Protokoll der Sitzung vom 22.01.2008

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum vorletzten Entschließungsantrag, dem der Linksfraktion mit der Drucksache 4/11045. Herr Scheel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, nach zwei Tagen Verwaltungsneuordnungsgesetz und Kreisgebietsneugliederungsgesetz ist es wirklich an der Zeit, noch einmal ein paar Entschließungen festzustellen.

Wir haben Ihnen hier einen Entwurf vorgelegt. Er hält noch einmal einige Dinge deutlich fest und ich will ein paar Ausführungen dazu machen. Ich glaube, Sie sind mit uns einig, im Punkt a) festzustellen, dass es sich um eine weitreichende Zäsur für die kreisgebietliche Struktur des Freistaates Sachsen handelt, die hier gerade angegangen wurde; innerhalb von nicht einmal 20 Jahren von 48 Kreisen auf nunmehr zehn Landkreise und drei kreisfreie Städte. Das war der Wille der Koalitionsfraktionen. Wir haben uns zwar nicht fügen wollen, aber die Mehrheit hat sich durchgesetzt. Insofern ist, glaube ich, der Punkt a) unstreitig.

Der Punkt b) will noch einmal festhalten, was wir heute in der Debatte auch schon das eine oder andere Mal besprochen haben. Diese Findungsphase, die hier stattgefunden hat, hat durch die Vorlage einer Kreiskarte, die kurz vorher nachgeschoben wurde, nicht wirklich eine Freiwilligkeit beinhaltet, sondern es war eine Art von Scheinfreiwilligkeit. Diese Kreiskarte hat den Rahmen vorgege

ben. Es waren nicht allein die Leitlinien, die sich der Staatsminister des Innern ausgedacht hat, nein, es war diese Kreiskarte, die die Entscheidung der Kreistage stark beeinflusst hat. Vor allem hat sie sie beeinflusst unter einer vollkommen anderen Situation.

Ich will nur noch einmal daran erinnern, dass es am Anfang eine Debatte gab, die drei Regierungspräsidien zu zwei Landesdirektionen zu machen. Das heißt, der Kreistag Döbeln hat seine Entscheidung deutlich unter der Maßgabe getroffen, dass er davon ausgehen konnte, dass es nur noch zwei Landesdirektionen, nämlich die in Chemnitz und die in Dresden, geben würde. Ich glaube, dass die Entscheidung eine andere gewesen wäre, wären sie gleich über diese Situation informiert worden, dass die drei Regierungspräsidien nur umbenannt werden sollen und dass das Ganze ein Etikettenschwindel ist und nichts weiter.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Insofern war diese Freiwilligkeit eine Scheinfreiwilligkeit.

Punkt c) geht auf ein sehr umstrittenes Thema ein. Sie sagen zwar, dass wir angeblich belastbare Informationen gehabt hätten. Der Ministerpräsident versteigt sich sogar dazu zu sagen – und auch Herr Bandmann –, dass es belastbar wäre, dass 165 Millionen Euro jährliche Einsparungen durch diese Kreisreform da wären, dass es ein Gutachten geben würde von Herrn Seitz, das wirklich belastbar genau diese Aussage zulassen würde.

Ich möchte ganz klar sagen, dass ich diese Darstellung entschieden ablehne. Denn dieses Gutachten bezieht sich auf Zahlen aus Thüringen und es nimmt eine Methode vor, die ich für sehr fragwürdig halte. Man kann nicht einfach die Einwohnerzahl herunterrechnen und dann die Mitarbeiterstellen, die man gern hätte, einfach abziehen und sagen: Oh, man könnte vielleicht auf 165 Millionen Euro kommen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das ist, ehrlich gesagt, für einen Finanzwissenschaftler zumindest fragwürdig, diese Methode angewendet zu haben. Insofern möchte ich auch noch einmal darauf verweisen, dass selbst im Regierungsentwurf von 60 bis 165 Millionen Euro fabuliert wird, aber nirgendwo eine wirklich belastbare Aussage zu den Einspareffekten dieser Kreisreform getroffen wird.

Der Ministerpräsident von Thüringen, Althaus – auf dieses Land bezog sich ja das Gutachten von Herrn Seitz –, hat gesagt, dass in seinem Land keine Einsparungen aus der letzten Kreisreform nachweisbar wären. Es kann natürlich sein, dass bei uns alles anders ist. Aber ich nehme erst einmal das Wort des Ministerpräsidenten von Thüringen, der das ja hat untersuchen lassen, und sage: Wir können durchaus miteinander streiten, ob diese Einsparungen wirklich realisierbar sind. Sie bringen die

Kommunen in einen Zugzwang, der nicht notwendig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Auf eines möchte ich noch hinweisen: Döbeln, der kleinste Landkreis, der Landkreis, der noch niemals einer Kreisneugliederung unterworfen wurde – auch 1994 nicht –, ist lustigerweise gerade der Landkreis, der die effektivste Verwaltung zu haben scheint, die wenigsten Verwaltungsmitarbeiter pro 1 000 Einwohner. Da können wir sagen, das ist vielleicht auch eine Form von Effektivität, die die Bürger, der Landrat und der Kreistag in Döbeln erreicht haben, die nicht unbedingt mit einer Kreisneugliederung zu tun hat. Auch das spricht deutlich dagegen, davon auszugehen, dass belastbare Wirtschaftlichkeitsberechnungen da wären.

