Protokoll der Sitzung vom 20.01.2005

(Dr. André Hahn, PDS: Dazu haben Sie noch ein bisschen Zeit!)

Das werde ich sicherlich eines Tages auch tun, aber jetzt möchte ich mich auf den Antrag konzentrieren und auf den Ausgangspunkt zurückkommen. Der Ausgangspunkt war ein Brief einer Mitarbeiterin aus dem Regionalschulamt an die Grundschulen. Dieser Brief wurde in der „Sächsischen Zeitung“ der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Er war zu dieser Zeit, im Dezember, ein Thema, das will ich gern bestätigen. Die Gewerkschaft GEW hatte sich mit dem Anliegen an die Staatsregierung gewandt, die Koalitionsvereinbarung einzuhalten und unverzüglich Gespräche aufzunehmen. Das ist alles richtig.

Ich denke, die PDS-Fraktion wollte mit dem Antrag einfach den Anlass nutzen, um auf die Regierung einen gewissen Druck auszuüben, damit sie mit der Gewerkschaft ins Gespräch kommt.

(Dr. André Hahn, PDS: Das ist unsere Aufgabe!)

Das haben Sie in der letzten Ausschusssitzung getan. Ich kann auch heute nur darauf antworten, dass es Gespräche geben wird. Es wurde der 8. Februar 2005 als Erörte

rungstermin vereinbart. Ich kann die Verhandlungen, die mit den Gewerkschaften zu führen sind, nicht vorwegnehmen. Die Gewerkschaft hat das Anliegen, im Grundschulbereich etwas zu tun. Die Staatsregierung hat das Anliegen, den Anpassungsprozess unserer Schullandschaft im Mittelschulbereich und im Gymnasialbereich zu besprechen. Diesen Termin sollten wir abwarten. Ich hoffe, dass wir zu schnellen Ergebnissen und zu einem guten Ergebnis kommen werden.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Frau Falken, bitte.

Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie den Gewerkschaften ein Angebot gemacht haben, über die Teilzeitregelung der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer zu sprechen, oder haben Sie ein Angebot gemacht, über den Stellenabbau im Mittelschul- oder im Gymnasialbereich zu sprechen? Mein Kenntnisstand ist ein anderer.

Verehrte Frau Abgeordnete, es ist so, dass die Gewerkschaft etwas formuliert hat, worüber sie reden will. Auf der anderen Seite hat die Staatsregierung formuliert, worüber sie reden will. Ob darüber gesprochen wird, wird erst zum Erörterungstermin, zu dem jeder sein Anliegen vorträgt, besprochen. Wahrscheinlich wird sogar erst danach entschieden, welche Verhandlungen tatsächlich stattfinden. Deshalb wäre das heute vorweggenommen. Ich will Ihnen überhaupt nicht bestätigen, dass die Staatsregierung etwa schon erklärt hätte, dass sie bereit ist, mit den Gewerkschaften über den Grundschulbereich zu sprechen. Es wurde angeführt, die Koalition habe hier etwas vereinbart. Ja, die Koalition hat nicht nur etwas vereinbart, sondern mittlerweile sind wir einen Schritt weiter. Wir haben tatsächlich die verbesserte Stellenausstattung im Grundschulbereich inzwischen im Kabinett verabschiedet. Sie wird demnächst hier im Haus debattiert und ich gehe davon aus, dass es in diesem Punkt mit Sicherheit Zustimmung geben wird. Wie das im Einzelnen dann umzusetzen ist, kann ich heute beim besten Willen noch nicht sagen.

Aber eines kann ich doch schon sagen: Wir haben mit im Blick, dass wir innerhalb dieser Stellenmehrung auch an einen Einstellungskorridor denken. Auf der anderen Seite ist es so – auch dieses Signal kann man heute bereits geben –, dass der eine oder andere Grundschullehrer tatsächlich damit rechnen kann, dass sein Teilzeitvertrag verbessert wird. Mehr wird aufgrund der zur Verfügung stehenden Stellen, wenn der Landtag dies beschlossen hat, ganz einfach nicht machbar sein.

