Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

1. Aktuelle Debatte

Rettung sächsischer Kulturgüter vor dem Zugriff des Hauses Wettin

Antrag der Linksfraktion.PDS

Zuerst spricht die Linksfraktion.PDS, danach CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Aussprache ist eröffnet. Ich bitte, das Wort zu nehmen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es in der heutigen Aktuellen Debatte mit einem politischen und kulturpolitischen Skandal zu tun,

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

für den, wie noch gleich zu zeigen sein wird, der sächsische Ministerpräsident persönlich die Verantwortung trägt.

Anlässlich der freistaatlich-royalistischen Festveranstaltung „200 Jahre Königreich Sachsen“ verkündete Prof. Georg Milbradt am 8. September 2006 auf Schloss Pillnitz in seiner königsgrünen Rede, die ihm übrigens sein neuer Berater in Wirtschafts- und Kulturfragen und künftiger Chef des Hauses Wettin, Prinz Alexander von Sachsen, aufgeschrieben hatte: „Forschergeist und das Streben nach hohen kulturellen Werten der sächsischen Kurfürsten von damals bilden heute das Fundament eines modernen und zukunftsorientierten Freistaates. Wir erkennen an, dass die jahrhundertelange monarchische Herrschaft in Sachsen segensreich für unser Land war und in mancherlei Hinsicht bis heute nachwirkt.“

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das haben sie wörtlich genommen!)

Dass das Monarchische nachwirkt, ist wohl unbestreitbar, doch ob das Gottesgnadentum segensreich für das heutige Sachsen ist, steht auf einem anderen Blatt und wird wohl nicht nur von der Linksfraktion.PDS stark bezweifelt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Fast auf den Tag genau einen Monat nach der geradezu höfischen Beweihräucherung der Wettiner durch Ministerpräsident Prof. Milbradt musste der Freistaat mit einer ominösen GbR Haus Wettin Albertinische Linie eine Öffnungsklausel erneuern, die im viel zitierten Vergleich von 1999 steht, die übrigens auf der einen Seite der jetzige Chef des Hauses Wettin, Maria Emmanuel Prinz von Sachsen, und auf der anderen Seite für den Freistaat – man höre und staune – der getreue Paladin des damaligen Finanzministers Milbradt, Staatssekretär Dr. Karl-Heinz Carl, mit unterzeichnet hatten.

Damals schien alles geklärt und das offizielle Lob für den wettinischen Clan, der sich mit bescheidenen 24 Millionen DM aus den Kassen des finanziell klammen Freistaates für die hier bleibenden Kunstgegenstände zufriedenzugeben schien, war groß.

Zu früh gefreut, das ist die bittere Erkenntnis aus heutiger Sicht. Am vergangenen Sonntag wurde die besagte Öffnungsklausel in der in Kunstdingen kompetenten „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ lakonisch als „verheerend“ charakterisiert. Die Wettiner haben mit diesem juristischen Schlupfloch tatsächlich die sicher geglaubte Vertragslösung wieder aufgerollt und wollen nun in großem Stil Kasse machen.

Ihnen geht es nicht um eine Sammlung zur allgemeinen Erbauung, sondern um das schnellstmögliche Verhökern all der Porzellane, die sie aus den Dresdner Sammlungen fortschleppen wollen. Vier unschätzbare Teile, die sie schon usurpiert haben, wanderten postwendend zum Auktionator und sollen am kommenden Montag bei Christie’s in London zwischen 3 und 5 Millionen Pfund Sterling bringen.

Doch das ist erst der Anfang, wie jeder ahnt, der weiß, dass auf der neuesten Forderungsliste der Wettiner an den Freistaat mehr als 1 600 wertvolle Porzellanobjekte stehen, darunter vielleicht auch jene Dragonervasen, die August der Starke 1717 im Schacher gegen 600 sächsische Landeskinder vom preußischen Soldatenkönig erhielt.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

In diesem aristokratischen Menschenhandel wechselten pro Kopf à 43 Taler Zeitwert vier Soldaten je Stück Porzellan den Besitzer. Heute bevorzugen die Wettiner im Umgang mit dem Freistaat den Nulltarif. Wer geglaubt hat, mit der Mentalität „Geiz ist geil!“ sei der Tiefpunkt des bundesrepublikanischen Zeitgeistes erreicht, der sieht

sich getäuscht. „Gier ist geil!“ ist die blaublütige Perversion des erbärmlichen Spruchs in den Farben der Wettiner.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wo anders wäre es möglich, dass eine verstaubte Adelsdynastie ein vertraglich verbrieftes Zugriffsrecht auf die dort ausgestellten Kunstschätze hätte? Wo anders wäre es möglich, dass ausgebuffte Rechtsanwälte der Wettiner gegen die offenkundig unbedarften Hausjuristen der Staatsregierung per Öffnungsklausel ein Instrument in der Hand halten, um unsere Museen erst für die Öffentlichkeit lahmzulegen, weil alle Mitarbeiter jahrelang nur noch Provenienzen zu klären haben, und um diese Museen anschließend nach Gutdünken eines Fürstengeschlechts, das vor mittlerweile 88 Jahren vom sächsischen Volk völlig zu Recht verjagt wurde, auszuräumen?

