Bildungspolitik: Natürlich ist unser Ziel längeres gemeinsames Lernen und eine andere Schul- und Lernkultur. Mit den ersten sächsischen Gemeinschaftsschulen haben wir für einen Paradigmenwechsel in der Schulpolitik gesorgt, und die vom klassischen Schulsystem vorgenommene frühe Entscheidung für eine bestimmte Schulform und die damit einhergehende soziale Selektion wird zurückgedrängt. Auch Ganztagsschulen tragen zu einer neuen Bildungskultur bei. Dafür stehen 30 Millionen Euro zur Verfügung. Mein Kollege Martin Dulig hat dazu in der gestrigen Aktuellen Stunde ja schon das Wesentliche gesagt.
Ich meine aber – das tue ich mit Freude – beobachten und registrieren zu können, dass auch die Kollegen von der CDU dahintergekommen sind, dass diesen beiden Vorschlägen der SPD für eine neue Schule die Zukunft gehört.
Zur Bildung gehört auch die vorschulische Bildung. Sie legt die Grundlage für eine erfolgreiche Bildungskarriere. Mit der Novellierung des Kindertagesstättengesetzes ist hier eine deutliche Verbesserung erreicht, der Bildungsauftrag durch die gesetzliche Verankerung des Bildungsplanes gestärkt worden. Auch die Einführung eines Schulvorbereitungsjahres verbessert die Möglichkeiten, Kinder schon früh an die Bildung heranzuführen.
Zur Haushaltspolitik: Man sagt, die SPD könne mit Geld nicht umgehen, das sei die Domäne der CDU. Selbst Sie, Herr Hähle, unterliegen diesem Aberglauben, wie Sie soeben gezeigt haben. Ich denke, die Doppelhaushalte 2005/2006 und 2007/2008 haben gezeigt: Wir gehen sparsam mit den Mitteln um, die zur Verfügung stehen. Wir stehen für die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, ohne dabei unsere Ziele aus dem Auge zu verlieren. Natürlich darf Konsolidierung nie zum Selbstzweck werden. Wenn wir jetzt die Schulden abbauen, die wir für Investitionen in Beton aufgenommen haben, ist in der Zukunft der Spielraum größer für Investitionen in Köpfe.
Ich hätte gern noch einiges zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gesagt. Das erlaubt mir die Zeit nicht.
Zum Ende meiner Rede möchte ich kurz zur sächsischen Mount-Everest-Expedition zurückkehren. Auf den letzten 4 000 Metern liegt noch ein schwieriges Terrain vor uns, vielleicht auch Gefahren, aber die sind unter dem Schnee verborgen, deshalb jetzt noch nicht zu erkennen. Ich bin
aber absolut sicher, dass wir, die Koalitionspartner, gemeinsam die richtige Route wählen und Ihnen allen 2009 vom Gipfel noch fröhlich zuwinken werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einen gewissen Respekt kann man Ihrer Entscheidung nicht versagen, heute diese Halbzeiterklärung abzugeben, denn rein objektiv gibt es wohl wenig, wofür man sich auf die Schulter klopfen könnte, wenn man heute als Ministerpräsident für diese Politik im Freistaat Verantwortung trägt.
Ehrlich gesagt, würde ich mich an Ihrer Stelle heute nicht hier hinstellen und Rechenschaft über die Regierungsarbeit der letzten zweieinhalb Jahre ablegen,
es sei denn – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt –, Sie erklären uns heute noch, dass Sie die Konsequenzen aus Ihrer Misswirtschaft ziehen, Ihre Regierung entlassen und zurücktreten. Das hätte Stil. Das hieße auch Mut zu zeigen.
Herr Ministerpräsident, schon nach Ihrer ersten Regierungserklärung brauchte man kein Prophet zu sein, um zu einer ernüchternden Prognose Ihrer Regierungsarbeit zu kommen. Heute können wir mit Fug und Recht sagen: Ihre Politik ist ein Scherbenhaufen, ein Potpourri gebrochener Versprechen, vor allem aber eine schlimme, ja eine verheerende Zukunftshypothek für die Menschen im Freistaat Sachsen. Nein, Herr Ministerpräsident, in keinem der entscheidenden Politikfelder haben Sie die Sorge für das Wohl und die Zukunft unserer Mitbürger erkennen lassen, nichts hat sich verbessert, vieles ist schlimmer geworden.
Sachsen ist leider nicht mehr allerorts Heimat für seine Bürger. Sie haben es nicht geschafft, den permanenten Abwanderungsstrom junger Menschen und Familien aus Sachsen zu stoppen. Diese jungen arbeitsuchenden Menschen wandern nicht etwa aus, weil es ihnen hier nicht gefällt, sondern weil sie dank Ihrer Regierungspolitik keine Zukunft in Sachsen sehen. Sachsen ist inzwischen eine Auswanderergesellschaft geworden, weil Ihre Politik eben keine blühenden Landschaften geschaffen hat, sondern soziale und ökonomische Abbruchhalden, die nicht zum Bleiben, sondern vielmehr zur alsbaldigen Flucht animieren – ein Armutszeugnis, für das man sich nur schämen kann.
