nicht regeln. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie das Papier kopieren und den Fraktionen zur Verfügung stellen. Dann sind auch alle darüber informiert und Ihrem Anliegen ist damit Rechnung getragen.
Soeben hat die CDUFraktion zum Gesetzentwurf gesprochen. Ich rufe die SPD-Fraktion auf. Bitte schön, Herr Bräunig, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Abgeordneten dieses Hohen Hauses über die Entschädigung befinden sollen, die sie für die Ausübung des Landtagsmandates als angemessen betrachten, dann führt das natürlich regelmäßig zu einer sehr emotionalen und öffentlichkeitsintensiven Auseinandersetzung. Das polarisiert die Menschen wie kaum ein anderes politisches Thema. Und die öffentliche Meinung ist in der Regel gegen uns.
Gegen uns alle. Da ist von Selbstbedienungsmentalität die Rede, von Realitätsverlust oder auch von der Sicherung von Pfründen. Keiner dieser Vorwürfe trifft den Kern der Sache. Trotzdem würden viele von uns gern der Auseinandersetzung mit der vorurteilsbehafteten öffentlichen Meinung aus dem Weg gehen. Das geht aber nicht. Wir müssen, wir können und wir dürfen uns dieser Debatte nicht entziehen. Wir sind von Rechts wegen und – Kollege Schiemann hat darauf hingewiesen – auf der Grundlage unserer Verfassung dazu verpflichtet, diese Debatte zu führen. Wir müssen sie auch führen, weil es dabei um die Frage geht: Was ist ein Abgeordneter wert, welche Anerkennung erfahren seine Tätigkeit und seine Rolle in der parlamentarischen Demokratie?
In dieser Legislaturperiode läuft nun schon seit mehr als zwei Jahren dieser Diskussionsprozess. Es ist auch auf die maßgebliche Initiative der SPD-Landtagsfraktion zurückzuführen, dass sich zunächst eine Sachverständigenkommission mit der Frage beschäftigt hat, wie die Abgeordnetenentschädigung im Freistaat Sachsen weiterentwickelt werden soll. Das ist im Übrigen genau das Gegenteil dessen, was im Moment im Bundestag passiert, wo man die Diätenerhöhung ohne große Reformen im Hauruckverfahren, quasi im Schweinsgalopp, durch das Parlament peitschen will. Das ist nicht unser Anspruch. Wir sind hier einen anderen Weg gegangen.
Die vom Präsidenten des Sächsischen Landtages eingesetzte Expertenkommission hat einen Bericht vorgelegt. Auf Grundlage der Empfehlungen dieses Berichts haben die Koalitionsfraktionen einen Gesetzentwurf erarbeitet, der seit Mai dieses Jahres öffentlich ist. Am 10. Septem
ber dieses Jahres gab es eine öffentliche Sachverständigenanhörung, bei der uns die dort vertretenen Experten einige Anregungen mit auf den Weg gegeben haben, die nunmehr wiederum in Form von Änderungen in das Gesetz einfließen sollen. Insgesamt wurde unser Gesetzentwurf bei dieser Sachverständigenanhörung durchaus als innovativ und zukunftsweisend bewertet.
Schließlich hat sich der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss in seiner letzten Sitzung mit unserem Gesetzentwurf und den Änderungsanträgen dazu auseinandergesetzt. Es gab seitens aller Fraktionen außer der NPD, deren Redner sich dort nicht zu Wort gemeldet hat, durchaus Anerkennung für den grundsätzlichen Weg, den wir einschlagen wollen. Das sage ich ganz deutlich, weil ich glaube – und das kann man auch der Presseberichterstattung von heute entnehmen –, dass diese Sachlichkeit und Anerkennung, die uns in den Ausschussberatungen gezollt wurde, heute in der öffentlichen Debatte von den Oppositionsfraktionen nicht so herüberkommt, weil der Drang, sich mit einer gewissen verbalen Intensität in die Medien zu katapultieren, wahrscheinlich größer ist als der Drang, sich einer sachlichen Debatte zu widmen.
