Protokoll der Sitzung vom 19.05.2010

Ich möchte an der Stelle vor allen Dingen feststellen, dass die Belange des Datenschutzes im Freistaat Sachsen mit Sicherheit nicht durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wahrgenommen werden, sondern durch den Datenschutzbeauftragten des Freistaates Sachsen. Der Datenschutzbeauftragte hat zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. Er hat in der Tat die Regelung im § 8 Abs. 5 moniert. In der Diskussion haben auch wir als Koalition gesagt, dass die Regelung im § 8 Abs. 5 so nicht mitzutragen ist. Wir haben deshalb im Ausschuss eine Streichung dieses Absatzes eingebracht. Dem ist der Ausschuss gefolgt.

In der weiteren Diskussion – im Übrigen mit Beteiligung des Datenschutzbeauftragten, der ausdrücklich unserem Änderungsantrag zustimmt – haben wir eine neue Formulierung hereingebracht.

Das, was Sie jetzt vorschlagen, geht weit über das hinaus, was aus datenschutzrechtlichen Gründen erforderlich ist. Es ist durch den Datenschutzbeauftragten in keiner Weise verlangt worden. Im Übrigen möchte ich anmerken, dass das, was Sie vorschlagen, nämlich im Anschluss diese Rechtsverordnung durch den Landtag beschließen zu lassen, der gängigen Praxis zu Rechtsverordnungen widerspricht. Das ist nach meiner Auffassung ein verstecktes Gesetzgebungsverfahren durch die Hintertür, das so nicht vorgesehen ist. Deshalb wird die Koalition Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gibt es weiteren Gesprächsbedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich jetzt über diesen Änderungsantrag in der Drucksache 5/2479 abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmen dafür und einer Reihe von Gegenstimmen wurde der Antrag der GRÜNEN mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe die Drucksache 5/2481 auf, Änderungsantrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion. Wird noch einmal Einbringung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Möchte noch jemand dazu sprechen? – Das scheint auch nicht der Fall zu sein. Dann lasse ich nun über diesen Änderungsantrag abstimmen. Wer ist für diesen Antrag? – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen wurde dieser Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Ich schlage Ihnen vor, dass wir jetzt artikelweise über den Gesetzentwurf abstimmen.

Ich beginne mit der Überschrift und der Fußnote zur Überschrift. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Gegenstimmen wurde der Überschrift und der Fußnote zur Überschrift zugestimmt.

Ich rufe auf Artikel 1, Gesetz über die Geodateninfrastruktur im Freistaat Sachsen. Wer gibt die Zustimmung?

Die Gegenstimmen, bitte? – Und die Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Gegenstimmen wurde Artikel 1 mit Mehrheit zugestimmt.

Ich rufe auf Artikel 2, Änderung des Sächsischen Vermessungs- und Geobasisinformationsgesetzes. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Und die Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Gegenstimmen wurde Artikel 2 mit Mehrheit zugestimmt.

Ich rufe auf Artikel 3, Inkrafttreten. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Und die Stimmenthaltungen? – Auch hier gibt es mit Gegenstimmen und Stimmenthaltungen eine Mehrheit für Artikel 3.

Ich stelle nun den Entwurf Gesetz über das Geoinformationswesen im Freistaat Sachsen in der in der 2. Lesung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Und die Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Gegenstimmen wurde der Entwurf des Gesetzes mit Mehrheit beschlossen.

Meine Damen und Herren! Mir liegt ein Antrag auf unverzügliche Ausfertigung dieses Gesetzes vor. Gibt es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das auch beschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Förderung der Teilnahme von Kindern an Früherkennungsuntersuchungen

Drucksache 5/1610, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP

Drucksache 5/2225, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales und Verbraucherschutz

Es gibt hierzu eine allgemeine Aussprache. Es beginnt die CDU. Danach folgen FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht.

Ich erteile nun der CDU-Fraktion, Herrn Abg. Krauß, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stellen Ihnen heute das Gesetz zur Förderung der Teilnahme von Kindern an Früherkennungsuntersuchungen, kurz Kinderschutzgesetz, zur Abstimmung. Es geht also um die sogenannten U-Untersuchungen, die keine Pflicht sind. Sie sollen es auch nicht werden. Wir sagen, dass diese UUntersuchungen für die Kinder gut sind und dass wir uns wünschen, dass auch möglichst viele, möglichst alle Eltern an diesen Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen. Was ist das Ziel der Früherkennungsuntersuchungen?

