Protokoll der Sitzung vom 09.05.2007

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Anpassungs- und Vereinfachungsbestimmungen des Gesetzentwurfes bezüglich der Schiedsstellen in den Gemeinden sind nach Auffassung der NPDFraktion vernünftig und zustimmungsfähig. Wir gehen davon aus, dass dies auch für den neu eingeführten Teil II des Schiedsstellengesetzes gilt, in dem der rechtliche Rahmen für die Gütestellen auf der Grundlage des § 794 Zivilprozessordnung festgelegt wird.

Hier wird wohl die Intention verfolgt, die Amtsgerichte von Zivilstreitigkeiten stärker zu entlasten. Die Staatsregierung hat den Weg gewählt, die Einrichtung von Gütestellen nicht zu begrenzen, sondern im Namen der Berufsfreiheit lediglich vom Eingang der Anträge bei den Oberlandesgerichten und von der Erfüllung der allgemeinen Anerkennungsvoraussetzung durch die Antragsteller abhängig zu machen. Als Gütestellen kommen sowohl natürliche Personen wie Notare und Rechtsanwälte als auch Vereinigungen wie Berufsgenossenschaften infrage, sofern sie die Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen. Kommt es bei einer Gütestelle zu einer Einigung, so erwächst daraus ein vollstreckbarer Rechtstitel entsprechend § 794 Zivilprozessordnung.

Der vorliegende Gesetzentwurf hat einen sehr justizverwaltungstechnischen Charakter und bedarf deshalb einiger Erläuterungen hinsichtlich der damit verbundenen Erwartungen. Deswegen und angesichts der Schwierigkeit der Materie sollten einige Fragen geklärt werden, um hinter die Fassade des vordergründigen Regelungsgehalts zu blicken. Wie sieht die sächsische Schlichtungsstatistik bis jetzt aus? Weist sie bei einem Vergleich mit den Statistiken anderer Bundesländer auf zusätzliche Schlichtungspotenziale hin, die durch die Einführung der Gütestellen möglicherweise ausgeschöpft werden? Welche Pläne und Strategien hat die Staatsregierung für eine mittel- und langfristige Steigerung der Anzahl der Schlichtungsfälle unter den Rechtsstreitigkeiten? Ist es realistisch anzunehmen, dass eine nennenswerte Zahl von Rechtsanwälten sich als Schlichter bewerben wird? Spricht nicht neben dem hohen Schlichtungsaufwand der Vertretungsausschluss für die Mandanten bei einem späteren Gerichtsverfahren dagegen? Rechnet die Staatsregierung mit der künftigen Möglichkeit einer Einschränkung der Zahl der Amtsgerichte durch eine entsprechende Zunahme der Schlichtungsfälle? Wird im Kreis der Länderjustizminister, auf Bundesebene oder durch zusätzliche allgemeine Ermächtigungen der Länder über eine obligatorische Schlichtung, vergleichbar mit § 15a Einführungsgesetz für die Zivilprozessordnung, nachgedacht? Welche Rolle spielt die geplante EU-Richtlinie über Mediation in Zivil- und Handelssachen mit der Nummer COM (2004) 718 für diesen Gesetzentwurf oder für die weiteren Pläne der Staatsregierung? Das sind Fragen, die im Rahmen der Diskussion ebenfalls gestellt werden sollten.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion hat keinen Redner gemeldet. – Gut, Sie verzichten. Dann rufe ich die Fraktion GRÜNE auf. Herr Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das 1999 eingeführte System der Schiedsstellen mit zuständigen Friedensrichtern hat sich nach unserer Einschätzung gut entwickelt. Wir hatten Ende 2005

353 Schiedsstellen in Sachsen, nur 15 Gemeinden hatten keine, und es wurden alles in allem über 4 000 Fälle behandelt. Ich gestehe, die Masse waren sogenannte Tür- und Angelfälle, und ich gebe Herrn Bräunig ausgesprochen recht, dass wir Wege finden müssen, die Schiedsstellen weiter aufzuwerten und ihre Inanspruchnahme zu stärken.