Ich kann mich auch irren. Aber das, was ich heute in der Zeitung gelesen habe, lässt mich nicht darauf hoffen.
Zu den Einzelheiten: Kollege Schiemann ist schon umfassend darauf eingegangen. Ich will deshalb nur stichpunktartig die Einzelheiten unseres Gesetzentwurfes darstellen.
Die Diäten der Abgeordneten sollen um 197 Euro monatlich steigen, und zwar sobald das Gesetz in Kraft getreten ist. Das ist eine Steigerung – weil auch immer gern mit Prozenten gerechnet wird – von circa 4,6 %. Dies ist die erste und einzige Erhöhung in dieser Legislaturperiode. Die letzte Anpassung erfolgte im April 2003. Wir halten diese Erhöhung für angemessen und moderat, auch angesichts der Tarifabschlüsse, die im öffentlichen Dienst und auch in der Privatwirtschaft in den letzten fünf Jahren getätigt wurden.
Grundanliegen unserer Gesetzesinitiative – das zieht sich wie ein roter Faden durch unseren Gesetzentwurf – ist Transparenz, die Nachvollziehbarkeit, wie und in welcher Höhe ein Abgeordneter für seine Tätigkeit entschädigt werden soll.
Ich will § 4a Abs. 1 unseres Gesetzentwurfes kurz zitieren. Dort heißt es: „Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Landtages. Unbeschadet dieser Verpflichtung sind Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat zulässig.“
Natürlich gehört es zum Selbstverständnis eines jeden Abgeordneten, dass er frei entscheidet, in welchem Umfang er sich der Arbeit im Parlament oder auch anderen Tätigkeiten widmet. Deshalb gehört es zu dieser Transparenz dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen ein Recht darauf haben zu wissen, welche anderen Einkünfte ein Abgeordneter neben dem
Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich dadurch ein Bild machen können, inwieweit sich der einzelne Abgeordnete seinem Mandat oder eben auch möglichen anderen Tätigkeiten widmet. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.
Der Deutsche Bundestag hat dazu sehr weitgehende Offenlegungspflichten formuliert und diese – das haben wir von Kollegen Schiemann schon gehört – haben zu erheblichen Widerständen von Bundestagsabgeordneten geführt, sodass sich letztlich das Bundesverfassungsgericht damit befassen musste.
Das Bundesverfassungsgericht hat mittlerweile entschieden und hat diese Regelungen für rechtmäßig und im Einklang mit dem Grundgesetz erklärt. Deshalb gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keinen vernünftigen Grund mehr, von diesen Regelungen abzuweichen. Wir wollen diese Offenlegungspflichten auch für die Abgeordneten des Sächsischen Landtages und haben deshalb die Regelungen des Deutschen Bundestages eins zu eins in das Sächsische Abgeordnetengesetz übernommen.
Wir gehen davon aus, dass dies im Einklang mit der Verfassung des Freistaates Sachsen steht, und sehen deshalb auch Klagen einzelner Abgeordneter dieses Hohen Hauses mit relativer Gelassenheit entgegen.
Natürlich hat ein Abgeordneter auch Betriebskosten. Er hat erhebliche Aufwendungen finanzieller Art, um sein Mandat auszuüben. Er muss seine Wahlkreisarbeit finanzieren inklusive eines Wahlkreis- oder Bürgerbüros. Er hat ebenso Fahrt- und Übernachtungskosten zu bestreiten. Im Moment werden diese Betriebskosten über eine Vielzahl von Pauschalen und Einzelfallregelungen abgegolten, was zwangsläufig und nachvollziehbar zu verminderter Transparenz führt.
