auch Riesenfrust der Zuwendungssuchenden. „Die im Dunkeln sieht man nicht“ – beispielsweise Umwelt- und Naturschutzgruppen, die bei der Sächsischen Stiftung für Natur und Umwelt um wenige hundert Euro betteln. Zeit ist da, Geld fehlt. Und so wird ehrenamtlich ein Aufwand für die Antragstellung und Nachweisführung geleistet, der die Fördersumme oft um ein Vielfaches übersteigt. Und wehe, das Logo der Stiftung als Förderer hat auf Plakaten oder Handzetteln gefehlt – dann droht Abzug. Wer so fördert, fördert Unbehagen, Desinteresse und vor allem eines: Vetternwirtschaft und Korruption. Er fördert ohne ganzheitliches Konzept und verliert den Überblick.
Um aber dann im entstehenden Chaos nicht unterzugehen, sichert sich die Staatsregierung mit Hilfe der Übertragung so genannter Ausgabenreste in das jeweils nächste Haushaltsjahr finanzielle Reserven, die im Lande vorne und hinten fehlen. Im vergangenen Jahr waren dies über 300 Millionen Euro aus dem Haushalt von 2003; zum Jahreswechsel 2004/2005 ein ähnliches Bild. Unverantwortlich, sage ich, was da Gemeinden, Landkreisen, Verbänden, Vereinen und Unternehmen an vom Landtag mit dem Landeshaushalt beschlossenen Mitteln vorenthalten wurde. Ich will wenige Beispiele nennen, um zu zeigen, in welchen Größenordnungen Mittel geparkt wurden.
2003 hat das Wirtschaftsministerium 10,8 Millionen Euro so genannte Regionalisierungsmittel, die der Bund jährlich nach dem Gesetz für die Bestellung von Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs bereitstellt und die dringendst gebraucht werden, den fünf Zweckverbänden in Sachsen vorenthalten. Herr Staatsminister für die Finanzen: Da würde ich dann in Bezug auf Nahverkehr und seine Förderung den Mund nicht so voll nehmen.
Seit Jahren werden Einnahmen in Höhe von 16 Millionen Euro aus der Erhebung der Abwasserabgabe und rund 15 Millionen Euro aus der Erhebung der Wasserentnahmeabgabe im Umweltministerium geparkt – Geld, das Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen aus der Tasche gezogen wurde.
Und weiter: Bei Zuweisungen für Investitionen an die Kommunen für Abwasserentsorgung wurden gespart – sprich: vorenthalten – 2003 rund 17 Millionen Euro, 2004 rund 19 Millionen Euro. Bei Zuweisungen an die Kommunen für Schulhausbau gespart – sprich: vorenthalten – 2003 14,3 Millionen Euro, 2004 rund 8 Millionen Euro. Bei Zuschüssen für Investitionen an Gemeinden und Verbände zur Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur gespart – sprich: vorenthalten – 2003 rund 21 Millionen Euro und 2004 gar 24,8 Millionen Euro.
So kann sich natürlich eine Staatsregierung brüsten, die Schulden niedrig zu halten und hohe Investitionsquoten zu sichern. Aber was entsteht, sind potemkinsche Dörfer, weil Not nur weitergegeben wird. Was bringt es, wenn die Verschuldung auf die Kommunen abgewälzt wird? Was nützen die schönsten Zahlen im Landeshaushalt, wenn die Mittel nicht mehr abgerufen werden können?
Und, Herr Finanzminister: Mit den Schulden der Kommunen könnten Sie in Brüssel die Maastrichter Kriterien auch nicht mehr erfüllen.
Aber trotz aller Tricks, trotz der Erhöhung der Nettokreditaufnahme: Der Haushaltsentwurf ist an allen Ecken und Enden von Einschränkungen geprägt – bedauerlicherweise und zum Schaden des Landes vor allem in Bereichen, in denen es um unsere Zukunft, um das soziale Klima im Lande und um unser aller persönliche Sicherheit geht.
Bei der Bildung geht es wohl am tollsten zu. Mit Freude haben wir von 800 Stellen mehr in den Grundschulen vernommen – Gratulation für das Verhandlungsergebnis. Dass deswegen nicht wirklich neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden, sondern nur die Teilzeit aufgestockt werden soll, war ein erster, aber noch genießbarer Wermutstropfen. Hundert von diesen 800 Stellen sollen nun in die Förderschulen – das macht den Trank schon eklig bitter. Dann kam es aber noch mehr als bitter, nämlich bitterkalt:
7 500 Lehrerstellen sollen bis 2009 abgebaut werden, davon 2 587 an den Mittelschulen und 2 173 an den Gymnasien. Da bleibt ein beträchtlicher Rest und auch die Grundschulen werden schließlich und endlich wieder vom Abbau betroffen sein; Schulen werden weiter geschlossen.
