Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Aber es ist auch die Politik gefragt. Herr Colditz hatte es angesprochen. Die Aufweichung der Bildungsempfehlung im Jahre 2005 hat Mittelschulstandorte noch einmal zusätzlich unter Druck gesetzt. Die geplante Aufwertung der Mittelschule zur Oberschule kann auch zu einem stabileren Schulnetz in diesem Bereich führen.

Bei der Schulnetzplanung müssen wir Schwerpunkte setzen. Unser Schwerpunkt ist eindeutig der ländliche Raum: Ausnahmen für den ländlichen Raum, die es heute schon gibt und die es auch in Zukunft mit uns als FDP geben wird. Das ist es, wofür wir eintreten: insbesondere im ländlichen Raum Schulstandorte zu erhalten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition! Schauen Sie sich bitte die Realität an! Schauen Sie sich jede einzelne Schule an! Dann werden Sie eine differenziertere Auffassung bekommen, als Sie es jetzt mit dem Debattentitel gezeigt haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die FDP-Fraktion sprach der Abg. Bläsner. Als Nächstes spricht für die Fraktion der GRÜNEN Frau Kollegin Giegengack.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was hat der Minister bis jetzt getan? Er hat im letzten Schulausschuss zwei Listen ausgeteilt, in denen die Grund- und Mittelschulen aufgezählt wurden, die die gesetzlichen Mindestschülerzahlen nicht erreichen.

Grundsätzlich finde ich dieses Verhalten recht positiv, denn es zeigt – jedenfalls empfinde ich es so – ein Bemühen um Transparenz. Er hat auch im Schulausschuss darauf hingewiesen, dass es eine Anhörung gibt – das wurde hier bereits angesprochen – und dass es keinen Automatismus zwischen nicht erreichter Mindestschülerzahl und einem Mitwirkungsentzug geben wird. Die Anhörungen gehen jetzt zu Ende und ich erwarte mit Spannung die Ergebnisse.

Ein Aspekt, der mir in diesem Zusammenhang viel größere Sorgen bereitet, ist die Situation, die sich in den Kommunen darstellt; denn hier kommt es wahrscheinlich zu größeren Schließungen von Schulen. Es handelt sich dabei um Schulen, die die Mindestschülerzahl bei Weitem übertreffen. Chemnitz plant aufgrund der katastrophalen Haushaltssituation, sechs Grundschulen zu schließen, die über Anmeldezahlen in Größenordnungen verfügen, wovon andere Schulen nur träumen können. Das ist, finde ich, eine sehr bedauerliche Entwicklung. Ich hoffe, dass wir im Stadtrat von Chemnitz einen Weg finden werden,

das zu verhindern. Dort entstehen Schulwege von 5 Kilometern für Erstklässler. Dabei wird eine Grenze überschritten; das geht so nicht!

In Bezug auf die Schulen, die auf diesen beiden Listen stehen, möchte ich zunächst abwarten, mit welcher Begründung der Minister andeutet, sie schließen bzw. keine Eingangsklassen bilden zu wollen. Bis jetzt hat er meines Erachtens nichts Verwerfliches getan. Er hat eine Liste ausgeteilt, auf der diese Schülerzahlen stehen. Das muss er tun. Die Schülerzahlen sind im Schulgesetz und in der Schulnetzplanungsverordnung vorgegeben.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Wir können das durchaus kritisieren. Auch meine Fraktion sieht das so, Frau Falken. Wir sind dabei nicht so weit auseinander. Ich denke, man sollte vor allem aufpassen, wie man mit den Mittelschulen umgeht, gerade aufgrund der Veränderung der Zugangsberechtigung zum Gymnasium.

Wenn wir möchten, dass die Schulen wohnortnah erhalten werden, dann sollten wir nicht darauf vertrauen, dass der Minister den Ermessensspielraum ausnutzt. Das wird er höchstwahrscheinlich aufgrund der Finanzsituation nicht tun. Wenn wir möchten, dass diese Schulen erhalten werden, dann sollten wir die Grundlage dafür schaffen, dass sie erhalten werden können.

