Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Ich komme zum Schluss. – Dafür müssen die Hochschulen selbst etwas tun und dazu müssen wir noch andere Dinge bewältigen. Ich habe es gerade an einem Beispiel erwähnt. Das bedeutet, nach dem Studium geeignete Arbeitsbedingungen und den Übergang bei veränderten Hochschulbedingungen von der Schule zur Hochschule zu schaffen. Auch daran müssen wir denken, auch hierzu muss einiges getan werden.

Frau Dr. Raatz, bitte zum Schluss kommen.

Ja. – Das Gesetz allein ist nicht daran schuld, dass Dresden in der Exzellenzinitiative nicht so abgeschlossen hat, wie wir es uns alle gewünscht hätten.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Exzellenz statt Schneckentempo“, das klingt anpackend und visionär – so wie sich die FDP allzu gern darstellt. Auch hier mit dieser Debatte präsentiert sich die FDP erneut als Schrittmacherin für noch mehr Hochschulreformen, noch mehr Liberalisierung und für das Abschneiden vermeintlich alter Zöpfe und schiebt dabei ganz unverhohlen denen, die es vielleicht nicht ganz so eilig mit der Umgestaltung des deutschen Hochschulwesens haben, den Schwarzen Peter der Reformverweigerung zu.

Dabei wird ignoriert, dass wir uns in Sachsen und nicht etwa in Bayern oder in Baden-Württemberg befinden. Jedem in diesem Haus muss doch klar sein, dass die Exzellenzinitiative eine ungleiche Wettbewerbsspirale zulasten mitteldeutscher Universitäten in Gang gesetzt hat. Vor diesem Hintergrund war es zu erwarten, dass in der ersten Runde des sogenannten Elite-Castings der deutschen Hochschulen, die im Oktober letzten Jahres abgeschlossen wurde, drei Hauptgewinner gezogen wurden, aber alle westdeutsche Universitäten: die zwei Münchner Universitäten und die Universität Karlsruhe.

Das gleiche Spiel wiederholte sich erwartungsgemäß im Januar 2007 bei der Vorauswahl zur zweiten Runde des Exzellenzwettbewerbs, denn auch hierbei ging Mitteldeutschland einschließlich Sachsens leer aus. Die Gewinner, die sich für das Finale um den Titel „EliteUniversität“ qualifiziert haben, sind ausschließlich Hochschulen aus den alten Bundesländern, aus Bayern, aus Baden-Württemberg und aus Nordrhein-Westfalen.

Über diese Schieflage waren sich Wissenschaftspolitiker und Hochschulexperten durchaus im Klaren. So erklärte der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst-Ludwig Winnacker, dass es einen grundlegenden

Unterschied mache, ob eine Universität erst seit zwölf oder 15 Jahren die Chance zum Strukturaufbau hatte, wie in Mitteldeutschland, oder ob eine Universität in vier Jahrzehnten Erfahrungen sammeln und Kompetenzen bündeln konnte, wie es im Fall der westdeutschen Universitäten ist.

In dieser grob ungleichen Ausgangslage für den Wettbewerb um das Eliteprädikat liegt der ganze Geburtsfehler der Exzellenzinitiative. Sie wird in den kommenden Jahren vielleicht tatsächlich dazu beitragen, dass sich einige deutsche Hochschulen mehr als in der Vergangenheit als Leuchttürme in der internationalen Forschungslandschaft präsentieren können. Aber sie wird eines mit Sicherheit nicht bewerkstelligen können: die Schieflage zwischen west- und mitteldeutschen Universitäten zu beseitigen. Insofern wären wir doch gerade hier im Freistaat gut beraten, nicht auf dem falschen Bein „Hurra“ zu schreien. Es gibt eine Anzahl sehr guter – wenn man so will, exzellenter – Hochschuleinrichtungen in Sachsen, das ist völlig unbestritten. Aber sie werden mit Sicherheit nicht zu den Gewinnern im Rahmen der Exzellenzinitiative gehören. – Das ist das eine.

Es kommt aber noch ein ganzer Rattenschwanz an Folgeproblemen hinzu, und wer A sagt, der muss auch in diesem hochschulpolitischen Fall konsequent B sagen; denn die Exzellenzinitiative, die aus der deutschen Hochschullandschaft – so kann man es etwas zugespitzt formulieren – ein Haifischbecken von Konkurrenten macht, in dem im Kampf um Drittmittel und Studenten künftig jeder versuchen wird, den anderen wegzubeißen, ist ja nur die Spitze des Eisberges. Wer diese zugespitzte, fast irrwitzige Konkurrenzsituation gutheißt, der muss konsequenterweise zumindest perspektivisch auch hier in Sachsen die Einführung von Studiengebühren gutheißen,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

der muss konsequenterweise auch den Umbau des deutschen Hochschulstudiums mit seinen bisherigen Abschlüssen gutheißen – Stichwort: Bologna-Prozess –, und der muss konsequenterweise auch begrüßen, worüber wir gestern bereits auf Antrag der NPD debattierten: dass nominell deutsche Hochschulen de facto immer mehr zu Ablegern einer virtuellen angloamerikanischen Highschool-Landschaft werden und auch wissenschaftspolitisch anglisieren.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Was ist denn virtuell?)

