Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

Inhaltlich, denke ich, haben Sie heute schon einiges gebracht. Letztendlich geht es aber um die Finanzierung. Dabei kann man sich nicht mit den Haushaltsverhandlungen herausreden. Es gibt einen ganz klaren Termin, der bei der Besprechung mit der Bundeskanzlerin am 16. Dezember 2009 beschlossen wurde. Darin heißt es: „Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefin und Regierungschefs der Länder bitten die Bildungs- und Wissenschaftsminister von Bund und Ländern, bis zur Besprechung der Bundeskanzlerin mit der Regierungschefin und den Regierungschefs der Länder am 10. Juni 2010 konkrete Vorschläge zur Deckung der Finanzierungslücke vorzulegen.“

Genau das wollen wir wissen. Das müssen Sie auch, bevor der Haushalt beschlossen ist. Wir möchten von Ihnen wissen: Wie werden Sie das gestalten? Angesichts unseres Haushaltsdefizits sollten Sie uns darüber bitte berichten. Das ist unser Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Giegengack.

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/1871 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und sehr vielen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist nicht beschlossen worden. Meine Damen und Herren, der Tagesordnungspunkt 9 ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 10

„Gender Mainstreaming“-Strategie stoppen – sächsische Familien fördern – Familienkompetenz herstellen!

Drucksache 5/1792, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen in folgender Reihenfolge Stellung nehmen: NPD, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn es gewünscht wird. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Fraktion der NPD das Wort. Frau Abg. Schüßler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als meine Fraktion, die der NPD, vor ziemlich genau einem Jahr schon einmal das Ende der GenderMainstreaming-Strategie forderte, äußerten sich in den darauffolgenden Debatten nur die Linksfraktion und die SPD-Fraktion, und dies in der üblichen klischeehaften und stereotypen Gleichsetzung von Gender-Kritik mit NS-Familienpolitik, wie wir sie auch aus der Debatte um die ehemalige Tagesschausprecherin Eva Herman kennen.

Die CDU hüllte sich in Schweigen. War es Taktik oder war es Angst? Doch der anhaltende Linkstrend der CDU –

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Was? Das habe ich noch nicht gemerkt!)

doch, doch, das ist uns aufgefallen – lässt auch dort die Befürchtung wachsen, konservative Wählerschichten dauerhaft zu verlieren. So kam es der sächsischen CDU wie gerufen, als DIE LINKE im Landtag mit ihren Anträgen zur Einrichtung eines „GenderKompetenzZentrums“ und der regelmäßigen Vorlage von Gender-Berichten der CDU einen Anlass bot, ihre konservative Seele wiederzuentdecken. Die „Bild“-Zeitung half dabei, dies auch öffentlichkeitswirksam zu propagieren, und zwar unter dem Titel: „Irre! Sächsische Linke wollen ‚echte Männer’ abschaffen“.

Bis dahin waren es nur die sogenannten Ewiggestrigen, die in der schon seit Jahren praktizierten sogenannten Querschnittsaufgabe des Gender-Mainstreaming-Konzep

tes mehr als die etwas verunglückte Formulierung einer neuen Gleichstellungsinitiative sahen. Nun durften sich „Bild“ und CDU gemeinsam über den Gender-Wahn aufregen – zumindest ein klein wenig. Denn allein mit der Benennung der konservativ-christlichen Soziologin Frau Gabriele Kuby als Sachverständige zur Anhörung haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ein Signal ausgesandt. Das wissen Sie auch.

Die Ausführungen von Frau Kuby haben uns allen deutlich vor Augen geführt, dass die Nationaldemokraten keinesfalls die einzigen sind, die die Gender-Mainstreaming-Strategie für ein gigantisches feministisches und neomarxistisches Umerziehungsprogramm halten. Es dient ausschließlich den Interessen radikaler Feministinnen und Anhänger sexueller Ausnahmeerscheinungen. Und es ist neomarxistisch, weil die Verfechter von Gender Mainstreaming mit Marx, Lenin oder Mao die Grundüberzeugung teilen, dass der Mensch kein Mängelwesen sei. Ziel ist es, einen neuen Menschen zu schaffen, der sich problemlos in eine angeblich schönere neue Welt einfügt.

