Protokoll der Sitzung vom 09.05.2007

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die Linksfraktion.PDS. Frau Abg. Lay, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Die öffentliche Hand muss Vorbild sein, wenn es um Leistungsfähigkeit und Transparenz geht. Wir streben an, die Offenlegung der Managergehälter in Unternehmen mit überwiegender Bundesbeteiligung als gesetzliche Pflicht einzuführen.“

Das, meine Damen und Herren, ist ein Auszug aus dem aktuellen Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Bundesebene. Die Linksfraktion gibt Ihnen, vor allen Dingen den Kolleginnen und Kollegen der Koalition, die Gelegenheit, schneller zu sein als die Bundesregierung und mit gutem Beispiel in Sachsen voranzuschreiten.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir diskutieren heute den zweiten Vorstoß der Linksfraktion zur Offenlegung von Managergehältern. Unser Antrag zum Thema wurde eineinhalb Jahre vorher leider abgelehnt. Seitdem ist die Debatte allerdings weiter

vorangeschritten und wir wagen heute mit unserem Gesetzentwurf den zweiten Anlauf.

Worum geht es? Die Linksfraktion möchte die Offenlegung der Gehälter von Mitgliedern von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen öffentlicher Unternehmen in Sachsen. Mit der Einbeziehung von Aufsichtsräten und Beiräten gehen wir über den Inhalt unseres damaligen Antrages hinaus. Wir wollen außerdem den Beteiligungsbericht ausführlicher gestalten und an die Berichtsstandards anknüpfen, die schon jetzt für Gemeinden gelten; denn die Maßstäbe, die der Freistaat für die kommunalen Beteiligungsberichte anlegt, sollten doch selbstverständlich auch für die eigenen Unternehmen gelten.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für unseren Vorstoß, meine Damen und Herren, gibt es mehrere Gründe. Es geht an erster Stelle um die Herstellung von Transparenz bei öffentlichen Unternehmen des Freistaates Sachsen. Wir wollen an ein Thema anknüpfen, das auf Bundesebene schon längst eines ist. Im Bundestag wurde noch in der letzten Legislatur ein Gesetz veröffentlicht, das dazu zwingt, die Gehälter der Manager von Aktiengesellschaften offenzulegen. Für die Geschäftsführer und Vorstände öffentlicher Unternehmen sollte dies zunächst nicht gelten. Die Betonung liegt, wie gesagt, auf „zunächst“. Es gibt weitere Vorhaben auf Bundesebene.

Zweitens wollen wir einen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung leisten, denn für Vetternwirtschaft, Selbstbedienung und katastrophales Management zulasten der Allgemeinheit darf es keinen Raum geben. Wir wollen jetzt die Voraussetzung dafür schaffen, dass uns diese Skandale, die wir auch in Sachsen erleben durften, in Zukunft erspart bleiben. Nicht zuletzt das intransparente Geschäftsgebaren der Sächsischen Landesbank war für uns damals ein Thema, als wir die Gesetzesinitiative ergriffen haben.

Die Linksfraktion will drittens eine andere Form von Beteiligungsmanagement und -steuerung. Das steckt in Sachsen leider noch in den Kinderschuhen. Wir wollen das ändern und Unternehmen, an denen Sachsen mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist, einer stärkeren demokratischen Kontrolle unterziehen. Die Offenlegung von Vergütungen von Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten ist dabei nur der erste, aber sicher ein wesentlicher und symbolischer Schritt, auch in Sachsen eine demokratische Kontrolle einzuführen. Genau das sollte schon allein deshalb gesetzlich geregelt werden, weil es genau an diesem Punkt immer gehakt hat, wenn es um die freiwillige Verpflichtung ging, wie sie im Corporate Governance Kodex festgeschrieben ist. Das ist eine Art Ehrenkodex mit Verhaltensregeln für Aktiengesellschaften, mit dem das Vertrauen der Aktionäre gestärkt werden sollte.

Wir wollen das Vertrauen der Menschen in öffentliche Unternehmen stärken. Das ist der vierte Punkt, und zwar ein ganz wesentlicher; denn es ist Transparenz, die Vertrauen schafft, und nicht Geheimniskrämerei. Wir wollen

dies analog zu den Offenlegungspflichten bei Aktiengesellschaften tun; denn wenn man das Vertrauen der Aktionäre in den Kapitalmarkt stärken möchte, warum dann nicht und erst recht das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie, in das Handeln des Freistaates und in die öffentlichen Unternehmen? Was für private Aktiengesellschaften gilt, muss erst recht für öffentliche Unternehmen gelten!