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Von der napoleonischen bis zur sowjetischen Besatzung hat es hierzulande niemand gewagt, nationales Kulturgut anzutasten. Heute plündern die segensreichen Wettiner selbst ihr ehemaliges Königreich.

(Zuruf von der CDU)

Niemand anders als Prof. Milbradt persönlich trägt die Verantwortung, dieser skandalösen Entwicklung Einhalt zu gebieten und den schäbigen Angriff auf Schätze des Freistaates Sachsen und seiner Bürger abzuwehren. Das nationale Kulturerbe ist unteilbar und muss deshalb unantastbar bleiben. Es gibt für die Linksfraktion.PDS keinen Grund, vor der unersättlichen Gier der abgedankten Wettiner einzuknicken.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön, Herr Prof. Wöller.

Herr Kollege Külow, ist Ihnen bekannt, dass während der Zeit der napoleonischen Besatzung in Deutschland Napoleon systematisch Kunstgegenstände auch in Sachsen hat einsammeln und in den Louvre nach Paris verbringen lassen, insbesondere die Quadriga auf dem Brandenburger Tor als Zeichen der Einheit unseres Volkes?

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Eben, das hatte mit den Kontributionen zu tun, die Sachsen zunächst auferlegt wurden. Als der sächsische König aber 42 000 seiner Landeskinder Napoleon als Soldaten zur Verfügung gestellt hatte, sind die Kunstgüter wieder nach Sachsen zurückgewandert. Aber das wissen Sie auch selbst, Herr Wöller.

(Bravo! von der Linksfraktion.PDS)

Es gibt – ich hatte es bereits gesagt – für die Linksfraktion.PDS keinen Grund, vor der unersättlichen Gier der abgedankten Wettiner einzuknicken. Den Verantwortungsträgern des Freistaates sei der Hohn und Spott von Sachsens letztem König August ins Stammbuch geschrieben: „Ihr seid mir scheene Republikaner!“

In diesem Sinn fordern wir Prof. Milbradt nach dieser Debatte persönlich und unverzüglich zu entschiedenem Handeln auf.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Heitmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte sechs Bemerkungen machen, die vielleicht zur Versachlichung der Diskussion beitragen.

Erstens. Das fürstliche und königliche Haus Wettin hat unser Land über 800 Jahre lang in guten und in schlechten Zeiten, mal besser, mal schlechter regiert.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Deshalb müssen sie es jetzt nicht kriegen!)

Das ist noch nicht einmal 100 Jahre her. Meine Großeltern haben mir noch lebhaft aus ihrer Jugendzeit unter königlicher Herrschaft erzählt, mir ist das sehr lebendig. Sachsen und das Haus Wettin haben eine lange gemeinsame Geschichte und deshalb auch eine fortdauernde gemeinsame Verantwortung, nicht im rechtlichen, wohl aber im historischen und moralischen Sinn.

Zweitens. Nach dem Ersten Weltkrieg dankten im Jahre 1918 in Deutschland die Monarchen ab. In Verträgen zwischen den neuen Republiken und den ehemals regierenden Häusern wurden die Vermögensauseinandersetzungen vereinbart, so auch in Sachsen. Damit war eine Rechtsgrundlage geschaffen, die bis zum Jahre 1945 in Geltung stand.

(Zuruf von der FDP)

Hören Sie einmal zu, es ist vielleicht ganz interessant, wenn Sie die Fakten hören.

Drittens. Nach dem Zweiten Weltkrieg trennten sich die Entwicklungen. In den westlichen Besatzungszonen bestanden die Verträge zur Fürstenabfindung fort, in der Ostzone unter sowjetischer Herrschaft und mit tatkräftiger Mithilfe der deutschen Kommunisten wurden die besitzenden Adeligen oft nur deshalb, weil sie Adelige waren und Eigentum besaßen, enteignet, diffamiert, wie Hunde von ihrem Eigentum und aus der Heimat vertrieben, in Lager deportiert – viele kamen um. Unübersehbares Unrecht wurde als revolutionäre Großtat beschönigt

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

und mit der marxistischen Geschichtsideologie gerechtfertigt.

(Beifall bei der CDU – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Deshalb kriegen sie jetzt was geschenkt!)

Ich weiß, Sie wollen das nicht hören, aber Sie müssen es hören. Es nützt Ihnen nichts.

(Beifall bei der CDU)

Viertens. Ziel der friedlichen Revolution von 1989