Beim Überfall auf eine Pizzeria in Geithain am letzten Freitag wurden durch die Tatverdächtigen die gleichen Parolen wie in Mügeln gebrüllt: „Ausländer raus!“ und „Deutschland den Deutschen!“
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich klarstellen: In Mügeln hat in der Nacht vom 18. zum 19. August 2007 keine normale Schlägerei stattgefunden. Diesen Eindruck will die NPD mit dem Titel ihrer Anfrage gerne vermitteln. Das, was dort passiert ist, war in seiner Konsequenz aber ein ausländerfeindlicher, rassistischer, ein rechtsradikaler, ein menschenfeindlicher Übergriff, der als Schlägerei auf dem Stadtfest begonnen hat.
Was aber am Beginn tatsächlich passiert ist, ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Das ist die Aufgabe der Gerichte. Dass es sich in der Endkonsequenz um einen rassistischen, menschenfeindlichen Übergriff und eben nicht um eine Schlägerei gehandelt hat, wird überdeutlich, wenn man genauer hinsieht. Es ist keine normale Schlägerei, wenn mit Steinen die Schaufenster einer Pizzeria eingeworfen werden. Es ist keine normale Schlägerei, wenn eine gewaltbereite Menge rechtsradikale und ausländerfeindliche Parolen brüllt. Es ist keine normale Schlägerei, wenn 70 Polizisten mit Flaschen und Bierbänken angegriffen werden. Es ist keine normale Schlägerei, wenn ein aufgeheizter Mob dafür sorgt, dass acht Menschen Angst um ihr Leben haben müssen.
Sie von der NPD reden ja immer gern von Pogromstimmung gegen Ihre Partei und stellen sich als Opfer hin.
Wenn es in Sachsen in der letzten Zeit so etwas Ähnliches wie Pogromstimmung gab, dann in der Nacht vom 18. zum 19. August in Mügeln. Sie stricken aber fleißig weiter an der Legende der Schlägerei, weil es so gut in Ihr
vollkommen irreales Weltbild passt, denn in diesem Weltbild – das haben wir vorhin wieder bestätigt bekommen – sind die Täter immer die anderen. Es sind die Engländer, die das deutsche Volk schon immer vernichten wollten, und nach dieser Logik war der Zweite Weltkrieg ein Verteidigungskrieg. Sie glauben wirklich daran, dass die Deutschen nur zurückgeschossen haben.
Wenn man auf die weitgehend bewiesenen Zusammenhänge zwischen rechten Gewalttätern und der NPD hinweist, wenn man darauf hinweist, dass die NPD gezielt Kameradschaften für ihre Zwecke einsetzt, streiten Sie das ab. Sie verkaufen Ihr Bündnis mit rechten Schlägertrupps als soziale Maßnahme, mit der Sie Gewalt verhindern wollen.
Bei einer Wahlkampfveranstaltung Ihrer Partei in Schleswig-Holstein am 4. Dezember 2004 haben Ihre Kameraden die Gegendemonstranten vor dem Gebäude angegriffen. Ein Polizist musste zwei Warnschüsse abgeben, als ein am Boden liegender Demonstrant von Ihren Leuten mit einem Stuhl verprügelt wurde. Ihr Vorsitzender Udo Voigt: „Wir haben ein Recht auf Selbstverteidigung. Wir schlagen zurück!“
In Mügeln ist nach Ihrer Meinung auch klar, wer die Täter waren: Die Inder haben die Deutschen zuerst angegriffen. Die Deutschen mussten deshalb die Inder zusammenschlagen, durch die Stadt jagen, mit Steinen die Scheiben der Pizzeria einwerfen und die Inder mit dem Tod bedrohen. Ich muss Ihnen hier widersprechen. Für diese Tat gibt es keine Rechtfertigung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den sächsischen Kommunen hat sich in Bezug auf die Wahrnehmung von und den Kampf gegen den Rechtsextremismus sehr viel entwickelt. Hier ist eine neue Qualität entstanden, für die ich allen danken möchte, die kommunale Verantwortung tragen. Als positives Beispiel möchte ich die Stadt Pirna herausheben. Aber überall in Sachsen ist ein neues Bewusstsein dafür gewachsen, dass man rechtsextremen Tendenzen früher und entschiedener entgegentreten muss. Man muss aber vor allem die Köpfe der Menschen erreichen, denn wie die Stimmung entstehen konnte, die in Mügeln zu einer Menschenjagd geführt hat, konnte man in den Tagen danach sehen. Da paarte sich Realitätsverweigerung mit Verharmlosung in Form von Aussagen wie „Ausländer raus! – das kann ja schon einmal über die Lippen rutschen“. Die Menschen erzählen in Interviews von Indern, die sich „irgendwie orientalisch anhören“ und „Frauen begrabschen“. Am Ende sagen sie dann, dass es ihnen „ohne Ausländer besser gehen würde“. Aus diesen Worten spricht das Empfinden, dass es die Inder irgendwie verdient haben. Keine Worte des Bedauerns, sondern Versuche der Rechtfertigung.