Natürlich wird Gender Mainstreaming nicht überall in der gleichen impertinenten Art und Weise interpretiert und umgesetzt. Es wird immer Erzieherinnen, Lehrerinnen und Lehrer geben, die das Herz noch auf dem rechten Fleck haben und sich Gender-Experimenten an unseren Kindern verweigern.

Tatsache ist aber, dass Gender Mainstreaming seit 1999 entsprechend den Vorgaben der EU Leitprinzip und Querschnittsaufgabe der deutschen Politik ist und dass es an deutschen Universitäten 100 – 100! – Lehrstühle für sogenannte Gender Studies gibt, die genau definieren, worin diese Aufgabe besteht. Diese Definition fußt auf den Forderungen der Weltfrauenkonferenz von Peking aus dem Jahr 1995. Danach wurde das englische Wort „Sex“ für das biologische Geschlecht durch den aus der Grammatik stammenden Begriff „Gender“ ersetzt. Die landläufige und dem gesunden Menschenverstand entsprechende Auffassung, dass es eben nur zwei biologisch festgelegte Geschlechter gibt, wird hier ersetzt durch die Lehre von der freien Wählbarkeit des sozialen Geschlechts – der geschlechtsvariable Mensch!

Die Annahme eines gesellschaftspolitischen Umerziehungsprogramms für unser Volk als Grundlage für Gender Mainstreaming ist also keine Verschwörungstheorie, sondern Realität. Diese Strategie wird vertreten und umgesetzt auf allen politischen und gesellschaftlich relevanten Ebenen, von Institutionen wie „pro familia“ bis hin zur Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Ein weiteres Merkmal von Gender Mainstreaming ist die frühzeitige Sexualisierung unserer Kinder schon im Kleinkindalter und die absolute Bevorzugung staatlicher Fremdbetreuung vor familiärer Eigenbetreuung. Der Zweck ist klar: die Diskreditierung herkömmlicher Rollen- und Familienvorstellungen, also des traditionellen Bildes einer lebenslangen Ehe zwischen Mann und Frau mit den Kindern, die daraus hervorgehen.

Je früher Gender Mainstreaming daher formend – besser gesagt: deformierend – auf unsere Jüngsten einwirkt, umso besser aus der Sicht der Gender-Extremisten. Ich möchte noch einmal Frau Kuby zitieren:

„Es geht um die Schaffung eines neuen Menschen für die schöne neue Welt: der geschlechtsvariable, bindungslose Mensch, den kaum mehr etwas anderes interessiert als seine eigene Triebbefriedigung. Mit ihm oder ihr kann der Staat, der immer eine Tendenz zur Diktatur hat, alles machen.“

Die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag setzt diesem Programm ein eigenes Konzept entgegen. Sie greift dabei eine Forderung auf, die auch Frau Kuby in der bereits erwähnten Anhörung erhoben hat. Statt Gender-Programmen und eines „GenderKompetenzZentrums“, wie Sie von der Fraktion DIE LINKE es wünschen, sollte es ein Familienkompetenzzentrum in Sachsen geben. Wenn unsere Gesellschaft an etwas krankt, dann ist es die um sich greifende wachsende Bindungsunfähigkeit als Folge einer penetrant propagierten Individualisierung. Kinder werden immer mehr nur als materieller Faktor gesehen, der in Konkurrenz zur Selbstverwirklichung steht. Wenn es uns gelingen sollte, dass Kinder, Ehe und Familie zunehmend wieder als Wert an sich begriffen werden, dann haben wir den Kampf um den Fortbestand unseres Volkes und um eine lebenswerte Zukunft schon halb gewonnen.