Heute Nachmittag wird ein Antrag der SPD-Fraktion behandelt, dem sich unsere Fraktion anschließt. Wir haben dazu einen Ergänzungsantrag eingebracht, um die Grundlage zu schaffen, diese Schulen wirklich zu erhalten und nicht auf das Ausnutzen des Ermessensspielraums durch den Minister vertrauen zu müssen. In diesem Sinne werden wir die Debatte heute Nachmittag führen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion GRÜNE sprach Frau Abg. Giegengack. – Als Nächstes spricht für die NPD-Fraktion der Abg. Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem Monat fand in diesem Haus die gleiche Debatte schon einmal statt, aber angesichts der Brisanz des Themas ist die Debattenwiederholung durchaus gerechtfertigt.

Es brennt nämlich in Sachsen, und die Feuermeldungen sind mittlerweile den Lokalteilen aller Zeitungen zu entnehmen. Es lodert ein Steppenbrand von Schulschließungen, von dem alle sächsischen Landesteile betroffen sind.

In Chemnitz ist beispielsweise die FlemmingGrundschule von der Schließung bedroht. Weil der Stadt Chemnitz ab dem Jahr 2011 etwa 60 Millionen Euro pro Haushaltsjahr fehlen, wird auch die dortige Schulpolitik dem Diktat des Rotstiftes unterworfen. Vor einer Woche hat die Stadtspitze in Chemnitz die Schließung von sechs Grundschulen zum Schuljahr 2011/2012 angekündigt.

In Zwickau steht beispielsweise die Lessing-Mittelschule auf der Abschussliste. Letzten Sonnabend demonstrierten 250 Schüler und Eltern gegen die absehbare Schulschließung mit Transparentlosungen wie: „Unsere Schule darf nicht sterben“ oder „Hände weg von unserer Schule!“

In Kreischa im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge soll es die Mittelschule treffen, und das, obwohl mit 37 Anmeldungen die vorgeschriebene Mindestschülerzahl von 40 Fünftklässlern bei geforderter Zweizügigkeit fast erreicht wird. Gefährdet ist auch die Existenz der Grundschule in Königswalde.

In der vorletzten Sitzung des Werdauer Stadtrates stimmte bezeichnenderweise nur der Oberbürgermeister Ralf Tittmann von der Linkspartei für die Schließung der Schule Königswalde.

Insgesamt sind in Sachsen 37 Schulen von der Schließung bedroht: 20 Grundschulen und 17 Mittelschulen. Das Schulsterben in Sachsen geht weiter, und das, obwohl Kultusminister Flath 2007 noch feierlich erklärte, dass im Freistaat keine Schulen mehr geschlossen würden. Die Versteppung der Schullandschaft schreitet voran, entweder weil die klammen Kommunen die Schulen nicht länger finanzieren können oder weil die Schülerzahlen nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Aber auch Schulschließungen aus vorgeblichem Schülermangel sind der strukturellen Finanzkrise geschuldet, denn natürlich könnten auch Schulen mit niedrigerem Schülerstand erhalten werden. Der Dreh- und Angelpunkt – das ist fast eine banale Feststellung – ist das Geld, von dem allein der Sächsischen Staatsregierung gegenwärtig 1,7 Milliarden Euro fehlen. Auch in Sachsen wäre genügend Geld für den Erhalt dieser 37 Schulen vorhanden, wenn die frühere Staatsregierung nicht durch eklatante Aufsichts- und Kontrollmängel die Sächsische Landesbank vor die Wand gefahren hätte und nun der sächsische Steuerzahler mit einer Landesbürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro dafür geradestehen müsste.

Aber auch auf Bundesebene wäre genügend Geld für Schulpolitik da, wenn deutsches Geld nicht ständig für nicht-deutsche Aufgaben zweckentfremdet würde.

(Zurufe von der CDU: Die alte Leier!)

Ja, das ist unsere Leier, und die werden Sie in den nächsten Jahren von uns immer wieder hören.