Nein, Herr Ministerpräsident, Sachsen steht heute leider nicht mehr für flächendeckend gleichwertige Lebensver
hältnisse, wie es der Verfassungsauftrag wäre. Sachsen steht heute nicht für Zukunftsfähigkeit, Familienglück, Prosperität und wirtschaftlichen Aufschwung. Sachsen steht nicht für soziale Gerechtigkeit und nationale Solidarität. Meine Damen und Herren, Sachsen steht heute nicht einmal mehr für Sicherheit, Recht und Ordnung. Sachsen steht vielmehr für einen geradezu beschämenden Abbau von rechtsstaatlichen Verhältnissen und der öffentlichen Sicherheit. Man muss das so deutlich sagen, weil Sie Ihre Regierungserklärung den Bürgern ausgerechnet zu einem Zeitpunkt zumuten, da Sachsen im Begriff steht, zu einem Synonym für Korruption und Mafiaverhältnisse zu werden.
Selbst in Ihrer Erklärung haben Sie die Beschwichtigungsstrategie in der Mafiaaffäre fortgesetzt, indem Sie über die bereits begonnene Aufklärung der Staatsregierung fabulierten. Sie wissen wie wir alle, dass das nicht mehr als ein frommes Märchen ist. 17 Jahre haben die Regierenden in diesem Land zugeschaut, wie Gerichtsprozesse offensichtlich fremdgesteuert und Ermittlungen blockiert wurden, während sich gleichzeitig Karrierenetzwerke bildeten, in denen nicht etwa Leistung und Integrität, sondern politischer Opportunismus und Käuflichkeit die entscheidenden Kriterien für das eigene Fortkommen waren.
Räumen Sie endlich in Ihrem eigenen Haus auf, Herr Ministerpräsident, bevor Sie den Menschen Märchengeschichten auftischen, die mit der Lebenswelt vieler Sachsen rein gar nichts zu tun haben! Sorgen Sie dafür, dass Sachsen wieder aus den Schlagzeilen herauskommt!
Sorgen Sie dafür, dass bei präventiver Arbeit und Verbrechensbekämpfung der Polizei nicht länger gespart wird, dass endlich Opferschutz in Sachsen mehr gilt als Täterschutz. Sorgen Sie dafür, dass perverse Schädlinge wie Uwe Kolpe und Mario Mederake wirklich ein- für allemal hinter Gittern verschwinden, damit wir nicht aller paar Wochen Skandale wie mit dem kleinen Mitja miterleben müssen.
Kümmern Sie sich darum, meine Damen und Herren, dass Sachsen endlich wieder ein sauberes Land wird, ein Land, in dem man keine Angst mehr haben muss, dass höchste Regierungs- und Justizbeamte bis zum Hals in die Rotlichtszene verstrickt sind. Darüber hätten Sie reden sollen.
Wir wollen nicht vergessen, dass dem Ministerpräsidenten gleich zu Beginn der Legislaturperiode ein handfester
Landesbankskandal um die Ohren geflogen ist. Auch hier sehen wir im Kleinen nur die Strukturen in Sachsen, die anscheinend im Großen herrschen, nämlich Klüngel und der Aufstieg einer Negativelite. Ein wichtiges Tochterunternehmen der Landesbank wurde vor die Wand gefahren. Warum haben Sie dazu in Ihrer Rede kein einziges Wort verloren?
Und nun Korruption und Organisierte Kriminalität. Verstehen Sie das unter der viel beschworenen Kontinuität Ihrer Regierungsarbeit? Ist das Ihr Demokratieverständnis? Haben Sie und Ihre Regierung nach der Wiedervereinigung nichts aus der Geschichte gelernt? Haben Sie wirklich schon vergessen, wie so etwas endet? Oder ist das sogenannte Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen nicht nur zuständig für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität, sondern vielleicht schon selbst Teil der Organisierten Kriminalität?
Auch hier in Sachsen lautet der Auftrag der gewählten Volksvertreter, den Nutzen der Gemeinschaft zu mehren und Schaden vom Volk abzuwenden. Leider ist in vielen Bereichen der Landespolitik das Gegenteil der Fall, wenn auch nicht überall so eklatant wie beim Rotlichtskandal, bei dem es inzwischen schwierig ist, Regierungspolitik und Organisierte Kriminalität auseinanderzuhalten.
Aber es steht außer Zweifel, dass es genügend Gelegenheiten gegeben hätte, dem Land in den letzten zweieinhalb Jahren zu nutzen. Wir haben immer wieder Wege aufzuzeigen versucht, Arbeitsplätze dort zu retten, wo sie durch die EU-Bürokratie oder einfach durch das Versagen der Staatsregierung bedroht waren. Erinnert sei an den Rettungsversuch beim Textilhersteller Erba Lautex, der an der Untätigkeit bzw. dem Unwillen der Staatsregierung scheiterte, selbst initiativ zu werden. Das gleiche Spiel gab es ein paar Monate später beim Fahrradhersteller Biria Bike.