Das hält mich aber nicht davon ab einzuschätzen, dass die Friedensrichterinnen und Friedensrichter eine wichtige und erfolgreiche Arbeit leisten – ich sage das nicht formelhaft, sondern in ausdrücklicher Anerkennung dieser ehrenamtlichen Arbeit –, und ich möchte ihnen für diese Arbeit danken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorgelegte Gesetzentwurf betrifft zum einen die völlige Anpassung an das Bundesrecht, wie etwa die Entschädigung herangezogener Dolmetscher und das Recht der Zustellungen. In einem neuen Teil II des Schiedsstellengesetzes werden die Anerkennungsvoraussetzungen als Gütestelle im Sinne des § 794 Zivilprozessordnung und die Verfahrensvorschriften geregelt. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die bisherige Verwaltungsübung dadurch auf eine rechtliche Grundlage gestellt wird, und halten dies für ein geeignetes Mittel zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung im Interesse des Rechtsfriedens und zur Entlastung der Justiz. Als sinnreich sehen wir auch die Regelung, über die gemeindlichen Satzungen eine Aufwandsentschädigung vorsehen zu können.

Alles in allem scheint das ein Gesetzentwurf zu sein, der eine breite Zustimmung im Sächsischen Landtag finden könnte. Ich würde ausgesprochen gern der Bitte von Kollegen Schiemann und Kollegen Bräunig nachkommen. Ich sagte aber „könnte“, weil die Anpassung an das Bundesrecht leider auf halber Strecke stehen bleibt. Die Staatsregierung hatte bereits vor einem Jahr in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Kollegen Krauß angekündigt, dass im Schiedsstellengesetz die Regelungen zu streichen sind, wonach Friedensrichter, Bewerber oder Vorgeschlagene verpflichtet sind, in die Einholung von Auskünften bei der Bundesbeauftragten für Stasiunterlagen einzuwilligen. Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Staatsregierung findet sich diese Ankündigung auch verwirklicht. Ich lege Ihnen ausdrücklich noch einmal die ausführliche Begründung zu dieser Passage ans Herz. Ich kann dort jedes Wort nur unterstreichen.

Die Koalition hat es für richtig und notwendig erachtet, diese Anpassung im Ausschuss wieder herauszunehmen und zu verhindern. Ich kann ein gewisses Verständnis für die politischen Hintergründe einer solchen Haltung entwickeln, aber rechtlich kann ich diese Position in keiner Weise teilen.

Die Gesetzgebung eines Landes kann und soll den durch Verfassung und Bundesgesetze gesetzten Rahmen ausschöpfen; wenn sie aber darüber hinausgeht – wie es die Koalition in dieser Passage tut –, dann kann man das nur

noch mit der sehr freundlichen Bezeichnung „symbolhafte Gesetzgebung“ formulieren. Man kann es auch schärfer sagen: Das ist grundgesetzwidrig.

Die CDU hat in den Jahren ihrer Alleinherrschaft in Sachsen oft versucht, mit dem Kopf durch die Wände der Verfassung zu gehen, und fand sich dann, wenn sie die Augen wieder öffnete, vor dem Verfassungsgerichtshof wieder. Es ist für uns ausgesprochen irritierend, dass dieser Stil jetzt auch vom Koalitionspartner SPD mitgespielt wird.

(Marko Schiemann, CDU: Das ist das Allerletzte, wirklich!)

Die Friedensrichterinnen und Friedensrichter in diesem Lande tragen in erheblichem Maße zum Rechtsfrieden bei. Die gütliche Einigung, die dort im Vordergrund steht, Kollege Schiemann, sollte auch für uns im Landtag ein Ansatz bei der Novellierung des Schiedsstellengesetzes sein. Wir geben Ihnen dann mit unserem Änderungsantrag die Möglichkeit, noch eine gütliche Einigung bei der Gesetzgebung herbeizuführen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gibt es aus den Fraktionen noch Redebedarf? – Herr Staatsminister Mackenroth, Sie haben das Wort, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon nach dem Sächsischen Schiedsstellengesetz aus dem Jahr 1999 kann Sachsen, anknüpfend an eine alte Rechtstradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, inzwischen ein weitgehend flächendeckendes Schiedsstellennetz vorweisen. Es ist schon gesagt worden: Ende des Jahres 2006 gab es im Freistaat 346 Schiedsstellen.

