Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Der Beschluss des vorliegenden Antrages wäre ein Ausdruck provinzieller Peinlichkeit. Er sollte deshalb abgelehnt werden.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort; Herr Prof. Porsch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was soll man mit einem Antrag machen, bei dem schon die Voraussetzungen nicht stimmen und damit auch die Schlussfolgerungen falsch sind? Man kann ihn nur ablehnen.

So wenig nämlich, wie es die NPD betreibt, beim Volk von seiner inneren Zergliederung absehen zu können, so wenig kann man das auch bei Sprache. So wie die Sprachträgerinnen und Sprachträger vielfältig unterschieden sind nach Geschlecht, nach regionaler oder sozialer Herkunft, nach Alter, nach Beruf, nach aktuellem Gesprächsbedarf usw., so sehr stellt sich Sprache in ihrer Variabilität darauf ein. Wir sprechen in nationalen und regionalen Varietäten deutsch, in sozialen und dem Geschlecht folgenden. Wir benutzen abhängig von der Kommunikationsaufgabe und der jeweiligen Funktion des Gesprächs stilistische und funktionale Varianten.

Für die vielfältigen Kommunikationsaufgaben vom Alltagsgespräch bis hin zur wissenschaftlichen Kommunikation stellt uns Sprache fein differenzierte Möglichkeiten zur Verfügung. Die unterschiedlichen Bedürfnisse haben sich ihr Organ geschaffen.

Bei der wissenschaftlichen Kommunikation ist die Sache nun besonders schwierig. Sie braucht nicht nur – anders

als die Alltagssprache – Elemente mit wohl definierten eineindeutigen Bedeutungen, was besondere Anforderungen an die Sprache stellt und gerade durch allzu viel Übersetzen gefährdet wäre. Die Wissenschaftlergemeinschaften sind heute üblicherweise international, sodass eine Internationalisierung der Wissenschaftskommunikation auch auf sprachlicher Ebene ein ganz natürlicher und übrigens seit jeher wirkender Trend ist.

Natürlich kann man dem auf verschiedene Art und Weise nachkommen. Erfüllte bis zur Neuzeit die lateinische Sprache für die Wissenschaften die Aufgabe eines über die Muttersprache hinweg gültigen Verständigungsinstrumentes, so entstanden mit dem Eindringen der Nationalsprachen in die Wissenschaftskommunikation neue Versuche der Internationalisierung. Die Empiristen wollten sich zum Beispiel aus dem Vergleich der Einzelsprachen eine Einheitssprache erschließen. Die Rationalisten wollten eine der Logik folgende ideale Sprache konstruieren.

Die terminologischen Kerne der Wissenschaften sind nach wie vor in fast allen Sprachen griechischer und lateinischer Herkunft. De facto setzte sich aber in den letzten Jahrzehnten die englische Sprache als gebräuchliche internationale Wissenschaftssprache vor allem für die technischen und die Naturwissenschaften durch. Das mag uns gefallen oder nicht. Es hat natürlich auch mit der ökonomischen Kraft der ursprünglichen Sprachträger zu tun, folgt aber – das ins Stammbuch der NPD, sie wissen ja alles, sie kennen ja alles, was deutsch ist – auch einer gewissen grammatisch-morphologischen Einfachheit der englischen Sprache, von der schon Jacob Grimm, immerhin der Begründer der Germanistik, meinte, dass sie die englische Sprache in besonderem Maße auszeichne und deshalb befähige, eine Weltsprache zu werden.

(Jürgen Gansel, NPD: Ja, die Sprache der Krämer und nicht der Dichter und Denker!)

Lesen Sie erst einmal Jacob Grimm. Das war ein großer Deutscher – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Gansel.

Dass die geisteswissenschaftlichen Disziplinen Deutsch verwenden, hat übrigens auch Grund und Geschichte; was man studieren könnte. Aber das alles ignorieren unsere wackeren Sprachretter freilich und beweisen wieder einmal, dass Halbbildung sehr viel gefährlicher ist als gar keine Bildung.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, den GRÜNEN und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Sie verwechseln jedenfalls – und das hat Ihr Beitrag, Herr Gansel, gerade in außerordentlich deutlichem Maße gezeigt – die sprachliche Vereinheitlichung internationaler wissenschaftlicher Kommunikation mit tatsächlich unnützem Fremdwortgebrauch, dem allerdings gerade Sie nachweislich anhängen.

(Jürgen Gansel, NPD: Jetzt zitieren Sie was von mir!)

Da kann ich viel zitieren. Sie wissen ganz genau, dass ich Sie schon sehr oft verunsichert habe, wenn ich Sie gefragt habe, ob Sie das nicht auch auf Deutsch sagen können. Meistens kann man es auf Deutsch sagen.

Aber ausgerechnet die deutschen Meister im Sprachverhunzen und im Vergewaltigen der deutschen Sprache – dafür ist jeder Beitrag der NPD in diesem Hohen Hause ein im wahrsten Sinne des Wortes beredter Beweis – wollen jetzt am ungeeigneten Beispiel – ich zitiere aus Ihrem Antrag Nr. 3 – „die Verwendung der deutschen Sprache auf hohem Niveau“ – Zitatende – retten.

(Karl Nolle, SPD: Auf Apfel-Niveau!)

Jetzt werden wir einmal zum Beweis kommen, Herr Gansel. Dass Sie die am wenigsten dazu Berufenen sind, meine Dame und meine Herren von der NPD, zeigt doch schon das sprachliche Niveau Ihres Antrages selbst.