Diese Haltung ist leider keine Ausnahme. Solange dieses Empfinden, diese Stimmung existiert, kann Mügeln auch anderswo passieren. Von dieser Stimmung fühlen sich die Nazis bestätigt. Sie werden immer unverschämter. Den vorläufigen Gipfel dieser Frechheit haben wir am Wochenende erlebt. Weil sie in Bautzen nicht demonstrieren durften, marschierten 200 Nazis einfach durch die Straßen von Mittweida, vorbei an den Bürgern und dem Bürgermeister, die auf die Bergparade gewartet haben. Da wird dem Staat frech ins Gesicht gespuckt. Das können und werden wir uns nicht länger bieten lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin in den letzten Jahren immer dafür eingetreten, dass die Zivilgesellschaft ein wichtiger Schlüssel bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus ist. Mit dem Programm „Weltoffenes Sachsen“ ist Sachsen bei der Förderung von zivilgesellschaftlichen Strukturen vorbildlich. Hier ist das Engagement des Freistaates auch weiterhin nötig. Aber mit jeder rechtsradikalen Gewalttat, mit jedem Übergriff wird mir deutlicher, dass der Staat hier in seiner Pflicht ist. Polizei und Justiz müssen das Sagen haben und dürfen sich nicht von Nazis auf der Nase herumtanzen lassen.
In Bautzen habe ich ein Aussteigerprojekt besucht. Dort wurde mir deutlich, dass Rechtsradikale mit dem staatlichen Gewaltmonopol oft viel zu spät konfrontiert werden. Unrechtsbewusstsein kann sich so nicht entwickeln. Bei dem konkreten Beispiel, das ich dort gehört habe, ist der junge Mann erst mit einer Hausdurchsuchung wegen Verdachts des Besitzes verfassungsfeindlichen Materials mit der Staatsmacht in Berührung gekommen. Als die Polizei seine Wohnung durchsucht hat, wurde ihm klar, dass sich sein Leben in einer Sackgasse befindet und er aus der Naziszene aussteigen muss.
Gefährdeten Jugendlichen muss klar werden: Es ist kein Kavaliersdelikt, Hakenkreuze an Häuserwände zu sprühen. Wer Menschen angreift, weil sie anders sind, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Das kann die Ausbildung, den Job und die Zukunft kosten.
Deshalb brauchen wir trotz des beschlossenen Personalabbaus eine vernünftige Ausstattung der Polizei und Justiz. In der Staatsanwaltschaft vergeht zwischen der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens und der Verurteilung von rechtsextremen Straftätern oft zu viel Zeit. Rechtsradikale Gewalttäter müssen schneller verurteilt werden. Der richtige Weg ist sicherlich, dass die Generalstaatsanwaltschaft Anfang November 2007 eine gesonderte Richtlinie zur Verfolgung politisch motivierter Straftaten erlassen hat.
