Protokoll der Sitzung vom 21.01.2005

Dann überlasse ich zur zweiten sachlichen Richtigstellung das Mikrofon 1 Herrn Prof. Porsch.

Ich wollte das nur ergänzen, damit es eine ganze sachliche Richtigstellung wird.

Herr Hähle, es könnte ja ein Grund dafür sein, dass ich hier bin; aber dann machen Sie es mir nicht so schwer, hier zu bleiben.

(Allgemeine Heiterkeit)

Meine Damen und Herren! Es geht um die Abstimmung zur Drucksache 4/0358. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Einige. Gibt es Stimmenthaltungen? – Danke. Bei einigen Gegenstimmen und Stimmenthaltungen ist diese Drucksache mehrheitlich beschlossen.

Damit können wir den Tagesordnungspunkt beenden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Beteiligung Sachsens am Girl's Day – Mädchenzukunftstag 2005

Drucksache 4/0442, Antrag der Fraktion der PDS

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen in folgender Reihenfolge in der ersten Runde: PDS, CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Frau Lay übernimmt das Wort für die PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat das dritte Mal, dass die PDSFraktion diesen Antrag in der einen oder anderen Weise stellt. Wir tun es trotzdem noch einmal; denn schließlich geht es um die Zukunft Sachsens. Es geht um die Zukunft junger Frauen, konkret um das Berufswahlverhalten junger Frauen in Sachsen. Deshalb fordern wir als PDS-Fraktion die offizielle Beteiligung Sachsens am Girl's Day 2005. Denn wir haben in Deutschland eine absurde Situation: Frauen bzw. Mädchen haben inzwischen zwar die besseren Schulabschlüsse, aber leider setzt sich dieser Vorsprung im weiteren Lebenslauf nicht fort. Sie verdienen häufig deutlich weniger als Männer und kommen vor allen Dingen in den Führungsetagen nicht an. Dafür gibt es zahlreiche Ursachen. Eine zentrale Ursache ist, dass sich junge Frauen für eine geschlechtstypische Berufwahl entscheiden. Spitzenreiter bei den Ausbildungsberufen für Frauen, für die sich Mädchen entscheiden, sind: Bürokauffrau, Arzthelferin, Verkäuferin, Zahnarzthelferin und Frisörin – in dieser Reihenfolge. In technischen und techniknahen Berufen sind Frauen komplett unterrepräsentiert. Kfz-Mechanikerin werden nur 2 % der Frauen. Oder nehmen wir die zukunftsfähigen IT-Berufe: Hier finden sich nur 12 % weibliche Azubis.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Studienwahl. Informatik: nur 10 % Studentinnen, und in der Elektrotechnik müssen Sie Studentinnen mit der Lupe suchen. Worin liegt das Problem, meine Damen und Herren? Ich habe gestern in der Debatte um Hartz IV für eine freie Berufswahl plädiert. Genau aus diesem Grund lehnen wir auch die Ein-Euro-Pflichtarbeit ab – ganz richtig. Arzthelferinnen, Frisörinnen und all die anderen genannten Berufe sind respektable Berufe – sehr richtig. Nur leider wird in

diesen Berufen sehr häufig mehr ausgebildet, als nachher eingestellt wird. Außerdem sind die Verdienste häufig so schlecht, dass eine eigenständige Existenzsicherung darüber nur sehr schwer möglich ist.

Diese geschlechtsspezifische Berufswahl führt im Ergebnis zur Benachteiligung von Frauen, und es ist die Aufgabe des Staates, auf die Beseitigung von Diskriminierung bzw. auf Gleichberechtigung hinzuwirken.

Unser Verständnis von Geschlechtergerechtigkeit negiert nicht die Einzigartigkeit von Personen oder individueller Entscheidungen, nur: Wir glauben nicht, dass diese Entscheidungen natürlich oder selbstverständlich sind. Der beste Beweis dafür ist, dass Frauen in der DDR sehr viel häufiger in technischen Berufen zu finden waren. Das heißt, dass das Berufswahlverhalten auch Ausdruck des jeweiligen gesellschaftlichen Frauenbildes ist.