Man mag ja von der Rechtschreibreform halten, was man will. Da habe ich auch meine Probleme, Herr Heitmann. Aber die Sprache in ihrem Wesen hat diese Reform nicht berührt, wohl ihr Schriftbild und vor allem angenehme Gewohnheiten, angenehm Angelerntes, das man nun verändern muss. Nun ist diese Reform aber einmal vollzogen, zur Norm erhoben und deshalb für öffentliche Kommunikation jedenfalls verbindlich. Was Sie in Ihren Briefen schreiben, das ist Ihre Sache.

Dass Ewiggestrige sie dennoch verschlafen haben, muss nicht verwundern. Stellen Sie jedoch Anträge, meine Dame und meine Herren von der NPD, in einem deutschen Parlament, dann muss man Sie schon darauf aufmerksam machen, dass es diese Reform gegeben hat.

Sie schreiben penetrant in Ihrem Antrag die Konjunktion dass mit „ß“, auch das Wort Anschluss oder das Wort aufgefasst. Warum sind Sie eigentlich nicht wirklich konsequent, wenn Sie schon das Gestrige pflegen, und setzen an solchen Stellen wie Ihre geistig-politischen Vorfahren die Runenzeichen für „s“? Es würde Ihre Erkennbarkeit jedenfalls erhöhen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Aber nicht nur mit der Orthografie, sondern auch mit Grammatik und gutem Ausdruck stehen Sie auf Kriegsfuß. In Ihrem Punkt 2 steht „in Anschluss an die Einreichung“ und müsste doch wohl „im Anschluss“ heißen.

Ein Blick in den Duden – wissen Sie, was das ist? –, das war auch ein großer Deutscher, der den gemacht hat, – –

(Jürgen Gansel, NPD: Der Konrad!)

Sehen Sie, Sie wissen sogar den Vornamen. Das ist die Halbbildung. Ich weiß den Nachnamen.

(Heiterkeit und Beifall bei Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Ein Blick in den Duden hätte Sie belehren können.

Ich lese „weit überwiegend“ in der Begründung des Antrages, in dem gegebenen Zusammenhang wirklich ein sehr merkwürdiges Deutsch.

Die Verwendung der Präposition „seitens“ – vergleichen Sie in der Begründung, Zitat – „Ermutigung gerade seitens der“ und dann „politischen Instanzen“ und „Entscheidungsträger“.

(Gitta Schüßler, NPD: Wo sind Sie jetzt?)

Diese Präposition „seitens“ wird im Duden-Universalwörterbuch als Papierdeutsch bewertet. Das ist Ihr Deutsch.

Ich ziehe den Schluss. Es stimmen wohl die Umfrageergebnisse, die besagen, dass die NPD hauptsächlich von Männern mit geringem Bildungsniveau getragen und gewählt wird.

(Jürgen Gansel, NPD: Sie sind wesentlich jünger als Ihre Wähler.)

Nun warten Sie nur einmal ab.

Ich werde Ihnen jetzt noch Genie zusprechen, weil man an einer Stelle in Ihrem Antrag wahrlich Geniales und etwas von höchstem sprachlichem Niveau findet.

(Karl Nolle, SPD: Das kann doch nicht sein!)

Warte einmal ab!

Sie haben, ich habe es auch längst vermutet, endlich bemerkt, dass für nationale Mannen und Frauen gerade das Wort Nation und alle Ableitungen davon ehrenrührig sind, handelt es sich doch bei Nation um ein Fremdwort, das über das welsche Französisch aus dem Lateinischen auf uns gekommen ist.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

In Ihrem Antrag findet sich nun endlich eine bedeutungsgleiche Wortgruppe als Ersatz. Sie schreiben – Zitat: „die soziokulturelle Gemeinschaft – also die Nation“.

Welch ein Geniestreich! Das ist jetzt das wahre Deutsch auf hohem Niveau. Sie werden ja wohl nicht länger warten und Ihren Parteinamen entsprechend ändern: Soziokulturell Gemeinschaftsdemokratische Partei Deutschlands.

(Heiterkeit und Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Wie stolz und deutsch das klingt!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Merken Sie etwas, meine Dame und meine Herren von der NPD:

Die Chancen, Ihren Parteinamen ordentlich zu verdeutschen, sind gleich null. Das Fremdwort holt Sie immer ein. „Demokratisch“ und „Partei“ sind auch Wörter fremder Herkunft. Die deutsche Sprache, der große Speicher unseres Kulturwissens, diese Sprache – nehmen Sie das bitte zur Kenntnis – will Sie nicht. Sie will Sie

Eine derartige Abkanzelung des Deutschen hätte ich Ihnen als sehr kulturpolitisch engagiertem Menschen nicht zugetraut, aber es zeigt, dass in großen Teilen der Sächsischen Union ein gewisses Bewusstsein abhanden gekommen zu sein scheint, wie es zumindest bei den zwei zitierten Landtagsabgeordneten aus Thüringen noch vorhanden ist, die nämlich in ihrer Kleinen Anfrage – ich wiederhole es – ganz legitim gefragt haben: „Ist der Landesregierung ein englischsprachiger, ein italienischer, ein spanischer oder ein französischer Wissenschaftler oder eine Wissenschaftsorganisation eines der genannten Länder bekannt, der oder die sich vorstellen könnte, einen solchen rein nationalen Wettbewerb in einer anderen als der eigenen Landessprache durchzuführen?“

nicht gerade wegen Ihrer Nationaltümelei. Die Sprache zeugt nämlich von unserer multikulturell geprägten Geschichte und Gegenwart.