Um die Versagerchronik abzurunden, sei auch an das unwürdige Gezerre um das erzgebirgische Kunsthandwerk erinnert, wo sich vor Ort ein Markenpirat niederlassen durfte, der die erfolgreichen Holzschnitzmodelle im Erzgebirge kopierte, um sie dann in China zu Billiglöhnen zu fertigen.
Auch da gefielen Sie sich, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, lieber in der Rolle eines Global Players und nicht als Wahrer von Bürgerinteressen und einheimischen Arbeitsplätzen.
Auch hier haben Sie sich lieber vor den Karren Brüssels und der ausländischen Billigkonkurrenz spannen lassen.
Oder erinnern wir uns an das große Wort Ihrer Wirtschaftspolitik: die Leuchtturmpolitik. Schaut man genauer hin, verliert das große Wort rasch an Strahlkraft. Wie sieht es denn aus mit der Eigenkapitalstruktur der kleinen und mittelständischen Betriebe? Da spürt man doch wenig von Ihrer Leuchtturmpolitik. Gerade die sozial unterprivilegierten Menschen scheinen Sie, Herr Ministerpräsident,
aus Ihrer Leuchtturmperspektive überhaupt nicht mehr wahrzunehmen. Der Freistaat hätte mit der Errichtung einer Sächsischen Sozialbank als Tochterunternehmen der Landesbank ein wegweisendes Beispiel für ein soziales Sachsen geben können.
Die NPD schlug im vorletzten Jahr die Einrichtung von Mikrokonten für verschuldete Mitbürger ohne eigenes Konto vor und forderte das Angebot von Geldanlagen im Marktsegment ökologisch nachhaltiger Investments.
Weil wir gerade von den sogenannten kleinen Leuten reden: Die NPD hat in dieser Legislaturperiode zahlreiche sozialpolitische Anträge vor allem zum Thema Hartz IV eingebracht. Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass wir die Hartz-Gesetze grundsätzlich für falsch und für unsozial halten. Wir haben uns immer wieder mit der Generalrevision von Hartz IV auseinandergesetzt und gleichzeitig versucht, wenigstens die ärgsten Härten der Gesetze durch punktuelle Änderungen im SGB wegzubekommen. Die Reaktion auf der Regierungsbank war leider wieder gleich null.
Am schlimmsten aber – und daraus mache ich gar kein Hehl – ist für die NPD nach wie vor Ihr Scheitern an der demografischen Herausforderung. Sie haben heute wieder einmal beschönigend vom demografischen Wandel gesprochen, der in Wahrheit nichts anderes als eine demografische Katastrophe ist. Das ist bezeichnend für eine Regierung, die sich lieber mit der Frage beschäftigt, wie man Entleerungsräume kostengünstig infrastrukturell herunterfährt, als darüber nachzudenken, wie man endlich wieder für höhere Geburtenzahlen sorgen kann.
Dieses Versagen trat schon zu Beginn der Legislaturperiode offen zutage. Es wäre längst Sache einer verantwortungsvollen Politik gewesen, sich nicht einfach mit angeblich unumkehrbaren demografischen Trends abzufinden. Denn dass auch die Bevölkerungsentwicklung nichts Statisches ist, das zeigt sich seit Jahren in Frankreich, wo es inzwischen wieder ein Bevölkerungswachstum gibt, das übrigens von allen Parteien gewollt und gefördert wird.
Doch im Gegensatz zu unseren französischen Nachbarn scheinen Sie nicht einmal gewillt zu sein, überhaupt irgendetwas zu tun, und dies, obwohl Sachsen durch den existenzbedrohenden Bevölkerungsschwund mit am stärksten betroffen ist.
Zwei Expertenkommissionen gibt es inzwischen in Sachsen, die sich seit Jahren mit dem Problem des demografischen Wandels auseinandersetzen, wie es beschönigend im Sprachduktus heißt. Aber, meine Damen und Herren, wo sind die Vorschläge, wie der Bevölkerungsschwund endlich aufzuhalten ist, wie aus einer schwindenden wieder eine wachsende Bevölkerung gemacht
werden kann? Es ist doch längst offensichtlich, dass Sie am demografischen Desaster nichts, aber auch gar nichts mehr ändern wollen. Sie ergehen sich lieber in konzeptionslosen Anpassungsmaßnahmen, und diese sogenannten Experten machen sich Gedanken darüber, dass man in den aussterbenden Kommunen zum Beispiel in der Lausitz kleinere Abwasserrohre verlegt, weil die geringere Abwassermenge zur Korrosion nicht mehr gebrauchter Leitungen führt. Doch diese Auseinandersetzung mit Symptomen anstelle von Ursachen ist ein Anflug von Kapitulation. Wir dürfen den Bevölkerungsschwund nicht akzeptieren. Er muss umgekehrt werden.