Protokoll der Sitzung vom 15.03.2007

(Beifall bei der NPD)

Wird von der CDU-Fraktion das Wort gewünscht? – Frau de Haas. Als Sächsische Ausländerbeauftragte?

(Friederike de Haas, CDU: Als Koalitionsrednerin!)

Als Koalitionsrednerin.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eines zu Beginn ganz klar feststellen: Dieses Hohe Haus braucht keine Belehrungen in Fragen des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung,

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

zumal von einer Seite, die – das zeigt der Antrag in Wort und Substanz ganz deutlich – im Grunde nicht verstanden hat, worüber sie dabei spricht. Es ist schlichtweg absurd,

die Wirksamkeit unserer staatlichen Grundfesten von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung in Zweifel zu ziehen, wenn die Abschiebung einer Ausländerin und ihres Kleinkindes scheitert.

Es ist unverschämt, die Gewissensentscheidung einer Gruppe Dresdner Kirchgemeindemitglieder als angebliche Machtausübung sogenannter organisierter Lobbygruppen herabzuwürdigen und bewusst in Beziehung zu rechtswillkürlichem Verhalten zu setzen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Gewissensentscheidungen sind niemals willkürliche Entscheidungen. Dabei steht außer Frage, dass Kirchen im demokratischen Verfassungsrechtsstaat keine rechtsfreien Räume darstellen. Der Staat kann jederzeit von seinem Recht auf Vollzug ausländerrechtlicher Normen Gebrauch machen. Aber das ist auch nicht der Punkt.

Meine Damen und Herren! Der Punkt ist, dass ein Staat, um wahrhaft rechtsstaatlich sein zu können, nicht über alle Zweifel erhaben sein darf. Nicht im Großen und nicht im Kleinen, im Gegenteil! Der Rechtsstaat gründet seine eigene Legitimation nicht nur auf das Recht des Einzelnen, sondern auch auf seiner Einsicht, nicht grenzenlos richtig handeln zu können. Hier setzt das Kirchenasyl an. Nach seinen Leitgedanken soll Zeit gewonnen werden, um noch einmal die sorgfältige Prüfung der Rechte und Schutzansprüche der betroffenen Ausländer zu gewährleisten. Der Rechtsstaat und seine Institutionen werden dadurch nicht infrage gestellt. Allgemein rechtsverbindliche Regelungen zu treffen, diese zu vollziehen und Recht zu sprechen ist allein Aufgabe des Staates, und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dies im Freistaat Sachsen nur unzureichend erfüllt würde. Aber das Kirchenasyl eröffnet bewusst die Möglichkeit für staatliche Institutionen, im Ausländerrecht getroffene Entscheidungen zu überdenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist weder eine unbegründete Hoffnung, noch stellt es eine Anmaßung dar.

(Zuruf von der NPD: Frechheit!)

Die „Sächsische Zeitung“ vom heutigen Tag berichtet, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Fall der Betroffenen noch einmal in Ruhe prüfen will. Die Entscheidung bleibt abzuwarten. Ein Eindruck funktionsunfähiger rechtsstaatlicher Institutionen wird jedenfalls in keiner Weise vermittelt.

Meine Damen und Herren! Wohlgemerkt, Kirchenasyl eröffnet eine Möglichkeit – keine Pflicht des Staates, aber eine Möglichkeit –, von der ein Staat gern Gebrauch machen kann, der selbst sicherlich so nicht existieren würde, wenn es 1933 bis 1945 und auch 1989 nicht die offenen Türen und die schützenden Hände gerade der Kirchen gegeben hätte.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Im Übrigen lässt der vorliegende Antrag jeden vernünftigen Sinn vermissen. Weder wird damit den mit dem Vollzug des Ausländerrechtes betrauten Bediensteten des Freistaates Sachsen noch der Betroffenen und ihrem Sohn gedient. Sinnvolle Vorschläge zur Lösung des Problems fehlen ohnehin gänzlich. Wenn es darum gegangen sein sollte, zu provozieren, ist das Ziel ohnehin verfehlt; denn nicht zuletzt halten sich die Antragsteller selbst den Spiegel vor. Ihr offensichtlich totalitäres Grundverständnis von Staat und Gesellschaft zeigt sich auch in der hier formulierten Erwartung an unsere rechtsstaatlichen Institutionen.

