Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen die Diskussion natürlich auch weiterführen, und meine beiden Kollegen aus der Koalition werden noch den einen oder anderen Aspekt der ehrenamtlichen Arbeit beleuchten.
Wir als Koalition stehen fest hinter den ehrenamtlich engagierten Menschen im Freistaat Sachsen und wollen deswegen die Ehrenamtsförderung, die Anreize weiterhin stimulieren. Deshalb werbe ich für unseren Antrag der Koalition der SPD- und CDU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein großer Demokrat Deutschlands, Theodor Heuss, hat einmal gesagt: „Die Demokratie lebt vom Ehrenamt“.
In der DDR war neben der Familie die Arbeitsstelle der Ort des sozialen Treffpunkts und Ausgleichs – manchmal auch der Ort des gemeinsamen Schimpfens –; aber wie auch immer, sie war ein Ort, wo soziale Beziehungen anders entfaltet wurden, als es heute der Fall sein kann und der Fall ist.
Mit der Wende kam auch für viele Menschen eine Sinnwende. Für manche hieß das Haltlosigkeit; es kam zu Überforderungen bis zur Sinnleere. Es brachen viele staatliche Versammlungsräume weg und die Menschen mussten sich in sehr kurzer Zeit auf eine vollkommen neue Situation einstellen.
Wo finden die Menschen heute Halt? Sie finden Halt in kleinen Strukturen – bei Vertrautem, bei Erprobtem, bei Freunden,
bei der SPD auch, Herr Hahn, sehr richtig; fast hätte ich's vergessen; das hatte ich in meinem Manuskript gar nicht stehen, danke schön –, in Vereinen, in Klubs und in Treffs und man könnte noch vieles aufzählen. Das heißt, wir haben hier, um das aufzufangen und auch neu zu gestalten, was wir uns mit der Wende 1989/90 geschaffen haben, noch eine Menge Arbeit vor uns, um Angelegenheiten besser und inhaltsreicher zu gestalten.
Der Einstieg ins Ehrenamt wurde von vielen oft als Befreiung von den eigenen Ängsten empfunden. Nahezu ideal vermischt sich oft bei Gruppen von Überforderten die Übernahme von Verantwortung durch diejenigen, die stark genug sind, Hilfe zu leisten und die diese Hilfe oft aus eigener Betroffenheit leisten. Solche Gruppen sind für manche Tankstellen der Hoffnung. Ihr persönlicher Einsatz ist in der Regel sehr, sehr hoch. Ich habe Ehrenamtliche getroffen, die schier Übermenschliches leisten – unter Bedingungen, die alles andere als optimal sind.
Ich möchte als einziges Beispiel – nach dem, was schon aufgezählt wurde und sicher auch noch aufgezählt werden wird – einmal die Hospizarbeit benennen. Dort arbeiten Menschen, die andere auf dem letzten Lebensabschnitt begleiten – unter Bedingungen, die für sie oft
auch an die psychische Grenze gehen, unter einer Menge Einsatz –, und das in der Regel alles im Ehrenamt.
In den letzten 15 Jahren sind viele Strukturen neu entstanden oder sie haben sich mit denselben Aktiven neu angepasst. Dieses gilt es zu erhalten und zu verbessern und hier setzt auch die Koalitionsvereinbarung an. Wir wollen eine öffentliche Anerkennung. Frau Nicolaus hat es schon angesprochen: Es geht nicht um die Bezahlung als solche oder darum, dass ein Beruf daraus wird; das ist in der Regel nicht der Fall – dem soll zum Beispiel auch die Prüfung des Ehrenamtsnachweises dienen –, sondern um die finanzielle Unterstützung dort, wo es manchmal einfach nur ums Fahrgeld geht oder um die Kosten für bestimmte Aufwendungen für Papier oder Ähnliches.
Wir brauchen eine strukturelle Unterstützung gemeinsam mit den Kommunen. Wir wissen, dass das natürlich auf der kommunalen Ebene auch läuft. Wir brauchen eine Absicherung der Aktiven, die eine gewisse Absicherung haben möchten, zum Beispiel durch das Schließen von Versicherungslücken. Es gibt jetzt dieses Bundesvorhaben, aber wir sind der Meinung, dass dort das eine oder andere vielleicht noch korrigiert oder ausgefüllt werden kann. Wir wollen die Anregungen, die aus den verschiedenen Aktionen, speziell aus der „Aktion 55“, gekommen sind, aufnehmen und sie in dieses neue Paket einzubinden und zu optimieren versuchen. Wir wollen auch eine Weiterentwicklung dieser Programme, zum Beispiel was die Alters- oder Programmbeschränkungen heute noch betrifft.
