Seien wir doch einmal ehrlich. Wir alle wissen, dass das Wählen mit 16 Jahren bei Kommunalwahlen für die Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland gilt und Normalität ist, weil nämlich mit 16 Jahren in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, SachsenAnhalt, Schleswig-Holstein und natürlich im bevölkerungsreichsten Land, Nordrhein-Westfalen, gewählt wird. Gerade in NRW wurde dieses Gesetz 1998 geändert. Dort wurden gute Erfahrungen damit gemacht. So war die Wahlbeteiligung der 16- und 17-Jährigen seither regelmäßig höher als die der 20- und 30-Jährigen. NRWMinisterpräsident Jürgen Rüttgers – im Übrigen früher ein vehementer Gegner der Änderung eines Wahlrechtes – sagt heute – ich zitiere ihn: „Das ist eine Bereicherung für unsere Demokratie. Das wollen wir beibehalten.“ Recht hat er. Deshalb war es schon etwas mühselig, Herr Schneider, welche Argumente Sie hier bemüht haben, um gegen dieses Wahlrecht und Wahlalter so vorzugehen.
Wir als SPD sind der Auffassung, dass eine Absenkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen dem heutigen Reifegrad Jugendlicher entspricht und dass ihnen dadurch das Recht demokratischer Teilhabe ermöglicht wird.
Erfahrungen aus NRW sowie aus nunmehr drei Kommunalwahlen in Niedersachsen, wo es ja bekanntermaßen, glaube ich, zurzeit auch eine CDU-Regierung ist, die das nicht geändert hat, zeigen, dass Jugendliche weit mehr an Kommunalwahlen interessiert sind als zum Beispiel ältere Altersgruppen. Wenn man weiter verfolgt, was Sie für eine Argumentationsschiene gebracht hätten, Herr Schneider, könnte man ja fast denken, es wäre schön, wir hätten die Monarchie wieder, weil keiner zur Wahl geht.
Frau Weihnert, haben Sie nicht die Argumente der Sachverständigen der Anhörung dazu gelesen? Ich habe Ihnen eben die Namen genannt. Das sind Argumente, die die Sachverständigen genannt haben.
Selbstverständlich habe ich dies noch einmal sehr ausführlich gelesen, Herr Schneider. Aber wenn Sie dies auch getan hätten und ausführlich, dann hätten Sie wohl bemerkt, dass es einen Großteil der Sachverständigen gab, die sich pro 16 Jahre geäußert haben. Ich muss schon sagen, jemand, der zwar Analysen darstellt und sagt, das ist jetzt nicht üblich – wir haben selbst eine Analyse hier bei uns im Freistaat Sachsen, die Sie gar nicht mit benannt haben. Haben Sie die schon einmal gelesen, Herr Schneider? Das gehört vielleicht auch mit dazu.
Aber lassen Sie mich noch einmal einige andere Punkte aufgreifen. Wir haben bereits gehört, dass Jugendliche weder extremistisch noch ziellos wählen. Wir haben gehört, dass sie von uns, nämlich von der Politik, ein glaubhaftes Bekenntnis zur eigenen Politik und zur eigenen Beteiligung einfordern – und zwar keine scheinbare Beteiligung – und wie wir das bei uns im Freistaat umsetzen. Auch die Kleine Anfrage ist bereits benannt worden. Darauf muss ich nicht eingehen. Nur wenn sich die Politik von der Jugend abwendet, wendet sich diese auch von der Politik ab. Haben wir das nicht auch bei den anderen Altersklassen? Wer geht denn heute noch zur Wahl? Wo gehen wir denn tatsächlich alle richtig darauf ein? Dies nur den Jugendlichen zuzuschreiben ist einfach falsch.
Es ist für mich daher ein schlechter Witz, einerseits das Desinteresse der Jugend an der Politik zu beklagen und sie andererseits von jeder politischen Mitentscheidung fernzuhalten.
Meine Damen und Herren! Wir alle erwarten von unseren Jugendlichen grundlegende Entscheidungen über ihre eigene berufliche Zukunft und ihren eigenen Lebensweg, Entscheidungen, deren Tragweite infolge der veränderten gesellschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen deutlich weiter reicht und für die Betroffenen existenzieller ist als das Wahlrecht. Experten sprechen davon, dass Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsreifung – also auch in politischen und gesellschaftlichen Fragen – heute deutlich früher urteilsfähig sind. Zwölf- bis 15-Jährige tragen Verantwortung in so lebenswichtigen Bereichen wie der Aufenthaltsbestimmung nach der Trennung der Eltern – weil Sie unter anderem nach den rechtlichen Grundlagen fragten. Jugendliche gründen Schülerfirmen, jobben, um ihr Taschengeld aufzubessern, werden als Popstars oder auch als Olympiasieger gefeiert. Warum dürfen diese Menschen, die doch so viel für Deutschland tun, nicht auch für uns mitwählen?
