Danke schön. – Das war die erste Runde. Meine Damen und Herren, gibt es seitens der Fraktionen weiteren Aussprachebedarf? – Das kann ich nicht sehen. Wer vertritt heute Frau Orosz? – Wiederum Herr Prof. Wöller.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Sie unschwer erkennen können, vertrete ich auch heute meine sehr verehrte und geschätzte Kollegin Orosz, die zu einem Termin in Berlin weilt. Da es in diesem Hohen Hause eine große Übereinstimmung gegeben hat, besonders vonseiten der Regierungskoalition, möchte ich meine Rede zu Protokoll geben. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion hat es, denke ich, deutlich gemacht, dass wir uns einig sind, dass Kinder in vielfacher Weise von Armut betroffen sind: einmal direkt, weil ihre Eltern bestimmte Lernmittel nicht kaufen können, weil sie vom Mittagessen ausgeschlossen sind oder weil die Eltern sich für ihre Kinder keine gesunde Ernährung leisten können, da der Eckregelsatz viel zu niedrig ist – das ist das Problem, das im Punkt 1 unseres Antrages zur Sprache kommt –, außerdem auch, weil sie durch diese Benachteiligung von bestimmten Bereichen des sozialen Lebens ausgeschlossen sind, was sich natürlich sehr nachteilig auf die Entwicklung der Kinder und ihre Zukunft auswirkt.
Weil wir sicherstellen wollen, dass das Geld bei den Kindern ankommt – es ist nicht so, dass dies allein die Aufgabe von Sachsen ist –, wenden wir uns mit diesem Antrag an den Bund.
Das hat nichts damit zu tun, dass es nicht auch Aufgaben gibt, die in Sachsen wahrgenommen werden müssen; aber es gab bereits die Pauschalen, die früher vom Bund gezahlt und mit der Einführung von Hartz IV abgeschafft worden sind; und es stellte sich heraus, dass die Abschaffung der Pauschalen nicht die glücklichste Lösung war. Genau das wird von Politik verlangt: dass man, wenn festgestellt wird, dass eine Regelung nicht den Erfolg bringt, den man sich davon versprochen hat, bereit ist, diese Regelung zu ändern; und genau dies sieht dieser Antrag vor.
(Beifall der Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg und Michael Weichert, GRÜNE, und Dr. Gisela Schwarz, SPD)
Wir wollen, dass das Geld bei den Kindern ankommt, und es ist nicht der Fall, dass wir uns damit bei der CDU anbiedern, sondern die Diskussion, die in diesem Hohen Hause in den letzten Wochen geführt worden ist, hat bei verschiedenen Fraktionen zum Nachdenken geführt, und bei uns ist dieser Antrag dabei herausgekommen. Die CDU konnte sich also diesem Änderungsantrag anschließen. Das ist auch etwas, was immer von uns gefordert wird: Wir sollten uns nicht so viel streiten, sondern versuchen, an den Stellen, an denen es notwendig ist, gemeinsam etwas auf den Weg zu bringen.
(Beifall der Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg und Michael Weichert, GRÜNE, sowie Dr. Gisela Schwarz, SPD, Iris Schöne-Firmenich und Kerstin Nicolaus, CDU)
Genau das geschieht mit diesem Antrag. Und Frau Schüßler, von Ihnen haben wir schon gar keinen Nachhilfeunterricht nötig. Sie haben nicht einmal begriffen, dass sich dieser Antrag speziell um Kinderarmut kümmert und deshalb natürlich auch nicht den Eckregelsatz für Erwachsene zum Ziel hat.
Frau Herrmann, gehen Sie nicht so weit weg, wir müssen uns jetzt erst einmal technisch einigen. Ich gehe recht in der Annahme, dass Ihr Änderungsantrag eine Neufassung darstellt –
Ich bin davon ausgegangen, Herr Präsident, dass der Änderungsantrag noch eingebracht wird, auch wenn er latent schon in der Diskussion war. Gestatten Sie mir, dass ich etwas dazu sage?
Gut; dann werde ich erst einmal Frau Herrmann fragen; denn ich habe ihre Redebeiträge, zumindest die letzten, immer so verstanden, als wären sie speziell nur zu diesem Änderungsantrag. – Frau Herrmann, Sie haben das Wort.
Ich habe mich mit meiner Rede ausschließlich auf diesen Änderungsantrag bezogen und habe das wahrscheinlich nur nicht deutlich genug gemacht.
Herr Präsident! Ich möchte natürlich die Gelegenheit nutzen, noch einmal explizit auf den Änderungsantrag einzugehen. Eingangs die Bemerkung: Insbesondere die jähe Wendung der CDU mit ihrer Positionierung innerhalb dieser Diskussion hat mich überrascht und natürlich sehr gefreut. Vor diesem Hintergrund, Frau Dr. Schwarz, war meine Aussage schon richtig – ich habe nämlich im Präteritum gesprochen –, über Anträge der Opposition, denen vonseiten der Koalition bisher nicht zugestimmt wurde. Das, was jetzt geschieht, ist erstmalig. Also, die Aussage stimmte.
Der Änderungsantrag, der von den GRÜNEN vorgelegt wurde, ist etwas unverbindlicher, geht aber trotzdem in die richtige Richtung. Wir werden ihm unsere Zustimmung geben. Trotzdem möchte ich sagen – es hat ja auch in der Diskussion eine Rolle gespielt –: Die Landespolitik ist auch zukünftig in diesem Themenbereich in der Verantwortung. Wir können das nicht ausschließlich abdelegieren. Das möchte ich ganz klar hier festgehalten wissen.