Meine Damen und Herren, das ist wie in einer Lostrommel: Alles wird durcheinander gewirbelt und irgendwann fällt eine Kugel raus. Sie bringt aber keinen Gewinn, sondern sie ist für immer verloren. Die Kugeln werden so immer weniger – welche aber wann rausfällt, bestimmt der Zufall.
Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit in den Schulen und ein langfristiges Personalentwicklungskonzept sind – jedenfalls bislang – nicht zustande gekommen. Die Grundschullehrerinnen und -lehrer sowie rund die Hälfte der Mittelschullehrerinnen und -lehrer arbeiten in Teilzeit. Der Bedarf an Lehrkräften wird aber immer noch nicht pädagogisch, sondern einzig fiskalisch bestimmt. Ähnlich geht es im Hochschulbereich zu, wo bis 2008 der Abbau von 300 Stellen vorgesehen ist und für die Jahre 2005 und 2006 jeweils 75 kW-Vermerke eingetragen sind. Die Volkshochschulen des Landes erhalten nicht einmal die Hälfte des Bundesdurchschnitts pro Einwohner an öffentlicher Förderung. Auch diese Zahlen muss man nennen, Kollege Metz!
Bildung und Wissen, die wichtigsten Ressourcen des Landes, werden abgebaut wie Kohle und nicht gehegt und gepflegt wie Pflanzen, die uns ernähren sollen.
Zugangsbeschränkungen zu Bildung und Wissen durch ein nach wie vor sozial selektives Schulsystem, durch zunehmenden Numerus clausus und durch drohende Studiengebühren gefährden unser aller Zukunft sowie
Lebensrechte und Lebensqualität breiter sozialer Schichten. Verstärkt wird dieser Effekt mit Gewissheit durch die Kürzungen im Jugendhilfebereich und bei der Familienförderung, durch Reduzierungen bei der Suchtprävention und Suchthilfe trotz steigender Fallzahlen, bei den Landeszuschüssen für die Wohlfahrtsverbände oder bei den Zuschüssen zur Förderung ehrenamtlicher Arbeit im sozialen Bereich. Die Erhöhung der Kita-Pauschale relativiert sich angesichts dieser Feststellungen erheblich, wenn sie auch – neben den jährlich 15 Millionen Euro für Kita-Investitionen – zu den wenigen erfreulichen Tatsachen im Haushaltsentwurf gehört. Solide, konkrete Kinder- und Jugendarbeit vor Ort wird aber, geht es nach dem Haushaltsentwurf, nicht mehr möglich sein.
Die Staatsregierung begnügt sich mit symbolischen Gesten. Das ist brandgefährlich und verantwortungslos, gerade vor dem Hintergrund des Erstarkens rechtsextremer Ideologien. Jugendarbeit hat doch nicht zuletzt die Aufgabe, demokratische Werte in unserer Gesellschaft zu vermitteln und zu stärken. Vor dem Hintergrund der Kürzungen sind aber selbst die zwei Millionen Euro für das neue Programm für ein demokratisches und weltoffenes Sachsen konterkariert, zumal von diesem Programm wieder nur 750 000 Euro für Projekte vor Ort eingesetzt werden sollen, der größere Rest aber für Werbekampagnen und externe Experten vorgesehen ist.
Bleibt wieder nur die Polizei als Nothelfer bei Beben, verursacht durch soziale Verwerfungen, mag jetzt so mancher und so manche denken und fragen. „Falsch gedacht!“ kann man aber da selbst nur rufen. Nicht einmal das ist gesichert! 17 Millionen Euro Kürzungen sollen der Polizei allein bei der Ausstattung ins Haus stehen, 13 Millionen weniger gibt es für Investitionen, 310 Stellen sollen bis 2008 abgebaut werden. Der Finanzminister hat allerdings bereits 2004 von 2 100 zu streichenden Stellen gesprochen. Auch der Innenminister hält die Zahl 310 für keine sichere Größe. Ist das Solidität im Haushalt?
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass die Polizei mit den geplanten Haushaltsmitteln die gewohnten Dienstleistungen nicht mehr erbringen kann. Eine bürgernahe Polizei wird es mit solcher Art von Finanzierung schon gleich gar nicht geben. Gerade eine solche brauchen wir aber. Bürgernähe – das befürchte ich und befürchtet meine Fraktion – wird verdrängt werden von allerlei überwachungsstaatlichem Firlefanz, mit dem Sicherheit nur vorgetäuscht wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drastisch haben die gewählten Beispiele gezeigt, dass mit diesem Haushaltsentwurf kaum Staat zu machen ist. Es fehlt ein Entwurf, der uns in den nächsten zwei Jahren einen guten und sicheren Weg in Sachsens Zukunft weist. Wo Not herrscht, kann man niemandem vorwerfen, wenn er Not verwaltet – so ehrlich müssen wir sein. Dennoch gibt es immer noch Spielräume, die man unterschiedlich nutzen kann. Unsere immer noch gültige, zum vorigen Doppelhaushalt aufgestellte Losung „Bildung statt Beton“ verweist auf solch unterschiedliche Nutzung von Möglichkeiten. Wir, die PDS-Fraktion, werden in den kommenden Wochen den Finger auf jeden Posten legen und – nun schon in gewohnter Weise – eine Alternative
zu diesem Haushalt vorlegen, die nicht von der Angst vor dem Sozialstaat und seiner Verteufelung geprägt ist, sondern auf der Grundlage unseres alternativen Landesentwicklungskonzeptes für Sachsen sich mit Realismus und Augenmaß einem „Sozial, mit aller Kraft“ verpflichtet fühlt. Dazu brauchen wir eine starke Wirtschaft und eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn mein Vorredner von der PDS-Fraktion mit philosophischen Eingebungen über die Sozialsysteme in die Debatte eingestiegen ist,
bleibt doch festzustellen, dass außerhalb Sachsens Ihre Genossen stolz wären, wenn sie einen Haushalt mit unseren Eckpunkten vorlegen könnten.
