Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Dessen unbeschadet wird die NPD-Fraktion für den FDPAntrag stimmen; denn dieser beschränkt sich auf das Wesentliche, nämlich die Änderung des Wahlalters bei Kommunalwahlen, und entwertet dieses Anliegen nicht durch eine Reihe von anderen, völlig abwegigen Maßnahmen, wie bei dem PDS-Antrag der Fall.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. Herr Weichert, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der größte Feind der Demokratie ist das Desinteresse. Leider müssen wir feststellen, dass nicht nur das Desinteresse an den öffentlichen Angelegenheiten zunimmt, sondern oft auch gepaart ist mit einer Ablehnung der Demokratie als solcher. Politikverdrossenheit ist nicht nur, aber besonders unter Jugendlichen ein Thema.

Eine Studie in Nordrhein-Westfalen ergab, dass nur 40 % der Erst- und ZweitwählerInnen an Bundestags- und Landtagswahlen teilnehmen. Man muss diese Entwicklung nicht als gefährlich einschätzen; aber wir würden unserer Aufgabe nicht gerecht, wenn wir die von Wahlforschern und Soziologen einhellig vertretene Diagnose ignorieren würden.

Meine Damen und Herren! FDP und Linksfraktion schlagen vor, das Wahlalter herabzusetzen. Wir können dem in der Sache uneingeschränkt zustimmen. Rechtliche Bedenken haben wir beim Vorgehen beider Parteien, die Festsetzung des Wahlalters aus der Verfassung zu nehmen bzw. nicht zu bestimmen. Auch sollte man aktives und passives Wahlalter nicht auseinandernehmen. Verfassungsrechtlich scheint es uns geboten zu sein, hier eindeutige Angaben zu machen, auch zwischen Landtagswahlen und Kommunalwahlen differenziert zu unterscheiden.

Meine Damen und Herren! Die Ausweitung der Partizipation durch Wahlen auf Jugendliche ist ein richtiger Schritt. Als alleinige Therapie auf die Herausforderungen der Politikverdrossenheit taugt er allerdings nicht. Als Mit

glieder von Parteien, die wir ja fast alle hier sind, müssen wir uns auch in dieser Eigenschaft fragen lassen, ob wir die richtigen Angebote für Jugendliche unterbreiten. Der Mitgliederschwund bei fast allen demokratischen Parteien gibt da eine eindeutige Antwort. Anscheinend, so müssen wir selbstkritisch feststellen, sind die Offerten, die wir jungen Menschen unterbreiten, nicht attraktiv genug. Aber auch andernorts, zum Beispiel in unseren Vereinen, fehlt es an einer ausreichenden Anzahl von jungen Menschen, die sich engagieren und interessieren.

Aber, meine Damen und Herren, welcher Ort wäre besser geeignet, für die Teilhabe an der Willensbildung zu werben und Mitbestimmung zu üben, als unsere Schulen? Ich wünsche mir, dass entsprechend gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer die Aufgabe übernehmen, Schülerinnen und Schüler bei ihren ersten Schritten in der Mitverwaltung und -gestaltung anzuleiten, demokratische Verfahren zu üben und ihnen zu helfen, Diskussionen sachlich und zielgerichtet zu führen.

Da kommt es mir geradezu grotesk vor, wenn ich von einer Besuchergruppe erfahre, dass eine Schule in Dresden, die mit vier anderen Schulen bundesweit an einem Demokratiemodellprojekt teilnimmt, von höchster Stelle dafür ausgezeichnet wird, das Projekt noch nicht abgeschlossen ist, aber trotzdem die Schule geschlossen wird. Das ist die 141. Mittelschule in Dresden-Gorbitz.

Meine Damen und Herren! Mit dem Einüben der Teilhabe kann der demokratische Staat nicht früh genug beginnen. Ich habe den Eindruck, dass Mitwirkung allzu häufig immer noch als etwas Lästiges und Störendes empfunden wird. Demokratie bedeutet mehr als Gewährung und Ausübung von Rechten in rechtsstaatlichen Verfahren; Demokratie hat vor allem eine kulturelle Dimension.

In diesem Sinne begrüßen wir beide Gesetzesvorlagen.

Zu den weiteren dort enthaltenen Vorschlägen wird meine Kollegin Frau Herrmann noch sprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Tino Günther, FDP)

Wird von der FDP noch das Wort gewünscht? – Herr Zastrow.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Prof. Schneider, Ihre Rede war wirklich von gestern!

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Von vorgestern!)

Vielleicht auch von vorgestern. Vor 40 Jahren hätte sie vielleicht gepasst. Ich weiß auch nicht, woher Sie diese Rede haben.

Zu den juristischen Feinheiten hat Frau Weihnert aus meiner Sicht das Richtige gesagt.

Herr Prof. Schneider, ich hatte den Eindruck – bitte korrigieren Sie mich! –, dass Sie bedauern, dass man jetzt

schon ab 18 wählen kann. Ich glaube, die Grenze von 21 Jahren wäre Ihnen ganz recht. Ich weiß auch nicht, ob Sie ein richtiger Fan des Frauenwahlrechts sind. Ich habe den Eindruck, Sie bedauern das, so wie Sie gesprochen haben.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Die Welt hat sich weiterentwickelt. Ich glaube schon, dass junge Leute heute – das haben Sie, als Sie jung waren, genauso gesagt – ein bisschen weiter sind als manche Generationen, die früher einmal jung waren. Deswegen sollten wir genau jetzt den Jugendlichen diese Rechte zugestehen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Er war im RCDS! Da war das schwierig!)