Defekte und Erkrankungen sollen frühzeitig erkannt werden, insbesondere solche, die eine normale körperli

che und geistige Entwicklung des Kindes in besonderem Maße gefährden. Der Kinderarzt, zu dem die Kinder gehen, prüft: Hat sich das Kind zeitgerecht körperlich entwickelt, hat das Kind Sprachstörungen, wie ist die Aussprache des Kindes, ist das Kind übergewichtig, hat es allergische Erkrankungen? All das stellt der Kinderarzt fest. Ich glaube, es ist gut, wenn diese Erkrankungen und Defekte frühzeitig erkannt werden und wenn dann darauf reagiert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt auch Nebeneffekte der Untersuchungen, die ich ebenfalls gern ansprechen möchte. Natürlich hat auch der Kinderarzt die Möglichkeit, bei diesen Untersuchungen zum Beispiel auf Impfungen hinzuweisen. Wir wissen, dass ein geimpftes Kind in einem besseren Gesundheitszustand ist als ein Kind, das nicht geimpft ist. Natürlich ist es auch möglich, dass der Kinderarzt Vernachlässigungen, Verwahrlosung, Kindesmisshandlung oder sexuellen Missbrauch von

Kindern bei diesen Vorsorgeuntersuchungen als Nebeneffekt erkennt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gesetzesmaterie zum Thema Kinderschutz ist eine relativ neue. Die Länder haben sich entschlossen, über die Jugendministerkonferenz im Jahr 2005 hier tätig zu werden. Wir haben gesagt, wir wollen das bestehende Gesetz, das relativ neu ist, aufgrund von Erkenntnissen, die wir gewonnen haben, überarbeiten, zum einen wie unser Gesetz hier in Sachsen funktioniert und wie es umgesetzt wird. Wir haben auch festgestellt, dass wir noch etwas verbessern können, zum Beispiel entbürokratisieren. Wir haben die Erfahrungen zu den Kinderschutzgesetzen in den anderen Bundesländern aufgegriffen und diese in unseren Gesetzentwurf eingearbeitet. Wir nahmen zum Beispiel eine Arbeitsentlastung der Gesundheitsämter vor, die sinnvoll ist. Wir haben auch gerade im Gesetzgebungsverfahren zu diesem Gesetz Anregungen des Datenschutzbeauftragten aufgegriffen, für die ich mich bedanken möchte, auch wenn der Datenschutzbeauftragte vielleicht nicht ganz glücklich dabei ist. Aber insgesamt kann er zumindest frohgemut sein, dass wir sehr viele Punkte, die er angesprochen hat, in das Gesetz eingearbeitet haben. Wir glauben, dass das Gesetz damit nicht schlechter, sondern besser geworden ist.

Wie funktioniert nun dieses Einladungswesen? Wie soll es gelingen, dass möglichst viele Kinder an U-Untersuchungen teilnehmen? Alle Eltern, die ein Kind im Alter von drei Monaten bis zu vier Jahren haben – es geht also um die U-Untersuchungen U4 bis U8 – erhalten durch die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen eine Einladung mit Argumenten, wieso man an Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen sollte. Wir wollen die Eltern überzeugen, dass das etwas Gutes ist, und wenn das Kind nicht zu Vorsorgeuntersuchungen kommt, erhalten die Eltern von der Kassenärztlichen Vereinigung ein Erinnerungsschreiben zugeschickt.

Dieses Einladungswesen bezieht sich sowohl auf die gesetzlich Versicherten als auch auf diejenigen, die privat versichert sind. Die Daten kann die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen von der Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung abfordern. Wenn ein Kind irgendwo gemeldet ist, dann sind das Daten, die an die Kassenärztliche Vereinigung gehen. Nimmt ein Kind nicht teil, dann – wie gesagt – gibt es ein Erinnerungsschreiben der Kassenärztlichen Vereinigung an die Eltern. Die Information, ob ein Kind teilgenommen hat, bekommt die Kassenärztliche Vereinigung von den Kinderärzten, die dies melden. Dann findet dieser Datenabgleich statt, bei dem man feststellen kann, welche Kinder teilgenommen haben und welche nicht. Interessant ist dann: Was ist mit denen, die nicht teilgenommen haben?

Wenn auch nach der Erinnerung durch die Kassenärztliche Vereinigung keine Teilnahme des Kindes erfolgt, gibt diese eine Information an das Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt wendet sich nun an die Eltern und bietet Hilfe und Unterstützung an. Erst wenn die Eltern auf die

angebotene Hilfe nicht reagieren und es im jeweiligen Fall Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung gibt, soll das Gesundheitsamt die Daten an das zuständige Jugendamt weiterleiten. Das Jugendamt übernimmt dann die weitere Klärung.

