Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Die Gemeinschaftsaufgabe (GA) ist nun einmal neben dem Investitionszulagengesetz das wichtigste Instrument der Wirtschaftsförderung in den ostdeutschen Ländern.

Um auf oben genanntes Zitat zurückzukommen: Aufgrund der Anpassung der Fördersätze in der GA waren neue Antworten notwendig und das Vorhandene musste auf den Prüfstand. Man kann es am Beispiel der GA

Förderrichtlinie festmachen: Der Ansatz von Wirtschaftsminister Jurk eines einheitlichen Förderansatzes ist kompetent, richtig und notwendig.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dieser Ansatz ist wichtig für Sachsen; die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache. Die bisherige Abstufung der Städte Dresden und Leipzig hat nach der Studie des Institutes für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung in Halle kaum Einspareffekte bei der einzelbetrieblichen Investitionsförderung gebracht.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Die Studie kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Lenkungswirkung der regionalen Abstufung nur sehr gering war. Wir machen kein Hehl daraus: Auch im Hinblick auf die ab 2010 drohende beihilferechtliche Herabstufung des Regierungsbezirkes Leipzig ist gerade eine regionale Abstufung der Stadt Leipzig, aber eben auch der Stadt Dresden grundsätzlich falsch. Dies stärkt nicht den ländlichen Raum, sondern es schwächt den Mittelstand in den Ballungszentren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Frau Mattern, hier kommt das Stichwort Psychologie durchaus zum Tragen. Es ist Fakt, dass ein Unternehmer, wenn er von außen ins Internet schaut, zunächst einmal die niedrigeren Prozentsätze in den Ballungszentren sieht; und es werden Regionen verglichen, wenn eine Ansiedlung geplant ist. Es wird also Leipzig nicht mit Bertelsdorf bei Löbau oder mit Zschorlau bei Aue verglichen, sondern es wird Leipzig im Kontext mit Jena, Halle usw. verglichen.

(Leichter Widerspruch bei der CDU)

Deswegen ist dieser einheitliche Fördermittelansatz für Sachsen richtig und wichtig.

(Beifall der Abg. Sven Morlok, FDP, und Michael Weichert, GRÜNE)

Eines möchte ich eindeutig sagen: Das Kabinettsverhalten der Minister Flath und Tillich hat gezeigt: Es ist eben unmöglich, Staub wegzublasen, ohne dass jemand zu husten anfängt. Man stelle sich vor, zwei Minister der SPD hätten bei diesem Thema und dem Background in der Öffentlichkeit Sperrfeuer geschossen.

(Widerspruch des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Herr Hähle, ich hätte den Aufschrei des Entsetzens der CDU-Fraktion gehört. Der Ton wäre unisono gewesen.

Nein, ich muss eindeutig sagen, meine Herren Minister, in dieser Sache haben Sie sich verhalten wie zwei provinzielle Landpolitiker und nicht so, wie professionelle Landesminister es tun sollten.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU)

Das müssen Sie aushalten, Herr Hähle.

Gleichzeitig bin ich auf die Erklärungsversuche gespannt, die man für die kommunal Verantwortlichen in Dresden und Leipzig, besonders die mit dem Parteibuch der CDU, bereithält.

(Unruhe bei der CDU und der Linksfraktion.PDS – Widerspruch des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Die SPD-Fraktion ist – –

Ich darf um Ruhe bitten, damit der Redner ungehindert sprechen kann.

Die SPD-Fraktion ist froh und stolz, dass der größte Teil des Ansatzes von Staatsminister Jurk durchgesetzt wurde, denn es gibt diesen einheitlichen Fördersatz letztendlich. Wir haben diese Burg geschliffen. Das ist gut und richtig und wird sich für Sachsen positiv auswirken. Im Mittelpunkt der Wirtschaftsförderung in Sachsen steht – und das muss ich zu Frau Mattern auch noch einmal sagen – –

Bitte zum Schluss kommen.

– nicht Strukturpolitik oder Regionalpolitik, sondern in erster Linie Politik zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen. Das wird mit dieser Förderrichtlinie geschehen. 20 000 neue Jobs 2006, Investitionsvolumen so hoch wie noch nie, jeder Euro kofinanziert, gute Aussichten für 2007 – da kann man nur sagen: Weiter so, Staatsminister Jurk!

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Heinz Lehmann, CDU: Das waren null Punkte!)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nun hatte es die Europäische Union vor einigen Tagen mit ihren neuen Fördervorgaben doch tatsächlich geschafft, die Sächsische Union zu spalten. Da unterstützten CDU-Wirtschaftspolitiker unter dem Beifall der Industrie- und Handelskammern das Vorhaben von SPD-Wirtschaftsminister Jurk, den auf 30 % abgesenkten Förderhöchstsatz ohne jede regionale Differenzierung zu gewährleisten, und die CDU-Minister und -Abgeordneten aus den strukturschwachen Gebieten liefen dagegen Sturm. Unterstützt wurden sie dabei vom Landkreistag als dem Sprachrohr betroffener Landkreise und vom Regionalkonvent des Erzgebirges. Kritisiert wurde dabei völlig zu Recht, dass die noch vor wenigen Tagen avisierten Fördervorgaben ohne jede regionale Differenzierung zum Verlust von Investitionsanreizen im ausblutenden ländlichen Raum führen und Ansiedlungserfolge immer unwahrscheinlicher würden.