Das wird die Herren von der CDU-Fraktion möglicherweise nicht überzeugen. Aber es überzeugt Sie vielleicht, dass wir ein Problem damit haben, dass Frauen sehr viel häufiger aus Sachsen abwandern. Zum Teil wandern sie ab, um dann in Bayern zum Beispiel Arzthelferin zu werden, das ist richtig. Aber dann ermutigen wir sie doch, in Sachsen zu bleiben und hier vielleicht Mechatronikerin zu werden oder einen der modernen IT-Berufe anzustreben!

Wir können auch dem Fachkräftemangel nur begegnen, wenn wir jungen Frauen in diesen zukunftsträchtigen Berufen eine Chance geben.

Wir können es uns nicht leisten, die Potenziale junger Frauen zu verschleudern.

Um dieses Berufswahlverhalten beeinflussen zu können, bedarf es wesentlich mehr als des Girl's Days. Das wissen wir auch. Wir brauchen ein Mentoring in der Wissenschaft. Wir brauchen die Koordinierung der Aktivitäten der zivilgesellschaftlichen Akteure. Wir brauchen eine bessere Berufsvorbereitung in der Schule. Auch über die Wiedereinführung des polytechnischen Unterrichts können wir gern debattieren.

Im Girl's Day steckt eine Menge Symbolik. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen. Ja, wir wollen mehr Frauen in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen. Es geht genau um dieses Zeichen. Das ist nicht zu unterschätzen. Schauen Sie in den Koalitionsvertrag, er ist voller Symbolik. Ich denke, das wäre auch an dieser Stelle angebracht.

Und das Beste ist, meine Damen und Herren, dass der Girl's Day nichts kostet. Alles, was wir hier vorschlagen, wie eine allgemeine Schulbefreiung, eine Öffentlichkeitskampagne, die Sicherstellung der Teilnahme der landeseigenen Behörden, kann man im Grunde genommen aus der Portokasse bezahlen. Es geht im Wesentlichen um die Demonstration Ihres guten Willens. Ja, wir wollen mehr Frauen in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen haben. Genau um diese Symbolik geht es. Es ist an der Zeit, dass sich auch der Landtag dafür ausspricht.

Ich sehe keinen Grund, warum Sie unserem Antrag nicht zustimmen sollten. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Dr. Schwarz.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spreche für beide Koalitionsfraktionen und möchte mit einer Begebenheit beginnen, die ich vor gar nicht allzu langer Zeit erlebt habe. Ich war zu Gast in einem Kindergarten. Dort wurde ein Lied gesungen, das mich ein wenig verwunderte. Einige von Ihnen werden sich erinnern, dass dieses Lied auch schon in DDR-Kindergärten gesungen wurde.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Was?)

Keine Angst, ich singe Ihnen das Lied jetzt nicht vor.

(Zurufe von der SPD und der CDU: Schade! – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Sandmann, lieber Sandmann! – Uwe Leichsenring, NPD: Schade! )

Die wesentlichen Inhalte dieses Liedes möchte ich Ihnen jedoch herüberbringen. Das Lied beginnt etwa so: Was die kleinen Opas tun und was die kleinen Omas tun: Die kleinen Opas, die rauchen Pfeife, und die kleinen Omas, die stricken. Dann gibt es eine zweite Strophe, was die kleinen Vatis tun: Die kleinen Vatis, die lesen Zeitung, und die kleinen Muttis, die kochen.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Was die kleinen Jungen tun: Die kleinen Jungen fahren Roller. Was die kleinen Mädchen tun: Sie wiegen das Püppchen.

(Zuruf von der CDU: Das ist schön!)

Gerade deswegen war ich etwas entsetzt, dass dieses Lied heute noch in sächsischen Kindergärten gesungen wird.

(Uwe Leichsenring, NPD: Himmel und Herrgott!)

Deswegen ist es so wichtig, dass wir heute das Thema des Girl's Days und des Berufswahlverhaltens von Mädchen, aber auch von Jungen miteinander besprechen. Alle Jahre wieder kommt dieser Antrag. Im Koalitionsvertrag sind Maßnahmen zur Berufsorientierung durchaus vorgesehen. Wir werden dazu einiges auf den Weg bringen.

Frau Dr. Schwarz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber ja, Herr Herbst.

Bitte, Herr Herbst.

Frau Präsidentin! Frau Dr. Schwarz, Ihrer Argumentation entnehme ich, dass Sie bereits kritisieren, dass im Kindergarten der Grundstein für die geschlechtsspezifischen Probleme bei der Berufswahl gelegt wird. Wenn dem so ist, müssten wir etwas dagegen tun. Sind Sie der Meinung, dass derartige Kinderlieder verboten werden sollten?

