Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Tagesordnungspunkt 7

Regelungen zum Schutz der deutschen Sprache im Zusammenhang mit der Umsetzung der Exzellenzvereinbarung von Bund und Ländern

Drucksache 4/7145, Antrag der Fraktion der NPD

Nach der Übertragung der Zuständigkeit auf die gemeinsame Wissenschaftskonferenz wird der Freistaat auch in diesem Gremium vertreten sein.

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge lautet: NPD, CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile jetzt dem Abg. Gansel das Wort. Könnten Sie bitte – –

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrates, beim rein innerdeutschen Exzellenzwettbewerb der deutschen Universitäten die Abfassung der Antragsskizzen und der Anträge ausschließlich in englischer Sprache zu verlangen, ist ein beschämender Beweis für den kulturellen Gedächtnisverlust und den Minderwertigkeitskomplex in dieser Bundesrepublik Deutschland.

Darf ich um Ruhe bitten!

Die Staatsregierung kann somit auf die wissenschaftspolitischen Vorgaben für die Exzellenzinitiative sehr wohl Einfluss nehmen und sich auch nachträglich für Änderungen und Ergänzungen einsetzen.

(Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

Die eigentliche Durchführung des Exzellenzwettbewerbs liegt in der Hand einer gemeinsamen Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrates. Auch hier kann der Freistaat Sachsen Einfluss ausüben, denn die Länder sind zusammen mit dem Bund Träger des Wissenschaftsrates. Ein Vorstoß der Staatsregierung gegen den Verfall unserer Sprache, insbesondere als Wissenschaftssprache, würde ihr bundesweit nicht nur den Beifall von Kultur- und Sprachpflegern einbringen, – –

Die NPD-Fraktion möchte diesen beschämenden Zustand überwinden und wünscht sich hierbei die Mitwirkung des Freistaates Sachsen, da er an der 2005 getroffenen Vereinbarung zur Förderung der Exzellenz an deutschen Forschungseinrichtungen beteiligt war und in der entsprechenden Bund-Länder-Kommission vertreten ist.

(Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der SPD)

Herr Gansel, darf ich mal ganz kurz unterbrechen. – Ich bitte die Abgeordneten, wenn es längere Gespräche zur Klärung irgendwelcher Angelegenheiten gibt, in die Lobby zu gehen. Das stört.

Drittens. Wenn Frage 1 zu bejahen ist, wie bewertet die Landesregierung diese Entscheidung, hat sie daran mitgewirkt und welche Möglichkeiten sieht sie, für die Zukunft eine Änderung herbeizuführen?“ – So die Kleine Anfrage von zwei CDU-Landtagsabgeordneten aus Thüringen. (Beifall des Abg. Peter Klose, NPD)

Ich wiederhole den letzten Satz. – Wenn Sie nicht zuhören wollen, kann ich Sie noch ein bisschen peinigen, da ich noch genügend Redezeit habe.

In der Antwort der Thüringer Landesregierung heißt es lapidar: Die Abfassung der Anträge auf Englisch sei sinnvoll, weil die zur Begutachtung eingesetzte Kommission zur Hälfte aus Experten bestehe, die über langjährige Auslandserfahrung verfügten, darunter auch Ausländer, die der deutschen Sprache nur bedingt mächtig seien. Die Landesregierung habe weiter zwar an der Erarbeitung der Bund-Länder-Vereinbarung mitgewirkt. Diese enthalte jedoch keine Festlegung auf eine bestimmte Sprache, in der die Anträge zu formulieren seien.

Ein Vorstoß der Staatsregierung gegen den Verfall unserer Sprache, insbesondere als Wissenschaftssprache, würde bundesweit nicht nur den Beifall von Kultur- und Sprachpflegern einbringen; auch der frühere Ministerpräsident von Thüringen Bernhard Vogel sprach sich unlängst gegen den Anglisierungswahn und die Geringschätzung der eigenen Muttersprache aus.

Die Frage nach den Änderungsmöglichkeiten wurde von der Landesregierung erst gar nicht beantwortet.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das war in einem anderen Zusammenhang!)

Die NPD-Fraktion hält es für bedenklich, dass die deutsche Sprache in Schlüsselbereichen wie Wissenschaft und Forschung, Kultur und Kunst, Wirtschaft und Finanzen ihre Funktion als Veröffentlichungssprache und zunehmend auch als tägliche Verständigungssprache verliert.

