Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schmalfuß, ein wenig war schon irritierend, was Sie zum Titel Ihres Themas beigetragen haben. Ich gebe zu, dass es für mich nicht ganz so einfach war: Wir haben mit Kollegen versucht, das Ziel und das Anliegen aus dem Titel zu erschließen. Das ist uns leider nicht so ohne Weiteres gelungen.
Ich möchte deswegen meine Interpretation des Themas darstellen und noch einmal kurz auf den Titel der Debatte kommen. Hier wurden ja viele spannende Kategorien angesprochen, starke Worte, und diese sehr ungewöhnlich in Beziehung gesetzt: „Exzellenz statt Schneckentempo“, Freiheit, mutige Reform. Und das Ganze wurde auch noch miteinander verbunden.
Im Philosophieunterricht wurden wir früher angehalten, wenn sich ein Text nicht sofort erschloss, uns ganz nah an den Text zu halten. Das probierte ich. „Exzellenz“ bezeichnet ja unter anderem einen formalen Titel. Bei Hochschulen denkt man natürlich sofort an Rektoren. Ich lese also: Exzellenzen – Rektoren an den Hochschulen.
Auf der anderen Seite wird als Gegensatz das Schneckentempo benannt. Nun schreiten Exzellenzen ja eher würdevoll und langsam. Das Schneckentempo bezeichnet umgangssprachlich eher eine langsame Geschwindigkeit. Das ergab also keinen Sinn.
Dann habe ich mich doch an die etwas verpönte Sekundärliteratur gehalten, und siehe da: Ich wurde bei Wikipedia schlau. Nun vermute ich, verehrte Kollegen von der FDP, dass es Ihnen gar nicht um die Geschwindigkeit ging – das macht ja keinen Sinn –, sondern um die Fortbewegungsart der Schnecke. Das macht dann Sinn.
Mit der Schnecke meinen Sie wahrscheinlich die Koalition. Nun zitiere ich Auszüge aus Wikipedia, in denen die
Fortbewegung der Schnecke beschrieben ist. Ich löse das nachher hochschulpolitisch auf. Also was meinten Sie?
Am Kopf trägt die Schnecke ein oder zwei Paar einziehbare Fühler – wahrscheinlich sind hier die Fraktionsvorsitzenden gemeint. Ich weiß nicht, wer dann die Spieler im Hintergrund sind. Die Schnecke bewegt sich mit einem breiten muskulösen Fuß fort, kleinere Schnecken auf einem Wimpernteppich, größere Schnecken auf einer Schleimspur. Ich finde diesen Vergleich ein bisschen hart. Aber die parlamentarische Freiheit lässt eine ganze Menge zu.
Einige Schnecken vollführen eine Art Schreitgang, da ihr Fuß in zwei Sohlensegmente geteilt ist. Das heißt also, wir haben in dem Fall einen sehr großen und einen sehr kleinen Fuß und die Schnecke müsste im Kreis gehen. Einige Schnecken sind in der Lage, ihre Fußsohle exakt an den Untergrund anzupassen und sich mit Druck festzusaugen. Nachts lösen sie sich von ihrem Platz, um auf Futtersuche zu gehen. Sie wandern am nächsten Tag exakt wieder auf die gleiche Stelle zurück. Einige Schnecken haben sich auch zu festsitzenden, klebenden Schnecken entwickelt, welche ihre Nahrung einzig durch das Einstrudeln des Wassers aufnehmen. Das wollten Sie wahrscheinlich auch anprangern.
Denn tatsächlich – schaut man auf das ausstehende Hochschulgesetz – könnte man das so verstehen: Entweder die Koalition dreht sich im Kreis, also kleines und großes Fußsegment, manchmal bewegt sie sich auch still und heimlich. Wir wissen, es gibt eine Koalitionsarbeitsgruppe zum Hochschulgesetz, die ab und zu tagt. Aber hinterher scheint man wieder an dem gleichen P tagt unkt zu sein wie vorher. Oder Sie meinen, die Koalition steht einfach nur still. Schaut man auf den Stand der Verhandlungen, könnte das auch der Fall sein.
Dann zielt es aber darauf, dass mit Exzellenz auch die besondere Güte einer Leistung gemeint sein kann. Darin gebe ich Ihnen vollkommen recht. Sie wollten die besondere Güte der Leistungen der demokratischen Oppositionsparteien im Gegensatz zur Koalition hervorheben. Diesbezüglich kann ich mich nur anschließen. Wir demokratischen Parteien haben eine ganze Menge vorgelegt. Sie spielen ganz sicher auf den von uns, der Linksfraktion.PDS, am 1. September eingebrachten Gesetzentwurf zur Reform der Hochschulen im Freistaat Sachsen an.
