Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Bereits in mehreren Anträgen erfolgte über die Jahre immer wieder die Anfrage, inwieweit da eine Veränderung möglich ist. Auch die Staatsregierung hat sich bereits seit 1996 intensiv mit dieser Problematik auseinandergesetzt und nach Lösungen gesucht. Leider ist uns bis heute keine Umsetzung gelungen. Diese Trennung von Strafgefangenen und Abschiebehäftlingen ist schon deshalb notwendig, weil es klare Unterschiede im Vollzug der Abschiebehaft im Vergleich mit Straf- und Untersuchungshaft, wie zum Beispiel die Möglichkeiten der Telefonate, Briefkontakte, Besuchs- und Bewegungsmöglichkeiten, geben muss.

Auch die Betreuung durch Seelsorger, Rechtsanwälte und Beratungsstellen ist unterschiedlich. Es gibt religiöse Besonderheiten und sprachliche Barrieren.

Aus diesen vorgenannten Gründen bitten wir die Staatsregierung, die bereits 1996 angelaufenen Überlegungen auf getrennte Unterbringung wieder aufzunehmen und voranzutreiben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und ganz vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Die Taschengeldregelung für Abschiebehäftlinge ist in den letzten Monaten auch Gegenstand der Diskussion

insbesondere in den Anstaltsbeiräten gewesen. Es ist eigentlich unverständlich, Herr Minister, dass der Staatsregierung keine Fälle bekannt sind, in denen es zur Verzögerung von Auszahlungen gekommen ist. Es ist die Regel, dass die Antragstellungs- und Auszahlungsmodalitäten sehr unterschiedlich gehandhabt werden und daher Wartezeiten von über drei Monaten auftreten. Das birgt natürlich die Gefahr der Abhängigkeit von anderen Strafgefangenen in sich.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Die Entwicklung des Strafvollzugs wird auch in Zukunft der Koalition ein weiteres wichtiges Anliegen sein. Ich denke, dass deshalb die Mitarbeit vieler Abgeordneter aus dem Parlament in den Beiräten der Justizvollzugsanstalten weiterhin sehr informativ und hilfreich sein kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE, und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Als Nächstes spricht für die zweite einreichende Fraktion Herr Bräunig von der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe anwesende Kolleginnen und Kollegen! Eine der wenigen positiven Folgen der Föderalismusreform im Bereich des Strafvollzugs ist, dass der Strafvollzug aktuell wieder häufiger im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Gerade weil alle Bundesländer bis zum Ende des Jahres 2007 den Jugendstrafvollzug gesetzlich regeln müssen, hat ein breiter fachlicher Dialog mit Strafvollzugsexperten, Praktikern und Verbänden eingesetzt, der uns hilft, unseren Strafvollzug spürbar zu verbessern.

Die Koalitionsfraktionen haben das Thema schon Ende letzten Jahres im Landtag erstmals aufgegriffen und hierzu einen Antrag vorgelegt, der Eckpunkte für einen künftigen Jugendstrafvollzug enthält und erfreulicherweise eine breite Mehrheit gefunden hat. Seither hatten wir im Landtag zum Strafvollzug auch noch eine Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und mittlerweile liegt ein Referentenentwurf der Staatsregierung für ein Sächsisches Jugendstrafvollzugsgesetz vor. Der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss hat beschlossen, am 31. August alle bis dahin vorliegenden Gesetzentwürfe für ein künftiges Jugendstrafvollzugsgesetz in einer öffentlichen Anhörung gemeinsam von Sachverständigen bewerten zu lassen.

Als Grundlage der parlamentarischen Befassung soll auch die heutige Große Anfrage dienen, die die Fraktionen von CDU und SPD auf den Weg gebracht haben, um solide Daten für die kommenden Gesetzesaktivitäten zu sammeln. Zusammen mit der Großen Anfrage der GRÜNEN haben wir damit umfangreiches Material, um uns den Anhörungen im Herbst gut vorbereitet zu stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen ist sicherlich bekannt, dass es innerhalb der Koalition durch