Die NPD-Fraktion will das alles nicht. Wir sprechen uns grundsätzlich gegen die Liberalisierungsexzesse im Hochschulbereich aus, wie sie vielleicht der FDPFraktion vorschweben mögen, und wir halten insbesondere nichts davon, gerade mitteldeutschen Hochschuleinrichtungen die Exzellenz-Zwangsjacke überzustülpen, die ihnen garantiert nicht passen wird und die sie langfristig gegenüber ihren westdeutschen Hochschulkonkurrenten noch mehr ins Hintertreffen geraten lassen wird.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Reden Sie doch mal deutsch!)

Mit „Mut“ statt „Schneckentempo“, wie es die FDP in Ihrem Antrag formuliert hat, hat das alles wahrlich wenig zu tun.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der GRÜNEN das Wort; Herr Dr. Gerstenberg.

(Heinz Lehmann, CDU: Im Schneckentempo, bitte!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Zusammenhang zwischen NPD, Hochschule und Exzellenz hat Prof. Porsch gestern bereits ausreichend erörtert, darauf muss ich jetzt zum Glück keine Redezeit mehr verschwenden.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Aber ich gestehe, dass die durch meine Kolleginnen und Kollegen aus den demokratischen Fraktionen bereits breitest zitierten Themen aus dieser Debatte schon ein Problem sind. Die FDP-Fraktion hätte dazu eigentlich einen „Aktuellen Tag“ beantragen müssen.

Die Begriffe Exzellenz und Hochschulreform rahmen dieses Thema ein, und sie prägen seit geraumer Zeit die hochschulpolitische Diskussion, nicht nur in Sachsen, sondern bundesweit. Auch wenn man angesichts dieser Dauerpräsenz zu Recht fragen könnte, was an der heutigen Debatte denn wirklich aktuell ist – angesichts der Bedeutung von Wissenschaft und Hochschule für die Zukunftsfähigkeit Sachsens kann man beide Themen nicht oft genug in die Debatte bringen.

Ich möchte aber schon vorab davor warnen, Wissenschafts- und Hochschulpolitik im Sinne eines ökonomistischen Leitbildes zu diskutieren, wie es nicht nur im Antragstitel „Exzellenz statt Schneckentempo“ anklingt, sondern auch erklärtes Ziel einiger Hochschulreformer hier im Hause ist. Zur Illustration möchte ich kurz folgende überlieferte Anekdote erzählen:

Vor fünf oder sechs Jahren hielt der damalige Finanzminister Georg Milbradt auf einer Hochschulrektorenkonferenz in Halle eine Philippika über die Verschwendung von Geldern an den Universitäten und die Notwendigkeit eines effizienteren Wirtschaftens an den Hochschulen. Daraufhin stand ein weißhaariger Professor auf, der Milbradt zugute hielt, von einer guten Universität zu stammen, da er offensichtlich eine gute Rede gehalten hat. Doch dann hat er ihm und dem Auditorium folgende Frage gestellt: Was kann eine Legislaturperiode gegen die Wissenschaft? Daraufhin war Schweigen im Raum. Alles war gesagt.

Meine Damen und Herren! Diese Anekdote sagt mir in zweierlei Hinsicht etwas. Zum einen: Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten mit einer wo

möglich schnellen, weitreichenden und effizienzorientierten Hochschulreform vonseiten der Politik die sächsischen Hochschulen binnen kürzester Zeit auf das berühmte Weltniveau bringen. Zum anderen: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht mit allzu voreiligen und unbedachten Hochschulreformen die Eigenlogik der Wissenschaft verletzen, sodass letztlich der Schaden größer wäre als der Nutzen.

Kollege Schmalfuß, auch und gerade im Hinblick auf das Thema Exzellenz zeigt sich, dass langfristig manchmal über Jahrzehnte gewachsene Strukturen letztlich in der Exzellenzinitiative erfolgreich waren. Nicht das Schneckentempo der Reform ist hier die Frage, sondern wie dauerhaft und tragfähig ihr Ergebnis ist. Es geht nicht um eine Hochschulreform im D-Zug-Tempo, sondern es geht schlicht um eine gute, tragfähige und wissenschaftsadäquate Hochschulreform. Dass dieses Ziel der Qualität aus dem Blick gerät, treibt mich bei den derzeitigen Koalitionsdebatten um das Hochschulgesetz weit mehr um als die zeitlichen Verzögerungen.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Wir GRÜNEN wollen eine mutige Hochschulreform. Wir wollen mehr Freiheit, und das in gebotener Zeit. Dazu haben wir vor der Sommerpause einen eigenen, in vielen Punkten sehr weitreichenden Hochschulgesetzentwurf veröffentlicht. Wir haben uns aber auch sehr bewusst dafür entschieden, ihn nicht sofort einzureichen, sondern ihn ausführlich an den Hochschulen zu diskutieren. In unseren Gesprächen haben wir dazu viel Zustimmung erhalten, aber auch Kritik und Hinweise – Dinge, die es eben braucht, um ein gutes, ein tragfähiges und wissenschaftsgerechtes Hochschulgesetz vorzulegen.