(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN – Marko Schiemann, CDU: Wie viel Prozent sind das?)
Angesichts der rasanten Veränderung der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen scheint es ein bürokratischer Nebenschauplatz ewiger Bedenkenträger zu sein. Ich habe mir einmal die hundertjährige Geschichte angeschaut; da gab es die gleichen und ähnliche Bedenken, als die Frauen auf einmal wählen sollten und wollten; da gab es die gleichen Bedenken, als mit 21 gewählt werden sollte, und da gab es die gleichen Bedenken, als 1972 das Wahlalter auf 18 gesenkt wurde.
Meine Damen und Herren, wir sind doch nicht im verstaubten Jenseits oder von damals – wir wollen doch in die Zukunft schauen. Auch in der Anhörung, wenn wir ganz ehrlich sind, Herr Prof. Schneider, wurde kein wirklicher Grund genannt, warum 16-Jährige auszuschließen sind.
Warum sollen sie nicht daran teilhaben? Wesentliche und positive Folge einer Änderung des Wahlrechts, wie es in anderen Bundesländern passiert, ist, dass junge Menschen stärker eingebunden sind; dass sie sich angenommen fühlen.
Jedermann weiß, dass die Gruppe älterer Menschen ebenso wie deren politisches Gewicht stetig steigt. Nicht nur der Landtag oder die Staatsregierung beschäftigen sich mit zukünftig sich verändernden demografischen Bedingungen in Deutschland. Institutionen, Parteien, Verbände entwickeln die unterschiedlichsten Lösungsansätze.
Ein dritter Lebensabschnitt – vielleicht zwischen 70 und 100 – muss gesellschaftlich und kulturell neu bewertet werden; Kinder werden immer rarer. Die höhere Lebenserwartung und die geringere Geburtenrate werden auch die zwischenmenschlichen Beziehungen insgesamt verändern. Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, bringt zwangsläufig auch die Verschiebung der politischen Machtverhältnisse zwischen den Generationen. Jeder weiß, dass die Themen und die politischen Themen der Jugend, der Erwachsenen und – gestatten Sie mir den Ausdruck – der Alten eben verschieden sind.
Wenn wir in Zukunft eine ausgewogene politische Landschaft haben wollen, wenn wir ausgewogene politische Themen besetzen, ist es zwingend geboten – auch aufgrund der demografischen Entwicklung –, das Wahlalter abzusenken und Jugendliche ernst zu nehmen und einzubinden.
Lassen Sie mich noch einen anderen Aspekt aufgreifen. Ein beliebtes Argument in der gesamten Diskussion ist, dass nur wählen soll, wer volljährig ist – auch Herr Schneider bemühte dieses Argument. Es gibt aber keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Volljährigkeit und Wahlmündigkeit, wie ich bereits sagte. Auch das Argument, aktives und passives Wahlrecht müssten das gleiche Alter haben, ist in der Wahlgeschichte nicht zu finden. Ich erinnere daran: 1972 wurde das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt, obwohl Jugendliche erst ab 1975 mit 21 Jahren volljährig waren. Wer dieses Argument heranzieht, müsste dies eigentlich auch mit bedenken – fadenscheinige Argumente, die hier benannt werden.
Wir bleiben als SPD dabei, dass wir mit unserem Koalitionspartner zukünftig weiter darüber reden werden, dieses Wahlalter im Freistaat Sachsen gesetzlich einzuführen – auch wenn wir heute diesen beiden Gesetzen – auch aus technischen Gründen – nicht zustimmen können.
Diese Argumente, die gebracht werden, sind eben nur Ansätze. Wenn wir ein Wahlalter mit 16 brauchen, dann brauchen wir die demokratischen Fraktionen, die dies umsetzen – von den anderen hier brauchen wir keine Bemerkungen dazu.
Ein anderes, was ich insbesondere den Kollegen der Fraktion der CDU noch einmal mitgeben möchte: Wir hatten im letzten Jahr eine interessante Lektüre in unseren Fächern. Diese war von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen mit dem Titel „Wahlrecht ohne Altersgrenzen“. Ich habe sie mir noch einmal genau angeschaut, und ich möchte mit einem Zitat aus dieser Studie schließen. Ein Schüler einer 7. Klasse hat dies benannt – er sagte: „Es heißt doch immer, du bist Deutschland. Aber wie, wenn ich noch nicht einmal entscheiden darf, was in meinem Land passiert?“
Lassen Sie mich das aufgreifen; wir möchten mit Ihnen weiterhin darüber nachdenken und dies auch in einen Gesetzestext einfließen lassen. Meine Damen und Herren von der CDU, ich weiß, dass es den einen oder anderen gibt, der doch in diese Richtung denkt. Dieses Brett werden wir weiter bei Ihnen bohren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir als NPD-Fraktion unterstützen die Absenkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre, denn wir halten 16- und 17-Jährige im Durchschnitt für ebenso kompetent, als Aktive das Wahlrecht auszuüben, wie viele Angehörige der älteren Generation.