Ansonsten muss ich sagen: Ich schätze Sie sehr, aber irgendwie wird es dann doch lächerlich. Sie haben gesagt, der Landkreistag habe den Wunsch der jungen Leute nach einem Wahlrecht ab 16 noch nicht vernommen. Angesichts dessen frage ich den Landkreistag, wie ernst er es mit der kommunalen Mitbestimmung von jungen Leuten nimmt, wenn gerade einmal 36 von 511 Gemeinden überhaupt solche Modelle haben. Es gibt gerade beim Landkreistag, aber auch beim Städte- und Gemeindetag erheblichen Nachholbedarf. Daran würde ich ihn zuerst erinnern.

Ansonsten, sehr geehrter Prof. Schneider, glaube ich schon, dass für viele junge Leute das Bedürfnis nach einem Führerschein ab 16 wichtiger ist als das Wahlrecht. Das hängt auch mit Ihrer Schulpolitik zusammen.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Günther Schneider, CDU: Das ist blanker Unsinn!)

Bei den Schulwegen kann ich nachvollziehen, dass sich die jungen Leute dringend ein Auto wünschen, damit sie im Gebirge die langen Wege zur Schule überhaupt noch schaffen.

Wir können auf diesem Niveau weitermachen.

(Heinz Lehmann, CDU: Da sind Sie eingestiegen!)

Glauben Sie mir, dass der Wunsch nach einem Arbeitsplatz für jeden Menschen viel wichtiger ist, als an irgendeinem Sonntag in diesem Land wählen zu gehen.

(Prof. Dr. Günther Schneider, CDU: Ach, so ein Blödsinn!)

Es kommt mir so vor – Sie können mich in Ihrem zweiten Vortrag korrigieren –, als ob Sie Angst vor dem Wähler hätten. Sie haben Angst vor dem, was da kommen könnte. Ich bin mir auch hundertprozentig sicher, Herr Prof. Schneider, dass Sie diese Rede nicht gehalten hätten, wenn die 16- und 17-Jährigen in diesem Land schon wählen könnten. Einen ähnlichen Angriff auf eine Generation wie die der 16- und 17-Jährigen haben Sie sich noch nicht gewagt. Ich weiß, dass Sie andere Zielgruppen

Ihrer Partei ganz anders, nämlich viel wohlwollender betrachten.

Frau Weihnert, ich habe großen Respekt vor Ihrer Rede; ich fand sie wirklich gut. Besser konnte man es nicht ausdrücken.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Ich habe gemerkt – das kaufe ich Ihnen auch ab –, dass Sie für das Thema brennen und dass es Ihre Herzensangelegenheit ist. Ich kann aber – nehmen Sie es mir bitte nicht übel! – eines nicht nachvollziehen – das sage ich auch in Richtung von Martin Dulig –: Wir beide kommen aus politischen Jugendverbänden. Ich gehöre zu den Gründern der Jungliberalen Aktion in Sachsen. Martin hat dasselbe bei den Jusos gemacht. Es gibt auch andere Vertreter von politischen Jugendverbänden hier im Raum. Eines meiner ersten Themen damals war der Kampf für das Wahlrecht ab 16. Es war ein allererstes Thema im Jugendverband. Wir Junge Liberale haben dafür gekämpft, das Wahlrecht ab 16 Jahren zu bekommen.

(Karl Nolle, SPD: Junge Union! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Altersheim!)

Was ich damals als junger Mensch gefordert habe, hat keinen im Parlament interessiert. Herr Prof. Schneider, haben Sie jemals irgendeine Pressemitteilung von JuliA, den Jungen Liberalen, gelesen? Es hat Sie überhaupt nicht interessiert, was junge Leute gefordert haben, obwohl es junge Leute waren, die aktiv Politik gemacht haben. Ich kann mich gut daran erinnern. Ich habe meine Meinung, Martin, seit dieser Zeit nicht geändert.

(Martin Dulig, SPD: Ich habe sie auch nicht geändert!)

Ich kann nur hoffen, dass Sie den Mut haben, denen da drüben heute einmal eine Harke zu zeigen. Das ist ganz leicht. Sie müssen nur die Hand im richtigen Moment heben. Ich glaube nicht, dass die Koalition an diesem Punkt auseinanderbrechen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Wird von der Linksfraktion.PDS das Wort gewünscht? – Frau Klinger, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schneider, was Sie hier dargeboten haben, kann ich, kann meine Fraktion nicht als wirkliche Argumente gegen das Absenken des Wahlalters durchgehen lassen. Das Einzige, was Sie getan haben: Sie haben polemisiert. Es war reine Polemik, wenn Sie sagen, das Vetorecht, das wir in unserem Gesetzentwurf vorsehen, würde zu einer Delegitimierung der kommunalen Selbstverwaltung führen. Wenn nämlich Jugendliche gar kein Interesse an Politik haben, wie Sie es sagen, dann gehen

sie auch nicht vor Gericht, um politische Beschlüsse durchzusetzen.

Abgesehen davon, muss man auch diese kommunalen Kinder- und Jugendvertretungen nicht als Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und Delegitimierung verstehen; man kann sie auch als eine Erweiterung verstehen, Herr Schneider.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Zum Thema „Politikverdrossenheit“, wie Sie es angesprochen haben: Ich weiß nicht – meine Partei hat ein Jugendwahlprogramm aufgestellt, das junge Menschen anspricht, auch junge Menschen unter 18. Wir haben Themen angesprochen, die auch die jungen Menschen interessieren.

(Jürgen Gansel, NPD: Ihr Altersdurchschnitt beträgt 68!)