Nun hat man sich auf das geeinigt, was die CDU-Minister Tillich und Flath einen „tragfähigen Kompromiss“ nennen. Es bleibt dabei, dass statt bisher 35 nur noch 30 % des Investitionsvolumens der Unternehmen durch die

Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ gefördert werden.

Das ist die betrübliche Faktenlage. Da ist es nur von geradezu kosmetischer Natur, dass eine marginale regionale Differenzierung nun doch gegeben ist, indem Dresden einen Höchstfördersatz von 23 und Leipzig von 26 % erhält. Warum erhalten die Lausitz und das Erzgebirge als sprichwörtlich ausblutende Regionen aber nicht Fördersätze von vielleicht 38 oder 40 % und Leipzig und Dresden als vergleichsweise gut dastehende Wirtschaftsstandorte nur 25 %, um in ganz Sachsen eine gesunde sozialräumliche Entwicklung zu fördern? An dieser Stelle ist traurigerweise auf die Europäische Union zu verweisen.

In der heutigen Debatte wird bezeichnenderweise unterschlagen, dass die Neufassung der Förderrichtlinie wieder einmal nur Vorgaben der Europäischen Union folgt. Dass die massive Brüsseler Einflussnahme in deutsche und sächsische Förderbelange in diesem Haus nicht kritisiert, ja nicht einmal offen diskutiert wird, sondern sich das Politikergezänk einzig und allein um die Umsetzung des Brüsseler Förderdiktats dreht, spricht Bände. Brüssel befiehlt die Herabsetzung bisheriger Höchstfördersätze von 35 auf 30 % für Investitionsvorhaben und die Sächsische Staatsregierung spurt.

Auch mit der nun gefundenen Regelung verabschiedet sich Wirtschaftsminister Jurk de facto von den strukturschwachen Gebieten, und das, obwohl er selbst aus einer strukturschwachen Region kommt. Dabei wollten Sie, Herr Jurk, in strukturell uneinheitlichen Regionen doch allen Ernstes vor wenigen Tagen noch einheitliche Fördersätze bei der einzelbetrieblichen Gemeinschaftsaufgabe durchsetzen und betrachten dabei das Land ganz eindeutig nur aus einer Leuchtturmperspektive. Sie wollten die Förderpolitik in den Investitionshochburgen – wenn wir sie einmal so nennen wollen – doch tatsächlich derjenigen in den Strukturwüsten ähnelnden Regionen angleichen und der Förderpolitik somit jegliche sozialräumliche Lenkungswirkung nehmen. Darüber hinaus sind die GA-Zuweisungen des Bundes stetig rückläufig, sodass ein immer sparsamerer Umgang mit diesen Geldern geboten ist. Dies erreicht man allerdings kaum durch die flächendeckende Gewährung von Höchstfördersätzen.

Die NPD-Fraktion erachtet eine Differenzierung zugunsten strukturschwacher Räume in jedem Fall für zwingend geboten. Wenn Fördersätze nun regional doch etwas gestaffelt sind, ändert das nichts am um 5 % gesunkenen Fördervolumen für die von Arbeitslosigkeit und Abwanderung besonders betroffenen Gebiete, wie das Erzgebirge und die Lausitz.

Eine dünne Besiedlung bei gleichzeitiger Überalterung der Bevölkerung, eine schlechte Erreichbarkeit der Zentren, eine schlechte und sich verschlechternde Infrastruktur, die Schließung von Schulen und die geringe Industriedichte haben in nicht wenigen Regionen Sachsens zu einer strukturellen Massenarbeitslosigkeit schlimmsten Ausmaßes geführt. Längst finden folgenreiche Abkopplungsprozesse des ländlichen Raumes statt,

dessen Menschen immer weniger soziale Teilhabe- und Zugangschancen haben.

Statt eine nachhaltige Raum- und Sozialentwicklung zu fördern und den Menschen dadurch in ihrer angestammten Heimat den Zugriff auf die Ressourcen von Bildung und Arbeit zu ermöglichen, treibt die etablierte Politik gerade junge Menschen als potenzielle Familiengründer regelrecht in die Ferne. Es steht zu vermuten, dass das sächsische Wirtschaftsministerium mit seiner Leuchtturmpolitik und der Konzentration von Fördermitteln, Bildungschancen und Wachstumsbranchen auf einzelne regionale Kerne dem Wunschzettel der Globalisierer entsprechen will. Vielleicht ist Minister Jurk aber auch nur ein Naturfreund, der gerne Wölfe in freier Wildbahn beobachtet. Diese menschenscheuen Tiere sind nämlich in den von der Politik abgeschriebenen ländlichen Regionen Mitteldeutschlands mit einer besonders abnehmenden Bevölkerungsdichte immer häufiger ansässig, und es sollen vielleicht sogar auf ministeriellen Wunsch noch mehr werden.

