Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

Ich glaube auch, dass der Ansatz richtig ist, im Sozialministerium knapp 90 Millionen Euro und im Kultusministerium über 90 Millionen Euro anzusiedeln, um – wie Sie es immer fordern – standortnah bei den Verantwortungsträgern über den Einsatz von Fördermitteln zu entscheiden.

Ich begrüße auch ausdrücklich die Initiative von Bundesverkehrsminister Tiefensee, mit den Entscheidungsträgern vor Ort Anfang nächsten Jahres in eine Diskussion einzusteigen, wie man den Langzeitarbeitslosen, die keine

Chance mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, helfen kann. Zitat Tiefensee: „Die Verantwortlichen vor Ort wissen am besten, wie Langzeitarbeitslosen geholfen werden kann. Hier müssen wir als Staat die Teilhabe am Erwerbsleben organisieren.“ Genau das haben wir auch vor.

Ich bin zuversichtlich, dass mit den Mitteln des Europäischen Sozialfonds neue arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Maßnahmen für Sachsen erarbeitet werden. Wir haben uns als Fraktion dazu in Brüssel rückgekoppelt und informiert. Ich denke, dass dieser Haushalt die notwendigen Voraussetzungen schafft.

Noch ein Wort zu Ihrer Förderrichtlinie.

(Heiko Hilker, Linksfraktion.PDS: Profil! – Das ist ein Unterschied!)

Dieses Förderprofil, Entschuldigung, haben Sie am 01.12. im Haushalts- und Finanzausschuss vorgelegt. Ich gehe davon aus, dass Sie es damals zeitgleich in den Wirtschaftsausschuss eingebracht haben. Ich will nicht sagen, dass darin alles falsch ist, um Gottes willen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist alles richtig!)

Das ist genauso vermessen, Herr Porsch, aber das ist Ihre bekannte Art.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ich spreche wie die Regierung!)

Aber ein Satz darin macht eigentlich das ganze Werk zunichte: „Die gesamte Förderrichtlinie sowie Haushaltssystematik und Programmgestaltung werden durch die Verwaltung“

(Heiko Hilker, Linksfraktion.PDS: Durch wen denn sonst?)

„dem vorliegenden Förderkonzept angepasst.“ Das heißt, Sie bringen am 01.12., knapp zwei Wochen vor den Haushaltsberatungen, so ein Papier ein, in dem Sie sagen, dass die Verwaltung den gesamten Staatshaushalt darauf zuschneiden und anpassen soll. Das ist technisch unmöglich. Ich würde Sie auffordern, solche Sachverhalte langfristig in den Wirtschaftsausschuss einzubringen und konkret zu untersetzen, dann kann man auch darüber reden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich erteile der NPD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung und namentlich Schönfärber Thomas Jurk können sich für die aktuelle Haushaltsaufstellung glücklich schätzen, dass sie aufgrund der Überlappung zweier EU-Förderperioden sowie der Steuerschätzung über ein beträchtliches, unerwartetes Mittelvolumen verfügen. Leichtsinnigerweise könnte man deshalb annehmen, dass die Staatsregierung

die notwendigen Schwerpunktbildungen auf dem Gebiet von Wirtschaft und Arbeit vornähme und es vergleichsweise wenige Anhaltspunkte für die Kritik der Opposition gäbe. Aber weit gefehlt!

Die Beschwörungen eines Wirtschaftsaufschwunges, die wir vorhin gehört haben, haben geradezu etwas Schamanistisches an sich. Die Belebung des Arbeitsmarktes ist nichts anderes als herbeihalluziniert. Aus Ministermund haben wir eben gehört, dass wir in Sachsen gegenwärtig die niedrigste Arbeitslosigkeit seit zehn Jahren hätten. Das mag vielleicht sein – aber auf welch erschreckend hohem Niveau?!