Ich hätte mir einen ähnlichen Prozess auch vonseiten der Staatsregierung gewünscht. Die Gläserne Werkstatt des Staatsministeriums ist ein erster Anfang, ein Anfang, der freilich entwertet wird, wenn wenige Tage zuvor bereits wesentliche Koalitionsentscheidungen zu den Strukturen getroffen werden.

Das, was von diesen Entscheidungen bisher bekannt wurde – umfassende Entscheidungsgewalt für Rektorate und Hochschulräte –, deutet in eine Richtung, die von den Hochschulen in großer Mehrheit Anfang letzten Jahres abgelehnt wurde. Sicher, die überwiegende Mehrheit der Hochschulen ist sich mit uns einig: Ja, wir brauchen Exzellenz; ja, wir brauchen Hochschulreformen, die zu mehr Freiheit an den Hochschulen führen. Aber ich frage ebenso wie Prof. Wöller, wenn auch unsere Antworten wahrscheinlich unterschiedlich sind: Was aber ist denn diese Freiheit, die wir da meinen? Ist es die Freiheit einzelner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, für ihre Projekte unbürokratisch und eigenständig finanzielle und personelle Mittel einzusetzen? Haben Studierende auch künftig die Möglichkeit, frei zu studieren und Lehrveranstaltungen zu besuchen, die sie nicht unmittelbar für das Erwerben von Scheinen brauchen? Oder heißt Freiheit, einzelne Rektoren oder Kanzler an die Spitze managerartig geführter Wissenschaftsunternehmen zu

stellen, wobei sie die Freiheit haben, eigenständig zu regeln, in welcher Höhe Studiengebühren erhoben werden?

Wenn es um die Freiheit im Sinne sogenannter Hochschulfreiheitsgesetze, wie jüngst in Nordrhein-Westfalen verabschiedet, geht, so ist das alles andere als die Freiheit, die wir meinen; und mit Sicherheit ist es nicht die Freiheit, die Wissenschaftler, Mitarbeiter und Studierende an den sächsischen Hochschulen wollen. Die Freiheit, die die GRÜNEN meinen, werde ich Ihnen im zweiten Teil noch näher erläutern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Herr Herbst.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde eines fantastisch: dass sich meine Vorredner mit dem Titel der Debatte beschäftigen. Gestern hatte die SPD eine brillante Debatte zum Thema „Sachsen – europäisch und sicher“ auf die Tagesordnung gesetzt, dort hat sich keiner der Redner mit dem Titel beschäftigt, weil er so konfus war.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Doch! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Oh, oh, oh!)

Meine Damen und Herren! Hier wurden Fragen gestellt wie: Was haben Exzellenz und Freiheit miteinander zu tun? Ich möchte Ihnen auch eine Frage stellen: Kennen Sie weltweit eine Universität oder eine Hochschule, die exzellente Leistungen bringt, die nicht in einem freiheitlichen Umfeld stattfinden? Mir fällt spontan keine ein.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Und Exzellenz und Schneckentempo? Ja, ich kann Ihnen sagen, was damit gemeint ist, meine Damen und Herren. Einige Vertreter der Koalition meinen ja, alles brauche seine Zeit. Wenn ich mir andere Beispiele der Regierung anschaue, Stichwort: Ladenschlussgesetz oder Stichwort: Mammografie, Brustkrebsfrüherkennung – meine Damen und Herren, Sie irren sich: Nicht alles, was lange dauert, wird am Ende gut.

(Beifall bei der FDP)

Ich denke, bei Teilen der Koalition, aber auch bei PDS und GRÜNEN herrscht noch immer das Verständnis, dass man Hochschulen als nachgeordnete Behörden des Ministeriums betrachtet. Eine Portion Freiheit dürfen sie vielleicht bekommen, aber ja nichts darüber hinaus. Die kurze Leine wird um ein paar Zentimeter gelockert, doch gekappt wird sie nicht.

Wir sehen das anders, meine Damen und Herren. Wir wollen die Hochschulen wirklich in die Freiheit entlassen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Man muss sich schon entscheiden, ob man Hochschulen als Behörden oder als Bildungsdienstleister will.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Weder – noch!)

Die Linksfraktion.PDS hat diese Frage beantwortet, sie will Ersteres. Wir wollen Zweiteres: Wir wollen moderne, serviceorientierte Universitäten mit möglichst attraktiven Angeboten für Studenten.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Herr Wöller, dass das alles nur in direkter staatlicher Verantwortung geschehen kann, das glauben in Ihrem Herzen wohl nicht einmal Sie. Ich weiß, dass der sächsische Ministerpräsident es auch deutlich anders sieht.