Danke. – Nun noch einmal für das Protokoll: Der Grundantrag mit der Drucksachennummer 4/10585 ist für erledigt erklärt worden, und wir stimmen nun über den Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN mit der eigenständigen Drucksachennummer 4/10647 ab. Wir stimmen punktweise ab. Es gibt drei Punkte.
Ich rufe Nr. 1 auf. Wer stimmt zu? – Wer stimmt nicht zu? – Wer enthält sich? – Ich stelle Einstimmigkeit fest.
Ich rufe Nr. 2 auf. Wer stimmt zu? – Wer stimmt nicht zu? – Wer enthält sich? – Jetzt gibt es Enthaltungen und keine Gegenstimmen. Mit großer Mehrheit wurde zugestimmt.
Ich rufe Nr. 3 auf. Wer stimmt zu? – Wer stimmt nicht zu? – Wer enthält sich? – Gleiches Abstimmungsverhalten wie eben.
Das waren die drei Punkte. Meine Damen und Herren, ich lasse insgesamt abstimmen. Wer diesem Antrag in Gänze zustimmt, der melde sich bitte jetzt. – Danke. Die Gegenprobe! – Die Enthaltungen! – Bei einigen Enthaltungen und keinen Gegenstimmen mit übergroßer Mehrheit angenommen.
Der deutsche Physiker Jan Hendrik Schön wurde schon als Anwärter für den Nobelpreis gehandelt, als herauskam, dass irgendetwas mit seiner Forschung nicht stimmte. Aufmerksamen Lesern war aufgefallen, dass er in seinen Artikeln in den angesehenen Magazinen „Science“ und „Nature“ immer wieder ein und dieselbe Grafik benutzte – zur Illustration von Sachverhalten, die nicht viel miteinander zu tun hatten. Schnell stellt sich heraus: Schön hatte getrickst; Schön hatte Daten veröffentlicht, die er nie gemessen hatte.
Sehr geehrte Damen und Herren von den GRÜNEN: Diese Geschichte erinnerte mich ein wenig an Ihren Ausgangsantrag. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie da tricksen oder fälschen wollten. Aber er nimmt Dinge vorweg, die Sie eigentlich mit diesem Antrag erst analysieren wollen.
Es soll ein neues Messsystem entwickelt werden – das wir nicht brauchen, da Sie ja den Bedarf bereits kennen. Oder naturwissenschaftlich ausgedrückt: Es wird eine neue Messmethode entwickelt, der Wissenschaftler verlässt aber das Labor, schreibt einen Artikel für ein angesehenes Magazin und verwendet dafür die Daten, von denen er sich wünscht, der Versuchsaufbau hätte diese auch ergeben.
Im Gegensatz zu dem Physiker Schön haben Sie sich nun für den richtigen Weg entschieden. Mit dem vorgelegten Änderungsantrag kommen wir zusammen.
Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, Sie fordern die Leistungen für Kinder nach dem Zweiten und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu erhöhen, um Armut zu bekämpfen. Wir bekämpfen Armut nicht, indem wir unkontrolliert Sozialleistungen erhöhen. Statistisch gesehen führt diese Forderung sogar zu mehr Armut.
Wenn die Leistungen erhöht werden, steigt die Zahl der Leistungsempfänger und damit die Zahl der Kinder, die nach Ihrem Verständnis arm sind. Auch hier bietet sich die Analogie zum etwas ungenauen Arbeiten eines Naturwissenschaftlers an, der merkt, dass die Ergebnisse eines Experimentes nicht ganz den Erwartungen entsprechen, und versucht, den Versuchsaufbau den Ergebnissen
anzupassen, indem er von dem einen Stoff einfach ein wenig mehr benutzt. Nur leider hat er sich für den falschen Stoff entschieden. Am Ende stellt er enttäuscht fest, dass sich die Ergebnisse nicht in die erhoffte Richtung bewegt haben. Im Gegenteil, statistisch gesehen haben sie sich sogar verschlechtert.
Plakative Armutsdefinitionen sind mit Vorsicht zu genießen. Wer daraus politische Forderungen ableitet, darf sich nicht wundern, dass man – um im Bild zu bleiben – an seinen Nobelpreisqualitäten ein wenig zu zweifeln beginnt.
Nobelpreisverdächtig ist auch nicht gerade, was Rheinland-Pfalz unter Führung von Kurt Beck plant und was Sie zur Nachahmung bewegt. Wenn man wie RheinlandPfalz kritisiert, dass bei der Bemessung der Regelleistung Lernmittel nicht eingerechnet wurden, dann ist das auf den ersten Blick richtig.
Die Werte, mit denen die Regelleistungen bemessen werden, stammen von Erwachsenenhaushalten. Wer aber so rechnet, rechnet dann auch mit Kinder-Regelleistungsanteilen für Tabak, Alkoholika oder Küchengeräten. Dass man mit solchen Rechnungen nicht auf einen grünen Zweig kommen kann, ist wohl klar. Dies gilt auch für vergleichbare Berechnungen zum Ernährungsanteil.
„Mir gäbbet nix!“ So haben Sie, Frau Abg. Hermenau, Ihre Jahre im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages betitelt. Sie haben hier mit einem Augenzwinkern beschrieben, wie schwer es ist, zwischen dem politisch Machbaren und dem politisch Gewünschten zu entscheiden. Nicht alles, was wir uns wünschen, können wir mit ruhigem Gewissen finanzieren. Wir haben eine Verantwortung für das Allgemeinwohl, und dieser werden wir nur gerecht, wenn wir jeden Euro zwei Mal umdrehen, bevor wir ihn ausgeben.