Protokoll der Sitzung vom 31.08.2007

Ministerpräsident Günther Oettinger schätzt den Wert unserer Landesbank zwischen 300 Millionen Euro und 800 Millionen Euro und hält – ich zitiere –: „die Risiken für beherrschbar“.

(Zuruf des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Wenn der Wert deutlich oberhalb der Mindestgrenze von 300 Millionen Euro läge und wir das nachrangige Gewährleistungsrisiko bis 2010 loswürden, dann könnten wir zufrieden sein. Lassen Sie uns das Fell des Bären verteilen, wenn er erlegt ist. Lassen Sie uns dann diskutieren, ob ein Freistaat überhaupt eine Bank braucht oder ob die Arbeitsplätze in Leipzig

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

und der Standort besser durch eine weitere Bankbeteiligung gesichert sind. Lassen Sie uns das Ganze in einer breit angelegten, länger dauernden Diskussion im Haushalts- und Finanzausschuss bewerten und über politische und aufsichtsrechtliche Konsequenzen sprechen. Vielleicht gelingt es uns, in einem Memorandum die richtigen Lehren zu ziehen. Das Ziel sollte sein, dass wir uns in die aktuelle bundesweite Diskussion um die Neuordnung einschließlich der Bankenaufsicht einschalten.

Jedenfalls gibt es in Ostdeutschland keine eigenständige Landesbank mehr. Das ist bitter genug, das ist auch ganz besonders bitter für unseren Ministerpräsidenten Georg Milbradt.

(Zuruf von der Linksfraktion: In der Tat!)

Aber der jetzt ausgelöste Fusionsdruck wird die Landschaft der deutschen Landesbanken gewaltig verändern. Dieser Prozess hat – nicht nur in Sachsen – schon begonnen.

Meine Damen und Herren! Aus Schaden wird man klug, aber nicht reich, sagte meine Großmutter immer. Ich hoffe: Wir sind in Sachsen nun klug genug.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der Linksfraktion: Das wäre das erste Mal!)

Ich erteile der SPDFraktion das Wort; Herr Abg. Pecher.

(Allgemeine Unruhe und Zurufe – Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich respektiere die Entscheidung des Vorsitzenden des Verwaltungsrates

der Landesbank, des Vorsitzenden des Kreditausschusses, Vertreters des Anteilseigners und Finanzministers des Freistaates Sachsen, die politische Verantwortung zu übernehmen. Denn „sächsisch“ als Erfolgsprinzip kann man zurzeit leider nicht empfehlen. Das ist für mich das Fazit aus diesem Geschehen.

Ich habe diese Rede mit drei Fragen überschrieben: Was ist passiert? Wie ist es passiert? Warum ist es passiert?

Wir haben eine Bank verloren und damit nicht nur ein Stück Identität – für manchen auch ein Lebenswerk –, sondern wir haben mit konkreten Auswirkungen auf die sächsische Wirtschaft zu rechnen, was das Thema Krediterlangung betrifft. Wir haben Auswirkungen auf die Sparkassen zu sehen, insbesondere auf die in der SachsenFinanzgruppe beteiligten. Die Ausschüttungen sind weg. Die Beteiligung, die sie eingebracht haben, ist offen. Und natürlich ist mit der Landesbank Baden-Württemberg, die in ihrem Land ganz stark im Sparkassengeschäft ist, hier in Sachsen eine Konkurrenzsituation eingetreten.

Es hat sich gezeigt – der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion hat dies schon erwähnt –, dass der Kampf 2001 für freie Sparkassen, den auch die SPD maßgeblich mitgetragen hat, zu Recht bestanden hat. Die Sparkassen, die nicht in der Sachsen-Finanzgruppe sind, sind an diesem Desaster nicht beteiligt und auch nicht involviert.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Wir haben Imageschaden für den Freistaat. Ich denke, das ist unbestritten. Wir haben Vertrauensverlust in die Politik. Wir haben das Problem, dass Arbeitsplätze gefährdet sind. Und wir haben das Problem – der Finanzminister hat es hier dargestellt und ich möchte einmal ganz klar übersetzen, was er aus dem Vertrag dargelegt hat –, dass zum 31.12.2007 erst der Wert ermittelt wird und wir erst im Januar/Februar 2008 wissen, was diese Bank für einen Wert oder auch Negativwert hat. Das heißt im Klartext: Das Risiko einer Nachschusspflicht besteht nach wie vor.