Selbst Adam Ries hätte mittlerweile Schwierigkeiten zusammenzuzählen, wie viele Steuermilliarden Jahr für Jahr für fremde Interessen verschleudert werden. Man denke an die Abermilliarden Euro für marode Banken, für die Umverteilungspolitik der Europäischen Union, für Asylschwindler und ausländische Arbeitslose und für die sinnlosen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Erst diese Scheckbuchpolitik für die ganze Welt sorgt im eigenen Land für die leeren Kassen, die für die schulpolitische Kahlschlagpolitik verantwortlich sind. Das ist der wahre Problemhintergrund, vor dem sich das Finanzdrama der Kommunen abspielt, die als Reparaturbetriebe eines morschen Systems missbraucht werden. Bund, Länder

und Kommunen pfeifen finanziell auf den letzten Löchern, und trotzdem gibt es weiterhin Geldgeschenke für Ausländer und das Ausland.

Das nächste Fass ohne Boden, in dem Milliarden deutscher Steuergelder verschwinden werden, ist doch schon aufgemacht. Letzten Freitag hat der Pleitestaat Griechenland bei der Europäischen Union und beim Internationalen Währungsfonds Soforthilfen in der Größenordnung von 45 Milliarden Euro angemeldet.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Schulschließung!)

Ja, ich spanne einen Bogen, den Sie anscheinend aus politischen Gründen nicht zu schlagen bereit sind.

Die Euroländer wollen Griechenland, das sich mit gefälschten Wirtschaftsdaten den Zugang zum Euro erschlichen und jahrzehntelang über seine Verhältnisse gelebt hat, mit bis zu 30 Milliarden Euro finanziell fördern. Mit Stand von vorgestern war klar, dass allein der deutsche Steuerzahler 8,5 Milliarden Euro für das griechische Fass ohne Boden wird zahlen müssen.

(Thomas Kind, Linksfraktion: Zum Thema!)

Mittlerweile steht sogar die unglaubliche Zahl von 135 Milliarden Euro für Griechenland im Raum. Das, meine Damen und Herren, ist ein Mitgrund dafür, dass in diesem Land kein Geld für eine ordentliche Familien- und Schulpolitik vorhanden ist. Machen Sie endlich das bundesrepublikanische Weltsozialamt dicht, bevor noch mehr Schulen dichtgemacht werden!

(Beifall bei der NPD)

Damit sind wir am Ende der ersten Runde angekommen. – Wir eröffnen jetzt die zweite Runde. Für die einbringende Fraktion DIE LINKE ergreift Frau Kollegin Falken erneut das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatsminister Wöller, ich erwarte heute von Ihnen, wenn Sie zu diesem Thema sprechen – ich gehe davon aus, dass Sie das tun werden –, dass Sie uns hier erläutern, wo die Notwendigkeit besteht, für das kommende Schuljahr derartige Mitwirkungsentzüge einzuleiten. Wir haben es angeblich drei Jahre nicht nötig gehabt und die kreisfreien Städte, die Kreistage bzw. die Schulträger entscheiden lassen.

Wir haben das Beispiel von Chemnitz gerade gehört. Ich heiße es nicht gut, wenn das in Chemnitz passiert, zumal es ja im Schulgesetz auch dazu Festlegungen gibt. Vielleicht kann man das in Chemnitz auch anwenden. Aber drei Jahre lang hat es geklappt, dass man den entsprechenden Schulträgern diese Entscheidungen vor Ort überlässt. Jetzt auf einmal, seit 2007, mischt sich das entsprechende Ministerium wieder ein. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie das hier heute erläutern.