Gegenüber der führenden hochschul- und wissenschaftspolitischen Zeitschrift „Forschung und Lehre“ erklärte Vogel sinngemäß: Nicht englischversessene Jugendliche sind es, die die deutsche Sprache zugunsten des Englischen verdrängen. Es sind Werbefirmen und Chefetagen von großen Unternehmen, die glauben, damit Modernität und Internationalität suggerieren zu können. Sie sind es schließlich, die glauben, für die globalisierte Zukunft sei unsere Sprache ungeeignet. Vogel hätte hinzufügen müssen, dass auf dem Feld von Wissenschaft, Kultur und Kunst nicht zuletzt die identitätsvergessenen Politiker der etablierten Parteien den Bedeutungsverlust der deutschen Sprache fördern, anstatt sich des Schutzes unseres wichtigsten Kulturgutes anzunehmen.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger, CDU, hat indessen klar gemacht, wohin sprachpolitisch die Reise gehen soll: „Ich glaube“, so Oettinger, „dass jeder, egal, ob er Facharbeiter an der Werkmaschine ist, ob er Geschäftsführer ist, ob er Zahlen oder Anleitungen lesen muss, dass jeder Englisch verstehen und Englisch sprechen können muss. Deutsch bleibt die Sprache der Familie, der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest. Aber Englisch wird die Arbeitssprache.“ Aus Thüringen gibt es wenigstens eine mutige Anfrage der beiden Landtagsabgeordneten Carius und Krause zu der sprachpolitischen Dimension der Exzellenzinitiative. In ihrer Kleinen Anfrage heißt es: „Nach einem Kommentar in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung’ vom 23. August 2006 müssen im Rahmen der Exzellenzinitiative an den deutschen Hochschulen Antragsskizzen und Anträge in englischer Sprache eingereicht werden. Wir könnten die Landesregierung exzellent auch auf Englisch fragen, erlauben uns aber in vollem Respekt vor der Autonomie der Hochschulen und der Wissenschaft, unsere Kleine Anfrage in der Sprache der Thüringer Landesverfassung und des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu stellen.

Oettinger ist das wichtigste deutsche Kulturgut, das Ausdrucksmittel einer Sprachgemeinschaft von annähernd 100 Millionen Menschen, wozu natürlich auch die Österreicher gehören,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Die verstehen Sie gar nicht bei solchem Blödsinn!)

offensichtlich gleichgültig.

Der Zwang zur ausschließlichen Verwendung der englischen Sprache für die Anträge der Exzellenzinitiative bedeutet in der Praxis, dass die gesamte Durchführung dieser akademischen Elitenförderung englischsprachig ist. Für Deutsch gibt es dann bei einem Spitzenwettbewerb für deutsche Forschungsstätten schlicht keinen Platz mehr. Für uns Nationaldemokraten kommt das einem Sabotageakt gegen die deutsche Sprache als Wissenschaftssprache gleich, der aber als solcher kein Einzelfall ist. Ganz im Gegenteil, im gesamten deutschen Wissenschaftsbetrieb befindet sich unsere Sprache auf dem ungeordneten Rückzug, wie sich an einer ganzen Reihe von Beispielen belegen lässt.

Erstens. Ist die Aussage über die alleinige Antragssprache Englisch sachlich richtig?

Zweitens. Wenn ja, ist der Landesregierung ein englischsprachiger, italienischer, spanischer oder französischer Wissenschaftler oder eine Wissenschaftsorganisation eines der genannten Länder bekannt, der oder die sich vorstellen könnte, einen solchen rein nationalen Wettbewerb in einer anderen als der eigenen Landessprache durchzuführen? Auf wissenschaftlichen Kongressen in der Bundesrepublik wird heute praktisch ausschließlich Englisch gespro

chen, auch wenn überwiegend deutsche Teilnehmer anwesend sind. Lehrveranstaltungen an Universitäten, auch Grundvorlesungen, finden zunehmend auf Englisch statt. Deutsche Forscher veröffentlichen überwiegend auf Englisch, weil sie sonst befürchten, nicht beachtet zu werden. Deutsche Fachzeitschriften werden eingestellt und erscheinen neu unter einem englischen Namen und in englischer Sprache. Es findet eine regelrechte Flucht aus dem Deutschen statt. Hierzu ein konkretes Beispiel.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker gab bis 1994 die zwei deutschsprachigen Zeitschriften „Liebigs Annalen“ für organische Chemie und chemische Berichte“ für anorganische Chemie heraus. Inzwischen heißen sie „European Journal of Organic Chemistry“ und „European Journal of Anorganic Chemistry“ und werden von der amerikanischen Verlagsgruppe Wiley & Sons herausgegeben. Seit 1997 werden deutschsprachige Beiträge in diesen Zeitschriften noch nicht einmal mehr angenommen. Die Zeitschriften sind als deutsche Fachzeitschriften oder Organe eines deutschen Wissenschaftsbetriebes kaum mehr erkennbar.

Heute veröffentlichen über 90 % der deutschsprachigen Chemiker nur noch auf Englisch, und das, obwohl bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in der Chemie Deutsch die wichtigste Publikationssprache weltweit war.

Ein weiteres Beispiel für die Geringschätzung der deutschen Sprache als Wissenschaftssprache bietet die Verhaltensphysiologie, deren weltweites wissenschaftliches Kraftzentrum bis 1997 das von Erich von Holst und Konrad Lorenz aufgebaute Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen war. 1997 wurde das Seewiesener Institut dann geschlossen und an dessen Stelle das Dresdner Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie gegründet. Hier findet praktisch die gesamte Forschungs- und Lehrtätigkeit in englischer Sprache statt. Die verwendeten Studienunterlagen sind englischsprachig, die wissenschaftlichen Veröffentlichungen sowieso. Sogar der Internetauftritt ist komplett englischsprachig.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Was ist Internet?)