Mit dem zweiten Teil Ihres Titels sprechen Sie mir aber auch aus dem Herzen. Sie wollen mehr Freiheit für die Universitäten durch eine mutige Hochschulreform. Ich nehme an, Sie meinen hier nicht die Orientierung an den allseits bekannten Lobbyisten von CIA, Bertelsmann und Co., denen es nur um Kommerzialisierung von Bildung geht und die den Umbau der Hochschulen und ihrer Nebenstrukturen predigen, wobei Studierende nur noch
Kunden sind und sogar Studiengebühren bezahlen müssen. Freiheit von Lehre und Forschung hat dort keinen Platz mehr.
In einem anderen Punkt muss ich Ihnen aber widersprechen, was die SPD bezüglich der Strategie der kleinen Schritte angeht. Sie erinnern sich: große und kleine Sohle. Bisher hat es die SPD geschafft, Studiengebühren in Sachsen und den Umbau der Hochschulen in reine Dienstleistungsunternehmen zu verhindern.
Frau Kollegin, können Sie mir bitte in diesem Zusammenhang erklären, was Sie von Langzeitstudenten halten?
Wir haben in Sachsen das Problem, dass die Hochschulen nicht genügend Seminare anbieten. Die Studenten müssen sich, wenn sie zum Beispiel ein Lateinseminar besuchen wollen, nachts um zwei oder um drei anstellen. Meistens haben sie trotzdem nicht die Möglichkeit, dieses Lateinseminar tatsächlich zu besuchen. Wir haben deshalb im Hochschulgesetz die Pflicht der Hochschulen eingeführt, dass sie es den Studenten ermöglichen müssen, in der Regelstudienzeit diese Seminare anzubieten, bzw. dass ein Teilzeitstudiengang möglich ist, damit Studenten, die vielleicht Kinder haben und alleinerziehend sind, ihr Studium abschließen können.
Zurück zur SPD. Die SPD rackert sich wirklich ab, obwohl sie sich scheinbar nicht fortbewegt. Sie lebt eher mit diesem Makel, statt sich zu beugen. Das finde ich, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP – darin gebe ich Ihnen völlig recht –, sehr mutig. Eines allerdings habe ich nicht verstanden: Was ist plötzlich mit den Fachhochschulen passiert? In Ihrem Titel sprechen Sie nur von den sächsischen Universitäten, doch ich denke, dass unsere sächsischen Fachhochschulen ein ebenso gutes Aushängeschild sind und eine sehr gute Forschungsstruktur anbieten. Ich denke, wir sollten sie in den Reformprozess unbedingt einbeziehen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich fand die Themenanalyse von Frau Werner sehr schön; es gab einen biologischen Exkurs, bei dem wir etwas über Schnecken erfahren
haben. Auch ich habe mir über dieses Thema so meine Gedanken gemacht, denn das Thema ist an sich sehr widersprüchlich.
Zunächst zu Ihnen, Frau Werner. Die Koalition dreht sich selbstverständlich nicht im Kreis. Die SPD bewegt sich ständig vorwärts – das ist ganz klar –, mit klarer Zielrichtung.
Ich denke, das ist selbstverständlich. – Ich brauche nicht zu wiederholen, dass uns das Wort „Schneckentempo“ bei diesem Thema irritiert, und ich hoffe, dass es uns noch etwas nahegebracht wird, denn Herr Schmalfuß hat dazu in seiner ersten Ausführung nicht allzu viel gesagt.
Wenn es heißt, „Exzellenz statt Schneckentempo“, dann frage ich mich schon, worin der Zusammenhang bestehen soll. Entweder es heißt „Exzellenz statt Mittelmaß“ – ja, dann sind wir auch dieser Meinung, dann spricht man von Qualität. Wir als Koalition sind für Qualität, und die ist hier auf jeden Fall wichtiger als Schnelligkeit. Ich habe der Rede von Prof. Wöller entnommen, dass auch er dieser Meinung ist.
Es kann bei einem FDP-Antrag bzw. bei einem solchen Thema gar nicht anders sein, als dass es um mehr Freiheit für die sächsischen Universitäten geht. Ich hoffe, dass wir hierüber noch etwas erfahren. Der SPD geht es um die Autonomie der Hochschulen und damit um die Übertragung von mehr Verantwortung. Das heißt, der Einfluss des Wissenschafts-, aber auch des Finanzministeriums wird zukünftig eingeschränkt und die Eigenverantwortung der Hochschulen wird im Gegenzug nachhaltig gestärkt.