Das System der Schlichtung durch einzelne Friedensrichter schafft Anlaufstellen für die kleinen Nöte der Bürger – auch und gerade mit den ebenfalls erwähnten Tür- und Angelfällen. Dabei wird schon ein gewisses Maß an Befriedung geschaffen, was nicht zu unterschätzen ist.

In einer Zeit, in der immer mehr Bürger dazu neigen, auch Streitigkeiten in Bagatellsachen bis hin zum „Maschendrahtzaun“ ohne vorherigen Versuch einer Kommunikation und ohne den Versuch einer Streitschlichtung vor Gericht zu bringen und diese gegebenenfalls noch auf die andere Rheinseite bis in die letzte Instanz nach Straßburg zu tragen, kann die Tätigkeit der Friedensrichter vor Ort nicht hoch genug geschätzt werden.

Die Schiedsstellen nehmen eine wichtige Aufgabe in den Gemeinden wahr, indem sie helfen, die kleinen zwischenmenschlichen Konflikte zu befrieden und den Umgang miteinander neu zu gestalten. Dort – genau dort – liegt ihre Stärke. Gerade die Lösung nachbarschaftsrechtlicher Streitigkeiten trägt dazu bei, den sozialen Frieden in der Gemeinde bzw. in der Gemeinschaft wieder herzustellen und das nachbarliche Zusammenleben zu verbessern.

Bekanntlich haben die Parteien im juristisch-gerichtlichen Verfahren am Ende eines langen Instanzenweges zwar einen Titel erstritten, stehen aber letztlich nicht selten – diesbezüglich sind die Grenzen der Justiz aufzuzeigen – vor dem Scherbenhaufen zwischenmenschlicher Beziehungen und vor enttäuschten Erwartungen.

Wenn auch die Anzahl der Fälle, die zur Schlichtung an unsere Schiedsstellen herangetragen werden, mit circa 600 Fällen noch viel zu gering ist – Herr Abg. Bräunig hat darauf hingewiesen –, so hat sich das Sächsische Schiedsstellengesetz insgesamt bewährt. Es bleibt aber die Aufgabe, in jedem Fall alles zu tun, um die Akzeptanz dieses Verfahrens weiter zu verbessern; deshalb das Ihnen vorliegende Änderungsgesetz.

Herr Abg. Schiemann hat detailliert darauf hingewiesen, dass und warum hier Änderungen zur Verbesserung der Rechtslage erforderlich sind. Ich kann darauf Bezug nehmen und will das nicht wiederholen. Eine kurze Bemerkung zu der vom Abg. Bartl aufgeworfenen Rechtsfrage. Wir haben das im Ausschuss umfangreich thematisiert, aber damit es hier noch einmal klar wird und der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit vom Tisch geräumt wird: Nach Auffassung des Justizministeriums sind weder § 4 Abs. 4 Nr. 3 und 4 noch Abs. 5 verfassungswidrig. Lediglich für Abs. 6 gibt es nach unserer Auffassung keinen Anwendungsbereich mehr. Das bedeutet aber nicht, dass die jetzige Vorlage verfassungswidrig ist.

Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zum aktiven Tun gibt es nach meiner Überzeugung nicht. Ob und wann der Gesetzgeber etwas ändert, ist Sache des Gesetzgebers. Deswegen werbe ich nach wie vor um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 3 unserer Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise in der Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde, abzustimmen. Wenn es dagegen keinen Widerspruch gibt, verfahren wir so.

Ich rufe auf das Gesetz zur Änderung des Sächsischen Schiedsstellengesetzes, Drucksache 4/6816, und Austauschblätter. Das ist ein Gesetzentwurf der Staatsregierung. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses, Drucksache 4/8516. Ich lasse zuerst über die Gesetzesüberschrift abstimmen. Wer stimmt zu? – Wer stimmt dagegen? – Eine Gegenstimme. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Gesetzesüberschrift zugestimmt worden.

