Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Viertens. Ziel der friedlichen Revolution von 1989

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS:... waren nicht die Wettiner, war nicht die Wiedereinsetzung der Adligen!)

und der dadurch möglich gewordenen – –

Darf ich um Aufmerksamkeit bitten!

Ich glaube, dass Sie das nicht gern hören, aber Sie müssen es hören!

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Ziel der friedlichen Revolution von 1989 und der dadurch möglich gewordenen Wiedervereinigung war es auch – auch, sage ich –, dieses gravierende Unrecht zu würdigen und – soweit rechtlich, tatsächlich und politisch möglich – wieder gutzumachen.

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion.PDS)

Diese Absicht liegt den vermögensrechtlichen Bestimmungen des Einigungsvertrages, dem die Volkskammer der DDR zugestimmt hat, des Vermögensgesetzes und des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes zugrunde.

An der Erarbeitung dieser Gesetze in den Neunzigerjahren war der Freistaat Sachsen beteiligt. Ich selbst habe mich so, wie ich mich für die Beibehaltung des Ausschlusses der Rückübertragung der zwischen 1945 und 1949 enteigneten Ländereien eingesetzt habe, auch für die Rückgabe der noch vorhandenen beweglichen Gegenstände an die ursprünglichen Eigentümer eingesetzt.

Fünftens. Wir leben jetzt – Gott sei Dank und der Revolution sei Dank – in einem Rechtsstaat. Das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz gilt für alle Bürger, also auch für die Mitglieder des Hauses Wettin. Wir sollten uns nicht wieder einmal auf das Niveau von Boulevard-Zeitungen begeben, sondern in Ruhe prüfen, was rechtens ist. Wenn Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion.PDS – so heißen Sie jetzt –, sich berufen fühlen, zur – ich zitiere – „Rettung sächsischer Kulturgüter vor dem Zugriff des Hauses Wettin“ aufzurufen, dann entbehrt das nicht einer gewissen Perversität.

(Frank Kupfer, CDU: So sieht es aus!)

Denn Sie sind Mitglieder einer Partei, die skrupellos und ohne nach Recht und Gesetz zu fragen, tausendfach auf fremdes Eigentum zugegriffen und

(Beifall bei der CDU und des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

sich bis heute von diesem Unrecht nicht klar distanziert hat. Verschonen Sie uns also bitte mit Ihren scheinheiligen Debatten!

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das ist schlichter Unsinn!)

Ihre agitatorische Rede, Herr Kollege Külow, erinnert an dunkle Zeiten, die wir Gott sei Dank hinter uns haben.

(Beifall bei der CDU – Caren Lay, Linksfraktion.PDS: Kommen Sie zum Thema!)

Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Darf ich noch die sechste Bemerkung anschließen?

Ja.

Zum Schluss freilich möchte ich das Haus Wettin und seine Vertreter aber auch bitten,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Bitten!, das ist unglaublich wie verantwortungslos!)

die historisch begründete, besondere mentale Lage in Ostdeutschland unabhängig von der Rechtslage zu bedenken.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Bitte, bitte, nehmt uns nichts weg! Das gibt es doch gar nicht! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Die emotionale Verbindung der sächsischen Bewohnerschaft zum ehemaligen Herrscherhaus ist dauerhaft unterbrochen. Die rechtlichen Grundlagen werden überhaupt nur von einem Teil verstanden. Es geht um Kulturgut, dessen besondere Bedeutung für unser Land im Bewusstsein der Sachsen besonders verankert ist.

Ich bitte Sie, jetzt zum Schluss zu kommen.

Mein letzter Satz. Ich appelliere an das Haus Wettin, wie bei den Verträgen vom 9. September 1999 und vom 2. Oktober 2006 eine einvernehmliche Lösung mit dem Freistaat zu suchen und so seiner historischen Rolle für Sachsen gerecht zu werden.

(Beifall bei der CDU – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das ist an Unterwürfigkeit nicht zu unterbieten! Keine Verantwortung!)