Das gilt aus unserer Sicht übrigens genauso für die Wahlen auf Landes- und Bundesebene wie für die Kommunalwahlen.
Die darüber hinausgehenden Pläne der PDS zur Einrichtung von Kinder- und Jugendräten lehnen wir aber entschieden ab; denn es handelt sich bei ihnen um einen typischen pseudolinken Versuch zur klassenkämpferischen Instrumentalisierung von Kindern und Jugendlichen zur Spaltung der Familien und zur Auseinanderdividierung der Generationen.
Zunächst noch einige Worte zur Beteiligung der 16- und 17-Jährigen an den Kommunalwahlen. Diese würde nicht nur dem Demokratieverdruss und der Verweigerung der Jugendlichen gegenüber der Politik vorbeugen – wie von der FDP und der PDS besonders hervorgehoben –, sondern vor allem junge Menschen an ihre sächsische Heimat und an ihre Region binden. Gegen die Bekämpfung eines vermeintlichen Demokratieverdrusses ist prinzipiell nichts zu sagen – vorausgesetzt, dass sie ehrlich gemeint ist und dass nicht in Wirklichkeit die nationale Opposition bekämpft werden soll. Sollte Letzteres der Fall sein, hätte man sich allerdings gründlich verkalkuliert. Denn nach Angaben des Wahlforschungsinstitutes „Infratest“ gaben bei der Landtagswahl 2004 20 % der sächsischen Erstwähler gerade der NPD ihre Stimme.
Bei der sogenannten Jugendwahl im Spätsommer 2005 wählten auch 16,3 % der sächsischen Jugendlichen unter 18 national, das heißt, sie machten ebenfalls gerade bei der NPD ihr Kreuz.
Aus diesem Grund fehlt es natürlich nicht an mahnenden Hinweisen der sogenannten demokratischen Parteien aller Couleur, wie der Staat durch vermehrte Hetze in den Schulen und noch stärkere Förderung von kriminellen Antifa-Banden dieser Meinungsbildung unter Jungwählern entgegentreten müsse.
Es ist immer wieder das Gleiche: Auf der einen Seite wird das Hohelied der Einbeziehung von Jugendlichen in politische Entscheidungen gesungen. Auf der anderen Seite werden Jugendliche, die sich tatsächlich für unser Volk einsetzen wollen, kriminalisiert oder staatlichen Erziehungsmaßnahmen – sprich: Einschüchterungsmaßnahmen – unterworfen. Auf der einen Seite behaupten die sogenannten demokratischen Parteien, junge Leute zur Wahlbeteiligung bewegen zu wollen. Auf der anderen Seite wird die NPD-Fraktion in diesem Landtag, die zum großen Teil gerade durch die Mobilisierung von jungen potenziellen Nichtwählern zustande gekommen ist, durch konspirative Absprachen der anderen Parteien parlamentarisch blockiert, während gleichzeitig die parlamentari
schen Initiativen der Fraktion durch die Medienkonzerne totgeschwiegen werden; siehe zum Beispiel die Initiativen zur Rettung der Unternehmen Neue-ERBA-LAUTEX und Biria.
Ich kann es mir einfach nicht verkneifen, auf die Hohlheit mancher pseudodemokratischer Phrasen über mehr Beteiligung der Jugend am politischen Prozess hinzuweisen; denn wenn die Jugend national wählt, dann wird sie von der politischen Klasse eben nicht stärker in den politischen Prozess einbezogen, sondern vielmehr verstärkt ausgegrenzt und kriminalisiert. Ist es wirklich sinnvoll, das Wahlalter nicht mehr in der Verfassung, sondern nur noch einfachrechtlich festzulegen? Das würde ja bedeuten, dass in Zukunft Änderungen des Wahlalters im einfachen Gesetzgebungsverfahren erfolgen könnten und damit rein parteitaktisch motivierten Änderungen Tür und Tor geöffnet würde.
Dessen unbeschadet wird die NPD-Fraktion für den FDPAntrag stimmen; denn dieser beschränkt sich auf das Wesentliche, nämlich die Änderung des Wahlalters bei Kommunalwahlen, und entwertet dieses Anliegen nicht durch eine Reihe von anderen, völlig abwegigen Maßnahmen, wie bei dem PDS-Antrag der Fall.