Ich rufe Artikel 1, die Nrn. 1 bis 4 auf. Wer diesen zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine Gegenstimmen, eine größere Anzahl von Stimmenthaltungen. Das ist dann mehrheitlich so beschlossen worden.

Ich rufe Nr. 5 auf. Dazu gibt es zwei Änderungsanträge, zunächst Drucksache 4/8697, Nr. 1, Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS. Herr Abg. Bartl, möchten Sie den Änderungsantrag noch einmal einbringen? – Bitte schön.

Ich würde den Änderungsantrag gern noch einmal einbringen, auch in Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Staatsministers, der für eine Frage nicht mehr erreichbar war.

Es ist eindeutig so, dass es in den Regelungen des StasiUnterlagen-Gesetzes, wie sie seit Dezember 2006 gelten – nebenbei bemerkt, auch vorher nicht –, keine Möglichkeit gibt, dass die Birthlerbehörde in rechtsförmlicher Weise auf eine Anfrage – welches Gremiums auch immer –, ob ein Betreffender im Zusammenhang mit der Kandidatur für die Funktion des Friedensrichters für das Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen ist, antworten kann. Es gibt keine gesetzliche Auskunftsbefugnis, es gibt keine gesetzliche Auskunftsgrundlage.

Wenn es im Gesetz eine Regelung gibt, die den betreffenden Kandidaten verpflichtet, wie es jetzt der Fall ist, seine Einwilligung für eine Überprüfung zu geben, ist das definitiv rechtswidrig, denn man verlangt ihm eine Verpflichtung für eine Sache ab, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt. Wenn man von demjenigen verlangt, dass er erklärt, dass er nicht für das MfS gearbeitet hat, obwohl er nicht zur Kategorie derjenigen gehört, die von Funktionen wegen dieser Tätigkeit ausgeschlossen werden dürfen, dann ist das rechtswidrig, denn es wird in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.

Deshalb sind die entsprechenden Paragrafen auch unter dem Aspekt, dass die Grundlage, die analog dem Beamtenrecht in § 6 Abs. 2 und 3 gegolten hat, inzwischen nicht mehr mit dem Beamtenrahmenrechtsgesetz vereinbar ist, rechtswidrig. Sie sind mit dem Bundesgesetz einfach nicht vereinbar. Wir haben somit einen Verstoß gegen Bundesgesetze und wir haben einen Verstoß gegen die Grundrechte, die in der Verfassung geregelt sind, wie zum Beispiel das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Deshalb ist es aus Sicht der Linksfraktion.PDS völlig unsinnig, sich zu diesem Gesetz, das normalerweise kein Gesetz ist, welches man unnötig ideologisch überfrachten muss – das Schiedsstellengesetz bzw. die Friedensrichterregelungen –, erneut vor dem Verfassungsgerichtshof zu duellieren.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Möchten sich die Fraktionen noch einmal dazu äußern? – Herr Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst

möchte ich Folgendes sagen: Die Äußerung von Herrn Kollegen Dr. Gerstenberg erstaunt mich schon. Ich habe ihn seit 1994 nicht im Sächsischen Landtag erlebt und wundere mich, mit welcher Behauptung er hier aufgetreten ist: dass die CDU-Fraktion in den letzten Jahren bewusst verfassungswidrige Dinge getan hätte. Ich möchte dies als Unterstellung bezeichnen,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das hat das Verfassungsgericht schon festgestellt!)

die nicht freundlich gemeint ist; deshalb muss ich sie mit Klarheit zurückweisen. – Das ist das Erste.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Das Zweite, Herr Kollege Prof. Porsch: Es ist so, dass das, was von der PDS-Fraktion kommt, immer wieder das Gleiche ist und an dieser Stelle keinen Neuheitswert erfahren hat.

(Volker Bandmann, CDU: Sehr richtig!)

Ich werde mich nun auf die Sache konzentrieren. Es ist besser, wenn wir das jetzt nicht weiter diskutieren, da ich gesagt bekommen habe, wir haben – – Ich habe nur drei Minuten? – Eine Minute?