Meine Damen und Herren! Deshalb sei in aller Deutlichkeit gesagt: Mit einer gewissenhaften und verantwortungsvollen Lösung des hier angesprochenen Falles schwächen wir den Rechtsstaat Sachsen nicht, sondern wir stärken ihn.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Zuruf von der NPD: Narrenfreiheit!)

Wird von der Linksfraktion das Wort gewünscht? – Frau Dr. Ernst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem konkreten Fall der angolanischen Mutter und ihres Kindes werde ich mich auf der Basis eines NPD-Antrages weiß Gott nicht äußern. Das ist erst einmal vollkommen klar.

Schauen wir uns Punkt 1 des Antrages an: Der Sächsische Landtag erkennt die Gewaltenteilung als Grundprinzip des Rechtsstaates an. Beantragt von der NPD-Fraktion – dazu muss ich schon sagen, man macht gewissermaßen den Wolf zum Schaf. Jedenfalls schlüpft hier der Wolf in den Schafspelz. Was Sie unter Rechtsstaatlichkeit verstehen, ist ein Bekenntnis zur Aufhebung der Rechtsstaatlichkeit für einen Teil der Menschen, die hier leben. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir diesen Unsinn mittragen! Nie und nimmer, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Sagen Sie das Ihren Wählern!)

So viele dumme Schafe, Herr Apfel, gibt es in diesem Land wirklich nicht. Ich will Ihnen zwei Dinge zum Asylrecht sagen. Das Erste ist: Zum Asylrecht gehört selbstverständlich auch, dass derjenige, den es betrifft – nämlich der Asylbewerber –, alle rechtsstaatlichen Mittel nutzen darf, die zur Verfügung stehen, damit er darum kämpfen kann, zum Beispiel eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten in dem Sinne, wie er will.

(Zuruf des Abg. Holger Apfel, NPD)

Das ist vollkommen klar. Es muss diese rechtsstaatlichen Mittel geben, um sich gegen Entscheidungen von Behör

den zu wehren, auch gegen Entscheidungen, die mit dem Staat zusammenhängen. Das Asylrecht ist, nebenbei bemerkt, ein Menschenrecht. Wie ist es denn in das Grundgesetz gekommen? Vielleicht denken Sie ab und zu mal darüber nach.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Es ist doch dadurch in das Grundgesetz gekommen, dass zu den von Ihnen so verehrten Nazizeiten viele Menschen – Kommunisten, Sozialdemokraten, Juden und andere – verfolgt wurden, ins Ausland gegangen sind und dort Asyl erhielten, sodass es nach dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiges Moment war, ein Asylrecht im Grundgesetz festzuschreiben.

(Holger Apfel, NPD: Immer wieder dieselbe Leier, fällt Ihnen nichts anderes ein?!)

Das ist ein so wichtiges Recht, dass es meiner Meinung nach mit dem Grundkonsens dieser Bundesrepublik zu tun hat. Wenn man dieses Asylrecht kippt, so wie Sie es sich vorstellen, verändert man den Charakter dieser Republik. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist natürlich ein typisch brauner, ein typischer Neonazi-Antrag. Das Papier, auf dem er steht, ist eigentlich zu schade dafür. Im Grunde passt er in die Kategorie Volksverdummung, wenn man sich das im Einzelnen anschaut. Sie kennzeichnen durch diesen Antrag anschaulich Ihre Politik, die verlogen, inhuman und dumm ist.

Kommen wir zur Verlogenheit. Verlogen ist der Antrag, weil Sie so tun, als würden Asylbewerber in Millionen Horden hier nach Sachsen kommen und uns überschwemmen. Ich frage mich: Wo sind sie? Die Handvoll Asylbewerber in Sachsen steht für dieses Horrorszenario nicht zur Verfügung.