Wie ist es nun eigentlich passiert? Die Signale der USHypothekenkrise wurden klar nicht erkannt. Die Hinweise der BaFin, die ergangen sind, wurden zwar abzuarbeiten versucht; das Geschäftsmodell, das hier zugrunde lag, wurde aber weder revidiert noch aufgegeben. Die Marktstörung wurde klar unterschätzt. Ich möchte das auch belegen.

Wir – Herr Grimm von der Chemnitzer Sparkasse und ich – haben am 16. Juli 2007, als noch keiner groß von einer Immobilienkrise gesprochen hat, im Kreditausschuss deutlich gefragt, ob das, was dort diskutiert worden ist, Auswirkungen auf das Portfolio der Bank haben kann.

(Karl Nolle, SPD: Natürlich!)

Klare Antwort des Vorstandes dort: Nein, das sind Häuslebauer-Kredite, das betrifft uns nicht. Wir machen schwer in Immobilien – in Australien und in den USA – und wir haben natürlich alles AAA geratet. Was das Stichwort blindes Vertrauen in die Rating-Agenturen hervorruft.

Herr Pecher, – Ich persönlich habe im Verwaltungsrat bei Herrn Eggert nachgefragt – nicht bei Ihnen! –,

Nachdem die Krise offensichtlich wurde, versuchte man – – Entschuldigung. interjection: (Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

ob es weitere Risiken gibt, die die Liquidität dieser Bank gefährden könnten. Es gab die klare Antwort: nein! – Der Verwaltungsratschef hat hierbei nicht widersprochen. Die Rettung wurde gefeiert und aus meiner Sicht wurden die Verwaltungsratsmitglieder getäuscht.

– darf ich Sie bitte einmal unterbrechen. Wir haben jetzt ein kleines Problem: Wir wissen nicht, wie lange Sie reden, ich kann Ihnen kein Zeichen geben, denn die Anzeige bei Ihnen funktioniert nicht.

Am Donnerstag, dem 23. August, trat ein, was absehbar war: Eine Reprobank sprang ab, 250 Millionen Euro Verlust wurden generiert. Das hätte am Montag, dem 27. August, ad hoc die Mitteilung zur Folge gehabt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere 250 Millionen Euro fällig gewesen wären. Damit war die Bank am Ende. Aus meiner Sicht war sie es bereits, als Ormond Quay das erste Mal in den Medien erwähnt wurde.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sieben Minuten!)

Frau Präsidentin! Ich wäre bei zehn Minuten für einen Hinweis dankbar.

Gut, genau das meinten wir jetzt; vielen Dank.

Ich glaube, die SPD hat in diesem Bereich souverän agiert. Es war – darin bin ich durchaus der Ansicht des Finanzministers – unser erstes Ziel, die Arbeitsplätze in Sachsen am Bankenstandort Leipzig zu sichern. Ich glaube, dass uns das mit der im Vertrag enthaltenen Formulierung auch gelungen ist.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sieben Minuten hat er!)

Nachdem die Krise offensichtlich wurde, versuchte die Bank das erst einmal allein mit einem Milliardenkredit zu überspielen und auf Zeit zu gehen. Man muss bemerken: Der Verwaltungsrat war zu dieser Zeit nicht informiert. Es war natürlich auch unser Ziel, Transparenz zu schaffen. Wir haben darauf gedrungen, dass die Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Parteien eingeladen und informiert werden. Die Staatsregierung brauchte schon fast eine Stunde, um zu dem Entschluss zu kommen, dass das gut ist.

Zur Kreditausschusssitzung am 14.08.2007 wurde dargestellt, dass weitere Reprofinanzierungen von Engagements gefährdet sein könnten. Was aus meiner Sicht folgte, war ein katastrophales Informationsmanagement des Vorstandes, aber auch des Finanzministeriums. Denn angezeigt wurde diese Ausfallwahrscheinlichkeit schon am Dienstag.

