendlicher in diversen Warteschleifen noch dringend benötigt werden – und das ist aus unserer Sicht mindestens bis 2010 der Fall –, so lange muss auch die Finanzierung dieser Bildungsangebote gesichert werden.

Wir haben dazu bereits vorgestern einen Dringlichen Antrag eingebracht, der jedoch von der Koalition abgelehnt worden ist. Wir werden aber in dieser Frage nicht locker lassen. Der Antrag wird nunmehr Anfang Dezember im Schulausschuss des Landtages auf der Tagesordnung stehen. Dann werden sich die Abgeordneten bekennen müssen.

Ich weiß sehr wohl, dass es in der CDU-Fraktion Kolleginnen und Kollegen gibt, die die Pläne ihres Ministers für falsch halten. Herr Colditz hat schon im März hier im Landtag erklärt – ich zitiere –: „Wir dürfen den freien Trägern nicht in den Rücken fallen.“ Genau das tun Sie aber jetzt. Nun, Herr Colditz, müssen Ihren Worten auch Taten folgen. Ich erwarte, dass auch jene Kollegen, die sich für die kirchlichen Träger einsetzen, jetzt ihren Worten Taten folgen lassen, indem sie den Gesetzentwurf wenigstens in diesem Punkt ablehnen.

Ich appelliere auch an die Kolleginnen und Kollegen der SPD. Die Sozialdemokraten haben im Jahr 2004 Wahlkampf gemacht, Wahlkampf vor allen Dingen mit Bildungsthemen. Sie haben erklärt, dass sie mehr für die Bildung tun wollen. Dann dürfen sie aber nicht jetzt ein Gesetz mitbeschließen und mittragen, das die Bedingungen im Schulbereich dramatisch verschlechtert. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, Herr Dulig.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)