Protokoll der Sitzung vom 09.11.2007

(Zurufe)

Ja, Sie gehören zu den wenigen Schreiern; ich nehme das zur Kenntnis.

Jede Situation, die als Krise betrachtet wird, hat auch Chancen: Kräftemobilisierung, Ideenmobilisierung, Ressourcenmobilisierung. Die Wahrnehmung hat sich geändert, weil sich die Lebensbedingungen geändert haben. Es ist ein neues Handeln und Denken spürbar. Da gibt es einen Friedensnobelpreis für einen Klimaaktivisten, eine Klimakooperation zwischen Greenpeace, WWF, BUND und der „Bild“-Zeitung,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Gibt es schon lange!)

die englische Regierung beauftragt den ehemaligen Chefvolkswirt der Weltbank mit einer wirtschaftspolitischen Klimaanalyse – er wurde schon mehrfach genannt –, die Automobilmesse 2007 in Hannover entdeckt das Grüne Auto usw. usf.

Was macht die Koalitionsregierung?

Erstens. Mit Eintritt der SPD in die Koalition haben sich, so denke ich, auch die klimapolitischen Koordinaten in Sachsen verschoben.

Zweitens. Die SAENA, die man, damals noch unter dem Namen Energiekompetenzzentrum, schon im Energiegrundsatzprogramm der SPD von 2001 findet, wurde vor einigen Monaten erfolgreich installiert. Obwohl die SAENA gerade mal arbeitsfähig war, hat sie doch schon in Abstimmung mit der SAB erste förderfähige Projekte für 2007 genehmigt, wobei die Projektträger vorzeitig beginnen dürfen und die Gelder nachgereicht bekommen. Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt.

Drittens. Für solche Projekte stellt der Koalitionshaushalt 2007/2008 pro Jahr 3,6 bzw. 3,8 Millionen Euro zur Verfügung, ab 2009 sogar 5,7 Millionen Euro, und zwar einmal für die Förderung der Energieeffizienz und außerdem für die Bereiche Klima und erneuerbare Energien, und das für die gesamte Laufzeit des ESF von sieben Jahren. Wir haben ein neues Energieprogramm, das sogar wirkt, obwohl es offiziell noch nicht in Kraft, sondern nur „getreten“ ist. Viele Aktive im Land berufen sich bereits darauf und holen sich hier ihre energiepolitischen Richtlinien und nicht bei vergangenen Papieren.

CDU und SPD haben einen gemeinsamen Antrag – Herr Kollege Mannsfeld hat schon darauf hingewiesen – zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung erstellt, in dessen Stellungnahme die Staatsregierung zusagt, „bis Ende des Jahres einen Klimaaktionsplan zu erarbeiten, der wesentliche Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Reduktion der Treibhausgasemissionen als Katalog enthalten wird“ – so wörtlich.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Da bin ich mal gespannt!)

Die Koalitionspartner haben bereits umfangreiche Gespräche über die Inhalte dieses Aktionsplanes geführt. Beide Koalitionspartner sind sich über die besondere Bedeutung der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Effekte der weiteren Entwicklung der erneuerbaren Energien einig. Wir sind uns darüber einig, dass der Emissionshandel ein wichtiges klimapolitisches Instrument ist, wobei die Kleinemittenten – hier sind das also die, die weniger als 25 000 Tonnen CO2 pro Jahr emittieren – aus dem Handel herausgenommen werden sollten, da der bürokratische Aufwand in keinem Verhältnis zum eingesparten CO2 steht.

Natürlich trennen uns noch Positionen, aber sie hindern uns nicht, gemeinsam an den wichtigsten Zukunftsthemen zu arbeiten.

Was die Rolle der Braunkohle betrifft, so will ich mich nicht um eine Antwort herummogeln. Ich persönlich halte die Braunkohle für lange Zeit, und zwar für viele zig Jahre, für einen wertvollen chemischen Rohstoff, den wir schon bald nicht mehr nur verbrennen dürfen. Eine Kraftwerksgeneration sollte noch der Braunkohlenverstromung offen sein, dann müssen die erneuerbaren Energien die Energieversorgung übernommen haben. Ich halte es für meine Pflicht und meinem Gewissen geschuldet, das hier so deutlich zu sagen. Unsere Kinder und Enkel werden wissen, ob ich recht hatte oder nicht.

Dafür gibt es zwar weder in der Koalition noch in der gesamten SPD eine Mehrheit; aber diejenigen, die meine Auffassung teilen, werden ständig mehr. Selbst die sechs prominentesten Präsidentschaftskandidaten der USA haben sich für einen solchen Weg – sprich: den Ausstieg aus der Kohleverstromung – ausgesprochen.

Zu möglichen oder wahrscheinlichen Schäden gibt die Staatsregierung vorsichtige Antworten; klar aber wird: Es würde auch in Sachsen teurer, nichts zu tun.

(Antje Hermenau, GRÜNE: In der Tat!)

Zur Oberlausitz ist schon eine Menge gesagt worden; im Klimaschutzbericht wird noch sehr viel detaillierter auf die Problematik eingegangen.