aus unterschiedliche Auffassungen gab, ob Erwachsenen- und Jugendstrafvollzug in einem Gesetz geregelt werden sollen, mithin also auch gesetzgeberischer Handlungsbedarf im allgemeinen Strafvollzug besteht. Ich freue mich, dass wir unseren Koalitionspartner davon überzeugen konnten, in dieser Legislaturperiode nur den Jugendstrafvollzug zu regeln, da derzeit kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Erwachsenenstrafvollzug besteht. Auch die Ergebnisse der vorliegenden Großen Anfrage machen deutlich, dass Jugendstrafvollzug und Erwachsenenstrafvollzug zwei Paar Schuhe sind, die nicht zusammengehören. Nicht nur das Bundesverfassungsgericht, sondern auch Rechtsexperten, Praktiker und Verbände sind der Auffassung, dass Jugendstrafvollzug und Erwachsenenstrafvollzug strukturell und inhaltlich grundverschieden sind. Daher haben wir in unserer Großen Anfrage strikt getrennt nach Ergebnissen des Jugendstrafvollzugs und des Erwachsenenstrafvollzugs gefragt.

Nun wird es eine 1. Lesung des Gesetzentwurfes der Staatsregierung zum künftigen Jugendstrafvollzug aus Zeitgründen nicht geben. Deshalb sei hier kurz erwähnt, dass der Regierungsentwurf nicht nur die Forderungen des Bundesverfassungsgerichts, beispielsweise zum Wohngruppenvollzug oder zu Ausbildungsangeboten, aufgreift, sondern auch zeitgemäße Ansätze eines modernen Fördervollzugs enthält. Die sinnvolle Heranführung junger Strafgefangener an neue Medien und ein hohes Sportangebot mit mindestens vier Stunden wöchentlich tragen deutlich unsere Handschrift.

Welche Erkenntnisse bietet nun die Antwort auf die vorliegende Große Anfrage? Zunächst lässt sich sagen, dass Sachsen, wenn wir das neue Jugendstrafvollzugsgesetz haben, vollzugstechnisch gut aufgestellt ist. Der Vollzugsalltag im Freistaat kann sich in vielen Details mit anderen Bundesländern messen, gleichwohl gibt es Punkte, die bedenklich stimmen. Hier denke ich an den Umstand, dass eine langfristige Therapie für drogenabhängige Gefangene derzeit im Vollzug selbst nicht angeboten wird. Angesichts doch erheblicher Probleme mit dem Drogenkonsum – da schließe ich an das an, was Frau Dombois gesagt hat – sollten Veränderungen erfolgen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Auch die fehlende Erhebung des Krankenstandes bei Gefangenen sollte unserer Ansicht nach künftig zur Evaluation des Strafvollzugs gehören. Wenig befriedigend ist auch, dass zurzeit nur 9,5 % aller Strafgefangenen im offenen Vollzug untergebracht werden, obwohl andere Länder, wie beispielsweise Berlin, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen, Quoten zwischen 20 und fast 30 % erreichen.

Der grundsätzliche gesetzliche Vorrang des offenen Vollzugs findet sich anders als in anderen Bundesländern im Freistaat Sachsen in dieser Deutlichkeit nicht wieder. In den Debatten zum Strafvollzug werden häufig vermeintlich hohe Rückfallquoten ins Feld geführt. Auch der Staatsminister der Justiz ist mit der Aussage zitiert worden, dass die Rückfallquote junger vorbestrafter Straftäter

zwei von drei beträgt. Die Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage sagt uns erneut, dass Statistiken über einschlägige oder allgemeine Rückfallquoten nicht erhoben werden. Da tut sich ein kleiner Widerspruch auf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Koalition ist um einen modernen Strafvollzug bemüht. Uns geht es darum sicherzustellen, dass der verfassungsrechtliche Auftrag der Resozialisierung der Gefangenen bestmöglich erfüllt wird, denn ein in der Resozialisierung erfolgreicher Strafvollzug bietet die beste Gewähr dafür, dass die Allgemeinheit vor neuerlichen Straftaten geschützt wird.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU und Beifall des Staatsministers Geert Mackenroth)

Danke schön. – Für die Linksfraktion.PDS spricht Herr Abg. Bartl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist verdienstvoll, wenn man sich mit einer Großen Anfrage bemüht, die Basiskennziffern für die große Aufgabe zusammenzutragen, vor der der Freistaat Sachsen wie die anderen Bundesländer auch nach der Föderalismusreform stehen, nämlich einen eigenständigen Gesetzeskatalog für den Jugendvollzug und für den Erwachsenenvollzug zu schaffen, der nach Möglichkeit nicht nur den Standard auf Bundesebene bewahrt – hier bin ich mit dem Justizminister in einem Boot; wir sind an die Parameter der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts gebunden –, sondern dies zum Anlass zu nehmen, sich mit den Problemlagen im Einzelnen zu befassen und zu überlegen, wie wir bei einem durchaus irdischen Ansatz, eingeschlossen finanzielle Möglichkeiten, Personalausstattung etc., mit noch größeren Modernitätsmöglichkeiten herangehen können.

