Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

(Zustimmendes Nicken des Abg. Martin Dulig, SPD)

Gut, dann verfahren wir so. – Ich bitte meine Kollegen Schriftführer, die Namen der Abgeordneten aufzurufen und das Stimmenverhalten zu registrieren. Bitte, walten Sie jetzt Ihres Amtes.

Aufrufliste zur namentlichen Abstimmung in der 12. Sitzung am 31. März 2010 über die Drucksache 5/1867. Ich rufe die Damen und Herren Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge auf. Wir beginnen mit dem Buchstaben O.

(Oh-Rufe bei Abgeordneten)

Der war in der Legislatur noch nicht dran.

(Namentliche Abstimmung – Ergebnis siehe Anlage)

Meine Damen und Herren! Ist jemand hier im Saal, der nicht aufgerufen wurde? – Frau Jähnigen?

Ich wurde aufgerufen, habe Ja gesagt, liebevoll und überzeugt, und der Schriftführer hat

es nicht wiederholt. Deshalb wollte ich noch einmal wissen, ob mein Ja in der Liste vermerkt ist.

(Heiterkeit im Saal)

Bei so viel Liebe: Ja.

Damit ist das geklärt. Meine Damen und Herren! Wir zählen jetzt das Ergebnis aus, und ich gebe es dann gleich bekannt.

(Kurze Unterbrechung)

Meine Damen und Herren! Die Zusammenfassung der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Fraktion SPD, Arbeit der LandesSeniorenVertretung für Sachsen sicherstellen, Drucksache 5/1867, liegt vor. Mit Ja haben 49 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 67 Abgeordnete. Damit hat der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Der Tagesordnungspunkt 8 ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 9

Ausgaben für Bildung und Forschung dauerhaft steigern – Vorschläge der Staatsregierung zur Finanzierung des auf dem Bildungsgipfel vereinbarten 10-%-Ziels rechtzeitig vorlegen

Drucksache 5/1871, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Fraktionen können in folgender Reihenfolge Stellung nehmen: GRÜNE, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Wir beginnen mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Am Rednerpult steht bereits Frau Abg. Giegengack. Sie haben das Wort zur Einbringung des Antrages.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Schlüsselbegriff fiel schon nach fünf Minuten, und nach einer halben Stunde hatte Angela Merkel bei ihrer Festrede zum 60. Jahrestag der sozialen Marktwirtschaft im Juni 2008 den Bogen geschlagen. Mit ihrer Abwandlung des berühmten Ausspruchs von Ludwig Erhard „Wohlstand für alle heißt heute Bildung für alle“ rief die Kanzlerin die Bildungsrepublik Deutschland aus.

Der Bildungsgipfel im Oktober in Dresden sollte der erste Schritt hin zu dieser Bildungsrepublik sein und blieb doch hinter den Erwartungen zurück. Zwar verständigten sich die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder darauf, die Mittel für Bildung und Forschung bis zum Jahr 2015 um geschätzte 60 Milliarden Euro auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts aufzustocken; über den Weg dorthin konnte man sich jedoch nicht einigen.

Bezeichnenderweise verfielen die gleichen Beteiligten keine Woche nach der schnellen Einigung über das 500Milliarden-Euro-Rettungspaket für die Banken wieder in die föderale Routine. Die Dresdner Erklärung kann man deshalb nur als eine Mischung aus Sachstandsbericht und Absichtserklärung bezeichnen. Dementsprechend breit war die Kritik. Die FDP sagte damals, der Bildungsgipfel sei eine „bildungspolitische Nullnummer“ gewesen.

Zu dem inhaltlichen Desaster gesellte sich knapp drei Wochen später ein finanzielles, denn der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages legte im November 2008 die Ausarbeitung „Potenzielle finanzielle Auswirkungen der Ziele des Bildungsgipfels auf die Haushalte des Bundes und der Länder“ vor. Dort hieß es, allein die Bundesländer müssten nicht nur 60, sondern zusammen 82 Milliarden Euro aufwenden, um das 10-%-Ziel zu erreichen. Bei einem angenommenen Wachstum des BIP von 2 % würden die aufzubringenden Mittel auf rund 100 Milliarden Euro im Jahr 2015 steigen.

