Damit Sie nicht hinterher sagen, ich hätte es mir allzu leicht gemacht, möchte ich – auch wenn sich jetzt andere anstellen – auf Frau Bonk eingehen.
Was Sie machen, ist ein Trick, Frau Abg. Bonk. Sie schildern hier die Situation, wie sie heute ist. Das wissen auch die CDU- und die SPD-Fraktion sowie die Staatsregierung. Ja, wir haben Jugendliche, die sich in Warteschleifen befinden. Es ist wahr, dass die Wirtschaft keine ausreichenden Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Genau deshalb haben wir Angebote geschaffen und mit Steuergeldern unterstützt – einfach nach dem Grundsatz: Besser, die jungen Leute sind ausgebildet und suchen sich woanders Arbeit, als ohne Ausbildung und ohne Arbeit in der Lausitz zu sitzen. Das ist ein Grundsatz, den ich unterstreiche und der für dieses und das nächste Jahr gilt.
Nur ist es unredlich, Frau Bonk, diesen Gesetzentwurf, der in Wirklichkeit erst in drei Jahren richtig greift, in einer völlig anderen Situation, jetzt bereits zu diskutieren.
In drei Jahren wird sich die Situation völlig umdrehen. Die jungen Menschen, die jetzt in der Ausbildung bzw. an den Schulen sind, werden sehr gefragt sein; denn wenn Sie genau hinhören, hat es die Wirtschaft längst erkannt. Geben Sie es also auch zu, dass die jungen Leute gefragt sind und in den sächsischen Firmen gebraucht werden und es deshalb wichtig ist, ein System umzusteuern, das genau in einer veränderten Situation greifen soll. Das war Ihr Trick, den ich nur einmal darlegen wollte.
Herr Staatsminister, wissen Sie, dass es sich in Schneeberg um folgenden Fall handelt: dass dort bewusst eine öffentliche, staatliche Schule totgemacht worden ist,
damit die evangelische Schule in das Gebäude der Diesterweg-Mittelschule einziehen kann, und dass jetzt der Herr Bürgermeister die neuen Schulmöbel an den Schulverein verscherbelt, während die Kinder der staatlichen Mittelschule auf den alten Möbeln sitzen bleiben? Ich könnte noch andere Beispiele anführen. Wissen Sie das, Herr Staatsminister? Nur darum geht es. Es geht uns um Vielfalt, aber nicht um das Totmachen von öffentlichen Schulen zugunsten von kirchlichen Schulen.
Zunächst, Frau Abg. Roth, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das, was Sie jetzt gerade vorgetragen haben, auf das Berufsschulsystem übertragen.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie sich vor dem Landtag dafür eingesetzt, dass das staatliche Berufsschulsystem totgemacht werden soll, nur weil es an dem Tag gerade gepasst hat und Sie von der anderen Seite gerade Beifall bekommen haben.
Ja, aber ich kannte mich auch vorher bereits gut in Schneeberg aus, da es eine Bergstadt wie AnnabergBuchholz ist. Frau Abg. Roth, dass wir dort mittels Mitwirkungsentzug eine staatliche Mittelschule – es gibt ja zwei in Schneeberg – schließen mussten, hat etwas damit zu tun, dass nicht die erforderliche Schülerzahl für zwei Mittelschulen vorhanden war. Dass sich dort eine Initiative zur Gründung einer evangelischen Mittelschule
gegründet hat, habe ich nicht initiiert. Ich sage auch ganz offen: Im Zusammenhang mit der Schließung einer staatlichen Schule ärgert mich das außerordentlich.
Nur: Wissen Sie, Herr Prof. Porsch, wenn in der DDR ein Minister gesagt hätte, dass ihn das ärgere, und wenn dies noch die Frau eines Staatsratsvorsitzenden gewesen wäre, Frau Honecker, hätte es gereicht, dass eine Schule geschlossen worden wäre. Allein dies hätte ausgereicht.
