Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren: Was lehrt uns das? Es ist eben mitunter hilfreich, auf eine entsprechende Initiative der Koalition zu warten, um dann in der Sache auch voranzukommen.

(Beifall des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion.PDS)

Etwas verwundert hat mich übrigens auch die Auswahl des Fragenkomplexes. Ein Großteil war mehrmals Thema in den Fachausschüssen des Landestourismusverbandes. Dort haben ja bekanntlich die tourismuspolitischen Sprecher der demokratischen Fraktionen die Möglichkeit, sich in die Arbeit einzubringen.

Auch im letzten Geschäftsbericht des Landestourismusverbandes lässt sich der bisherige Stand der sächsischen Qualitätsoffensive nachlesen. Ich gehe davon aus – das wurde bereits angesprochen –, dass im nächsten Geschäftsbericht, der demnächst erscheinen wird, über die Einführung der Zertifizierungsstufe 2 der „Initiative Servicequalität Sachsen“ viel zu erfahren ist.

Meine Damen und Herren! Wenn der heutige Antrag dazu beiträgt – ich hoffe, das hat er getan –, dass CDU und SPD für mehr Akzeptanz in der Tourismuspolitik in ihren eigenen Fraktionen sorgen, dann hat er einen wichtigen Zweck erfüllt. Es kann nie schaden, wenn wir Abgeordneten in diesem Hohen Haus über das Thema Tourismus debattieren. Ich hätte mir aber ehrlicherweise gewünscht, dass wir zu diesem Antrag auch die schriftliche Stellungnahme der Staatsregierung vorliegen hätten. Es ist unstrittig, dass das Thema Qualitätstourismus eines der wichtigsten ist, wenn Sachsen – auch das wurde schon angesprochen – zukünftig seine hervorragende Position in Deutschland halten soll. Von meinen Vorrednern wurden bereits viele positive Zahlen genannt, deshalb spare ich mir die Wiederholung.

Herr Tourismusminister Rasch, wenn Sie dann im Bundesrat sitzen, vielleicht noch eine Zahl als Ergänzung: Mittlerweile ist die Tourismuswirtschaft einer der weltweit bedeutendsten Faktoren geworden. Wirtschaftlich gesehen: Allein jeder zehnte Dollar wird heute im Tourismusgeschäft ausgegeben. – Das als kleine Ergänzung. Wenn Sie das noch in Ihren Vortrag aufnehmen könnten, wäre das sehr nett.

Im Fokus der öffentlichen Diskussion – das sagten bereits meine Vorredner – stehen bekanntlich betriebs- und volkswirtschaftliche Kennwerte, das heißt Wachstumsprozente und Auslastungszahlen. Aber, meine Damen und Herren, dieser Antrag der Koalition gibt mir auch die Gelegenheit, der Staatsregierung für dieses geforderte Konzept für den weiteren Ausbau der Qualitätsinitiativen noch einige andere Überlegungen mit auf den Weg zu geben, die aus meiner Sicht heute noch nicht angesprochen worden sind.

Ich denke zum Beispiel an touristische Angebote für finanziell schwächere Bevölkerungsschichten. Wie

können diese ermöglicht werden? Es geht aus unserer Sicht darum, auch diesen Menschen den Zugang zu Reisen und Urlaub zu ermöglichen. Das könnte unter anderem durch finanzielle Unterstützung der touristischen Leistungsanbieter oder der Betroffenen direkt erfolgen. Für uns gehört dazu die Förderung von Familien, von Kindern und Jugendlichen, von Seniorinnen und Senioren und nicht zuletzt von Menschen mit Behinderung.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Sich auf diesem Gebiet mehr zu engagieren hat zwei positive Effekte: Es würde zur Erhöhung der Reisetätigkeit in Sachsen beitragen und für nicht wenige Sachsen ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit bringen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Dr. Raatz, bitte.

Sie sprechen davon, Familien preisgünstige Angebote zu unterbreiten. Was halten Sie davon, diese Familien in sächsische Jugendherbergen zu schicken? Wie schätzen Sie diesbezüglich die Qualität der Jugendherbergen ein?

In den Jugendherbergen hat schon ein gewisser Umstrukturierungsprozess begonnen. Ich halte es für gut, Familien in Jugendherbergen unterzubringen, damit sie dort Angebote nutzen können. Ich würde es aber genauso für gut halten, wenn diese qualitativ hochwertigen Angebote, die wir in den Bereichen der Hotellerie haben, auch für diese Familien zugänglich wären. Insofern lohnt es sich, darüber nachzudenken. Ich denke, wir werden, wenn die Antwort der Staatsregierung vorliegt, dazu Vorschläge machen.