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Die öffentliche Hand hat eine Vorbildfunktion und die Offenlegung der Vorstandsgehälter sollte deshalb eine Selbstverständlichkeit sein. Geschäftsführer und Vorstände – das will ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen – sind nämlich keine Geheimräte, sondern sie sind Sachwalter des öffentlichen Interesses.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Deshalb liegt es im öffentlichen Interesse, Transparenz über ihre Vergütung herzustellen. Sie sind genauso Sachwalter des öffentlichen Interesses wie wir als Abgeordnete oder Sie als Minister. Jeder kann im Abgeordnetengesetz nachlesen, was wir verdienen. Es ist deswegen nichts Ehrenrühriges, wenn wir das auch von denjenigen verlangen, die in öffentlichen Unternehmen Verantwortung tragen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Das hat man übrigens auch für Krankenkassen erkannt. Auch bei Managern von Krankenkassen wird inzwischen die Offenlegung von Gehältern und Vergünstigungen gesetzlich verfügt. Die Zahlen wurden erst vor wenigen Tagen vorgelegt. Den zentralen Einwand, der bisher von einigen Abgeordneten gegen unseren Gesetzentwurf vorgebracht wurde, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei in Gefahr, kann ich daher nicht gelten lassen.

Schließlich ist die Offenlegung von Managergehältern auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit – das will ich als Abgeordnete der Linksfraktion noch einmal betonen. Untersuchungen haben nämlich ergeben, dass die Gehälter von Managern in der privaten Wirtschaft und die Gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer weiter auseinanderklaffen. Während früher in den Chefetagen das Zwanzig- bis Dreißigfache gegenüber dem durchschnittlichen Arbeitnehmer verdient wurde, ist es mittlerweile das Hundertfache. Ob das auch in Sachsen so ist, wissen wir nicht. Aber wir als Linksfraktion möchten es gern wissen. Ich bin mir sicher, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und all diejenigen, denen in den letzten Jahren abverlangt wurde, sie mögen den Gürtel, bitte schön, etwas enger schnallen, wollen es auch wissen. Erst dann können wir darüber diskutieren, ob die Gehälter angemessen sind oder nicht, ob die Kriterien geändert werden müssen, ob sie an Leistungen, an einen nachhaltigen Unternehmenserfolg oder eben an die Entwicklung der Arbeitnehmerbezüge gekoppelt werden sollten. Darauf verzichten wir in unserem Gesetzentwurf bewusst,

auch wenn verschiedene Sachverständige in der Anhörung eine solche Ergänzung verlangt haben. Das wäre für uns der zweite Schritt. Das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich betonen, auch im Hinblick auf den Populismusvorwurf, der uns sicher im Verlauf dieser Debatte wieder ereilen wird.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Schließlich geht es in der Debatte ganz zentral um die Frage, wer die öffentlichen Unternehmen kontrolliert: Ist es nur die Staatsregierung oder ist es das Parlament? Für uns ist klar, es muss das Parlament sein;

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

denn wir sind vom Souverän, der Bevölkerung, gewählt worden, und das mit einem ganz klaren Kontrollauftrag gegenüber der Regierung und gegenüber den Gesellschaftern. Wir haben das Budgetrecht und entscheiden über den Einsatz öffentlicher Gelder. Da werden wir doch einmal fragen dürfen, wo diese Steuergelder gelandet sind! Wir haben eine Antwort darauf verdient.

Die Staatsregierung sieht das erwartungsgemäß anders, beharrt auf ihrem quasi absolutistischen Staatsverständnis und argumentiert damit, dass sie ja über die Vergütungen Bescheid weiß. Deswegen sei „ein zusätzlicher Nutzen an einer individualisierten Offenlegung nicht ersichtlich“, heißt es dort arrogant in der Antwort auf eine meiner Kleinen Anfragen.

Das, meine Damen und Herren, ist ein erneuter Beleg für das zweifelhafte Demokratieverständnis der Staatsregierung. Es ist nicht das Geld des Finanzministers, über das Sie hier sprechen; es ist das Geld der Steuerzahler, das wir als Landtag bewilligt haben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Noch nicht einmal uns als Abgeordnete wird eine Antwort auf diese Frage gewährt. Die Verwendung öffentlicher Gelder muss auch öffentlich kontrolliert werden. Das, meine Damen und Herren, sind wir den Steuerzahlern schuldig.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Es ist deswegen höchste Zeit, dass auch Sachsen seine Geheimniskrämerei beendet und dem Vorbild etwa des Berliner Abgeordnetenhauses folgt, in dem übrigens fraktionsübergreifend eine ähnliche Initiative beschlossen wurde.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Wir wollen, dass Sachsen Vorbild ist, wenn es um den Mentalitätswechsel geht – weg von der Geheimniskrämerei, hin zur Offenheit.

Die Offenlegung von Gehältern von Geschäftsführern, Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsratsmitgliedern sollte eine Selbstverständlichkeit sein, und die öffentliche Hand

muss hier mit gutem Beispiel vorangehen. Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die CDU-Fraktion erhält das Wort. Herr Dr. Rößler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Hintergrund für die Einbringung des Gesetzes wurden von der Linksfraktion.PDS folgende Punkte aufgeführt und auch heute von Frau Kollegin Lay wiederholt: Es soll ein Ende der Geheimniskrämerei geben, öffentliches Geld soll öffentlich kontrolliert werden, die öffentliche Hand muss Vorbild sein, Sachsen soll Vorbild sein. Dabei sei der Antrieb der Linksfraktion.PDS weder Neid noch Neugier gewesen, sondern die Werte Gerechtigkeit und Demokratie. Frau Lay, das war Ihre Begründung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie können auch zitieren, was der Minister gesagt hat!)

