Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

(Zuruf der Abg. Jutta Schmidt, CDU)

Ich sage nur deutlich: Wir werden Widerstand leisten – Frau Schmidt, Sie sind nicht mehr im Stadtrat; aber sagen Sie es Ihrer Fraktion weiter –, dass wir nicht zur Kasse gebeten werden; denn das wäre ein Bruch aller Zusagen.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Unerhört!)

Insofern bleibt eine ganze Reihe von Fragen offen, und ich bin sehr gespannt, welche Antworten der Staatsminister uns heute über das Bekannte hinaus geben wird.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Mir liegen im Moment keine Wortmeldungen von den Fraktionen vor. Deshalb gebe ich dem Staatsminister das Wort. Herr Minister Jurk, bitte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Jetzt die Karten auf den Tisch! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Zwei Zahlen: Was wird es kosten, wann wird er eröffnet?)

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Weg von der Vision zur Realität kostet harte Arbeit, Zeit und Geld. Bestes Beispiel dafür ist das Großprojekt City-Tunnel Leipzig. Mehr als 100 Jahre alt ist die Leipziger Vision, den Hauptbahnhof mit dem Bayerischen Bahnhof direkt zu verbinden; aber seit dem Jahre 2005 wird gebaut. In Leipzig entsteht der Eisenbahnknoten für Mitteldeutschland. DB AG, Staatsregierung und Stadt Leipzig treiben gemeinsam den Tunnelbau voran. Der City-Tunnel ist die Schlagader für den Eisenbahnknoten.

Wir stehen kurz vor Vollendung der ersten Tunnelröhre. In diesen Tagen beginnen die Arbeiten am letzten Abschnitt. Es geht zum Hauptbahnhof. Drei von vier neuen unterirdischen Stationen sind entstanden und im Rohbau fertiggestellt. Bis Ende 2008 soll die zweite Tunnelröhre ebenfalls fertiggestellt sein. – Herr Külow, ich habe es noch einmal bestätigt: bis Ende 2008 auch die zweite Tunnelröhre.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD, und Dr. Martin Gillo, CDU)

Ich wage zu formulieren: Die Arbeit lohnt, es geht voran, und es gibt Lohn und Brot für Hunderte Beschäftigte. Lohn und Brot kosten uns aber auch Geld, sogar viel Geld, und leider deutlich mehr, als durch die Planer noch im Jahre 2002 berechnet worden war.

Ende 2007 hat in unserem Auftrag der Projektsteuerer DEGES die Kosten und Risiken erneut abgeschätzt. Dies geschah auf Basis der inzwischen erzielten Baufortschritte

und der dabei gesammelten Erfahrungen. Die DEGESExperten gehen derzeit von einer Kostensteigerung in Höhe von etwa 133 Millionen Euro über die gesamte Bauzeit aus. Darüber habe ich das Kabinett am 11. Dezember 2007 und hat mein Staatssekretär Dr. Mangold die Medien am 14. Dezember 2007 informiert. Das Echo der Presse kennen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Berichterstattung über andere deutsche Großprojekte ist leider nicht viel positiver.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Welche Risiken?)

Auch dort – und das ist für uns kein Trost – kämpft man mit drastisch steigenden Baukosten, sehr geehrter Herr Kollege Hahn. Als Beispiel nenne ich das durchaus vergleichbare Projekt beim Berliner Hauptbahnhof oder die Baukosten für die Nord-Süd-Stadtbahn Köln. Die Ursachen für die Kostenerhöhungen hat die DEGES untersucht und beispielsweise festgestellt: Es gibt eine deutliche Steigerung der allgemeinen Baupreise, insbesondere begründet durch die drastisch gestiegenen Stahl- und Energiepreise. Die Planung musste mehrfach angepasst werden, insbesondere – hören Sie bitte genau zu – durch erhöhte Sicherheitsanforderungen und geänderte Vorschriften. Unwägbarkeiten im Baugrund zwangen zur Anpassung des Bauablaufes, wie in den Antworten der Staatsregierung auf die Große Anfrage der Linksfraktion vom 2. Mai 2007 bereits dargelegt.