Was ist unsere Aufgabe als Koalition? Unsere Aufgabe ist es, den Aktiven das Ausüben des Ehrenamtes möglichst leicht zu machen und ihnen auch mehr Erfolgserlebnisse als bürokratische Hemmnisse – Stichwort Fördergelder oder Ähnliches – zukommen zu lassen. Eine gewisse Verlässlichkeit brauchen diese Menschen und wir werden uns Mühe geben, ihnen diese zu schaffen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten in diesem Hohen Hause in der Vergangenheit sehr oft Gelegenheit, über das bürgerschaftliche Engagement zu sprechen und denen, die sich daran beteiligen, zu danken. Genau deshalb möchte ich heute für die PDS noch einmal deutlich sagen – und ich denke, das dürfte bei den meisten hier auch Konsens sein –: Bürgerschaftliches Engagement ist eine der Hauptsäulen unseres Gemeinwesens; ohne diese geht es nicht.
Insofern – das will ich gleich vorab sagen – werden wir selbstverständlich Ihrem Antrag, verehrte Koalition, zustimmen.
Aber ich wäre nicht Opposition, meine Damen und Herren, wenn ich nicht doch etwas Wermut in den Kelch hineingeben möchte. Denn mir ist beim Lesen nicht klar geworden, weshalb es dieses Antrages überhaupt bedurfte. Ich erinnere Sie: Wir hatten am 24. Juni vergangenen Jahres – da haben übrigens die gleichen Leute wie heute gesprochen – einen Antrag der SPD, der erstaunlicherweise auch angenommen wurde, in dem klar geregelt war, dass die „Aktion 55“ weitergeführt, ja, sogar ausgebaut werden soll. Wenn nun die Staatsregierung – die ja damals schon mit einer etwas anderen Vorlage hineingegangen war – der Auffassung ist, es bedürfe einer neuen Verwaltungsvorschrift; bitte schön, dann kann sie diese doch gern erlassen.
Wir sind auch der Auffassung – und unser Herzblut hängt nicht an der „Aktion 55“ –, dass man die beiden Fördertöpfe „Aktion 55“ und soziales Ehrenamt zusammenfügen sollte. Allerdings, meine Damen und Herren: Mit „Tauris“ haben wir nach wie vor unsere Probleme. Beerdigen wir dieses Projekt, es hat es verdient. Außerdem kann man dieses Projekt überhaupt nicht mit dem bürgerschaftlichen Engagement und seiner Förderung zusammentun; das sind zwei völlig unterschiedliche Welten.
Eines möchte ich allerdings anfügen: Wir sollten bitte bei der neuen Förderrichtlinie – die ich mit Sehnsucht erwarte – nicht etwa eine Vermischung zwischen bürgerschaftlichem Engagement und den unter Hartz IV segelnden, eben besprochenen Ein-Euro-Jobs zulassen. Hier erwarte ich eine klare Trennung. Deshalb meine ich zwar, der Antrag ist nicht nötig, aber wenn er der Wahrheitsfindung dient, werden wir ihm zustimmen, denn die PDS ist für Wahrheit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der demokratischen Parteien! Unter bürgerschaftlichem Engagement verstehen wir in erster Linie eine gelebte Solidarität, bei welcher das Gemeinwohl und nicht das Eigeninteresse im Vordergrund steht. Die Motivation der Menschen für ein solches sollte eine der Hauptaufgaben aller Verantwortlichen in Politik, Bildung, Kultur, Umwelt, Sport und auch in der Arbeitswelt sein. Es steht außer Frage, dass bei uns in Sachsen über eine effektivere Ehrenamtsförderung nachgedacht werden muss. In diesem Sinne begrüßen wir die Äußerung von Frau Orosz vom 28.4.2004, eine bessere Abstimmung der verschiedenen Projekte für ehrenamtlichen Einsatz vornehmen zu wollen. Uns würde aber interessieren, welche
Bis zu einer Neufassung durch das Staatsministerium für Soziales darf es unter keinen Umständen zu einer Einstellung der Ehrenamtsförderung kommen. Es wäre sicher das falsche Signal, wenn aufgrund bürokratischer Hürden der ehrenamtliche Einsatz im Freistaat Sachsen geschmälert würde.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion begrüßt diesen Antrag, denn es ist wichtig, dass die Bürger unseres Landes wissen, wie ihr bürgerschaftliches Engagement in der Zukunft von der Staatsregierung wahrgenommen und begleitet werden wird. Im Bericht wünschen wir uns als Liberale, dass die Gestaltung in Zukunft keine weiter wachsende Bürokratie bedeutet, sondern den Abbau bürokratischer Hemmnisse. Bürgerschaftliches Engagement ist nicht nur die Wahrnehmung von bestehenden Ehrenämtern oder ehrenamtlichen Diensten, sondern das sind für uns auch die Jugendgemeinderäte, Kinder und Jugendliche in Jugendparlamenten, der ehrenamtliche Einsatz von Bürgerinnen und Bürgern im Sport als Trainer, Übungsleiter, Kampf- und Schiedsrichter. Und bürgerschaftliches Engagement kennt weder Ruhestand noch Altersgrenze. In dem Zusammenhang sei auf die „Aktion 55“ hingewiesen, über die Altersgrenze 60 Jahre nachzudenken. Bürgerschaftliches Engagement heißt auch Ausbau der Bürgerbeteiligung. Hier denken wir Liberale zum Beispiel an das aktive Wahlrecht für Jugendliche ab 16 Jahren bei Kommunalwahlen.