Unser Ansatz ist es deshalb – und da ist auch wieder der rote Faden –, in Zukunft nur noch eine einzige Pauschale zu zahlen, die sämtliche Betriebskosten des Abgeordneten abdecken soll. Diese Pauschale ist nicht für alle Abgeordneten gleich hoch, sondern gestaffelt, und zwar nach der Entfernung des Wohnortes des Abgeordneten vom Sitz des Landtages, um eben dem tatsächlichen Aufwand Rechnung zu tragen. Es ist, so meine ich, für jeden nachvollziehbar, dass ein Abgeordneter, der in Dresden wohnt, erheblich geringere finanzielle Mittel einsetzen muss, um an Sitzungen hier im Hohen Haus teilzunehmen, als ein Abgeordneter, der beispielsweise aus dem Vogtland kommt. Zufällig komme ich aus dem Vogtland, zufällig habe ich die weiteste Anreise aller 124 Abgeordneten; aber das nur nebenbei.
Bleibt noch das Thema Altersvorsorge. Bei diesem Thema kochen die Emotionen meist noch etwas höher. Ich sage: Die Emotionen kochen zu Recht hoch. Es mag eine Zeit gegeben haben, meine Damen und Herren, als die Regelung, einen ehemaligen Abgeordneten im Alter aus Steuergeldern zu alimentieren, notwendig und auch richtig
gewesen ist. Aber diese Zeit ist lange vorbei. Wir leben im 21. Jahrhundert und wir reden ständig darüber, wie es uns gelingen kann, zukünftige Generationen von Steuerzahlern finanziell zu entlasten. Ein wichtiger Beitrag, bei Weitem nicht der einzige, aber ein wichtiger Baustein, um dieses Ziel zu erreichen, ist, endlich Schluss zu machen mit dem Unsinn, ehemalige Abgeordnete auf Kosten zukünftiger Generationen zu alimentieren.
Dabei geht es gar nicht so sehr um die Höhe der Rente. Das ist auch ein Thema. Natürlich gibt es hier eine Überversorgung. Darin sind wir uns doch einig. Aber es geht um das Prinzip. Lassen Sie mich das kurz erklären.
Die Mehrzahl der Abgeordneten ist während der Mandatsausübung von der Möglichkeit, ihre Altersvorsorge adäquat weiterzuführen, abgeschnitten. Es entsteht eine Versorgungslücke, weil man eben nicht mehr in seinem angestammten Beruf weiter arbeiten kann. Dafür muss ein Ausgleich geschaffen werden. Das ist unstrittig. Die Frage ist, welche Regelung hierfür vorzugswürdig erscheint.
Das Alimentierungsprinzip ist eine Möglichkeit. Das scheidet aus, das ist überholt. Das hatte ich dargelegt.
Die Abgeordneten könnten natürlich in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Diese Möglichkeit scheidet aber auch aus, denn die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt der Sozialgesetzgebung. Darauf haben wir als Freistaat keinen direkten Zugriff. Wenn es eine allgemeine Versicherungspflicht für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ab dem 18. Lebensjahr gäbe, dann könnten wir über dieses Thema reden. Dann könnten wir dieses Modell favorisieren. Da es allerdings diese allgemeine Versicherungspflicht nicht gibt, würden die Abgeordneten, die keine Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Rentenversicherung sind, durch die Beitragszahlung nicht ihre eigene Versorgungslücke schließen, sondern stattdessen einen Solidarbeitrag für alle Rentnerinnen und Rentner leisten, was auch schön wäre. Aber die Versorgungslücke würde bleiben. Das verstößt natürlich in eklatanter Weise gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, und deshalb scheidet dieses Modell aus.
Man könnte den Abgeordneten freistellen, einen bestimmten Betrag ihrer Diäten monatlich in eine Altersvorsorge ihrer Wahl einzuzahlen, ein Modell, das der Landtag Schleswig-Holstein bereits betreibt. Dies ist aber auch problematisch vor dem Hintergrund, dass hier ebenfalls eine gewisse Gleichbehandlung aller Abgeordneten nicht in dem notwendigen Maße gewährleistet ist, weil es eben verschiedene Altervorsorgemodelle mit verschiedenen Renditen gibt.