Auf einmal war die Einigung zwischen Bund und Ländern wieder möglich. Einvernehmlich wurden Pensionsausgaben für Lehrer und Professoren, fiktive Mieten für Liegenschaften wie Schulen, Universitäten und Kindergärten, Weiterbildungskosten für Hartz IV, BAföG und Bildungskredite sowie das Kindergeld ab 18 verrechnet. Als

zusätzlichen Finanzbedarf zur Erreichung des 10-%-Ziels verkündete man auf dem zweiten Bildungsgipfel Ende 2009 nun überschaubare 13 Milliarden Euro. Doch damit hatte es sich schon wieder mit der Einigung. Keine Qualitätsziele, denn Bildung ist ja Ländersache.

Deshalb sind wir misstrauisch, was der nächste Bildungsgipfel im Juni dieses Jahres bringen wird. Dort sollen die Bildungs- und Wissenschaftsminister von Bund und Ländern konkrete Vorschläge zur Deckung der Finanzierungslücke und für gemeinsame Initiativen von Bund und Ländern vorlegen.

Unser Antrag fordert, dass die Staatsregierung uns vorab berichtet, welche konkreten Vorschläge sie auf diesem dritten Bildungsgipfel unterbreiten wird; denn selbst wenn man nur von den 13 Milliarden Euro ausgeht, in die sich Bund und Länder zu 40 und 60 % teilen, kämen auf Sachsen nach unseren Berechnungen Mehrausgaben von mindestens 120 Millionen Euro im Bildungsbereich zu.

Doch die Finanzierung ist die eine Sache; denn nur mehr Geld in das System zu pumpen verändert nichts, sondern verfestigt lediglich die bestehenden Strukturen. Am augenfälligsten ist das, denke ich, im Gesundheitssystem. Mindestens genauso wichtig sind die inhaltlichen Vorschläge, wo wir bildungspolitisch hin wollen. Hier fehlen nach meiner Auffassung der Koalition von CDU und FDP offensichtlich die Visionen. Abgehoben von der Realität klatscht sich die Koalition selbst immer wieder Beifall bei der Feststellung, dass doch alles prima sei, wie zum Beispiel im letzten Plenum.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Meine Damen und Herren von der Koalition, das ist es nicht, weder in der frühkindlichen Bildung noch in der schulischen oder beruflichen Bildung. PISA zeigt nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was in unserem Bildungssystem passiert. Doch Bildung ist mehr als der durch Hirnforschung optimierte Erwerb von Wissen als die Herstellung beruflicher Qualifikation und das Erlangen von Abschlüssen. Bildung soll zur Zukunft befähigen. All das, was Sie uns bildungspolitisch präsentieren, bewegt sich im Heute.

Schon jetzt sind wir mit Problemen konfrontiert, für die wir in unseren ehemaligen Schulbüchern keine Lösungen finden. Aber wenn wir unsere Kinder zur Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft befähigen wollen und möchten, dass sie sich in einer immer komplizierter werdenden Welt zurechtfinden, dürfen wir sie nicht nur mit Wissen vollstopfen und ihnen weismachen, wir könnten ihnen die Welt erklären. Wir müssen ihnen die Fähigkeit vermitteln, sich selbst Wissen anzueignen, und ihnen Maßstäbe für ihre Entscheidung mit auf den Weg geben.

„Wohlstand für alle heißt heute Bildung für alle.“ Es gibt keinen Satz unserer Kanzlerin, den ich mit größerer Überzeugung unterschreiben würde als diesen; denn er bedeutet, Barrieren abzubauen, alle mitzunehmen und niemanden auszusondern. Auch ich möchte, dass mein

Kind in der Schule lernt, dass Menschen verschieden sind und jeder eine bestimmte Begabung besitzt, die zu fördern sich lohnt. Wenn wir möchten, dass in unserem Land tolerante junge Menschen heranwachsen und keine egozentrischen, unreflektierten Lernroboter, wie sie mir leider in meiner Zeit als Lehrerin durchaus begegnet sind, müssen wir ihnen auch die Erfahrung des sozialen Lernens ermöglichen.