Dazu sind die Große Anfrage und die Antwort der Staatsregierung mit den entsprechenden Angaben durchaus hilfreich. Wir haben – das hat Herr Bräunig vergessen – nicht nur den Referentenentwurf zum Jugendstrafvollzugsgesetz der Staatsregierung oder den der SPDFraktion; wir haben schon einen weiteren in Umlauf, und zwar den der Linksfraktion.PDS. Er nennt sich ganz bewusst Jugendstrafvollzugsfördergesetz.

(Widerspruch des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die GRÜNEN auch, selbstverständlich, der ist aber genannt worden, Herr Kollege. Herr Bräunig war nur etwas einseitig beim Blick etwas mehr nach links – was ihm aber nachgesehen sei.

Ich sage das nur deshalb, weil wir mit dem zweiten Begriff – Jugendstrafvollzugs- und Fördergesetz – ganz bewusst einen Aspekt in die Debatte einbringen wollen, da die Resozialisierung nicht am Tag der Entlassung enden kann. Nicht wenige Probleme, die wir mit der Überbelegung und bei der Rückfallquote haben, hängen damit zusammen, dass wir meinen, wenn wir halbwegs bis zum Tag der Entlassung über die Runden gekommen

sind, das Thema für die Gesellschaft beenden zu können. Wie das aussieht, will ich an einem Beispiel zeigen. Es gibt einen ganz konkreten Fall, der zurzeit in einem laufenden Verfahren erörtert wird.

Der Betreffende war, den Maßregelvollzug eingerechnet, knapp zehn Jahre in Haft. Dann ist er entlassen worden, hatte Überbrückungsgeld angespart, welches sich auf einem Verwahrkonto befand. Er ging mit 38,60 Euro bar raus. Zum Glück hatte er eine Wohnung, die ihm der Anstaltspfarrer vorher mit besorgt hatte. Er hat 14 Tage gebraucht, bis das auf seinem Verwahrkonto liegende Überbrückungsgeld für ihn verfügbar war. Wie er in der Zeit mit Essen, Trinken etc. über die Runden kam, darum hat sich niemand mehr geschert. Er ist einer der bedauernswerten Menschen, die wenig soziale Kontakte haben. Wenn derjenige nicht wirklich motiviert ist zu sagen, er will es hinter sich bringen und nicht noch einmal in die Schleife geraten, dann sind diese 14 Tage schon 13 Tage zu viel, um nicht wieder rückfällig zu werden, wenn er losmarschiert, irgendwo klaut oder andere Dinge mehr.

Solche Dinge dürfen nicht passieren. Es muss einen nahtlosen Übergang des Betreffenden geben, in den wir ja auch viel Geld hineinstecken durch Sozialarbeiter, externe Berater, Suchtberater. Es darf nicht damit enden, dass wir uns damit begnügen, ihn bis zum Terminende zu bringen, und nun soll er sehen, wie er klarkommt. Wir brauchen einen vernünftigen Anschluss in den Bereich Wiedereingliederung. Da können wir logischerweise nichts überdehnen und keine Wunder vollbringen oder administrativ anordnen wie früher in der DDR die Abteilung Inneres, die gesagt hat: Ihr nehmt ihn auf! Das ist völlig klar. Aber dieser zweite Schritt muss getan werden.

Zweiter Aspekt: Es ist von meinen Kollegen übereinstimmend gesagt worden; ich habe da weder zu Frau Dombois noch zu Kollegen Bräunig irgendeinen Dissens: Wir brauchen im Strafvollzug eine vernünftige Ausstattung, auch Personalausstattung, die die Sicherheit des Personals gewährleistet und die es natürlich auch erlaubt, die Erfüllung der Aufgaben des Strafvollzugs entsprechend zu gewährleisten.