Ich möchte aber diese Gelegenheit nutzen, allen Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern ein Dankeschön zu sagen. Ich glaube, es ist kaum jemandem so richtig bewusst, was dort in den letzten sieben Jahren stattgefunden hat. Im Grundschulbereich hat es einen gewal

tigen Prozess der Anpassung an die demografische Entwicklung gegeben. Da dieses Problem für meine Begriffe immer wieder etwas verniedlicht wird, will ich die Zahlen noch einmal nennen: Innerhalb von sieben Jahren hat sich die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in der Grundschule mehr als halbiert. Wenn man sich vor Augen hält, was für einen Anpassungsprozess das bedeutet hat, kann man, nachdem wir das im Grundschulbereich durchgestanden haben, nur ein herzliches Dankeschön für die Arbeit in dieser Zeit sagen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Jetzt in Richtung NPD gesagt: Dass das jetzt der Mittelschule und den Gymnasien bevorsteht – und man kann heute schon sagen, dass die Zeit kommen wird, wo dieses Problem auch in den beruflichen Schulen angekommen sein wird –, ist doch nicht eine Sache, die die Staatsregierung herbeigeführt hat, sondern das ist ein logischer Ablauf.

(Uwe Leichsenring, NPD: Etablierte Politik!)

Es ist klar, dass das sehr schwierig wird und dass ein solcher Anpassungsprozess nicht dazu beiträgt, den Unterrichtsausfall zu verringern.

Ich stimme mit allen Fraktionen in der Ansicht überein, dass Unterrichtsausfall an einer Schule gelegentlich Schüler freut – das weiß ich jedenfalls aus meiner Schulzeit –, aber die Eltern außerordentlich besorgt macht. Ich habe das in der Zeit, in der ich bisher als Kultusminister tätig sein konnte, sehr eindringlich mitbekommen; denn ich lese die vielen Briefe von Eltern, die an mich gerichtet werden. Dort ist das entscheidende Kriterium dafür, wie Eltern die Schule beurteilen, ob der Unterricht, der im Stundenplan steht, auch tatsächlich gehalten wird. Deshalb sage ich: Im gesamten Schulsystem sind die Schulen für mich das Wichtigste und an den Schulen ist das Wichtigste, dass der Unterricht tatsächlich stattfindet.

(Dr. André Hahn, PDS: Da können Sie doch unserem Antrag zustimmen!)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte.

Herr Staatsminister, könnten Sie mir kurz erläutern, auf welcher Datenbasis die offizielle Erhebung des Stundenausfalls an den Grundschulen erfolgt, weil das anders ist als beispielsweise bei den Mittelschulen, bei denen der Rechnungshof kritisiert hat, dass vom Schuljahresbeginn quasi auf das gesamte Jahr hochgerechnet wird, obwohl bekannt ist, dass der Unterrichtsausfall zu Beginn des Schuljahres deutlich geringer ist?

Herr Abgeordneter, ich kann es Ihnen nicht erklären, weil ich mich noch nicht näher damit befasst habe. Vom Kollegen Colditz ist aber erwähnt worden, dass ausgerechnet im

Grundschulbereich laut Statistik der Unterrichtsausfall das geringste Problem darstellt. Mir ist auch bekannt – aber auch damit habe ich mich noch nicht näher befassen können –, dass der Rechnungshof zu anderen Ergebnissen kommt. Deshalb sage ich vorläufig: Das kann alles sein. Aus den Briefen, die ich bekomme, geht hervor, dass der Unterrichtsausfall größer zu sein scheint, als zunächst aus der Statistik hervorgeht. Woran das liegt, will ich einfach offen lassen, weil ich glaube, dass das insgesamt auch eher zweitrangig ist. Auch die Unterscheidung nach planmäßigem und außerplanmäßigem Unterrichtsausfall wird die besorgten Eltern im Land gar nicht so sehr interessieren. Sie wollen nämlich konkret, dass möglichst wenig Unterricht ausfällt. Das muss deshalb das Ziel sein. Bisher ist es eben auch so, dass die Regionalschulämter die Aufgabe haben, in der Organisation alles dafür zu tun, dass wir diesem Ziel möglichst jedes Jahr ein Stück näher kommen und uns nicht etwa von ihm entfernen.