Ich gehe davon aus, dass wir durch dieses Verfahren Kindern und Eltern helfen können, von denen wir bislang nicht wussten, dass sie Hilfe brauchen. Ich will es noch einmal ganz deutlich sagen: Die Untersuchungen sind keine Pflicht. Die Eltern müssen ihre Kinder nicht an den Untersuchungen teilnehmen lassen. Wir empfehlen es den Eltern. Wir wünschen das. Wir stellen die Eltern aber nicht unter einen Generalverdacht, dass sie ihre Kinder schlecht erziehen würden. Wenn Eltern ihr Kind nicht teilnehmen lassen, so ist das möglich und wird keine Sanktionen zur Folge haben. Folgen wird es für die Eltern nur haben, wenn sie ihr Kind vernachlässigen. Das ist – glaube ich – auch gut und richtig so. Wenn dem Gesundheitsamt bekannt wird, dass ein Kind vernachlässigt wird, dann informiert es das Jugendamt und dann bin ich sicher, dass das Jugendamt auch die richtigen Maßnahmen ergreift.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es galt zwei Rechtsgüter abzuwägen. Die Eltern haben das Recht zur Erziehung ihres Kindes. Es ist gut so, dass sie das haben. Wir haben das andere Rechtsgut, dass wir Kindesmisshandlungen entgegnen, dass wir das nicht zulassen wollen. Das galt es in diesem Gesetzgebungsverfahren abzuwägen. Ich glaube, das ist uns gelungen. Wir haben einen guten Kompromiss gefunden. Wir haben ein gutes Gesetz aufgestellt und deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte ich Sie herzlich um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die FDP-Fraktion hat in der ersten Runde keine Rednerin gemeldet. Damit kommen wir zur Fraktion DIE LINKE. Frau Lauterbach, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Die Eltern sind meist glücklich und erleichtert, dass die Strapazen der Schwangerschaft und Geburt bewältig sind, der Nachwuchs das Licht der Welt gesund und munter erblickt hat. Doch was, wenn das Kind unbemerkt eine Krankheit in sich trägt oder die Entwicklung gestört ist, ohne dass es rechtzeitig bemerkt wird? Nicht jedes Kind entwickelt sich gleich, aber bestimmte Stufen der Entwicklung lassen sich schon ausmachen. Hier setzen die vorschulischen Früherkennungsuntersuchungen an, die von den Krankenversicherungen auch bezahlt werden. Sie gewährleisten, dass das Kind alle notwendigen Impfungen erhalten kann.

Dieser Schutz soll jedem Kind zuteil werden. Um das zu sichern, wurde durch die Staatsregierung ein Handlungs

konzept für präventiven Kinderschutz gestartet. Ein wichtiger Bestandteil ist der vorliegende Gesetzentwurf. Bereits zum ersten Gesetzentwurf genau vor einem Jahr gab es eine ausführliche Diskussion; und doch hatte es immer den Anschein, dass es nicht genügend Zeit gab, dieses Gesetz auszudiskutieren. Auch der Datenschutzbeauftragte, Herr Schurig, war mit dem Gesetzentwurf nicht zufrieden. Genau das fällt uns jetzt auf die Füße. Wir müssen heute nachbessern. Das ist auch richtig so, weil wir am Ende der letzten Legislaturperiode die Entscheidungen überstürzt und datenschutzrechtliche Bedenken nicht berücksichtigt haben.

Liebe Abgeordnete! Dieses Gesetz hat drei Ziele. Es geht um den Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Gefährdung. Es geht um ihr gesundes Aufwachsen, und es geht darum, dass der Staat die Verantwortung, die er hat, auch wahrnehmen kann, und zwar möglichst, bevor das Kind Schaden nimmt.

Es ist ein Balanceakt – ja, ein Balanceakt – zwischen den Rechten der Eltern und dem Wächteramt des Staates, zwischen Datenschutz und Kinderrechten und letztlich auch dahin gehend, wann Motivation der Eltern das Mittel der Wahl ist und wann wer und wie eingreifen muss. Das ist nicht einfach. Aber das haben wir vorher gewusst und wir wollen es uns auch nicht einfach machen. Es geht um den Schutz unserer Kinder. Sie brauchen unsere Hilfe für ein gesundes Aufwachsen und das wollen wir allen Kindern in Sachsen ermöglichen.

Die Fraktion DIE LINKE unterstützt vom Grundsatz her das Anliegen, die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen zu erhöhen. Es wird davon ausgegangen, dass durch die schriftliche Erinnerung zumindest diejenigen Familien gut darauf achten, die unabsichtlich diese Termine nicht präsent haben. Zu befürchten ist allerdings, dass die Umsetzung nicht etwa durch einen Mangel an gesetzlicher Regulierung eingeschränkt ist, sondern durch einen Mangel an ärztlichen Fachkräften. Es ist bekannt, dass in einigen Regionen Kinderärztinnen und -ärzte fehlen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Schlimm genug!)

Auch durch fehlendes Personal in den Gesundheitsämtern kann das Angebot zur Durchführung der Untersuchungen in den Kitas und Schulen oft nicht umfassend unterbreitet werden. Deshalb sollten parallel jetzt schon Maßnahmen zur Darstellung und Schließung von Lücken ergriffen werden und nicht erst nach der Evaluation des Gesetzes.

Im Übrigen gab die Enquete-Kommission „Demografische Entwicklung“ diese Empfehlung bereits vor anderthalb Jahren, nämlich den Bedarf mittels einer Studie zu analysieren, um Lücken zu erkennen und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Diese Empfehlung wurde durch das Sozialministerium bisher noch nicht aufgegriffen. Wir sehen aber hierzu dringenden Handlungsbedarf.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Richtig!)

Dem Gesetzentwurf stimmt DIE LINKE aber zu.

(Beifall bei der Linksfraktion)