Des Weiteren muss es selbstverständlich sein, wenn wir uns ehrlich zum Thema Fortführung der Förderung bürgerschaftlichen Engagements äußern, dass wir bis zur Klärung die Fortführung der bestehenden Regelungen beibehalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Themen bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt sind angesichts hoher Arbeitslosigkeit und knapper Mittel für freiwillige Aufgaben in den Kommunen in letzter Zeit stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Aus einer repräsentativen Umfrage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2000 geht hervor, dass ein Drittel der Bundesbürger dafür mehrere Stunden wöchentlich tätig sind, Tendenz
steigend. Sie widmen sich diesen Aufgaben ohne Aufwandsentschädigung. Folgt man dem klassischen Begriff des Ehrenamtes, der durch freiwillige und unentgeltliche Tätigkeit für die Gemeinschaft gekennzeichnet ist, so finden sich vielfältige Motive – Frau Nicolaus ist darauf schon eingegangen –, die Menschen dazu bewegen, ehrenamtlich tätig zu werden. Sie finden dort den Raum für soziale Kontakte, sie finden Anerkennung außerhalb des Berufs, sie können andere, neue Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Im Umgang mit neuen Anforderungen können sie ihre Kenntnisse und Kompetenzen erweitern.
Davon abzugrenzen sind aber, und hierbei beziehe ich mich auf einen Beitrag von Prof. Dr. Peter Richter und Diplompsychologin Susann Mühlpfort von der TU Dresden, geförderte Maßnahmen zur Integration Erwerbsloser in gemeinnützige Tätigkeiten, wie zum Beispiel das „Tauris“-Projekt. Diese Projekte sind eher auf Erwerbstätigkeit orientiert. Die Evaluation des „Tauris“-Projektes zeigt, dass die Aufwandsentschädigung, die die Menschen in diesem Projekt erhalten, häufig ein bedeutendes Motiv für die Teilnahme am Projekt ist. Für die Teilnehmer drückt sich darin die Wertschätzung aus, die ihrer Arbeit entgegengebracht wird. Diese als Integrationsmaßnahmen angelegten Projekte führen vor allem dann zu längerem Engagement, wenn auch eine längerfristige Perspektive für diese Arbeit besteht. Ähnliches trifft auch für die „Aktion 55“ zu.
Deshalb können wir uns dem vorliegenden Antrag im Punkt 2 anschließen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist aber der Auffassung, dass bürgerschaftliches Engagement weit über die beschriebenen Projekte hinausreicht und deshalb in Punkt 1 des Antrages auch umfassender zu betrachten ist, und zwar unter der Maßgabe eines Satzes, den ich in der Koalitionsvereinbarung gefunden habe: „Ziel der Politik ist eine aktive Bürgergesellschaft, die zu demokratischer Teilhabe ermutigt.“
Ich möchte dazu zwei Beispiele bringen. Da ist zum einen die Jugendverbandsarbeit. Der Dachverband Kinder- und Jugendring Sachsen hat in den letzten beiden Jahren jeweils 17 % weniger Zuweisungen erhalten, dabei können Kinder und Jugendliche dort soziale Kompetenzen erwerben und stärken. Das sind Kompetenzen wie Toleranz, Umgang mit Konflikten und Übernahme von Verantwortung. Besonders wichtig ist, dass Jugendliche dort demokratisches Denken und Handeln kennen lernen und einüben können. Im Übrigen erfüllen sie diese Aufgaben freiwillig, ehrenamtlich und selbstorganisiert und entsprechen damit dem klassischen Bild des Ehrenamtes.
Ein zweites Beispiel sind Freiwilligendienste. Nicht erst seit dem Internationalen Jahr der Freiwilligen 2001 werden diese Dienste auch im Zusammenhang mit der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements Heranwachsender diskutiert. Dort finden Jugendliche zum einen den Raum, wo sie zwischen Schule und Beruf psychosoziale Schlüsselkompetenzen erwerben können, die sie zur Zukunftsbewältigung befähigen. Zum anderen ist das der Lernort, der das soziale und gesellschaftliche Engagement fördert. In der Novellierung des FSJ-Gesetzes 2002 drückt sich das Anliegen einer Weiterentwicklung dieser Dienste hinsichtlich neuer attraktiver Einsatzberei
che aus. Deshalb müssen auch in Sachsen Träger, die neue Projekte entwickeln, die über den sozialen Einsatz hinausreichen, stärker gefördert werden.