Herr Colditz hat davon gesprochen, dass man sensibel damit umgehen muss. Genau das möchte ich auch hier noch einmal bestätigen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel der

Sensibilität, die derzeit vor Ort passiert, benennen. Herr Bläsner, ich weiß nicht, ob Sie auch in verschiedenen Schulen waren, denn Sie haben gesagt, dass wir uns das vor Ort anschauen sollen. Ich war vor Ort in verschiedenen Schulen, die das jetzt betrifft, unter anderem auch an der Grundschule in Plauen-Oberlusa. Da gab es zwölf Anmeldungen, die uns offiziell durch das Kultusministerium für die neue 1. Klasse mitgeteilt worden sind. Dort habe ich erfahren, dass es weitere Anträge von Eltern gibt, die als Schüler mit einem besonderen Förderbedarf, also Integrationsschüler, sehr, sehr gern ihre Kinder in diese Schule einschulen möchten. Die Empfehlung der Schulpsychologen ist auch gegeben, die Kinder in diese Schule einzuschulen. Das heißt, hier hätten wir eine Zahl von 15, möglicherweise 16 Schülern.

Die Sächsische Bildungsagentur, Regionalstelle Chemnitz, verhindert und verzögert das, weil die Regionalstelle sagt: Nein, die Schüler gehen da nicht hin, weil es hier einen Mitwirkungsentzug geben wird. Demzufolge können wir die Schüler da nicht hingeben. Das ist doch kein sensibler Umgang mit Schulschließungen bzw. Mitwirkungsentzügen. Hier erwarte ich, dass das Kultusministerium umgehend – die Stellungnahme haben Sie sicher schon, weil der 27. schon vorbei ist – eine Entscheidung trifft, dass hier kein Mitwirkungsentzug durchgeführt wird,

(Beifall bei der Linksfraktion)

weil wir, gerade wenn es uns um jeden Schüler geht, wie wir es gestern ausführlich von der Staatsregierung gehört haben, genau hier die Stelle haben, an der wir für jeden Schüler – auch für die, die besonderen Förderbedarf benötigen – eine Möglichkeit sehen, dass wir eine sehr familiäre Umgebung in dieser Schule erreichen könnten.

Nehmen wir das zweite Beispiel: Mittelschule Lohsa. Die Mittelschule Lohsa ist eine Mittelschule, die auch keine 5. Klasse, zumindest im Verfahren der Mitwirkungsentzüge, erhalten soll. Die Mittelschule Königswartha, bei der bereits eine Entscheidung getroffen wurde, dass sie schließen soll, hat die Option bekommen, zumindest die Eltern, als Alternative ihre Kinder, an die Mittelschule Lohsa zu schicken. Was ist passiert? In Königswartha hat sich eine Schule in freier Trägerschaft gebildet. Das heißt, auch die Mittelschule Lohsa hat für das kommende Schuljahr nicht genügend Schüler in der 5. Klasse und ist im Mitwirkungsentzug enthalten.

Frau Dr. Stange hat es schon gefragt: Ist es wirklich Ihr Ziel, Herr Staatsminister – das wird jetzt in mehreren Kommunen passieren –, die staatlichen Schulen zu schließen und dafür Schulen in freier Trägerschaft in weiteren Größenordnungen aufzubauen? Sie werden nur drei Jahre das Geld sparen. Natürlich sparen Sie an dem Geld der Lehrerinnen und Lehrer, das ist schon klar. Ich sehe hier einen direkten Zusammenhang, dass Sie das Geld sparen wollen, auch wenn es nur für drei Jahre ist.

Eine letzte Bemerkung, die ich heute unbedingt bringen muss. Wir haben eine Kleine Anfrage gestellt, meine

Kollegin Frau Pinka und ich, in der es darum ging, sich einmal die Schulnetzplanung anzuschauen. Welche Auswirkungen hat die neue Bildungsempfehlung auf die Schulnetzplanung?, war unsere Frage, weil ja die kreisfreien Städte und die Kreise die neuen Schulnetzpläne machen müssen. Die Antwort von Ihnen, aus Ihrem Hause heißt: Das wissen wir nicht, das können wir überhaupt nicht einschätzen. – Sie können nicht einschätzen, wie es aussehen wird, machen aber schon die Mitwirkungsentzüge in diesem Bereich.

Ich möchte hier und heute von Ihnen hören – auch im Namen meiner Fraktion –: Werden Sie Mitwirkungsentzüge von den 20 Grundschulen und den 17 Mittelschulen aussprechen oder werden Sie es nicht tun? Nehmen Sie heute dazu Stellung!

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)