Aber das reicht noch nicht aus. Vor Gericht muss das mögliche Strafmaß ausgeschöpft werden. Deshalb möchte ich hier meine Hochachtung vor dem Richter Klaus Denk zum Ausdruck bringen, der vor dem Oschatzer Amtsgericht einen der Rädelsführer von Mügeln zu acht Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt hat – gut so.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines möchte ich zum Abschluss meiner Rede noch einmal sehr deutlich machen: Ich habe dafür plädiert, das staatliche Gewaltmonopol stärker durchzusetzen. Gegen das, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, hilft das nicht. Der beste Schutz davor ist ein demokratisches Gemeinwesen. Darin haben Nazis keinen Platz – weder in Mittweida, noch in Mügeln oder sonst wo.
(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN sowie vereinzelt bei der CDU und der Staatsregierung)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man muss sich wirklich fragen, wem die NPD mit ihrer Großen Anfrage einen Gefallen tun will. Den Betroffenen jedenfalls hat sie offenbar einen Bärendienst erwiesen. Allein die formale Qualität dieser Großen Anfrage zeigt, dass die NPD hier eine ganz billige Masche abzieht, um eine Plenardebatte zu inszenieren und sich darin selbst als Anwältin der verfolgten Deutschen darzustellen. Wer sich von solchen Dilettanten verteidigen lässt, der hat allerdings schon von vornherein verloren. Was soll denn ein Angeklagter davon halten, wenn sein Verfahren von einer Landtagsfraktion in der Weise instrumentalisiert wird? In einem Rechtsstaat gibt es eben keine Vorverurteilung.
Seitens der demokratischen Fraktionen in diesem Haus hat es auch solche Vorverurteilungen nicht gegeben.
Natürlich, Sie fühlen sich doch verfolgt! – Trauen Sie sich auch mal Zwischenfragen zu stellen, oder können Sie nur dazwischenpöbeln? Jetzt lassen Sie sich von dem Herrn Menzel sagen, dass Sie ruhig sein müssen; das ist ja außerordentlich interessant – der Führer in der letzten Reihe, ich finde das bemerkenswert.
Ein Angeklagter, der wegen Landfriedensbruch vor Gericht steht und dem die NPD zur Seite springt – ich denke, dass es für diesen Menschen nicht unbedingt hilfreich ist, was dort geschehen ist. Das ist natürlich für die NPD eine Welt, die sie überhaupt nicht versteht. Gewaltenteilung ist ein Rechtsstaatsprinzip. Sie sind keine Rechtsstaatspartei, also verstehen Sie das natürlich auch nicht.
Deshalb ist Ihnen im Vorfeld offenbar auch nicht bewusst gewesen, dass Ihre 150 Fragen der Großen Anfrage zum großen Teil einfach nicht beantwortet werden können, weil sie vor Gericht noch nicht beantwortet wurden. Es sind noch Gerichtsverfahren anhängig, und solche Fragen stellt man nicht – es sei denn, so wie Sie das normalerweise kritisieren, man möchte sich in die Urteilsfindung einmischen. Das, was Sie anderen vorwerfen, machen Sie die ganze Zeit selbst.
Der NPD kommt es vielmehr darauf an, weiterhin mit diesen Fragen das Thema sinnlos am Köcheln zu halten. Ich glaube nicht, dass das im Sinne der Mügelner Bürgerinnen und Bürger sein kann. Wenn Herr Delle zum Beispiel fragt, wie viele nicht deutsche Staatsangehörige seit 1990 in Mügeln ansässig waren bzw. es aktuell sind – was will er denn mit den Antworten anfangen, dass da fünf Vietnamesen, sechs Serben und sechs Schweizer leben, insgesamt 29 Ausländer?
Herr Apfel, Sie können gern eine Zwischenfrage stellen, dann beantworte ich sie Ihnen sofort; ich bin da nicht so wie Sie.
Die NPD versteht ihr parlamentarisches Fragerecht sehr bizarr. Sie fragt zum Beispiel danach, ob ein Zeuge der Grünen Jugend angehört. Wollen Sie das wirklich beantwortet wissen? Bekommen Sie so etwas sonst nicht anders in Ihre Anti-Antifa-Akten hinein, oder was soll das?