All diese Herausforderungen liegen jenseits der aktuell drängenden Probleme wie Betreuungsschlüssel, Ganztagsbetreuung, Schulabbrecherquote usw. Wenn wir diese Herausforderungen annehmen wollen – und so verstehe ich die Initiative der Kanzlerin –, brauchen wir Geld, viel Geld.

Der Ministerpräsident ist nicht hier. Er hat zum Festakt „600 Jahre Universität in Leipzig“ im Dezember letzten Jahres klar formuliert, dass Sachsen zu dem mit der Kanzlerin vereinbarten Ziel steht, insgesamt 10 % des Bruttoinlandsprodukts für Bildung, Wissenschaft und Forschung auszugeben. Wörtlich: „Es wird mehr Geld in die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Forschung fließen und nicht weniger.“

Doch allein im Haushalt 2010 müssen SMK und SMWK Bewirtschaftungsmaßnahmen in Höhe von 38 Millionen Euro vornehmen. Wir möchten mit unserem Antrag wissen, was Sie angesichts des Sparzwanges und der nötigen Haushaltskonsolidierung im Juni zum dritten Bildungsgipfel als sächsischen Beitrag zur Erlangung des 10-%-Zieles einbringen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Giegengack. – Meine Damen und Herren, die CDUFraktion ist an der Reihe. Es spricht Herr Abg. Michel. Sie haben das Wort, Herr Michel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Dieser Antrag ist meines Erachtens wieder einmal ein Beispiel für das im Landtag doch leider übliche Spielchen, schnellstmöglich populäre Themen zu besetzen. Einzuhaltende Terminketten oder laufende Gespräche oder gar Inhalte sind bei diesem Spiel leider oftmals zweitrangig.

Bildung ist unbestritten ein wichtiges Thema, und der Bildungsgipfel vom 22. Oktober 2008 setzt für das Jahr 2015 ein ehrgeiziges Ziel. Nun möchte ich dem Antrag gar kein inhaltliches Bemühen absprechen, aber der Zeitpunkt bezüglich eines Berichts oder eines Zwischentermins im Juni 2010 wirkt doch recht aufgesetzt. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder haben auf dem Bildungsgipfel in Dresden das Ziel vereinbart, bis zum Jahr 2015 – ich wiederhole: bis zum Jahr 2015 – den Aufwand für Bildung und Forschung gesamtstaatlich auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. 10 % des BIP für Bildung und Forschung aus

zugeben ist eine hohe Messlatte, besonders in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise.

Herr Michel, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Dr. Stange.

Frau Dr. Stange, bitte.

Herr Michel, ist Ihnen bekannt, dass auf dem Bildungsgipfel 2008 verabredet worden ist, dass bereits Ende 2009 im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz erklärt werden sollte, wie das 10-%-Ziel erreicht werden soll?

Das ist mir bekannt, und darauf komme ich noch zu sprechen.

Unter der Voraussetzung, dass Bund und Länder ihre Bildungs- und Forschungshaushalte sowie die private Wirtschaft ihre Beiträge zu Forschung und Entwicklung in dem vorgesehenen Umfang fortschreiben, ist zum Erreichen des 10-%-Ziels immer noch ein zusätzlicher Beitrag von insgesamt 13 Milliarden Euro für Bildungsmaßnahmen erforderlich. Trotzdem ist das Ziel zu schaffen.

In der Bundeskoalitionsvereinbarung wurde ein zusätzliches Mittelvolumen von 12 Milliarden Euro für Bildung und Forschung beschlossen. Trotzdem ist ein erheblicher Beitrag durch die Länder zu erbringen. Damit sage ich nichts Neues. Bekanntlich ist die finanzielle Situation in den deutschen Bundesländern schwierig. Aber sie ist auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich schwierig. 90 % der Kosten für Bildung tragen in Deutschland heute die Länder. Wir benötigen eine klare Vereinbarung mit dem Bund über zusätzliche Steuermittel für die Bildung, um unsere gemeinsamen Anstrengungen im Bildungsbereich fortzusetzen.