Hand aufs Herz, Herr Minister, Sie wissen doch viel besser als wir Nationaldemokraten, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen grob getürkt und frech frisiert sind. Weil die zahllosen Euro-Jobber, Frührentner und ABMler aus den offiziellen Statistiken herausgerechnet sind, gibt auch die Statistik für Sachsen doch nicht annähernd das wahre Ausmaß der Arbeitsmarktmisere wieder. Längst ist es ein offenes Geheimnis, dass auch im Freistaat nur ein Drittel der erwerbsfähigen Bevölkerung über eine geregelte, normal bezahlte Arbeit verfügt. Ein Drittel lebt in sogenannten prekären, zeitlich ungesicherten und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen. Das letzte Drittel der erwerbsfähigen sächsischen Bevölkerung ist von den etablierten Parteien de facto längst abgeschrieben worden und wird unter den obwaltenden Systembedingungen nie wieder Arbeit finden.

Herr Jurk, wer den Menschen angesichts dieser trüben Verhältnisse so viel Sand in die Augen reibt wie Sie, der sollte sich um das Amt des Sandmannes bewerben, anstatt einen Ministersessel anzuwärmen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ho, ho, ho! – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Ich sehe, bei Ihnen dauert es etwas länger. Die Leitung ist etwas länger, bis der Witz ankommt.

Es ist aber schon vielsagend, wenn der einzige positive Aspekt zum Finanzvolumen des Einzelplanes 07 lediglich auf externe Effekte zurückzuführen ist und nicht etwa auf die politische Leistung der Staatsregierung. Die sprudelnden Steuereinnahmen des Freistaates sind in erster Linie auf die sozial ungerechte und volkswirtschaftlich kontraproduktive Mehrwertsteuererhöhung der Berliner Großen Koalition sowie die zeitliche Überschneidung zweier EUStrukturförderperioden zurückzuführen.

Doch selbst die finanziellen Möglichkeiten, die der Staatsregierung damit in den Schoß gelegt sind, werden von ihr nur unzureichend genutzt. Erst einmal ist der hohe Anteil der Mittel zu kritisieren, die vorab bereits gebunden und somit jeder verwendungsbezogenen Diskussion entzogen sind. Das macht diese Haushaltsdebatte eigentlich sinnlos. Beispielsweise sind im Jahr 2007 fast 25 % der originären Landesmittel im gesamten Einzelplan 07 durch Kofinanzierungszwänge für EU-Programme gebunden.

In diesem Haus ist es allein die NPD-Fraktion, die diese verhängnisvolle finanzpolitische Fremdbestimmung durch die Europäische Union beim Namen nennt und die die Wiederherstellung der haushaltspolitischen Souveränität Deutschlands und seiner Länder fordert. Die Menschen im Freistaat würden es mit ungläubigem Staunen aufnehmen, wenn sie erführen, dass die Europäische Union und der dahinterstehende, demokratisch nicht legitimierte Eurokratenapparat selbst die Anschaffung EU-gerechter Schreibtische nebst Zubehör in einer Größenordnung von 140 000 Euro aufgrund der EU-Bildschirmrichtlinie vorschreibt. Doch auch im Bereich der allgemeinen Wirtschaftsförderung, Kapitel 07 03, sind fast die Hälfte der Mittel durch Verpflichtungsermächtigungen gebunden und die finanzpolitischen Gestaltungsspielräume entsprechend gering.

Nichtsdestotrotz hat die NPD-Fraktion mit ihren 15 Änderungsanträgen zum Einzelplan 07 Umschichtungen von 26,5 Millionen Euro für das Jahr 2007 und etwas über 24 Millionen Euro für das Jahr 2008 innerhalb des Einzelplanes vorgeschlagen. Dabei geht es uns Nationaldemokraten um eine klare Schwerpunktbildung für eine Belebung des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes sowie die Stärkung des ökonomisch verödenden ländlichen Raumes. Diese Förderprioritäten sind umso wichtiger, als aufgrund des Erweiterungsdranges der Europäischen Union für Sachsen in Zukunft die Solidarpaktmittel des Bundes sinken, aber natürlich auch die Strukturfördermittel der Europäischen Union selbst.

Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass es die Staatsregierung fertigbringt, den Freistaat so weit herunterzuwirtschaften, dass man zukünftig allein aufgrund katastrophaler Strukturdaten weiterhin in der EU-Förderung bleibt, bei der es sich sowieso weitgehend um umverteiltes deutsches Steuergeld handelt.

Aus Zeitgründen kann ich nicht auf alle unsere Änderungsanträge eingehen. Ich möchte allerdings unsere Zielrichtung kurz skizzieren. Der NPD-Fraktion geht es um deutliche Akzente bei der Berufsausbildung, insbesondere der beruflichen Erstausbildung, sowie der Förderung benachteiligter Regionen, von denen es in Sachsen leider nicht wenige gibt.

Viele in diesem Hause haben noch nicht zur Kenntnis genommen, dass die Leuchtkraft der sogenannten Leuchtturmpolitik der Regierung Milbradt im ländlichen Raum äußerst schwach ist. Zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen in den benachteiligten Regionen will die NPD-Fraktion ein wesentlich höheres Fördervolumen, als im Regierungsansatz vorgesehen, festsetzen. Hierfür sollen in den Jahren 2007 und 2008 insgesamt 20 Millionen Euro mehr gegenüber dem, was der Doppelhaushalt der Staatsregierung dafür vorsieht, aufgewendet werden.

Auch wegen der permanent rückläufigen GA-Mittel halten wir eine Ergänzung aus Landesmitteln für zwingend geboten. Wir fühlen uns dem Gebot der Überlebensfähigkeit aller sächsischen Landesteile verpflichtet und

schreiben deshalb keine Region als sogenannten Entleerungsraum ab.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Änderungsanträge liegt bei der beruflichen Bildung. Die als geradezu apokalyptisch zu bezeichnende Ausbildungslage macht nach Ansicht der NPD-Fraktion besondere finanzielle Kraftanstrengungen notwendig, um den sächsischen Jugendlichen in ihrer Heimat und nicht irgendwo in der Ferne Ausbildungs- und Berufsperspektiven zu bieten. Diese Investition – ich spreche hierbei bewusst nicht von Kosten – sollte uns einiges wert sein; denn wir tragen damit dem künftigen Fachkräftebedarf Rechnung und bieten jungen Sachsen eine Perspektive in ihrer Heimat. Nach unseren Vorstellungen sollten in den nächsten beiden Jahren 30 Millionen Euro mehr, als von der Regierung vorgesehen, in die berufliche Bildung fließen.

Ausbildung statt Abwanderung – so müsste der allgemeine Arbeitsauftrag lauten. Diesen Arbeitsauftrag wird die Staatsregierung aber nicht erfüllen können, wenn sie es wieder dabei belässt, wohlfeile Appelle an die Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft zu richten, ohne eine entsprechende Ausbildungsbereitschaft vernünftig zu honorieren. Wer aber nicht von der vernünftigen Förderung der Berufsausbildung sprechen will, der sollte vom absehbaren Fachkräftemangel in Sachsen schweigen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die NPD-Fraktion die Deckungsmittel zur Finanzierung ihrer Forderungen im Wesentlichen aus überzogenen Erhöhungsansätzen der Staatsregierung gewinnt, die von uns lediglich auf das bisherige Maß zurückgeführt werden. Es sollte deshalb keiner mit dem Scheinargument kommen, unsere alternativen Finanzierungsvorstellungen seien nicht solide gedeckt.

Besonders stößt uns neben vielem anderen die Mittelaufstockung für die Projektabwicklungskosten der SAB auf. Diese Kostenentwicklung konnte auch auf intensives Nachfragen vonseiten der Staatsregierung nicht schlüssig erklärt werden.