Herr Porsch, Sie sind ja immer noch hier. Zum Geburtstag der niederländischen Königin auf Schloss Proschwitz wurde ja schon Ihr Nachfolger begrüßt. Aber Sie scheinen immer noch Fraktionsvorsitzender zu sein.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Mich haben sie noch nicht abgesägt. Das ist Ihnen schon dreimal passiert! – Heiterkeit bei der Linksfraktion.PDS)

Ich nehme an, die Linksfraktion.PDS fühlt sich der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet. Wenn dem so ist, ist das Gesetz abzulehnen, denn eine individualisierte Zwangsoffenlegungspflicht verstößt gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das gerade von Ihnen heute den ganzen Vormittag für Migrantinnen und Migranten, für Friedensrichterinnen und Friedensrichter hochgehalten worden ist. Warum soll das nicht auch für Geschäftsführer, Aufsichtsräte und Manager gelten?

Meine Damen und Herren! Das ist nicht nur die Ansicht einiger Abgeordneter, das wurde mehrheitlich von den Sachverständigen in der von uns anberaumten Anhörung so gesagt. Das Grundrecht ist nicht schrankenlos. Aber welches gewichtige öffentliche Interesse würde Einschränkungen rechtfertigen?

Gemeinwohlziele, die der Gesetzentwurf benennt, sind – so wird das dort ausgeführt – angebliches öffentliches Informationsbedürfnis. Dieses öffentliche Informationsbedürfnis ist jedoch kein Selbstwert. Es muss auf ein legitimes Interesse bezogen sein. Wenn nichts dahintersteht, ist es letztlich doch nur Neugier und Befriedigung von Neugier. Es ist interessant, das mag sein, doch es kann wohl einen Grundrechtseingriff in diesem Umfang nicht rechtfertigen. Denn, meine Damen und Herren, gemäß § 285 Handelsgesetzbuch und auch gemäß Abs. 1 Nr. 4 unserer Sächsischen Haushaltsordnung müssen die Gesamtbezüge bilanziert und somit offengelegt werden.

Die Gesamtbezüge sind also bekannt. Wieso muss der Bürger noch darüber hinaus wissen, was wer wo ganz genau bekommt? Wie viel die Leitung des Unternehmens kostet, weiß er doch schon. Wo liegt der relevante Vorteil, mehr noch, wo liegt das gewichtige öffentliche Interesse an einer individualisierten Zwangsveröffentlichung?

Mit dem im Gesetzentwurf pauschal angesprochenen besonderen Informationsbedürfnis wird kein Gemeinwohlziel erwähnt, welches geeignet ist, den hohen Ansprüchen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zu entsprechen. Ob die individualisierte Zwangsveröffentlichung geeignet ist – das ist ja die Absicht –, indirekt Druck auf die Gehaltsstruktur auszuüben, das bezweifelten die meisten unserer Sachverständigen. Einige von ihnen sprachen sogar davon, dass eher das Gegenteil bewirkt werden könnte. Übrigens werden die Beteiligungen schon genug kontrolliert. Der Rechnungshof – darüber sind wir auch froh – prüft gemäß § 92 unserer Sächsischen Haushaltsordnung die Unternehmen, wobei zur Beachtung der kaufmännischen Grundsätze auch die Angemessenheit der Vorstands- und Geschäftsführerbezüge zählt.

Die Beteiligungsverwaltung kontrolliert die Gesellschaften. Bei begründetem Verdacht von Missbrauchsfällen kann auch das Parlament als Kontrollinstanz durch Fragerecht und Antwortpflicht der Staatsregierung wirksam werden. Zusammenfassend muss man sagen, dass die öffentliche Kontrolle gewährleistet und ein weiter reichendes Interesse nicht zu sehen ist.

Am Rande gefragt: Wer würde bei einer Veröffentlichung eigentlich gerichtsfest entscheiden, welche Vergütung wofür angemessen ist?

Nun komme ich noch zum Europarecht, das uns schon manchmal Kopfzerbrechen bereitet hat. Es bestehen europarechtliche Bedenken, das Gesetz würde gegebenenfalls gegen die EU-Datenschutzrichtlinie in Verbindung mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. So wurde uns jedenfalls in der Anhörung der Sachverständigen berichtet, und es wurde als Beispiel dafür die Offenlegungspflicht ab bestimmten Gehaltsstufen im Rechnungshofbericht der Republik Österreich genannt. Der Wiener Verfassungsgerichtshof stellt dabei fest, dass dieses bloße Bedürfnis nach mehr Transparenz eben kein wichtiger öffentlicher Belang ist, der hier eine derart schwere Eingriffshandlung in das europarechtlich geschützte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erlaubt.