Lassen Sie mich dies nur an einem Beispiel verdeutlichen: Nach dem Wassereinbruch bei einem anderen großen Bauvorhaben mussten die Baufirmen Drucktöpfe für jede Ein- und Ausfahrt der Tunnelbohrmaschine „Leonie“ an den Stationen zusätzlich einbauen. „Leonie“ hat immerhin einen Durchmesser von 9 Metern. Betonblock und Stahltopf müssen jeweils den gesamten Kopf komplett aufnehmen. Die Mengen an Beton und Stahl mag sich jeder selbst ausrechnen.

Für uns bleibt festzuhalten: Wir haben für zusätzliche Sicherheiten insgesamt rund 40 Millionen Euro aufzubringen. Gegenüber der Risikoprognose von Mitte 2006 sind die jetzt genannten Werte als Fortschreibung zu verstehen. Das Risiko einer Kostensteigerung erhöht sich um weitere 60 Millionen Euro, also von 73 auf 133 Millionen Euro. Diese Zahlen erschrecken jedermann, der sie unkommentiert hört. Ich will auch gar nicht versuchen, all die Schwierigkeiten und kleinen wie großen Beträge zu erwähnen, die in der Summe dazu führen, dass bei der Endabrechnung 2012 die kalkulierten Kosten deutlich überschritten werden.

Es ist auch klar festzustellen: Mit keinem Instrument und keinem Aufwand lassen sich jetzt noch höhere Investitionen als die im Jahr 2002 kalkulierten knapp 572 Millionen Euro vermeiden.

Trotz aller Hindernisse werden wir aber weiterhin jede technische und rechtliche Möglichkeit nutzen, die Erhöhungen einzugrenzen und durch Einsparungen auszugleichen. Hierzu haben wir auch die DEGES beauftragt. Die

DEGES hat uns Einsparvorschläge gemacht, die allerdings nur im sechsstelligen Bereich liegen, um eine Vorstellung davon zu bekommen. Ansonsten kann man gern darüber sprechen, ob die Innenausstattung der Station noch sparsamer durchgeführt wird; aber irgendwo gibt es auch dort Grenzen.

Sehr verehrter Herr Prof. Porsch, man kann dennoch einmal überlegen, ob neue Einnahmequellen dadurch erzielt werden, dass dort Weinverkauf stattfindet. Sie haben den Vorschlag gemacht, es als Weinkeller zu nutzen. Ich nehme das natürlich sehr ernst und von daher ist dies sicherlich ein Beitrag, der insbesondere in der Karnevalszeit von manchem gern aufgegriffen wird.

Ich bin auf die Frage von Indiskretion angesprochen worden. Hier geht es nicht darum, dass jemand aufklären und informieren wollte, sondern dass wirklich vertrauliche Unterlagen an die Öffentlichkeit gelangt sind. Indiskretionen ermöglichen beauftragten Bauunternehmen, ihre Kalkulation dem Finanzrahmen anzupassen, und helfen uns deshalb wahrlich nicht.

Eines möchte ich aber auch klar sagen: Investitionen sind keine verlorenen Zuschüsse. Sie schaffen und erhalten Arbeitsplätze schon unmittelbar in der Phase der Realisierung. In den Spitzenzeiten der Bautätigkeit rechnen wir mit rund 1 500 Arbeitsplätzen, also Bauarbeitern, Fahrern, Ingenieuren und Mitarbeitern in Behörden, die nur und unmittelbar mit dem Baugeschehen beschäftigt sind.

Bis Mitte 2007 wurden Verträge mit fast 270 Unternehmen geschlossen. Um es deutlich zu sagen: Natürlich werden die Aufträge nacheinander ausgeschrieben und abgearbeitet. Wichtig ist sicherlich für uns alle: 190 von diesen 270 Auftragnehmern stammen aus dem Großraum Leipzig bzw. dem mitteldeutschen Raum.

Hinzu kommen weitere 130 Unternehmen aus der Region, die allein bei den bisher vergebenen Hauptbaulosen Aufträge als Nachunternehmer erhielten. Die Maßnahmen zum Ausbau werden jetzt vergeben. Der Ausbau wird noch wesentlich arbeitsintensiver. Ich gehe davon aus, dass in dieser Phase wiederum eine hohe Zahl von einheimischen Unternehmen und Mitarbeitern Beschäftigung finden. Wir schaffen Arbeit für Handwerk und Mittelstand.