Wegen der knappen Redezeit kann ich auf Kritikaspekte unsererseits an Straßenbaumaßnahmen der Staatsregierung nicht mehr eingehen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich möchte mit einem Appell an Herrn Jurk schließen – auch wenn ich weiß, dass es in den Wind gesprochen ist –: Der Minister sollte nicht vergessen, welchen Gestaltungsauftrag er hat; denn es handelt sich bei seinem Ressort um den Einzelplan 07 und nicht um den Einzelplan 007 mit der Lizenz zur Notstandsverwaltung.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der FDP-Fraktion das Wort. Herr Morlok, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatsminister Jurk!

Eigentlich, Herr Jurk, müssten Sie ja ganz zufrieden sein; denn dank der sprudelnden Steuermehreinnahmen und der sich überlappenden Strukturfondsperioden stehen Sie nicht vor dem Problem, das viele andere haben: Wie decke ich meine Ausgaben? Sie müssen sich vielmehr überlegen, wie Sie das ganze Geld unter die Leute bringen. Sie haben selbst schon in Ihrem Beitrag angesprochen, dass es wichtig ist, es sinnvoll unter die Leute zu bringen und es sinnvoll auszugeben.

Wenn man sich aber die Dinge genau anschaut, kommt man zu dem Ergebnis: Sie geben es nicht sinnvoll aus, sondern Sie werfen es mit beiden Händen aus dem Fenster hinaus.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Nehmen wir einmal die alte Strukturfondsperiode. Um diese Gelder zu verteilen, ist Ihnen jedes Mittel recht. Im Jahr 2005 haben Sie in einer Art Torschlusspanik noch diesen ESF-Mikrodarlehensfonds aufgelegt – mit heißer Nadel gestrickt, EU-rechtlich problematisch, Rückzahlungsforderungen der EU sind zu befürchten. Ich sage Ihnen, nicht nur dieser Bereich, sondern das ganze Thema ESF-Gelder wird in einer einzigen Katastrophe enden!

Herr Jurk, Sie sollten zugeben, dass Sie jetzt schon Probleme haben, die Gelder sinnvoll auszugeben. Schon im Jahr 2005 mussten Sie 44 Millionen Euro an die EU zurückzahlen. In diesem Jahr haben Sie bereits zugegeben, 60 Millionen Euro zurückzahlen zu müssen.

Ich sage Ihnen: Es wird weit, weit mehr sein, was Sie zurückzahlen müssen. Sie, Herr Jurk, haben innerhalb von zwei Jahren 100 Millionen Euro verschenkt. 100 Millionen Euro, die man hier in Sachsen hätte sinnvoll ausgeben können. Nun können Sie argumentieren: Okay, das war die Erblast des Vorgängers. – Das ist die alte Förderperiode; dafür können Sie nichts. Aber wenn man Ihnen das zugesteht, müsste man ja erwarten, dass Sie aus Ihren Fehlern lernen. Aber das tun Sie offensichtlich nicht. Sie haben im Jahr 2006 132 Millionen Euro ESF-Mittel, die Sie nicht ausgeben konnten, und wollen 2007 256 Millionen Euro einsetzen. Das ist das Doppelte von dem, was Sie bisher schon nicht ausgeben konnten. Die Mittel, die Sie aus dem ESF haben, würde die sächsische Wirtschaft viel dringender in einer Wachstumsförderung benötigen.

(Beifall bei der FDP)

Der Markt, Herr Minister Jurk, für traditionelle ESFProjekte ist gesättigt. Die Maßnahmenträger finden für die bewilligten Maßnahmen keine Teilnehmer mehr. Spätestens 2009 wird das große Erwachen kommen. Dann werden wir nämlich davor stehen, dass wir EUFördermittel in dreistelliger Millionenhöhe zurückgeben müssen. Dann, Herr Jurk, tragen Sie dafür persönlich die Verantwortung. Ihr eigenes Haus glaubt ja schon nicht mehr daran, die 256 Millionen Euro im nächsten Jahr sinnvoll ausgeben zu können. Ich fordere Sie auf: Legen Sie die Fakten auf den Tisch, sagen Sie dem Parlament endlich die Wahrheit!

(Beifall bei der FDP)