Welche Rolle kann in solchen möglicherweise trockenfallenden Regionen – was immer das auch sei – und den weniger klimageplagten Regionen Sachsens die Biomasse spielen? Wir fangen bereits heute an, die Natur nach hitze- und trockenresistenten Bäumen und Pflanzen abzusuchen, damit wir langfristig auf die Änderungen reagieren können. Bei der Biomasse gibt es zurzeit eine sehr kontroverse Diskussion über den klimapolitischen Sinn oder Unsinn ihrer energetischen Ausbeutung für unsere Energieversorgung. Grundsätzlich hat die Fotosynthese, auf der alles aufbaut, nur einen sehr geringen Wirkungsgrad: kleiner als 0,1 %.

Schon deshalb wird meiner Meinung nach in Zukunft die Fotovoltaik eine größere Rolle spielen. Aber trotzdem ist die energetische Verwertung der Biomasse ein interessanter Zweig der erneuerbaren Energien.

Der Chemieprofessor Paul Crutzen stellte in einer Studie dar, Biosprit aus Raps sei 1,7-mal klimaschädlicher als Sprit aus fossilen Rohstoffen. Das kritisiert zum Beispiel Prof. Fried von der Justus-Liebig-Universität Gießen auf das Heftigste. Ich erspare Ihnen Details, obwohl sie hochinteressant sind.

Wir sind hier mitten in der wissenschaftlichen Diskussion, und das ist gut so.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ja!)

Die Wissenschaftler haben die Aufgabe und die Pflicht, uns allen durch öffentliche wissenschaftliche Diskussionen geeignetes Wissen zu liefern, damit wir in hoffentlich kurzer Zeit verlässliche Entscheidungen über den Einsatz der Biomasse treffen können. Über Äthanol aus Zucker

rohr sind sich die Fachleute allerdings einig: Da gibt es positive klimapolitische Effekte.

Genauso, wie wir spätestens nächstes Jahr einen EUweiten Standard für die Herstellung, aber auch den Import von Biomasse haben werden, müssen auch schnellstens Ökobilanzen aller heute gängigen und der zukünftigen Biomasseverfahren erstellt werden. Es ist für die gesamte Branche, die sich auch in Sachsen gut entwickelt hat – das möchte ich ausdrücklich betonen –, schlecht, wenn sich einige Großbetriebe zwar betriebswirtschaftlich rechnen, weil das EEG sie unterstützt, die Biomasse aber über so große Entfernungen herangeschafft wird, dass die Spritkosten und die Arbeitskosten energetisch das überwiegen, was eine Biomasseanlage als Energieoutput erzeugt.

Das gilt natürlich nicht für solche Betriebe wie zum Beispiel in meiner unmittelbaren Umgebung, in Großolbersdorf, wo die Agrargenossenschaft die reichlich anfallende Gülle vergast und wertvolle Energie gewinnt. Weil das alles noch so kompliziert ist, ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass wir jetzt endlich das Biomasseforschungszentrum in Leipzig aufbauen werden. Wir haben schon genug unrühmliches Gezerre in Berlin erlebt; jetzt muss gehandelt werden, und das wird auch getan.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Eines ist inzwischen auch in diesem Landtag unstrittig: Energie und Klima werden auch in Sachsen mit die wichtigsten Themen des 21. Jahrhunderts sein, wenn nicht sogar die wichtigsten. Hektische Betriebsamkeit ist genauso fehl am Platze wie ignorantes Wegsehen oder am Thema vorbeireden. Wir werden den Menschen in den kommenden zehn bis 20 Jahren einiges zutrauen müssen. Aber das, worum es geht – unser Überleben in kontrollierbaren Umweltbedingungen; ich erinnere an das Zitat von Prof. Weber –, ist es auf alle Fälle wert.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Elke Altmann, Linksfraktion)

Herr Abg. Delle für die NPD-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft auf die Große Anfrage der GRÜNEN liegt seit September vor und man kann wirklich nicht sagen, dass sich das Ministerium seine Sache zu leicht gemacht hat.

Ich möchte es mir dennoch nicht nehmen lassen, für meine Fraktion einige kritische Anmerkungen zu machen und einige grundsätzliche Dinge auszuführen.

Meine Damen und Herren, mit präzisen Zahlen und Prognosen bei einer solch schwierigen Materie wie dem Klimawandel ist es so eine Sache. Die Anfrage der GRÜNE-Fraktion beruft sich auf den sogenannten SternReport vom Oktober 2006, der sich mit den angenomme

nen wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels auseinandersetzt. Solche Erhebungen werden von Politikern zur Grundlage mehr oder weniger nachdrücklich angemahnter Klimaschutzforderungen genommen – so etwa von der Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Eigenschaft als EU-Ratspräsidentin, die die konkrete Forderung ausgesprochen hat, die Erderwärmung müsse auf maximal 2 Grad begrenzt werden.

