Protokoll der Sitzung vom 20.01.2005

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, PDS)

weil sie keinen Mut mehr haben. Wenn sie dann mit dem Ein-Euro-Job gefordert sind, haben sie die Möglichkeit, eine sinnvolle Arbeit zu verrichten.

Sicher muss man auch sehen, dass es nicht dazu führen darf, dass eine Verzerrung zwischen dem ersten Arbeitsmarkt und den neugeschaffenen Ein-Euro-Jobs stattfindet. Hier muss genau aufgepasst werden. Aber es ist eine Möglichkeit und eine Riesenchance für die Langzeitarbeitslosen, dass sie eine Anerkennung bekommen, wieder ins Arbeitsleben integriert sind und teilnehmen können. Dazu stehen wir – bei allen Problemen, die diese Sache auch bei den Gewerbetreibenden mit sich bringt. Das ist ganz klar. Aber wir haben ja auch eine Wächterfunktion und sollten hier gemeinsam mit den Verantwortlichen dafür Verantwortung tragen und dies auch gemeinsam leben.

Bitte zum Schluss kommen.

Es ist sicherlich nicht ganz einfach, die Dinge anzugehen, aber wir stellen uns unserer Verantwortung und tun das nicht wie Sie als einbringende Fraktion dieser Aktuellen Debatte, indem wir uns herausstreichen, nur kritisieren und am Ende die Arme heben und sagen, was verkehrt ist. Danke.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Gerlach, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich gibt es zu Hartz IV nichts Neues zu sagen, jedenfalls nichts, was

wir nicht schon in vielen Debatten in den Jahren 2003/ 2004 hier ausgetauscht hätten. Natürlich macht die PDS im Moment genau das Gleiche, was sie bei der Gesundheitsreform im Januar 2004 auch schon gemacht hat: Sie hatte noch nicht einmal richtig angefangen, da wurden die bösen Geister beschworen und natürlich die Einzelfälle gebracht. Die Einzelfälle machen auch uns betroffen. Sie machen uns in dem Sinne betroffen, dass sie natürlich gelöst werden müssen. Es wird auch Einzelfälle geben, bei denen es keine befriedigende Lösung gibt. Das wissen wir auch, das wollen wir überhaupt nicht wegschieben.

Aber wenn es denn überhaupt Neuigkeiten zu Hartz IV gibt, dann die, dass die Unkenrufe zur Umsetzung von Hartz IV zum überwältigenden Teil nicht Wirklichkeit geworden sind. Das sollten Sie bitte einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich nenne Ihnen zwei Beispiele aus Dresden. In Dresden gab es zwei Barauszahlungen bei über 23 000 Betroffenen. Ich denke, das ist schon eine beeindruckende Zahl.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Wie viel haben Sie denen gegeben?)

Wenn ich reflektiere, was im Vorfeld auf dieser Strecke alles geunkt wurde, dann ist das ein großartiges Ergebnis, das die, die dort beschäftigt sind, geleistet haben.

(Beifall des Abg. Helmut Gregert, CDU)

Es gibt 600 Widersprüche in Dresden. Laut Thomas Wünsche, Chef der Arbeitsagentur Dresden, ist das ein normaler Wert. Das heißt normal in dem Sinne, dass er auch beim Arbeitslosengeld bereits in dieser Größenordnung war. Die Widersprüche sind sehr unterschiedlicher Natur und nicht unbedingt Hartz-spezifisch.

Was Aussagen zur Entwicklung der Anzahl der Langzeitarbeitslosen betrifft, so ist klar, dass diese frühestens in einem halben Jahr getroffen werden können. Es ist natürlich Ihr gutes Recht, Herr Dr. Pellmann – wie Sie auch gesagt haben –, uns regelmäßig mit Hartz IV zu beschäftigen. Wir werden versuchen, auch regelmäßig Ihre Argumente – jedenfalls teilweise – ad absurdum zu führen.