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich denke, man sollte nur im äußersten Notfall zu Verboten greifen. Ich glaube, dass das anschließend mit den Kindergärtnerinnen geführte Gespräch dazu beigetragen hat, dass dieses Lied in diesem Kindergarten nicht mehr gesungen wird. Der Girl's Day ist ein solcher Berufsorientierungstag, den wir alle unterstützen sollten. Meine Damen und Herren, auch die Ministerien werden das tun. Ich weiß es aus dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, ich weiß es aus dem Ministerium für Soziales und auch aus dem Ministerium für Kultus. Wenn in diesem Zusammenhang von einer allgemeinen Schulbefreiung gesprochen wird, so denke ich, dass die Zusage, auf die Schulen im Freistaat Sachsen einzuwirken, ganz wichtig ist und die Entscheidungen vor Ort fallen. Wir alle wollen, dass die Eigenverantwortung der Schulen gestärkt wird. Es ist wichtig, dass die Direktorinnen und Direktoren diesen Tag zu einem Projekttag machen oder Schulbefreiungen erteilen können, wenn sich Mädchen an solchen Projekten beteiligen. Wir erwarten von den Ministerien, dass sie dieses Projekt unterstützen.

Entstanden ist dieser Girl's Day – das wissen viele – in den USA, weil die Väter ihre Töchter mit in das Unternehmen genommen haben, um ihnen zu zeigen, wie ihr Arbeitsfeld aussieht, und eine Sensibilität für die Arbeit der Väter zu entwickeln. Damit sollte die Motivation gestärkt werden, den Mädchen solche Berufe zu ermöglichen.

Daraus entstanden ist nun ein Aktionstag, der frauenspezifischem Berufswahlverhalten vorbeugen soll. Wir entwickeln das weiter, indem auch Jungen für Berufe in

teressiert werden sollen, die allgemein als frauentypisch gelten. Wir wissen, wie wichtig das vor dem Hintergrund der Anerkennung von Berufen ist, die man als frauentypisch bezeichnet. Je mehr Männer in diese Berufe drängen, desto mehr Anerkennung und Bezahlung erhalten diese Berufe. Das ist eigentlich traurig.

Wir haben zu dem Antrag der PDS-Fraktion einen Änderungsantrag gestellt. Wir wollen der Staatsregierung einen klaren Auftrag erteilen. Wir wollen, dass Entscheidungen nicht nur von oben gefällt werden, sondern dass das, was in den letzten Jahren in Sachsen von unten gewachsen ist, vor Ort unterstützt wird. Ich kenne sehr viele positive Beispiele in Leipzig, in Chemnitz, in Zwickau und auch in anderen Orten.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Wenn wir jungenspezifische Projekte mit auf den Weg bringen wollen, brauchen wir mehr Zeit, um das ordentlich vorzubereiten, damit es auch angenommen wird. Was nützen uns Projekte, die wir theoretisch erarbeiten, wenn sie nicht angenommen werden.

Ganz wichtig ist, dass wir in diese Debatte auch die Unternehmen und die Unternehmerverbände einbeziehen, dass sie sich beteiligen und ihre Unternehmen für die Mädchen öffnen. Es ist aber auch wichtig, dass sie im sozialen Bereich Projekte für Jungen auf den Weg bringen. Beide Seiten, auch die Unternehmen, werden viel davon profitieren, wenn ein solcher Projekttag stattfindet. Es ist wichtig, dass die Mädchen und jungen Frauen, die die Unternehmen für ihre Personalentwicklung dringend brauchen, wissen, worum es in diesen Unternehmen geht. Das Gleiche trifft für die Jungen in den sozialen Bereichen zu.

Ich wünsche mir, dass wir in diesem Jahr mit dem Girl's Day ein Stück vorankommen und dass wir die Initiativen vor Ort unterstützen. Ich würde mir wünschen, dass wir viele dafür gewinnen, dass dieser Tag ein guter, ein wichtiger Tag wird. Vielleicht können wir als Parlament oder auch die Fraktionen uns beteiligen und Projekte für den Girl's Day anbieten. Ich denke, Mädchen und junge Frauen für die Politik zu gewinnen gehört auch dazu.