Ich komme zu den positiven Effekten und den Seniorenreisen zurück. Es geht nicht nur um Pensionäre mit maßgeschneiderten Angeboten und hohem Serviceaufwand, sondern es geht um die finanziell schwächer ausgestatteten Menschen, für die ebenso maßgeschneiderte und vielfältige Erholungs- und Reisemöglichkeiten geschaffen werden sollten.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der demografischen Entwicklung wächst auch der Bedarf barrierefreier touristischer Angebote. Die Zahl der Reisenden, die zeitweise oder permanent mit Einschränkungen leben und reisen, nimmt zu. Diese Menschen stellen für die zukünftige Entwicklung der Tourismuswirtschaft aber eine beachtenswerte Gruppe dar. Noch viel zu oft sind in den sächsischen Tourismusregionen für Behinderte und für ältere Menschen nur Insellösungen vorhanden. Erforderlich ist aber eine flächendeckende Barrierefreiheit in der gesamten touristischen Kette.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Das beginnt mit einem entsprechenden Internetauftritt der Anbieter und reicht vom Reisebeginn über die gesamte Reisedauer an alle Stationen einer Urlaubsreise und endet mit der Rückkehr des Gastes. Hier sehe ich durchaus Reserven, bei denen wir uns als Tourismuspolitiker starkmachen sollten.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Nach meinem Dafürhalten sollte die Barrierefreiheit als ein wichtiger Aspekt des Qualitätstourismus erkannt werden und positiv und imagebildend auch für Sachsen sein. Behinderte sehen von einer Reise nach Sachsen noch zu oft ab, und zwar nicht immer, weil ihnen das Geld fehlt, sondern weil die von mir beschriebene Servicekette im Zusammenhang fehlt.

Das können die Unternehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht allein schultern, sondern hier bedarf es einer wirkungsvollen Unterstützung mit öffentlichen Mitteln. Oftmals reisen Behinderte nicht allein – das wissen wir auch –, sondern sie sind auf Betreuungspersonal angewiesen. Insofern ist diese Zielgruppe für die Erhöhung der sächsischen Besucherzahlen nicht zu unterschätzen.

Ich hoffe, dass das im Antrag eingeforderte Konzept der Staatsregierung in dieser Sache klare Handlungsstrategien enthält. Meine sehr geehrten Damen und Herren von CDU und SPD, Sie könnten auch selbst im Deutschen Bundestag aktiv werden, es gäbe eine Menge Beispiele. Flankierend könnten Sie sich bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dass arbeitsuchende Menschen und ihre Familien ein Recht auf Urlaub erhalten. Setzen Sie sich doch bitte in Berlin dafür ein, dass bei der Entscheidung über die Höhe der Leistungen zur Grundsicherung und anderer Sozialleistungen und bei der Berechnung der Warenkörbe Kosten für angemessene Urlaubsreisen, auch für Klassenfahrten von Schülerinnen und Schülern, berücksichtigt werden. Das wäre ein sinnvoller Antrag im Deutschen Bundestag. Wir haben in Sachsen gleiche Koalitionsverhältnisse, deshalb stelle ich Ihnen das anheim.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Soweit einige Anregungen meiner Fraktion für das vorliegende Konzept der Staatsregierung. Es war wichtig, diese herauszustellen und es war ein guter Einstieg in ein wichtiges Politikfeld, das wir im nächsten Tagesordnungspunkt auf Antrag meiner Fraktion noch debattieren. Meines Wissens sind wir uns bezüglich des Tourismus fraktionsübergreifend einig, dass der Tourismus ein klassisches Querschnittsthema ist. Nahezu alle im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben vorkommenden Bereiche haben touristische Aspekte. Auch das wurde bereits von meinen Vorrednern angesprochen: Diese Aspekte bedingen sich gegenseitig. Zu vertiefen bei diesem Thema sind solche Fragen: Was leistet der Verkehrssektor für den Tourismus?

(Zuruf des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Was leistet der Tourismus für das Einkommen und die Arbeitsplätze? Welche Auswirkungen hat der Tourismus auf den Klimawandel und welche Wirkung hat der Klimawandel auf die Tourismuswirtschaft? Was leistet die Wirtschaft im und für den Tourismus? Umgekehrt: Welche wirtschaftliche Leistung in der Gesellschaft wird durch den Tourismus erbracht?

Diese Kette der Fragen ließe sich um einiges erweitern. Die Gelegenheit, darüber zu diskutieren, ergibt sich mit der Antwort der Staatsregierung.

Die Linksfraktion.PDS hält die Durchsetzung des Rechtes auf Urlaub und Erholung für jeden Menschen in Sachsen für erforderlich. Das erfordert, sich intensiv dafür einzusetzen, dass alle mentalen, strukturellen, verkehrstechnischen, sozialen, kulturellen, gesetzlichen und – ich füge hinzu – nicht zuletzt finanziellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, wozu der Freistaat in der Lage ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linksfraktion.PDS ist gespannt, wie sich ein sozialdemokratisch geführtes Wirtschaftsministerium diesen Herausforderungen stellt. Wir werden dem Antrag der Koalition zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die NPDFraktion spricht Herr Delle.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass Sachsen eine europäische Kulturregion allerersten Ranges ist, diese Feststellung wäre ein klassischer Fall von Eulen nach Athen tragen. Längst wissen das auch Zehntausende Touristen weltweit, die unseren Freistaat Jahr für Jahr besuchen, und das mit steigender Tendenz. Die Zahlen für das Jahr 2006 sprechen für sich. So besuchten im Jahre 2006 circa 6,13 Millionen Gäste unseren Freistaat, ein stattliches Plus von 8,6 %. Auch für die kommenden Jahre rechnet die Tourismus-Marketing-Gesellschaft Sachsen mbH – TMGS – mit einer stabilen Steigerungsrate von jährlich rund 3 %.