Meine Damen und Herren, so gut sich solche präzisen Forderungen in offiziellen Pressekommuniqués anhören, so wenig dürfen wir uns dadurch den Blick trüben lassen. Es ist doch wirklich eine Kinderei, wenn sich Politiker vor dem Hintergrund von Klimaprognosen hinstellen und allen Ernstes den Eindruck zu erwecken versuchen, der angekündigte Weltuntergang, der Anstieg der Meeresspiegel oder die Gletscherschmelze ließen sich durch politische Maßnahmenpakete vielleicht um 15 Jahre hinausschieben oder der weltweite Temperaturanstieg lasse vielleicht mit sich handeln und werde durch einen rigideren Emissionshandel womöglich bei 2,5 statt bei 3,2 Grad stehen bleiben.

Meine Damen und Herren, da wird mit ernster Miene ein unglaublicher Aktivismus an den Tag gelegt und so getan, als könnten wir durch Minderungsziele, wie sie etwa die Staatsregierung in ihrem Klimaschutzprogramm formuliert, irgendetwas an der globalen Klimaentwicklung beeinflussen. Die Staatsregierung selbst ist im Übrigen etwas realistischer und räumt auf Seite 8 ihrer Antwort ein: „Bisher konnten die spezifischen Kosten des Klimawandels für Sachsen insbesondere in ihrer Komplexität noch nicht ermittelt werden.“ So einfach ist das dann.

Es kommt hinzu, dass alle diese sicherlich gut gemeinten Maßnahmen fast völlig obsolet sind, solange zum Beispiel die USA bei ihrer Linie bleiben und gar nicht daran denken, das Kyoto-Protokoll auch nur zu unterzeichnen, geschweige denn, sich auf die dort festgelegten Klimaziele festlegen zu lassen. Die USA interessiert es schlicht und einfach nicht, wie viel Energie sie verbrauchen und wie viele Klimakiller sie dabei ausstoßen. Das Gleiche gilt für die Schwellenländer in Afrika, Asien oder Südamerika, die für ihre Entwicklung zuallererst an die Deckung ihres Energiebedarfes denken.

Für Deutschland gilt: Wir alle wissen – vorgestern hatten wir ja darüber eine lange Debatte hier im Hause –, dass die Energiepolitik im Freistaat in erster Linie eine Lobbypolitik zugunsten der Braunkohle ist. Eine ähnliche Lobby bestimmt die Energiepolitik im Bund eindeutig zugunsten der großen Energie- und Mineralölkonzerne. Inzwischen wird seit der Ölkrise vor über 30 Jahren darüber debattiert, wie Ressourcen geschont werden könnten – passiert ist unter dem Strich aber so gut wie nichts. Der Energieverbrauch ist weiter angestiegen, die Konzerne kassieren dabei kräftig ab und haben keinerlei Interesse daran, dass sich der Energieverbrauch wirklich verringert. Die Konzernkartelle haben es durch ihren Einfluss auf die Politik sogar geschafft, noch auf Kosten der Energieverbraucher

am Emissionshandel, der eigentlich zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes beitragen soll, zu verdienen.

Meine Damen und Herren, so nachvollziehbar und anerkennenswert sowohl die Große Anfrage der GRÜNEN Fraktion als auch die Antwort der Staatsregierung sind – was wir brauchen, ist kein hektischer Alarmismus, der auf irgendwelche kosmetischen Korrekturen an der zweiten Kommastelle abzielt.

Genauso wenig benötigen wir aber auch eine ausufernde Bevormundung der Bürgerinnen und Bürger, denen man an einem Tag Tempo 130 zumuten möchte, am nächsten Tag den Stand-by-Betrieb ihres Fernsehers und wieder am nächsten Tag die elektrische Glühlampe verbieten möchte. So nicht, meine Damen und Herren!

Was wir stattdessen brauchen, ist eine grundsätzliche Wende in der Energieversorgung. Neben der Verbesserung der Energieeffizienz gehören dazu auch die Dezentralisierung der Energieerzeugung, der Ausbau der KraftWärme-Kopplung und vor allem der Einsatz erneuerbarer Energien. Das oberste Gebot muss es deshalb sein, die Macht und den Einfluss der Energiekartelle samt ihrer dazugehörigen Lobby zu brechen. Das, meine Damen und Herren, ist ein politisches Ziel; aber im Gegensatz zum hochmoralischen Kampf gegen die Erderwärmung wäre es ein relativ schnell erreichbares, wenn man denn nur wollte. Dazu müssen aber entweder klare Gesetze geschaffen und umgesetzt werden, oder der Energiesektor muss – zumindest teilweise – in die Hand des Staates übergehen. Alles andere ist Augenwischerei.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Für die FDP-Fraktion Herr Abg. Günther, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Die erkennbare, erwartete und erlebte globale Klimaänderung gehört zu den großen langfristigen Herausforderungen unserer Zeit und stellt damit eine große Herausforderung an den Schutz der Umwelt dar.

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Sie gestattet keine von der Tagespolitik und ideologischen Wirkungen überdeckten Schnellschüsse, sondern erfordert ganz im Gegenteil besonderes Engagement und große Kontinuität über längere Zeit – sowohl im Hinblick auf die Forschung als auch in Anbetracht der erforderlichen Anpassungs- und Schutzmaßnahmen.