Ich erteile das Wort der SPD. Herr Abg. Hatzsch, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin für diese Aktuelle Debatte sehr dankbar, denn sie gibt uns die Gelegenheit, dieses vielschichtige Thema auch vielschichtig anzugehen. Wir haben ja heute Nachmittag noch

einmal einen konkreten Antrag, um den es gehen wird und bei dem auch noch einmal über Rechtsaspekte zu befinden sein wird. Ich wende mich natürlich laut Geschäftsordnung an Sie, meine Damen und Herren, aber ich wende mich auch an die Vertreter des Hauses Wettin, die die heutige Debatte vermutlich mit Interesse verfolgen.

Herr Heitmann hat es bereits gesagt: Nach der friedlichen Revolution, die ganz maßgeblich von Sachsen ausging, hatten wir das ungeheure Glück, dass wir seitdem in einem Rechtsstaat leben können. Darauf sollten wir stolz und weiterhin glücklich sein.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Durch dieses Glück kamen Menschen in den Genuss von Gütern, die für sie und ihre Familie scheinbar „für alle Zeiten verloren waren“. Dieses unverhoffte Glück hatten natürlich nicht nur die Vertreter des Hauses Wettin, da gibt es auch andere. Ich bleibe aber einmal in Adelskreisen. Das hatte zum Beispiel Michael Prinz von SachsenWeimar-Eisenach. Es gibt berühmte Schriften, die Sie aus dem Internet abrufen können, wie er mit seinem Vermögen in Thüringen umgegangen ist. Es gab aber zum Beispiel auch im Raum Leipzig den Freiherrn Speck von Sternburg, der in Lützschena bei Leipzig ein Familiengut hatte und nach dem Krieg genauso behandelt wurde wie die Angehörigen des Hauses Wettin. Er lebte in München in durchaus sehr bescheidenen Verhältnissen, kam zu DDR-Zeiten hin und wieder, nachdem er seinen Zwangsumtausch bezahlt hatte, nach Leipzig und stand vor den Gemälden, die seine Familie im 18. Jahrhundert rechtmäßig erworben hatte. Er stand davor und wusste, sie sind für alle Zeiten weg.

Nach unserer friedlichen Revolution änderte sich auch für die Familie Speck von Sternburg alles. Er hatte plötzlich Anspruch auf ein Vermögen in Form von Kunstgegenständen – vor allem von Gemälden –, das überhaupt nicht zu schätzen ist. Hier wende ich mich – Herr Heitmann ist diesen Weg ebenfalls gegangen – ganz entschieden an das Haus Wettin, einen anderen Weg zu gehen, als sie ihn jetzt vorhaben.

Wie ist Speck von Sternburg mit seinem glücklich wieder zurückerhaltenen Vermögen umgegangen? Er hat in Absprache mit der Stadt Leipzig, dem Freistaat Sachsen und der Kulturstiftung der Länder eine Stiftung gegründet. Ich wiederhole: Er kam aus bescheidenen Verhältnissen und arbeitete in München in einem völlig anderen Beruf als in dem, der ihm sonst zustünde. Gegenstand dieses Vertrages, den er schloss, war, dass zwei Kunstgegenstände aus seinem Besitz aufgekauft wurden. Eines hängt in der Gemäldegalerie Alte Meister – ein Altarflügel von Lucas Cranach dem Älteren – und ist für alle Zeiten der Gemäldegalerie zugesprochen worden. Außerdem hängt in Leipzig, angekauft von der Stadt Leipzig, ein Gemälde des Holländers Rogier van der Weyden, ein Spitzengemälde des 15. Jahrhunderts von unschätzbarem Wert. Als diese Verkäufe perfekt waren, verzichtete Speck von Sternburg auf alle weiteren Ansprüche, und seine Gemäldesammlung, die bei Sotheby’s eventuell