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen aber, dass Konkurrenz nicht nur das Geschäft belebt, sondern auch, dass Konkurrenz in der Tourismusbranche schlicht und einfach immer härter wird. Das IMO-Institut hat schon vor fünf Jahren in seinem Tourismusbericht für das Jahr 2002 eine Reihe von Qualitätskriterien im Tourismus aufgestellt und in diesem Zusammenhang die höchst bedeutsame Feststellung getroffen – ich zitiere –: „Die Voraussetzung, um erfolgreich am Markt bestehen zu können, ist auf allen Stufen der Wertschöpfungskette eine ausgesprochene Kundenorientierung, begleitet von Mitarbeitermotivation und qualitätsorientierten Managementmodellen. Aufgrund der herrschenden Konzentrationsbewegungen und des Vordringens US-amerikanischer Veranstalter und der Ketten- und Konzernhotellerie ist der Wettbewerbsdruck in der Tourismusbranche hoch.“ Und

weiter: „Nur eine hohe Dienstleistungsqualität führt zu Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, die letztlich eine gesicherte Marktposition und das Bestehen im Konkurrenzkampf nach sich zieht.“

Als einen wichtigen Schritt in Richtung gezieltes Qualitätsmanagement im Tourismus können wir heute im Rückblick die 1996 von der DEHOGA eingeführte deutsche Hotelklassifizierung betrachten, der seither eine Reihe ähnlicher Systeme zur Qualitätsklassifizierung folgten, zum Beispiel die Tourismusdachmarke „Viabono“ oder in anderen Bundesländen die Initiative „Servicequalität“ des rheinland-pfälzischen Jugendherbergswerkes.

Angesichts des anhaltenden Konkurrenzkampfes in der Branche scheint es allerdings inzwischen geraten, den Wildzuwachs an Zertifikaten, Dachmarken und anderen qualitätssteigernden Maßnahmen, wo nicht zurückzustutzen, da doch transparenter zu gestalten. Entsprechende Forderungen aus der Branche kommen in letzter Zeit immer häufiger.

So war zum Beispiel im Herbst 2006 in einer Anhörung im Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages deutliche Kritik an der Vielzahl unterschiedlicher Kennzeichnungen zu hören, die dem Verbraucher oftmals einfach die Orientierung erschwerten. Insofern sieht auch die NPD-Fraktion durchaus Handlungsbedarf, was ein koordiniertes Qualitätsmanagement für den sächsischen Tourismus angeht.

Etwas verwunderlich stimmt es allerdings, dass diese Forderung erst jetzt kommt; denn Bemühungen, die in Richtung Evaluierung im Tourismusbereich gehen, laufen bereits seit etlichen Jahren; denken Sie etwa an die Touristische Informationsnorm oder das Projekt „Touristische Dienstleistungen“ des Europäischen Normungsinstitutes. Auch im bereits zitierten IMO-Tourismusbericht von 2002 heißt es dazu sehr richtig – ich möchte wieder zitieren –: „Das Re-Engineering touristischer Strukturen beinhaltet nicht nur Verbesserungen des Produktes, sondern auch eine grundsätzliche Neugestaltung des Leistungsprozesses im Sinne einer tief greifenden Kundenorientierung, der Einführung von Qualitätsmanagement, des Einsatzes neuer Medien und der zielgerichteten Qualifizierung.“

Wie es scheint, meine Damen und Herren, ist dieser Bericht nach nunmehr einem knappen halben Jahrzehnt auch schon bei der sächsischen Regierungskoalition angekommen.

Wir werden dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDP spricht Herr Abg. Günther.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Klappern gehört zum Handwerk, auch zum touristischen. Nicht nur Sachsen muss bekannt gemacht werden; auch für die Bedeutung

der Tourismusbranche für den Freistaat selbst, im eigenen Land, ist es leider notwendig, dass wir für die Bedeutung noch mehr werben; denn noch immer fehlt das Bewusstsein, dass der Tourismus auch einer der Leuchttürme von Sachsens Wirtschaft ist. Tourismus bringt frische Finanzmittel in den hiesigen Geldkreislauf.

Die FDP-Landtagsfraktion versteht sich als Partner der Tourismuswirtschaft in Sachsen. Wir kennen die Bedeutung eines professionellen Marketings für den Tourismus in Sachsen. Wir haben Ahnung von Werbung.

(Rita Henke, CDU: Oh! – Heiterkeit bei der CDU – Zurufe der Abg. Klaus Tischendorf, Linksfraktion.PDS, und Dr. Fritz Hähle, CDU)

Ja! – Wie bereits der Minister für geschlossene Schulen, Herr Flath, feststellte, lassen wir auch die Tourismuswirtschaft nicht am verlängerten Arm der Tourismusignoranten verhungern.

(Rita Henke, CDU: Ach nein?! – Klaus Tischendorf, Linksfraktion.PDS: Wer ist denn das?)