Ich denke schon – auch das will ich nur andeuten –, dass es dafür bessere Organisationsmöglichkeiten gibt. Ich habe mir neulich die Versuche erklären lassen, die mit einer Budgetierung an Gymnasien hier in der Region gemacht worden sind. Das war doch sehr viel versprechend. Ich glaube, wenn die offenen Fragen im Haus geklärt sind, werden wir den Versuch einer Budgetierung unternehmen. Damit wird die Verantwortung der Schule deutlicher. Wir werden also der Schule für einen überschaubaren Zeitraum Lehrer zur Verfügung stellen. Die Schulen werden dann selbst dafür verantwortlich sein, den Unterrichtsausfall möglichst gering zu halten. Mir scheint, dass das sicherlich Erfolg versprechender ist als der Versuch, eine zentrale Steuerung vorzunehmen. Aber es kann auch sein – das sage ich, weil es hier vereinzelt Beifall dazu gibt –, dass ein solches System andere Nachteile mit sich bringt. Das müssen wir uns genauer anschauen.

Herr Staatsminister, es gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage.

Ja, bitte schön.

Bitte.

Herr Staatsminister, ich möchte gern auf unseren Antrag zurückkommen und dazu eine ganz konkrete Frage stellen; denn wir haben von Ihnen jetzt schon viel Allgemeines gehört. Wir haben gehört, dass der Haushalt mit den zusätzlichen Stellen, die darin fixiert sind, erst im kommenden Schuljahr greift. Wie die Stellen wirklich fixiert sind, werden wir uns anschauen, wenn wir den Haushaltsplan in der Hand haben.

Für mich ist die klare Frage an Sie: Wie sichern Sie im zweiten Halbjahr dieses Schuljahres im Grundschulbereich den Unterricht ab vor dem Hintergrund, dass es bis jetzt schon nicht reicht und dass im zweiten Halbjahr in Größenordnungen Kollegen ausscheiden, die zurzeit richtig im Unterricht sind?

Zunächst möchte ich den Vorwurf, nur allgemein gesprochen zu haben, zurückweisen.

(Dr. André Hahn, PDS: Das war eine klare Frage!)

Sie hätten es nämlich auch konkreter machen können. Wenn Sie in Ihrem Antrag behaupten, dass die Unterrichtsversorgung gefährdet sei, hätten Sie auch eine Schule ganz konkret ansprechen können, denn dann könnten wir der Sache nachgehen. Ihr Antrag hat für mich eine neue Qualität. Zumindest war ich es bisher nicht gewöhnt, dass ein Zeitungsartikel Anlass für einen Antrag ist. Darüber lässt sich dann unheimlich schwer sprechen.

(Dr. André Hahn, PDS: Ein Brief einer Behörde!)

Den Brief hatte ich ja zugegeben. Das ist ja inzwischen, denke ich, auch günstiger gelöst worden.

Jetzt zu der Frage nach dem zweiten Halbjahr: Es ist in der Tat so, dass ich ein Mehr an Stellen erst ab 1. August zur Verfügung habe. Dessen war sich auch die Koalition bewusst und so haben wir das auch im Haushaltsplan eingestellt. Das heißt, wir müssen in diesem Halbjahr ganz einfach mit den Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, auskommen. Im Übrigen hat auch eine Oppositionspartei zugegeben, dass das Problem wohl im Moment nicht mehr so groß ist, wie es im Dezember war.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf Folgendes hinweisen: Das Problem, dass Krankheiten zu bestimmten Zeiten gehäuft auftreten, werden wir wahrscheinlich auch künftig haben. Wir streben an, organisatorisch eine Möglichkeit zu finden, dafür immer auch einen Pool zur Verfügung zu haben, um so etwas auszugleichen. Ob es tatsächlich gelingt, wissen wir noch nicht.