Ich bleibe dabei, dass wir das mit dem, was wir im Haushaltsansatz betreffs des Stellenabbaus, vor allem des im unmittelbaren Vollzugsbereich vorgesehenen Planstellenabbaus vorgesehen haben – das sind etwa 316 oder 360 –, nicht leisten können. Wir werden die Aufgaben des Strafvollzugs, wenn wir so Personal abbauen, nicht leisten können. Wir haben im Verfassungs- und Rechtsausschuss zur Haushaltsdebatte – das liegt ein gutes halbes Jahr zurück – Zahlen erörtert: Torgau 3 060 Überstunden, Ende November 2006 2 799 Überstunden unter dem Vollzugspersonal, Waldheim 6 718 Überstunden. Ich habe mich schlau gemacht. Eine einzige Abteilung in einer unserer Vollzugsanstalten in Sachsen, die mit 15 Menschen besetzt ist, hat zum Ende Mai 2007 eine Überstundenzahl von 1 650. Sie ist mit Personal so besetzt, dass, wenn einer krank wird oder jemand abgeordnet werden muss, bereits innerhalb von vier bis fünf

Monaten in einem Maße Überstunden anfallen, dass keine Luft mehr für eine vernünftige Resozialisierungsarbeit bleibt. Es bleibt letzten Ende keine Luft mehr, in jedem Fall deeskalierend zu reagieren. Es bleibt erst recht keine Zeit und keine Luft, eine vernünftige Kontrolle von Betäubungsmittelmissbrauch vorzunehmen.

Wenn wir uns in diesem Hohen Haus die Wahrheit eingestehen – viele Strafverteidiger werden das jederzeit bestätigen –, ist es so, dass es nicht wenige Strafgefangene gibt, die erst in Strafvollzugseinrichtungen den Umgang mit Betäubungsmitteln gelernt haben. Das ist ein Dilemma. Sie hatten vorher nie etwas mit Betäubungsmitteln zu tun. Man kann aber in sächsischen Vollzugsanstalten nahezu jedes Betäubungsmittel erwerben. Man muss es mit Arbeitsleistungen abgelten, mit Zigarettentausch, oder man kann es mit Kaffee machen. Die Stichpunktkontrollen, zu denen unser Personal in der Lage ist, reichen niemals aus, um genügend präventive Vorkehrungen zu treffen. Das ist die Realität, die wir zur Kenntnis nehmen müssen.

Man bekommt einen modernen Vollzug, einen Resozialisierungsvollzug und einen Vollzug, der gegen die Rückfälligkeit wirkt, nicht umsonst. Das kostet uns eben etwas Geld. Ich bin nur bedingt bereit zu befeiern, dass Sachsen in der Haftkostenquote am günstigsten in der Bundesrepublik dasteht. Es ist Ende November 2006 jedenfalls die Situation gewesen, dass wir 69,18 Euro pro Tag pro Gefangenen im Freistaat Sachsen ausgegeben haben. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 82,98 Euro. Das mag zum Teil durchaus einer relativ guten Einnahmensituation bei der Arbeitsverwaltung geschuldet sein, aber zum anderen ist es auch einer permanenten Abschmelzungs- oder Einsparungspolitik in der Haftkostenausstattung einschließlich Personal geschuldet.

Wer durch die Anstalten geht, muss erkennen – alle, die bisher gesprochen haben, sind in Anstaltsbeiräten –, dass es eben nicht sein kann, dass letztlich die Bibliotheken für Gefangene mit Karteikarten geführt werden, wobei der Bibliothekar je nach der Haftzeit wechselt, sodass inzwischen so viele Durchstreichungen und Handschriften vorhanden sind, dass man kaum noch die Karteikarte erkennt. Aber anderswo werden zu irgendeinem Zeitpunkt als Frühjahrsputz Computer auf die Straße gestellt und abtransportiert. Wir sind nicht in der Lage, eine rechnergestützte Bibliothek zu führen und müssen mit Karteikarten im DIN-A5- oder DIN-A4-Format arbeiten, und das kann nicht sein. Wir sparen momentan, aber über Jahre hinweg kommt uns das bei erfolgreicher Resozialisierung insgesamt keineswegs billiger.