Solche Investitionen entfalten gerade im Verkehrsbereich Wirkungen für Jahrzehnte. Ein Tunnel hat eine Lebensdauer von rund 100 Jahren. Eine Investition ist heute ein Kostenfaktor. Aber mit Fertigstellung und Inbetriebnahme entsteht der Nutzen. Wenn also ab 2012 Bewohner und Besucher von Leipzig mit der Eisenbahn fahren, werden jeden Werktag im Berufsverkehr stündlich bis zu zwölf S-Bahnen und Regionalexpresse in jeder Richtung durch den City-Tunnel fahren, und ich gehe davon aus: auch Fernverkehr.

Unzweifelhaft werden dies mehrere hundert Züge am Tag sein. Damit fahren dann täglich zigtausend Menschen. Das erspart den Arbeitnehmern und Einkaufenden in Zeiten teurer Treibstoffe und knapper Parkplätze Kosten,

Zeit und wohl auch Nerven. Anwohnern bringt es eine Verkehrsberuhigung und Verbesserung der Luftqualität, denn die Züge fahren rein elektrisch. Dies erspart gerade hoch belasteten Innenstädten Abgase. Allein beim Treibhausgas Kohlendioxid kann man eine Einsparung von 50 Tonnen täglich vorhersagen. Dies ist spürbar und macht die Stadt Leipzig attraktiver. Nicht umsonst investieren andere aufstrebende Metropolen nicht unerheblich in ihre Infrastruktur. Eine attraktive Innenstadt ist in der heutigen Zeit ebenso ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmen wie eine gute verkehrliche Erschließung von Stadt und Umland.

Der City-Tunnel wird also auf Jahrzehnte einen wichtigen Beitrag leisten, Leipzig zu der Metropole zu machen, die es in Mitteldeutschland ist und sein kann. Daran müssen wir Investitionen von heute messen.

Ich gestatte mir gern Anmerkungen zu den aufgeworfenen Fragen. Zunächst zur Finanzierung über Mittel des Bundes-EFRE-Programms für Großprojekte. Wir müssen die Maßnahmen bis zur Jahresmitte abrechnen. Dann wird deutlich werden, wie viel Geld in der alten Förderperiode verauslagt werden kann. Erst vor 14 Tagen ist das Operationelle Programm des Bundes für diese Großprojekte nach EFRE-Förderung in Kraft getreten. Jetzt gehen dort die Anträge ein und werden entsprechend bearbeitet, sodass wir davon ausgehen, dass wir in der nächsten Förderperiode berücksichtigt werden. Das heißt für uns, wir beantragen jetzt und daraufhin werden die entsprechenden Entscheidungen gefallen sein.

Zur DEGES insgesamt ist festzuhalten, dass ihre Innenrevision nicht nur beim Projekt City-Tunnel in Aktion treten könnte, denn sie ist ja bei der DEGES zentral eingeführt. Die Innenrevision hat sich die Projekte angeschaut. Die DEGES ist auch personell verstärkt worden und insbesondere im ingenieurtechnischen Bereich hat man Vorkehrungen getroffen. Man prüft natürlich die Nachträge sehr genau und ein Großteil der Nachträge, die von Firmen gestellt wurden, konnten abgewehrt werden, weil sie aus Sicht der Verantwortlichen der DEGES zu Unrecht gestellt worden sind.

Ich war sehr dankbar dafür, dass sich Herr Weichert in der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses für die guten Informationen bedankt hat. Wahrscheinlich meinte er die Ausführlichkeit der Darstellungen. Das werden wir auch weiterhin im Verkehrsausschuss so halten. Insofern können wir Detailfragen, die Sie jetzt bewegen, am besten im Verkehrsausschuss beraten. Auch die Fachleute aus meinem Ministerium werden Ihnen weiter die Zuarbeiten liefern, die Sie von uns verlangen.

Ich setze darauf, dass wir das großartige Projekt erfolgreich zum Ende bringen, und vertraue auch auf die Leistungsfähigkeit der sächsischen Baufirmen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Gibt es noch Erwiderungswünsche? – Das kann ich nicht erkennen. Dann,

meine Damen und Herren, behandeln wir zwei Entschließungsanträge, zunächst den von CDU- und SPD-Fraktion in der Drucksache 4/11063. Ich bitte um Einbringung. Herr Prof. Bolick, bitte.