Es handelt sich überhaupt nicht mehr um ein deutsches wissenschaftliches Institut, sondern um eine internationale Einrichtung, die sowohl der Form als auch den Inhalten und der gesamten Wissenschaftskultur nach amerikanischen Vorbildern folgt.

Dies alles zeigt überdeutlich, wie der Verlust der eigenen Sprache mit dem Verlust der eigenen Inhalte, der eigenen Wissenschaftstradition und schließlich mit der Selbstabdankung als Wissenschaftsnation einhergeht. Konrad Lorenz, Erich von Holst, Karl Frisch und Irenäus EiblEibesfeldt und viele andere deutsche Verhaltensphysiologen hatten etwas geschafft, was sonst in der deutschen Nachkriegsgeschichte nirgendwo gelungen war: eine führende Stellung des deutschsprachigen Raums in einer wissenschaftlichen Disziplin aufzubauen. Seewiesen

wurde regelrecht zum Wallfahrtsort für Verhaltensforscher aus der ganzen Welt, und die deutschen Verhaltensforscher veröffentlichten ihre Ergebnisse ganz selbstverständlich auf Deutsch.

Bei der planmäßigen Zerschlagung dieses einzigen in der Nachkriegszeit entstandenen deutschen Wissenschaftsbiotops mit Weltgeltung spielte die Entfremdung von der deutschen Sprache und der deutschen Wissenschaftskultur eine wesentliche Rolle. Wissenschaftliche Exzellenz und Leistungsfähigkeit eines sogenannten Standortes erreicht man dauerhaft nicht durch die Abwicklung der eigenen Sprache, Tradition und Kultur, sondern nur durch Pflege und Erhaltung des Kraftwerkes, das eine lebendige Sprach- und Kulturgemeinschaft darstellt. Weitere Ausführungen werden folgen.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Heitmann, bitte.

(Karl Nolle, SPD: War die Verbrennung für deutsche Bücher oder für englische Bücher?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Schutz und die Förderung der deutschen Sprache bin ich auch. Zum Beispiel hätten wir die deutsche Schriftsprache vor der völlig unsinnigen und überflüssigen Rechtschreibreform schützen müssen. Das haben wir leider versäumt.

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Der vorliegende Antrag richtet sich allerdings auf ein Gebiet, das für einen Vorstoß zum Schutz oder zur Förderung der deutschen Sprache denkbar ungeeignet ist. Sie, meine Damen und Herren ganz rechts außen, verkennen mit Ihrem Antrag die Art und das Wesen des heutigen wissenschaftlichen Diskurses. Sie finden sich offenbar in den heutigen Zusammenhängen der Forschung und der Forschungsförderung nicht zurecht.

Worum geht es? Die Exzellenzinitiative, die Sie „rein innerdeutsch“ nennen, dient dazu, Hochschulen, die im weltweiten Maßstab zur Forschungselite zählen, auszumachen, zu identifizieren und auf diese Hochschulen die Forschungsförderung des Bundes und der Länder zu konzentrieren. Ein solches Vorgehen bedingt in einer wissenschaftlich vernetzten Welt eine fachliche Außensicht auf die hiesigen Einrichtungen. Diese wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und den Wissenschaftsrat organisiert und bewertet.

Bei der ersten Ausschreibungsrunde der Exzellenzinitiative kamen von 172 Gutachtern 144 aus dem Ausland. Von 26 Mitgliedern der gemeinsamen Kommission von DFG und Wissenschaftsrat kamen zwölf aus dem Ausland. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Antragsteller vor diesem Hintergrund gebeten, die Anträge in englischer Sprache abzufassen. Eine Ausnahme von dieser Bitte wurde aber ausdrücklich für die Geisteswissenschaf

ten formuliert. Hier findet in der Tat die deutsche Sprache die fachspezifisch gebührende Berücksichtigung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Richtig!)

Das weitere Verfahren gestaltete sich dann so, dass die Anträge von den Gutachtern in Gruppensitzungen erörtert und bewertet wurden. Die Arbeitssprache dieser Gremien ist Englisch. Die Ergebnisse werden dann in deutschsprachigen Gutachten zusammengefasst, in Fachkommissionen bewertet und in der Gesamtkommission erörtert.

Die Sprache, in der die weltweit vernetzte Wissenschafts- und Forschungselite miteinander kommuniziert und in der sie vorrangig publiziert, ist nun einmal, ob einem das gefällt oder nicht, Englisch. Ausnahmen gibt es, wie gesagt, für bestimmte Bereiche der Geisteswissenschaften.

Es gibt für ein Land, das eine Spitzenstellung in der Weiterentwicklung von Wissenschaft und Forschung behaupten will – und das wollen wir in Deutschland –, nur die Möglichkeit, den Spielregeln und Gepflogenheiten des internationalen wissenschaftlichen Diskurses angepasst zu verfahren. Hierzu gehört nun einmal die Beherrschung und sichere Anwendung der englischen Sprache.

Der Beschluss des vorliegenden Antrages wäre ein Ausdruck provinzieller Peinlichkeit. Er sollte deshalb abgelehnt werden.