Ist es das, was Sie unter dem Wort „Freiheit“ verstehen? Es ist das, was wir als Koalition unter dem Wort „Freiheit“ verstehen. Es ist klar, das erfordert geeignete Leitungsstrukturen. Diese Leitungsstrukturen finden sich in einem modernen Hochschulgesetz wieder.
Am Ende des Prozesses muss die Befugnis der Hochschule stehen, über Fragen des Personals, der Organisation und des Haushalts selbst zu entscheiden. Die Hochschulen müssen in die Lage versetzt werden, flexibel und eigenverantwortlich auf neue wissenschaftliche, gesellschaftliche und organisatorische Entwicklungen und Veränderungen zu reagieren. Die Autonomie der Hochschulen ist somit eine zentrale Voraussetzung für die Diversifizierung der Hochschullandschaft und damit für die Profilbildung und das Erbringen von Spitzenleistungen – was wir alle gefordert haben und auch wollen. Es geht also um nichts anderes als um die Sicherung der Zukunftsfähigkeit unserer Hochschulen.
Doch braucht es dazu ein mutiges Gesetz? Diesbezüglich möchte ich die Betonung auf „mutig“ legen. Ich halte in
diesem Zusammenhang mehr von Professionalität. Die Hochschulen benötigen entsprechende Rahmenbedingungen, um den Aufgaben der Zukunft gerecht zu werden, wobei die staatliche Strukturverantwortung für eine angemessene Finanzierung von Forschung und Lehre erhalten bleiben muss.
Der Staat muss gewährleisten, dass jeder Einzelne nach seiner Befähigung die Möglichkeit hat, eine akademische Ausbildung zu absolvieren.
Schaut man sich die zukünftigen Aufgaben der Hochschulen an, dann sollen sie als Innovationsmotor dienen und so die Grundlage für ökonomische Dynamik legen, sie sollen die soziale Inklusion durch Zugänge zum Arbeitsmarkt darstellen, sie sollen als Zentren regionaler Entwicklung dienen und als Forschungseinrichtungen Antworten auf drängende Zukunftsfragen geben.
Oder anders ausgedrückt: Hochschulen sollen sowohl eine exzellente Lehre gewährleisten als auch Spitzenforschung auf Weltniveau betreiben. Sie sollen differenziert, profiliert, international orientiert und für Wandel und Wettbewerb offen sein. Dass das allein mit einem mutigen Gesetz zu bewältigen ist, glaubt in diesem Saal wohl niemand. Um die erwähnten Ziele zu erreichen, ist sehr viel mehr notwendig als nur ein neues, mutiges oder sonst wie bezeichnetes Hochschulgesetz.
Schaut man sich die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 11. März 2006 an, so stellt man fest, dass diese vor einem Mangel an Forschern warnt und dass Europa seine Attraktivität für Forscher entscheidend verbessern muss, weil gut ausgebildete Humanressourcen – ich finde, es ist zwar ein schreckliches Wort, aber es wird immer wieder verwendet – den Eckpfeiler für die Weiterentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und für technologischen Fortschritt bilden. Sie verlangt stabilere und attraktivere Laufbahnen sowie verbesserte Karriereaussichten, um mehr junge Menschen für eine Laufbahn in der Forschung zu gewinnen. Mit kurzfristig beschäftigtem Nachwuchs allein werden die Hochschulen keinem Wettbewerb standhalten. Kontinuität ist eine wesentliche Voraussetzung für Qualität. Nur mit der Stärkung der Bedeutung der Forschung wird Deutschland auch zukünftig für den besten internationalen Forschungsnachwuchs attraktiv sein.
In diesem Zusammenhang äußerte sich der Präsident der Universität Karlsruhe folgendermaßen: „Solange sich die Strukturen im Bildungssystem nicht ändern, können wir es kaum bis ganz nach oben schaffen. Ein Beispiel ist das starre Besoldungssystem für Professoren mit einem Grundgehalt von 4 700 Euro. Dabei kann die Universität Karlsruhe im Wettbewerb um die besten Köpfe nicht mitspielen.“ Gleiches gilt, denke ich, sogar in verstärkter Form für Sachsen.
Wir brauchen geeignete Rahmenbedingungen. Ein Eckpfeiler bzw. ein Baustein dafür ist das neue Hochschulgesetz, aber das allein kann auf keinen Fall die Hochschulen in die Kategorie bringen, die wir wollen.