Bleibt noch die Möglichkeit der Einrichtung eines Versorgungswerkes. Wir geben dieser Variante „Einrichtung eines Versorgungswerkes“ eindeutig den Vorzug. Der
Landtag Nordrhein-Westfalen praktiziert dies bereits. Das bedeutet: Alle Abgeordneten, die ab der 5. Legislaturperiode erstmals in den Landtag eintreten, werden Pflichtmitglied dieses Versorgungswerkes und müssen monatlich einen bestimmten Betrag aus ihren Diäten einzahlen. Die anderen Abgeordneten können freiwillig Mitglied dieses Versorgungswerkes werden. Alle zukünftigen Rentenansprüche der Mitglieder werden ausschließlich aus dem Vermögen dieses Versorgungswerkes bestritten.
Lassen Sie mich abschließend der Vollständigkeit halber auf die Initiative der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingehen. Sie schlagen einen Teil des sogenannten nordrhein-westfälischen Modells vor, welches die Zahlung einer einzigen Diät, die auch die Betriebskosten der Abgeordneten beinhaltet, vorsieht. Diese Einheitsdiät bewirkt, dass der einzelne Abgeordnete seine Betriebskosten wie jeder andere Freiberufler auch dem Finanzamt gegenüber steuermindernd geltend machen kann. Dieses Modell befürwortet auch der Bund der Steuerzahler in Sachsen. Nur ist der Unterschied zu Nordrhein-Westfalen ein ganz entscheidender.
In Nordrhein-Westfalen ging der Beschlussfassung durch den Landtag eine mehrjährige landesweite Kampagne mit Unterschriftensammlung voraus. Durchgeführt hat diese Kampagne der dortige Bund der Steuerzahler zusammen mit einem Medienpartner, einer großen deutschen Tageszeitung. Der Impuls für dieses Modell ging also dort von der Bevölkerung aus und nicht unmittelbar vom Parlament. Deshalb hat diese Regelung in Nordrhein-Westfalen natürlich auch ein ganz anderes Standing in der Bevölkerung, als sie es hier hätte.
Diese Regelung in Nordrhein-Westfalen ist nicht aus einer Diskussion hinter verschlossenen Türen entstanden. Sollte es im Freistaat Sachsen zukünftig eine ähnliche Initiative geben, so glaube ich, dass sich der Landtag auch mehrheitlich einer solchen Einheitsdiät nicht widersetzen würde. Im Moment kann ich aber eine maßgebliche Unterstützung der sächsischen Bevölkerung für eine solche Regelung nicht erkennen.
Ich will aber auch deutlich sagen, dass es bei den Beratungen innerhalb der SPD-Fraktion erhebliche Sympathien für das nordrhein-westfälische Modell gegeben hat und immer noch gibt. Die Debatte muss aber in einer breiten Öffentlichkeit geführt werden. Dabei sehe ich auch hier in Sachsen den Bund der Steuerzahler und die Medien in der Pflicht, wenn man das wirklich will. Momentan ist eine Umsetzung aus den von mir genannten Gründen nicht zweckmäßig.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatten über das Abgeordnetengesetz sind immer sensible und auch von der Öffentlichkeit aufmerksam verfolgte Debatten. Denn es geht hier um die Glaubwürdigkeit von uns als Abgeordnete und damit auch ein Stück weit um die Glaubwürdigkeit der Demokratie.
Gerade deshalb sind wir als Parlamentarier gefordert, jegliche Selbstbedienungsmentalität abzulegen und uns an Grundsätzen zu orientieren. Mit Grundsätzen beginnt eine sachliche Debatte.
Ich denke an die Grundsätze der Angemessenheit, der Sparsamkeit, der Gleichbehandlung mit anderen Bürgerinnen und Bürgern. An Offenheit und Transparenz sollten wir uns messen lassen.