Warum ist das nun alles passiert? Die Gründe für den Exitus dieser Bank – das ist schon dargelegt worden – liegen, denke ich, auch in ihren Wurzeln. Die Bank war von Anfang an zu klein. Es wurde zu lange an einer Alleinlösung festgehalten. Die Suche nach Partnern begann viel zu spät. Die Bank hat keinen eigenen Kundenstamm, keine eigenen Einlagen, sie hat ein zu geringes Eigenkapital, was zu der vom Finanzministerium im Alleingang veranlagten Kapitalaufstockung von 300 Millionen Euro führte. Außerdem ist Sachsen ein relativ ertragsschwacher Markt, vor allen Dingen in Konkurrenz zu den Sparkassen.

Am Donnerstag kam ein Anruf: Wir müssen jetzt ganz schnell verkaufen, 400 Millionen Euro. Rückfrage bei Süß, dem Vorstandschef: Ich weiß von überhaupt nichts, ich weiß gar nicht, wo die Zahl herkommt.

Zwei Stunden später: Ja, wir haben hier einen Ausfall, wir müssen etwas tun.

Wir haben dann erst einmal darauf gedrungen, die SPD hat darauf gedrungen: Erstens, dass wir hier ein VierAugen-Prinzip haben, dass wir in diese Verhandlung involviert werden, weil wir nicht mehr wollten, dass das Finanzministerium allein als Anteilseigner agiert. Und wir haben darauf gedrungen, dass das sächsische Kabinett entsprechend informiert wird.

Hauptgrund allerdings war die Änderung des Geschäftsmodells in Richtung Kapitalmarkt 2001/2002. Die risikoreiche Unterstützung der sächsischen Wirtschaft, die sehr wohl gewollt war, war aus konservativen Bankgeschäften nicht mehr finanzierbar. Dazu kamen durchaus auch dubios zu nennende Kredit- und Geschäftsmodelle – ich nenne nur Risto Immobilien und MDL –, die zurzeit Bestandteil des Untersuchungsausschusses sind.

(Heinz Eggert, CDU: Gut, dass wir die SPD haben!)

Genau, Herr Eggert, schön, dass Sie es einmal aussprechen. Nach dem verheerenden Abgang der Vorstände Weiss und Fuchs reifte die Erkenntnis, dass die Bank allein keine Überlebensperspektive hat. Diese Erkenntnis kam viel zu spät.

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, Linksfraktion)

Mit dem 17-Milliarden-Euro-Kredit glaubte man sich gerettet, obwohl man wusste, dass weitere Fonds, die langfristig von Reprobanken finanziert wurden, Liquiditätsprobleme bekommen könnten.

Man musste die Bank also schönschreiben, die Braut hübsch machen – das wurde oft genug genannt –, also Gewinn machen, und das auch unter dem Aspekt, der

Auch die Banker der Sachsen-Finanzgruppe haben diese Risiken nicht gekannt, nicht gesehen und nicht gewusst. Jetzt wollen manche die Gremien verantwortlich machen.

Sparkassen-Finanzgruppe und deren Beteiligung an der Bank einen Sinn zu geben, die Sparkassen bei der Stange zu halten. Die Folge war eine extensive Ausdehnung des Kapitalmarktgeschäfts, wobei immer mehr langfristige Verbindlichkeiten mit kurzfristigem Geld finanziert wurden. Da in diesem Geschäft die Margen relativ gering sind, erfolgte eine beispiellose Ausweitung des Geschäftsvolumens. Da das Eigenkapital gering war, erfolgte danach eine extreme Hebelung von Kapitalmarktfinanzierung bis zum Fünfzigfachen der Liquidität.

Unser Fazit ist: Die Abläufe und Vorgänge zwischen Bankvorstand und Anteilseignern sind aufzuklären, auch im Hinblick auf strafrechtliche Relevanz. Ja, ich fühle mich von den Vorständen belogen. Ich glaube, dass die Strafanzeige gegen die Vorstände gerechtfertigt ist. Wir glauben, dass der Sächsische Rechnungshof das Finanzministerium dringend unter die Lupe nehmen sollte, ob die Strukturen zum Management des sächsischen Beteiligungsportfolios, zu denen auch die Bank zählt oder zählte, den Anforderungen gewachsen waren oder sind.

Die Sicherung bestand einzig und allein in dem Vertrauen auf das Rating und die Marktfähigkeit der zu finanzierenden Papiere.

Meine Damen und Herren, das ist wahrlich kein Tag zum Jubeln. Ich habe bei dem Thema „Wir haben Schaden abgewendet“ ein Wörtchen vermisst, und zwar das Wörtchen „weiteren“.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Das ist richtig!)