Letzter Gedanke: Es ist eine komplizierte Aufgabe in der Vollzugspolitik – damit werden wir uns bei der Gesetzgebung befassen müssen –, eine vernünftige Struktur der Vollzugsanstalten hinzubekommen. Ich will nicht darum herumreden. Wir haben jetzt offenkundig ein Vorhaben, dass der Frauenvollzug konzentriert in Chemnitz vollzogen wird, dass also in Chemnitz sowohl für Sachsen, als auch für Thüringen und Sachsen-Anhalt, ein erheblicher

Bereich von Frauenvollzugsplätzen vorgehalten wird, was viele günstige Konsequenzen bei Synergieeffekten, Qualifizierung des Personals, medizinischer Betreuung hat. Es hat aber natürlich auch Nachteile. Das bedeutet für die anhaltischen und Thüringer Angehörigen weite Fahrwege. Das soll vor allem die Sachsen-Anhaltiner und Thüringer bewegen. Aber wir belegen ja jetzt die Masse der Männer aus dem westsächsischen Bereich in Chemnitz und partiell Zwickau. Die gehen künftig nach Zeithain. Man fährt schon von Chemnitz aus nach Zeithain fast zwei Stunden; wenn jemand aus dem Erzgebirge Angehörige dort besuchen will, muss er für eine halbe Tagesreise oder mit einem Urlaubstag planen. Dass das nicht förderlich für den Besuchskontakt ist, sprich: für die funktionierenden sozialen Beziehungen, steht wieder am Rande der Vereinbarkeit mit dem Resozialisierungsprinzip, wonach nach jüngster Verfassungsgerichtsrechtsprechung der Gefangene einen Anspruch auf heimatnahe, sprich auch familiennahe Unterbringung hat. Das ist die andere Seite. Wir werden noch mit etlichen „Baustellen“ bei der gesamten Problematik umgehen müssen.

Dass uns heute mit diesem Antrag zur Großen Anfrage ermöglicht wurde, darüber zu reden, dafür haben wir zu danken. Ich meine, wir sollten auch weiter konstruktiv mit dieser Frage umgehen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Petzold, Sie sprechen für die NPD-Fraktion; bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgrund der eingeschränkten Redezeit spreche ich nur die wesentlichsten Auffälligkeiten dieser Großen Anfrage an.

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Bevölkerungsverlustes in Sachsen seit der sogenannten Wende, der immerhin mehr als eine halbe Million Menschen betrifft, verwundert es, dass zwischen 2002 und 2006 die Zahl der erwachsenen Strafgefangenen insgesamt um 10 % zugenommen hat. Obwohl der Anteil weiblicher Gefangener in absoluten Zahlen nur einen Bruchteil der straffälligen Männer beträgt, stellt sich mir trotzdem die Frage, was die Ursache dafür ist, dass in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der erwachsenen weiblichen Gefangenen in den sächsischen Justizvollzugsanstalten um 57 % gestiegen ist.

Erfreulich ist, dass die Zahl der Jugendstrafgefangenen im gleichen Zeitraum um 14 % gesunken ist. Doch muss befürchtet werden, dass dieses Faktum durch die Abwanderung der perspektivlos gewordenen sächsischen Jugend erkauft wurde.

Auffällig ist bei den Jugendstrafgefangenen, dass der Anteil der jugendlichen weiblichen Gefangenen im Vergleichszeitraum um 40 % anstieg, also ein paralleles Phänomen, wie ich es eben schon bei den erwachsenen weiblichen Gefangenen erwähnt habe.

Beim Jugendarrest sind die Zahlen der Arrestanten zwischen 2004 und 2006 ebenfalls drastisch gestiegen: bei den Heranwachsenden um 21 %, bei jugendlichen Arrestanten um 32 %, und das alles vor dem Hintergrund unserer interpretierenden Demografie in Sachsen. Vielleicht ist Minister Mackenroth nachher gewillt, zu diesem Phänomen eine einleuchtende Erklärung abzugeben.

Aus der Bundesstatistik zu den Suiziden in Haftanstalten des Jahres 2005 ergibt sich, dass Sachsen nach dem Saarland die zweithöchste Suizidrate je 1 000 Gefangene aufweist. Die Selbstmordrate in sächsischen Haftanstalten ist doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Was, bitte, sind die Gründe hierfür, Herr Justizminister Mackenroth?