Zu Punkt d). Ich denke, das Buttolo-Leitbild hat leider gravierende Fehler. Es ist zu starr. Es lässt keine Differenzierungen zu. Und es behandelt nicht so, wie es sein sollte, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich, sondern es schert alles über einen Kamm und sorgt deshalb dafür, dass ein Ungleichgewicht im Freistaat Sachsen entstehen wird. Wir lehnen das ab. Ich denke, auch das muss noch einmal festgehalten werden, dass die regionalspezifischen Alternativansätze aufgrund des starren Leitbildes vom Innenminister scheitern mussten. Das bedauern wir sehr.

Und Punkt f), auch wenn das nicht gern gehört wird – –

Herr Scheel, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ein letzter Satz.

Ja.

Ich gehe auch weiterhin davon aus – und das bekräftige ich noch einmal –, dass eine Zusage von 260 Millionen Euro, bevor auch nur klar ist, was für Kosten entstehen werden, ein klarer Bestechungsversuch gegenüber den Landräten und gegenüber den Kreistagen war, der auch zum Erfolg geführt hat. Sie brauchten dieses Geld, um diese Reform überhaupt zum Erfolg zu führen. Das gilt es noch einmal festzuhalten.

Ich danke Ihnen für die Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag.

(Beifall bei der Linksfraktion sowie der Abg. Holger Zastrow, FDP und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wer möchte dagegen sprechen? – Frau Weihnert für die SPD-Fraktion, bitte.

Herr Präsident! Ich glaube, ich kann für die Koalition insgesamt sprechen. Ich greife nur wenige Dinge heraus, die in diesem Entschließungsantrag stehen. Dort steht in Punkt 10: „Den über das Gesetzesvorhaben der Staatsregierung beschließenden Mitgliedern des Landtages lagen zum Zeitpunkt der Beratungen der

Gesetzentwürfe zur Kreisgebietsreform für die kompetente und sachgerechte Beratung und Beschlussfassung über die künftige Landkreisstruktur des Freistaates nicht die notwendigen Entscheidungsgrundlagen vor.“

Natürlich kann man jetzt diskutieren, was notwendig ist und was nicht notwendig ist. Darauf habe ich, Herr Scheel, schon gewartet. Ich weiß, das haben Sie schon des Öfteren gesagt. Wir haben aber Berge von Unterlagen gehabt – –

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Quantität ersetzt nicht Qualität!)

Herr Scheel, bitte. Jetzt keinen Dialog mehr darüber.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Ich habe das erste Mal was gesagt!)

Ich bin noch dran, Herr Präsident, ich weiß. – Wir haben Berge von Akten gehabt. Alle Unterlagen der Anhörungen, die wir im Rahmen des Gesetzesvorhabens durchgeführt haben, lagen zum einem im Ausschusssekretariat vor und standen zum anderen jeder Fraktion zur Verfügung. Ich glaube schon, dass derjenige, der sich intensiv und tiefgründig mit diesen Dingen hat beschäftigen wollen, dies tun konnte.

Ein Zweites, was ich noch nachfragen möchte, ist – –

(Sebastian Scheel, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Frau Weihnert, geben Sie Herrn Scheel eine Chance? Darf er oder darf er nicht?

Er darf nicht.

Starres Leitbild, keine Differenzierungen: Entschuldigung, wir haben zehn unterschiedlich große Landkreise mit ihren Besonderheiten in den Regionen. Ich frage mich, wo diesbezüglich ein starres Leitbild ist.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Das kann ich nicht erkennen. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion)

Danke. – Gibt es weiteren Aussprachebedarf? – Herr Lichdi, bitte.

Herr Präsident! Es ist völlig klar, Kollege Scheel hat den Sachverhalt völlig zutreffend dargestellt.

(Beifall des Abg. Dr. Michael Friedrich, Linksfraktion)

Die wiederholten Versuche von Frau Weihnert, allein auf die Masse des Papiers zu verweisen, sind nicht geeignet – –

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: So ist es! – Beifall bei der Linksfraktion)

Ja, ich habe hineingeschaut. Der Umstand, dass Sie die entscheidende Rechtfertigung Ihrer Reform, nämlich einen Nachweis der Effizienzgewinne, zu keinem Zeitpunkt belegt haben – – Sie haben uns nur diesen Mehrbelastungsausweis gegeben. Sie haben es also auf die Kreise abgewälzt.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Sie waren zu keinem Zeitpunkt bereit, in eine Debatte darüber einzutreten, ob es auf der Kreisebene klappt oder ob es bei der Bündelung von staatlichen Behörden klappt. Sie haben uns die ganze Zeit mit Obersätzen und wohlfeilen Absichtserklärungen abgefüttert, aber eine ordentliche Befassung war dezidiert nicht möglich.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: So ist es! – Beifall bei der Linksfraktion)

Gibt es weiteren Aussprachebedarf, meine Damen und Herren? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über die Drucksache 4/11045. Wer stimmt zu? – Wer stimmt nicht zu? – Wer enthält sich? – Bei keinen Enthaltungen, einer größeren Anzahl von Dafür-Stimmen ist dennoch mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum letzten Entschließungsantrag, dem der Fraktion der FDP, Drucksache 4/11046. Herr Zastrow, bitte.