100 Millionen Euro erbringen könnte – so schätzen dies einige Leute –, sind – und dies ist nun die entscheidende Aussage – für alle Sächsinnen und Sachsen sowie unsere Gäste in sächsischen Museen zugänglich und zu besichtigen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Dies ist ein Weg, zu dem ich die Vertreter des Hauses Wettin auffordere, diesen oder einen anderen, ähnlichen Weg zu gehen. Herr Heitmann sagte es bereits: Meine Generation hat durch Erzählungen der Großeltern noch vieles über den letzten König erfahren. Es waren, glaube ich, 200 000 Sachsen, die bei seiner Bestattung in den frühen Dreißigerjahren in Dresden anwesend waren.

Meine Damen und Herren des Hauses Wettin! Sie haben die wahrscheinlich einmalige Chance, in besten und sehr guten Erinnerungen der sächsischen Bürger zu bleiben, wenn Sie ebenfalls den Weg einer Stiftung oder einen analogen Weg gehen, damit wir alle im Besitz dieser einmalig guten Kulturgüter bleiben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Dr. Müller, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Junkerland in Bauernhand!“ An diese Parole Ihrer Vorgänger musste ich denken, als ich zum ersten Mal vom Thema der vom jetzigen Linksverein und der vormaligen SED beantragten Debatte „Rettung sächsischer Kulturgüter vor dem Zugriff des Hauses Wettin“ hörte. Der unkundige Beobachter muss zunächst den Eindruck haben, dass das frühere sächsische Königshaus gierig und völlig unberechtigt nach Kulturgütern seiner einstigen Untertanen greift. Gut, dass es die Linksfraktion gibt, die sich diesem Treiben in den Weg stellt, könnte man meinen.

Worum geht es eigentlich? Das Haus Wettin-Albertinische Linie hat nach einem Ausgleichsvertrag 1924 umfangreiche Kunstgüter zugesprochen bekommen. Es ist meines Wissens rechtlich unstrittig, dass es nach dem Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 grundsätzlich einen Rückgabeanspruch auf jene Kunstgüter hat, die am 8. Mai 1945 in ihrem Besitz waren. Im Jahre 1999 hat der Freistaat Sachsen mit dem Haus Wettin einen Vergleichsvertrag über 18 000 Kunstwerke geschlossen. 12 000 Stücke wurden gegen Zahlung von 23,6 Millionen DM dem Freistaat übereignet, den Rest erhielten die Wettiner. Man vereinbarte damals eine Öffnungsklausel, nach der auch später noch Forderungen erhoben werden können, wenn neue Kunstwerke aus dem Besitz der Familie gefunden würden.

Die Wettiner haben nun eine Liste von rund 3 000 Porzellanen vorgelegt, von denen sie behaupten, einen Rückgabeanspruch zu haben. Bei 1 600 Stücken gibt man an, zweifelsfrei zu wissen, dass es sich um ehemaliges Eigentum der Familie handelt, und bei 1 400 besteht ein Verdacht. – So weit die Fakten. Bereits damals war ersichtlich, dass es nicht etwa um eine Art Kunstraub der Wettiner am Freistaat Sachsen geht, wie das Thema der Debatte suggeriert, sondern um eine rechtlich geregelte Forderung.

Doch fragen wir zunächst noch einmal nach den Ursachen der heutigen Rückgabeansprüche der Wettiner. Warum kommen sie denn überhaupt dazu, Kulturgüter vom Freistaat Sachsen zurückzufordern?

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Weil der Vertrag schlecht war!)

Die Wettiner wurden in der Sowjetischen Besatzungszone, wie viele angebliche Junker und Kriegsverbrecher auch, entschädigungslos enteignet. Ein inszenierter Volksentscheid in Sachsen am 30. Juni 1946 hat diese Enteignung scheinbar legitimiert. Politisch dafür verantwortlich war neben der sowjetischen Besatzungsmacht die damals gegründete Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, der jetzige Linksverein – Ihre Vorgängerorganisation, Herr Prof. Porsch.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)