Aber um zusammenfassend noch einmal auf Ihren Antrag einzugehen: Ich glaube, der Druck auf die Staatsregierung ist überhaupt nicht notwendig. Der Erörterungstermin wird am 8. Februar stattfinden. Danach hoffe ich auf zügige Verhandlungen mit den Gewerkschaften.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich frage, ob es in der allgemeinen Aussprache noch Redebedarf gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann erhält die PDS das Wort zum Schlusswort. Herr Abg. Dr. Hahn.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister! Wenn Sie eben gesagt haben, Ihr vordringlichstes Ziel sei, den vorgesehenen Unterricht zu sichern und Unterrichtsausfall zu verhindern, dann müssten Sie eigentlich dem vorliegenden Antrag der PDS-Fraktion zustimmen. Anders kann ich Ihre Aussage nicht verstehen. Herr Flath, wir haben Ihnen bei Amtsantritt zugesichert, dass Sie auch im neuen Amt die 100-Tage-Schonfrist haben sollen. Deshalb will ich nicht ins Detail gehen. Aber eines möchte ich doch sagen: Mit Ihren Ankün

digungen von 7 500 Lehrerentlassungen, der Schließung von weiteren mehr als 100 Schulen und der Aussage, dass es in Sachsen überhaupt keine dünn besiedelten Gebiete für Ausnahmegenehmigungen gebe, haben Sie einen glatten Fehlstart hingelegt. Das will ich Ihnen schon zu Beginn sagen.

Ich hätte mich im Übrigen gefreut, wenn Sie sich hier für den Brief des Regionalschulamtes Dresden entschuldigt hätten. Er war der Anlass für diesen Antrag. In diesem Brief einer nachgeordneten Behörde des Kultusministeriums standen Dinge, die das Parlament nicht hinnehmen kann. Das war der Grund, warum wir das im Landtag thematisiert haben.

Herr Colditz, wenn Sie zum wiederholten Male vom dritten Platz Sachsens sprechen, dann muss ich wiederholt antworten. Deutschland liegt bei „Pisa“ im hinteren Mittelfeld, ist also international unteres Mittelmaß. Da dürfen wir uns mit dem dritten Platz in der innerdeutschen Rangliste nicht zufrieden geben. Die PDS jedenfalls tut dies nicht. Im Übrigen hat das auch die SPD bisher nicht getan.

Dass sich unser Antrag mit den Grundschulen befasst, hat natürlich damit zu tun, dass hier die Probleme am größten sind und dass durch diese Probleme die Schaffung der Grundlagen für das gesamte weitere Leben der Schüler akut gefährdet ist.

Zum tatsächlichen Unterrichtsausfall und der Statistik hat Kollege Herbst das Notwendige gesagt.

Der vorliegende Antrag ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Regierung und auch die Koalition mit vernünftigen Anträgen der Opposition umgehen. Wir haben diesen Antrag im Dezember gestellt. Da haben Sie die Dringlichkeit abgelehnt. Es sei nicht notwendig, darüber zu reden. Eigentlich gebe es auch keine Probleme. Nachdem der PDS-Antrag abgebügelt war, begann eine hektische Betriebsamkeit im Kultusministerium. Man versuchte wenigstens einen Teil der Probleme zu korrigieren, damit es nicht gar so schlimm wird, wenn wir hier darüber sprechen. Das ist lobenswert. Aber das ist eigentlich nur aufgrund des PDS-Antrages passiert. Dadurch sind Sie zum Handeln gezwungen worden.