(Zuruf von der Linksfraktion: Hat er schon eingebracht!)

Frau Präsidentin! Manchmal kommt auch von links ein richtiger Beitrag. Ich hatte den Antrag bei meinem Redebeitrag vorhin schon eingebracht und möchte nicht extra dazu sprechen.

Gut. Vielen Dank. – Dann gebe ich jetzt die Aussprache zu diesem Entschließungsantrag frei. Herr Zais, bitte.

Frau Präsidentin! Ich möchte zu Punkt I „Der Landtag stellt fest:“ eine Ausführung machen, weil ich erklären muss, Herr Bolick, warum es wichtig ist, dass wir einen Verantwortungsträger haben. Ich danke dem Minister, denn er hat ausgeführt, dass sich das Ministerium in der Verantwortung sieht, das Projekt City-Tunnel unter den Bedingungen, wie es sich derzeit darstellt, mit den Schwierigkeiten, in denen der Tunnel in Zukunft gebaut wird, in der für Sachsen günstigsten Variante durchzusetzen. Dabei wissen wir beide, weil wir das im Ausschuss offen und transparent diskutiert haben, dass es noch viele Probleme bis zum letztlichen Ausbau geben wird.

Deshalb kann ich bei diesem Punkt I nicht verstehen, mit welchen Worten Sie hier beschreiben, dass die Verschiebung des Fertigstellungstermins sowie prognostizierte Mehrkosten aufgrund veränderter Sicherheitsvorgaben, steigender Materialpreise und veränderter technischer Anforderungen entstanden sind. Sie geben ja zu, dass wir ein immer größeres Fass ohne Boden haben. Deswegen kann man uns, wie ich in unserem Entschließungsantrag dann noch einmal einbringe, zustimmen, weil er wenigstens ehrlich ist.

Genauso ist es bei Punkt II. Dass das Projekt City-Tunnel Leipzig ein erfolgreiches Schienenverkehrsprojekt werden muss, wussten wir, bevor wir angefangen haben. Es kann ja nicht sein, dass wir im Jahr 2008 feststellen, dass wir einen City-Tunnel bauen und es jetzt als ein erfolgreiches Schienenverkehrsprojekt umsetzen müssen. Wir wissen, dass anfangs – 2010 oder 2011 – acht S-Bahnen und zwei Fernverkehrszüge fahren werden und nicht hundert, wie Sie sagen. Hier zeigt sich wieder das, was ich schon zwei Tage bei der Koalition erlebt habe: Alles ist bei Ihnen ergebnisoffen. Das muss ich bemängeln. Bei unserem Entschließungsantrag wird es Ihnen nicht so einfach gelingen, uns immer wieder mit Trostpflästerchen hinzuhalten. Ich verweise noch einmal auf meine Kritik zu Punkt I.

Punkt II, Herr Bolick, formuliert mit schönen Worten, letztlich das, was wir als LINKE im Entschließungsantrag hier einbringen. Deshalb bitte ich darum, dass wir über Ihren Antrag unter Punkt II einzeln abstimmen.

Gut. – Gibt es zu diesem Entschließungsantrag weitere Diskussionen? – Herr Morlock, bitte.

Frau Präsidentin! Ich möchte mich hinsichtlich der Abstimmungstechnik dem Kollegen Zais anschließen und darum bitten, dass über I. und II. getrennt abgestimmt wird. Punkt I in der jetzigen Form ist eigentlich ein Persilschein für die Staatsregierung. Hier steht salopp gesagt drin: Alle sind schuld, nur die Staatsregierung nicht.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wie immer!)

Wie immer. Es ist das übliche Gehabe der Koalition. Deswegen können wir dem nicht zustimmen; dem Aufruf unter Punkt II selbstverständlich schon.

Lassen Sie mich bitte eine Anmerkung zu den Ausführungen des Kollegen Zais machen. Wir reden nicht über acht Züge pro Tag, sondern über acht Zugpaare S-BahnVerkehr pro Stunde plus möglicherweise zwei Zugpaare im Fernverkehr. Wenn ich das mit der Stundenzahl eines Tages multipliziere, komme ich ungefähr auf die Größenordnung von hundert – nur dass das einmal klargestellt ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)