Ich möchte jemanden zitieren, der immer dann besonders gut war, wenn er nicht im Amt war, was diese Problematik, die Hartz-IV-Gesetzgebung, betrifft, und zwar den ehemaligen Ministerpräsidenten Biedenkopf. Er hat gesagt: „Vor wenigen Monaten war nicht erkennbar, dass sich dieses Projekt durchsetzen lässt und funktioniert. Heute wissen wir: Selbst im sensiblen Bereich der Fürsorge und Vorsorge sind Reformen möglich.“

Trotzdem ist die SPD natürlich nicht blauäugig und sieht das alles irgendwie mit verklärtem Blick. Wir haben mit dafür gesorgt, dass der Ombudsrat eingesetzt wird, dass weitere Kontrollen im parlamentarischen Bereich vorgesehen sind usw. usf. Ich könnte jetzt vieles zitieren, was ich schon gesagt habe. Ich lasse das weg.

Aber – und das sollten Sie auch bedenken – wer eine Reform will, der muss sie überhaupt erst einmal begin

nen, damit man dann Ergebnisse sieht, und kann nicht einfach von vornherein die ganzen Probleme aufzeigen und nichts dazu tun.

„Hartz IV muss weg!“ – Das geht gut ein, aber es ist nicht zielführend und bringt Sie auch nicht weiter. Ein Effekt der Verunsicherung war, dass viele Betroffene sehr spät ihre Anträge abgegeben haben. Das hatte Folgen für die Beschäftigten in den Arbeits- und Sozialverwaltungen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herrn Dr. Pellmann immer.

Bitte.

Herr Gerlach, herzlichen Dank. – Folgende Frage habe ich an Sie: Sind Sie nicht auch mit mir der Auffassung, dass man, wenn man ein Gesetz verabschiedet, vorher seine Wirkungen einkalkulieren sollte und nicht der Meinung sein kann – wie beispielsweise der Bundeskanzler und bei Ihnen klang es eben ähnlich an –, dass man erst einmal abwarten möge, wie es denn ausgeht?

Herr Dr. Pellmann, Sie unterstellen mit Ihrer Frage, dass diejenigen, die das Gesetz verabschiedet haben, nicht einkalkuliert und wenig darüber nachgedacht hätten, was so alles passiert. Da Sie die ganzen Diskussionen hier im Landtag mit geführt haben, müsste Ihnen sehr wohl bekannt sein, was allein im Gesetzgebungsverfahren noch an Änderungen hineingekommen ist. Es wird im Moment – was Sie auch angemahnt und wir selber im Wahlkampf ebenfalls kritisch betrachtet haben – an Lösungen bei der 58er-Regelung gearbeitet. Aber Sie sollten – bei welchem Gesetz auch immer und noch dazu bei einem so hoch komplizierten – nicht erwarten, dass von vornherein jegliche Dinge zu 100 % ausgeschlossen werden können. Das gehört zur Wirklichkeit auch dazu.

Wir werden unseren Teil dazu beitragen, indem wir die Dinge, die speziell im Osten als Probleme auftauchen, sehr wohl benennen werden und auch den Gremien, die im Bundestag für Korrekturen Verantwortung tragen, diese Informationen geben, damit solche Sachen, die wir heute vielleicht in der Größenordnung noch nicht absehen, dann auch beseitigt werden können. Das kann ich Ihnen versprechen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Warum regen Sie sich so auf?)

Ich rege mich ja nicht auf. Ich habe auch keine Aktuelle Debatte beantragt, Herr Prof. Porsch.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Die Probleme benennen!)

Vielleicht haben wir hier etwas verwechselt.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle noch einmal – weil ich das auch betont habe, was an Arbeitsleistungen gemacht

wurde, und meine Kollegin das kurz benannt hatte – eine Zahl dazu sagen. Allein in der Bundesanstalt für Arbeit wurden von Dezember 2003 bis Dezember 2004 mehr als 58 000 Überstunden geleistet, davon die meisten zwischen Weihnachten und Silvester sowie an Sonn- und Feiertagen. Ich möchte das ganz persönlich noch einmal zum Anlass nehmen, um ein großes Dankeschön allen Beteiligten und insbesondere den Angestellten der BA zu sagen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich möchte Sie noch einmal mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten konfrontieren, der gesagt hat: „Die Bevölkerung ist dem Kanzler gefolgt. Wenn die Leute geführt und überzeugt werden, akzeptieren sie Veränderungen und richten sich ein.“

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, PDS)

Die von der PDS in der Presse angemahnte Milliardenlücke bezeichnet er als Luftbuchung, für die es bisher keine seriösen Indizien gibt. Ich lasse das einfach mal stehen.