In diesem Zusammenhang sei nur an das von den Blockparteien sonst immer so geheiligte Grundgesetz erinnert, das in Artikel 72 ganz klar die „Herstellung gleichartiger Lebensverhältnisse“ in ganz Deutschland verlangt, also die Angleichung der Lebensbedingungen in benachteiligten Regionen an die Lebensbedingungen der bevorzugten Regionen. In Sachsen scheint die CDU/SPD-Koalition aber vielmehr an der „Herstellung ungleichwertiger Lebensverhältnisse“ zu arbeiten. Die NPD-Fraktion hält das für einen Skandal und einen Verrat an den besonders unterstützungsbedürftigen Menschen im ländlichen Raum.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Morlok, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Um es gleich zu Beginn zu sagen: Eine spezielle Wirtschaftsförderung in den Regionen ist notwendig. Es kann nicht sein, dass sich die strukturschwachen Regionen von der allgemeinen Entwicklung abkoppeln, und Sachsen besteht nicht nur aus Dresden, Chemnitz und Leipzig.

(Beifall bei der FDP)

Herr Prof. Bolick, ich stimme Ihnen zu, dass wir uns über das Thema Wirtschaftsförderung ernsthaft Gedanken machen und darüber diskutieren müssen. Nur wer sich wie Sie als große Koalitionsfraktion in der Ausschusssitzung zu diesem Thema überhaupt nicht zu Wort meldet – nicht nur Sie, sondern die komplette CDU-Riege –, der zeigt, wie wenig Interesse er an einer ernsthaften Diskussion dieses Themas hat.

(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Oder, Herr Prof. Bolick, liegt es daran, dass Sie als wirtschaftspolitischer Sprecher erkannt haben, wie wenig sinnvoll die Differenzierung ist, Sie das aber heute nicht sagen dürfen, weil der MP Ihnen den Kopf gewaschen hat?

(Beifall bei der FDP)

Ich habe den Verzicht auf die Differenzierung auch sehr kritisch gesehen und mich entsprechend geäußert. Nur, wenn man sich die Zahlen der Staatsregierung anschaut, muss man sich fragen, ob sich die Differenzierung bewährt hat. In der alten Förderperiode wurden nach der dritten Förderpriorität, also Dresden und Leipzig, insgesamt 534 Entscheidungen getroffen. In 255 Fällen, also in 48 % der Fälle, hat man von der Ausnahmeentscheidung Gebrauch gemacht. In 48 % der Fälle! 83 % der Mittel, die nach Dresden und Leipzig geflossen sind, flossen nach der Ausnahmeentscheidung, also den höheren Fördersätzen. Diese Zahlen zeigen ganz klar, dass die Großen sich durchsetzen, sie erreichen die Ausnahmeentscheidung, und die Kleinen und Mittelständler bleiben auf der Strecke.

Das ist die Botschaft der Vergangenheit. Deswegen müssen wir uns Gedanken machen, ob es sinnvoll ist, wenn wir 3 Milliarden Euro in der Förderperiode 2000 bis 2006 ausreichen und von diesen 3 Milliarden Euro nach dritter Priorität gerade einmal 107 Millionen Euro ausgereicht wurden, also 3,4 % der Mittel der letzten Förderperioden wohl nach den niedrigeren Fördersätzen Dresden und Leipzig erhielten. Eine Riesenbürokratie für 3,4 % der Mittel, das ist doch ein fauler Kompromiss zulasten Dritter, wenn man jetzt sagt: Dresden minus 7 und Leipzig minus 4. Kollege Pecher hat zu Recht darauf hingewiesen, in welchem Konkurrenzverhältnis Dresden und Leipzig stehen, eben nicht gerade zu den strukturschwachen Regionen, sondern zu Ballungszentren woanders.

Ich glaube auch nicht, dass es in unserem Sinne sein kann, dass derjenige, der in Dresden den 7-%-Abschlag nicht haben möchte, dafür in das strukturschwache Radebeul geht und ihn dort bekommt. Das ist nämlich die Konsequenz dieser Förderrichtlinie.

Die Ausnahmetatbestände haben sich nicht bewährt. Mit dieser GA-Richtlinie ist eine differenzierte Strukturpolitik nicht zu betreiben. Allerdings, Herr Jurk, da sind Sie gefordert. Sie müssen uns Alternativen nennen, wie wir dann eine Wirtschaftsförderung in den strukturschwachen Regionen betreiben wollen.