Ich finde es sehr gut, Herr Kollege Porsch, dass Sie noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass Sie die DHL-Ansiedlung für nicht gut halten.
Wir sind dafür und sind sehr froh, dass wir uns an dieser Stelle für jeden wahrnehmbar von Ihnen absetzen.
Die kommunalen Spitzenverbände waren hier in diesem Haus, in diesem Saal zu Gast. Wir haben mit ihnen eine Anhörung durchgeführt – an der im Übrigen auch Kollegen von Ihrer Fraktion teilgenommen haben –, in der Sie sich ohne Probleme hätten informieren können.
Wir haben in ausgewogenster Weise darüber diskutiert, wie die Finanzierung kommunaler Haushalte für die nächsten Jahre gewährleistet werden kann und wie wir insbesondere mit dem Thema „Investitionen“ umgehen. Einen Beitrag dazu haben Sie heute nicht abgeliefert. Sie haben erneut, ohne konkrete Zahlen zu nennen, die „Kommunale Finanzierung“ infrage gestellt.
Der Finanzminister hat völlig zu Recht die schwierigen Rahmenbedingungen hervorgehoben, die diesem Haushaltsentwurf zugrunde liegen. Es hat aus meiner Sicht
Die Einnahmen und damit auch die Ausgaben bewegen sich auf dem Niveau von 1995, das heißt, sämtliche Steigerungen, die wir etwa in den Bereichen Personalausgaben, Sonder- und Zusatzversorgungssysteme, BAföGLeistungen, Förderung von Kindertagesstätten zu verzeichnen haben, oder schlicht alle inflationsbedingten Mehrausgaben müssen innerhalb eines gleich bleibenden – ich betone: gleich bleibenden – Haushaltsvolumens finanziert werden. Dass das mit Kraftanstrengungen verbunden ist, dürfte jedem klar sein. Es muss auch nicht betont werden, dass ein über zehn Jahre konstantes Haushaltsvolumen einzigartig in ganz Deutschland ist. Nehmen wir den Bund! Der Bund allein hat zwischen 2000 und 2005 sein Haushaltsvolumen um über zehn Milliarden Euro aufgestockt.
Der vorgelegte Haushaltsentwurf zeichnet sich – das ist mir besonders wichtig – wie seine Vorgängerentwürfe durch Kontinuität und Nachhaltigkeit aus. Diese Markenzeichen sächsischer Finanzpolitik – Rückführung der Nettoneuverschuldung bei bundesweit höchster Investitionsquote – werden auch unter schwierigen Rahmenbedingungen beibehalten. Das ist ein Signal, das über den Tag hinaus von Sachsen ausgeht und das sowohl in Fachkreisen als auch in Kreisen der Politik anerkannt wird.
Heute sind viele Kollegen im Haus, die zum ersten Mal an einem Haushaltsentwurf mitarbeiten. Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere völlig unbefangen an das Zahlenwerk herangeht und die Frage stellt: Was ist denn nun an diesem Haushalt so besonders? Was kann man hervorheben? – Ich glaube, es ist wichtig zu sagen, dass auch für diesen Haushalt gilt, was für jeden privat gelten sollte: Man kann nur das ausgeben, was man selber hat! Dieser so simple Grundsatz sollte für jeden Grundlage seiner Diskussionsbeiträge zu diesem Thema sein.
Was entgegnen wir also auf solche Fragen, Herr Kollege Porsch? Wir können nicht in finanzpolitischen Ausflüchten daherlabern. Schulden machen, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, ist kein Rezept, um die wirtschaftliche Entwicklung zu forcieren.
In guten Zeiten könne man wieder gegensteuern – mit dieser Aussage, die wir oft genug gehört haben, kommen wir allerdings nicht weiter, weil die Praxis in den letzten 30 Jahren Bundesrepublik bewiesen hat, dass das am Ende gut gemeinte Reden sind.
Wenn es darum geht, die Schulden wieder zurückzuführen, stellen wir, egal, wohin wir schauen, fest: Es gibt immer genügend Gründe, um bei der Verschuldung zu bleiben.