– und dabei ist es ohne Belang, ob sich ein Minister über eine Situation ärgert oder nicht. Es gibt einen verfassungsrechtlichen Grundsatz: Wo immer in diesem Land eine Initiative der Meinung ist, sie will eine private Schule gründen, so darf sie dies tun, wenn sie die Bedingungen erfüllt. Sie bekommt dann sogar – zugegeben: jetzt nach vier Jahren, nach dem neuen Gesetz nach drei Jahren – eine Genehmigung, und es ist nicht von Belang, ob ein Minister dies gut oder weniger gut findet. Sie müssen doch nach 16 Jahren einfach einmal anerkennen, dass wir jetzt in einem Rechtsstaat leben.
Zum Thema Rechtsstaat, Herr Minister. Ich stelle Ihnen die Frage jetzt ein zweites Mal: Wie kann es sein, dass Eltern von Mittelschülern der Stadt Schneeberg ihre Kinder in einer Schule anmelden mussten, die noch gar nicht existiert?
Ach, Frau Roth. Darüber haben wir meines Wissens in einer Fragestunde im Landtag schon einmal debattiert. Es ist geradezu logisch, dass, wenn sich eine freie Schule gründet, sie dann eine Marktforschung betreibt und wissen will, ob es überhaupt Interesse dafür gibt.
Ich habe auch kein Computergehirn. Es liegt mindestens drei Landtagssitzungen zurück, dass wir hierüber debattiert haben. Okay?
Herr Minister, es ist leider nicht möglich, einen weiteren Redebeitrag anzuschließen. Aber ich möchte es deshalb in eine Frage kleiden, um noch einmal richtigzustellen, was hier von Frau Roth völlig verzerrt dargestellt worden ist: Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, dass in Schneeberg zwei Schulen existieren,
und zwar die Pestalozzi-Schule und die DiesterwegSchule? Die Diesterweg-Schule ist schon im Schulnetzplan des Landkreises – auch in Abstimmung mit Ihrem Haus – als Außenstelle der Pestalozzi-Mittelschule installiert worden, und zwar solange die Aufnahmekapazität der zweiten Schule nicht ausreicht. Es war nie ein eigenständiger Schulstandort der Diesterweg-Schule geplant. Ist es richtig, wenn ich das so darstelle?
(Zuruf der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion.PDS – Staatsminister Thomas Jurk: Frau Roth, Sie müssen zuhören!)
Das war eine Diskussion im Heute und jetzt sprechen wir über die Zeit, in der das Gesetz gelten soll. Wir haben nur noch halb so viele Jugendliche. Wenn nur die sächsische Wirtschaft ihr Ausbildungsplatzangebot aufrechterhielte, dann gäbe es die Chance, in drei Jahren zu einem ziemlich reinen dualen Ausbildungssystem zurückzukehren. Wenn wir aber das Privatschulgesetz nicht anpassten, dann würden wir bei den Fehlanreizen bleiben, die heute weder begründet noch ertragbar sind, aber in drei Jahren eine völlige Fehlentwicklung provozieren würden.
Ich möchte an drei Beispielen verdeutlichen, was der Abg. Colditz angesprochen hat. Mehr als ein Drittel aller jungen Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland zum Diätassistenten ausgebildet werden, werden an sächsischen Privatschulen ausgebildet. Mehr als ein Drittel! Ein Viertel aller jungen Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland zu Ergotherapeuten ausgebildet werden, erhalten ihre Ausbildung an einer sächsischen Privatschule.
Ein Viertel! Jetzt greife ich das von Herrn Colditz noch einmal auf. Im vergangenen Schuljahr wurden an sächsischen Privatschulen mehr als 600 Schüler zu Masseuren und Medizinischen Bademeistern ausgebildet. Dem stand im August 2006 eine einzige Stelle gegenüber. 600 wurden ausgebildet und eine Stelle stand zur Verfügung! Meine Damen und Herren, man kann es sehr unterschiedlich sehen. Wenn diese jungen Leute in Deutschland oder in Europa eine Arbeit finden – ich möchte es noch einmal wiederholen –, ist das gut so. Wenn aber in drei Jahren in Sachsen Firmen schließen müssen, weil sie keinen Nachwuchs bekommen, dann kann das doch nicht richtig sein! Dann muss doch der Staat ganz einfach darauf reagieren.