(Dr. André Hahn, PDS: Was ist mit den Kommunen?)

Was Sie hier gesagt haben, Herr Dr. Pellmann – das als Letztes –, dass die Kommunen nach Kassenlage entscheiden, das ist eine Unterstellung gegen diejenigen, die sich sehr viel Mühe in den verschiedenen Kreistagen und überall gemacht haben,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

wie denn die Größenordnung sein kann, wie die Mietunterstützung sein kann.

Bitte zum Schluss kommen.

Vielleicht so viel an dieser Stelle. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Apfel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ersten Januartage dieses Jahres schienen wieder einmal zu bestätigen, dass die Macht des Faktischen oftmals schwerer wiegt als Wut, Enttäuschung und Wille zum Widerstand. Recht reibungslos vollzieht sich die Einführung der Hartz-Gesetze für Langzeitarbeitslose. Der Ansturm von Arbeitslosen, die dringend Bargeld benötigen, auf die Arbeitsagenturen ist nicht eingetreten. Von denen, die für diese Gesetze Verantwortung tragen, wird diese bislang recht unspektakulär verlaufende Übergangszeit bereits so gedeutet, dass viele der Betroffenen ihren Frieden mit Hartz IV gemacht hätten.

Doch die Erfolgsmeldungen über die angeblich reibungslose Einführung, die in den ersten Tagen des neuen Jahres vor allem die Springerpresse dominierten, blenden bewusst das Unerfreuliche aus, das es zu vermelden gibt. In Deutschland hat man sich inzwischen schon so an schlechte Nachrichten gewöhnt, dass bereits das Ausbleiben derselben als Erfolg gefeiert wird.

Dabei gab es gerade in den Bescheiden, die derzeit an die 300 000 ALG-Empfänger in Sachsen verschickt werden, zahlreiche Fehler, angefangen von fehlenden Begründungen bei einer Ablehnung des Antrages bis zu der nun abgeschafften 58er-Regelung. Wegen fehlerhafter Kontonummern bekamen mehr als 7 000 Arbeitslose, die gleichzeitig Kunden der Niederschlesischen Sparkasse waren, zum Jahreswechsel kein Geld.

Nein, die aus den Medien zu entnehmende Botschaft vom reibungslosen Start von Hartz IV ist eine Legende. Zu den schwer wiegenden Kollateralschäden der HartzIV-Einführung gehört vor allem die Vernachlässigung der eigentlichen Aufgaben durch die Arbeitsagenturen. Im letzten Jahr haben die Vermittler in den Agenturen im Gegensatz zum Vorjahr, als noch über 95 000 Sachsen mit Hilfe der Arbeitsämter zu neuen Stellen kamen, nur noch 63 997 Arbeitslose vermittelt. Das ist ein dramatischer Rückgang von rund einem Drittel der Arbeitsplätze.

Nach einer in der „Sächsischen Zeitung“ dokumentierten Aussage von Sylvia Herzog von der Sächsischen Regionaldirektion liegt die Ursache auch in der Umstrukturierung der Arbeitsvermittlung. Einen solchen Irrsinn muss man sich einmal vor Augen führen. Da müssen sich Millionen von Deutschen an eine durch Hartz IV verursachte Armut im Vertrauen auf das Versprechen einer besseren Arbeitsvermittlung gewöhnen und dann führt allein schon die Umsetzung dieser so genannten Reform zu einem wirklich drastischen Absturz in der Zahl der erfolgreichen Arbeitsvermittlungen von einem Drittel innerhalb nur eines Jahreszeitraums.