Sie, die Sie Träger dieser Ideologie sind, und Ihre Partei haben ein wirkliches Trauma: dass Menschen, die keinen deutschen Pass haben, irgendwie keine richtigen Menschen sind. Dieses Trauma kann man vielleicht psychiatrisch behandeln lassen, ich weiß es nicht. Aber ich glaube, die Erfolgschancen sind relativ gering bei Ihnen.

(Jürgen Gansel, NPD: Sie brauchen selbst Therapien!)

Die brauche ich, ehrlich gesagt, nicht. Ich weiß aber, Herr Gansel, Sie fühlen sich da immer besonders angesprochen, weil Sie es ja besonders betrifft – keine Frage.

(Heiterkeit und Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Ihre im Antrag zur Schau getragene Politik der Rechtsstaatlichkeit ist inhuman, weil Sie wieder einmal Menschen unterschiedlich sortieren. Die einen sind wertvoll und die anderen sind nicht so wertvoll. Die nicht so wertvollen brauchen keine Rechtsstaatlichkeit. Wozu

denn? Die besonders wertvollen, natürlich die Deutschen – wir, die Deutschen –, brauchen die Rechtsstaatlichkeit. So geht das nicht! Sie wollen, dass Menschen nicht deutscher Herkunft zu Freiwild degradiert werden. Menschenwürde ist für Sie teilbar. Ja, selbstverständlich, je nachdem, welchen Pass man hat. Wenn Sie dann von Rechtsstaatlichkeit reden, wird mir einfach nur übel.

Kommen wir zur Dummheit in der Angelegenheit. Der Antrag ist natürlich auch dumm. Seit es die Bundesrepublik Deutschland gibt, gibt es im Rahmen von Gesetzlichkeit immer Einzelfallprüfungen. Es gibt immer Härtefallprüfungen. Es wird jeder und jedem x-Beliebigen zugebilligt, sich gegen Entscheidungen von Behörden und des Staates zu wehren. Das hat etwas mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Auch ziviler Widerstand ist etwas Rechtsstaatliches – Ihnen sicherlich suspekt, keine Frage. Auch Kirchenasyl ist rechtsstaatlich, was denn sonst?!

Lassen Sie mich dazu eine Bemerkung machen. Kirchenasyl ist eine der vornehmsten Entscheidungen, die Vertreter von Kirchen nicht erst in dieser Frage vorgenommen haben. Auch in der Zeit, in der Ihre Idole das Sagen hatten, gab es so etwas. Gelebter Humanismus ist einer demokratischen Gesellschaft würdig. So sehen wir das.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass nun die NPD mit Schmutz danach wirft, zeigt ihre kranke Geisteswelt. Keine Frage, hier ist nichts zu retten.

Ich bedaure die Zeit, die wir hier mit Ihnen verplempern, aber es lässt sich ja nicht ändern. Ich hoffe, es wird einmal besser nach 2009.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Höhnisches Lachen bei der NPD)

Wird von der SPD noch das Wort gewünscht? – Das war dann mit dem Beitrag der Ausländerbeauftragten erledigt. Dann gebe ich das Wort der Fraktion der FDP, wenn es gewünscht wird. – Nicht gewünscht. GRÜNE? – Auch nicht gewünscht. Dann frage ich die Staatsregierung. – Ebenfalls nicht gewünscht. Dann Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau de Haas, ich bedaure es aufrichtig, dass Ihre weinerliche und rechtsverhöhnende Rede viel zu wenigen CDU-Wählern zur Kenntnis gelangen wird. Ich wünsche Ihnen bis zum Ende der Legislaturperiode noch viele Reden dieses Inhaltes, und ich hoffe, dass möglichst viele CDU-Wähler diese Reden zur Kenntnis bekommen werden; dann kann wirklich ein Blinder weitere Wählerwanderungen bei der nächsten Landtagswahl von Ihrer Christenunion zur NPD vorhersehen.

(Beifall bei der NPD)