Hierzu müssen gänzlich neue Prioritäten gesetzt werden. Lassen Sie uns heute damit beginnen. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der NPD)

Nächste Rednerin ist Frau Saborowski-Richter. Sie spricht für die Koalitionsfraktionen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema der jetzigen Plenardebatte ist eigentlich falsch. Es sollte wohl eher lauten: „Alle Jahre wieder.“ Sie haben es soeben selbst gesagt: Vor fast genau einem Jahr wurde hier im Sächsischen Landtag zu einem inhaltlich fast identischen Antrag der NPD-Fraktion Stellung genommen. Zwei Unterschiede gibt es jedoch: Der Forderungskatalog hat in dem heute vorliegenden Antrag zugenommen und in der Begründung sowie im gerade gehörten Redebeitrag ist meine Fraktion wiederholt benannt worden.

Fast möchte man dabei meinen, dass die CDU-Fraktion Ihrer Anregungen bedürfe, um Politik in Ihrem Sinne zu machen. Ich denke, Sie von der NPD überschätzen sich und Ihre Rolle hier.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsministerin Christine Clauß)

Wir benötigen Sie nicht, um Diskussionen auch strittiger Themen wie Gender Mainstreaming zu führen. Nein,

anscheinend brauchen Sie uns, wenn Ihnen kein anderes Thema mehr einfällt und Sie gleiche Anträge – leicht modifiziert – wieder aus der Tasche zaubern.

Weiterhin möchte ich darauf hinweisen, dass wir, wenn diskutiert wird, nicht nach Ihren Regeln und Vorstellungen diskutieren und mitwirken werden. Wir lassen uns dabei nicht hetzen und irgendwelchen abstrusen Forderungen wie dem Abstimmungsverhalten unterwerfen.

Meine Damen und Herren! Hinsichtlich der weiteren in dem Antrag angesprochenen Themen kann ich mich kurzfassen. In der vergangenen Legislaturperiode ist mehr als einmal deutlich geworden, dass Ihr Familienbild ein anderes ist als unseres. Wenn Sie sich, wie in der Begründung des Antrags formuliert, auf Artikel 6 des Grundgesetzes berufen, dann ist das meines Erachtens mehr als scheinheilig. Wiederholt haben Sie durch Ihre Reden und Ihr Verhalten deutlich gemacht, dass Ihnen verfassungsrechtliche Normen wie die des Grundgesetzes bzw. die der Sächsischen Verfassung wenig bedeuten.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Sie gehören doch dem Landtag erst seit Kurzem an! Sie können doch unsere Reden damals gar nicht gehört haben!)

Deswegen scheinen Sie mir für eine Diskussion über die Herstellung von Familienkompetenz in einem demokratischen Staat für ein demokratisches Gemeinwohl nicht wirklich der richtige Ansprechpartner zu sein.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Daher lehnen wir Ihren Antrag ab.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Als weiterer Redner ist Herr Jennerjahn gemeldet. Herr Jennerjahn, Sie haben das Wort.

(Jürgen Gansel, NPD: Gender-Miro!)

Sie haben noch 2 Minuten und 23 Sekunden Redezeit.

Das reicht mir; ich rede schneller. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese von der NPD beantragte Debatte ist offensichtlich der vorgezogene Aprilscherz. Wir gehen trotzdem noch ein wenig auf das Thema ein; denn in der Regel besteht das „Heldentum“ der NPD darin, zunächst einmal einen großen Popanz aufzubauen, um dann mit noch größerem Pathos dagegen in die Schlacht zu ziehen. Heute heißt das Schreckgespenst „Gender Mainstreaming“.

Laut einer NPD-Mitteilung handelt es sich bei Gender Mainstreaming um eine Ideologie, die ihren Ursprung im – ich zitiere – „gesellschaftszersetzenden Neomarxismus“ hat.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

In der 9. Sitzung des Landtages am 10. März 2010 hat der Abg. Jürgen Gansel mit Bezug auf Gender Mainstreaming von der „Schaffung künstlicher Geschlechteridentitäten“ gefaselt. Das klingt fast so, als ob die NPD einer Wahnsinnsverschwörung auf der Spur wäre, initiiert von Karl Marx und Dr. Frankenstein.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Aber was bedeutet Gender Mainstreaming tatsächlich? Wir können uns auf eine Definition konzentrieren, der unter anderem die Staatsregierung folgt. Demnach bedeutet Gender-Mainstreaming – noch einmal ein Zitat –, „bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen“.